eJournals Internationales Verkehrswesen 63/3

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0045
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2011
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Trassenvermarktung

51
2011
Andreas Tanner
Kay  Mitusch
Nutzungsentgelte für die Schieneninfrastruktur sind ein Thema von erheblicher verkehrspolitischer und volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Besonderheit des Verkehrsträgers Eisenbahn liegt darin, dass − zumindest theoretisch − Kapazitätsprobleme durch den Fahrplankonstruktionsprozess gelöst werden sollen und sich Engpässe nicht durch Staus, sondern durch abgelehnte Trassenwünsche manifestieren. Ist es daher möglich, ein Preissystem zu etablieren, das die Knappheit von Trassen exakt relektiert?
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POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 15 U nter einer Trasse versteht man ein genau deiniertes Nutzungsrecht des Schienennetzes; zum Beispiel das Recht, mit einem (näher zu bestimmenden) Güterzug zu einer bestimmten Zeit mit einer bestimmten Geschwindigkeit eine bestimmte Eisenbahnstrecke zu fahren. Grundsätzlich bieten sich zwei Ansätze der Knappheitsbepreisung an: ein Auktionsverfahren und ein Listenpreisverfahren für räumlich und zeitlich deinierte Infrastrukturelemente. Die Entwicklung und Untersuchung solcher Verfahren war das Thema des Forschungsprojekts Trassenbörse, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. An dem interdisziplinären Projekt waren Eisenbahningenieure, Spezialisten für mathematische Optimierung und Volkswirte beteiligt. Die Möglichkeiten der mathematischen Optimierung einer großen Zahl von Trassenwünschen sind von grundsätzlichem Interesse für eine hohe Auslastung von Schienennetzen, auch unabhängig von der Art der Trassenvermarktung [2]. Gleiches gilt für die Möglichkeiten einer geeigneten makroskopischen Abbildung des Bahnbetriebs, die eine Optimierung (oder andere, heuristische Verfahren zur Ermittlung guter kombinatorischer Lösungen) von unnötigem Informationsballast entlastet, andererseits aber den Test der Umsetzung in eine mikroskopische Simulationssoftware in der Regel besteht [6]. In diesem Aufsatz konzentrieren wir uns auf die volkswirtschaftlichen Aspekte des Projektes - und haben durchaus überraschende Resultate zu bieten. Modellierungsgrundlagen Eisenbahnbetriebliche Modellierung Die Fahrplanberechnung beruht auf dem makroskopischen Infrastrukturmodell OPTRA [1]; [6]. Als Infrastrukturelemente gibt es Knoten und (gerichtete) Kanten, wobei sich die Knoten nach Stationen und Pseudoknoten untergliedern. Es wird mit diskreter Zeit, standardmäßig mit 1 min- Aulösung, gerechnet. Schematisierte Zugtypen deinieren die Fahrzeiten auf jeder Kante. Auf den Kanten müssen Zugfolgezeiten eingehalten werden, die Mindestabstände der Einfahrzeiten deinieren. Wenn ein Zug eine Station in der entgegengesetzten Richtung wieder verlässt, muss zudem eine Wendezeit berücksichtigt werden. Die Kapazität einer Station wird über die Zahl der Züge deiniert, die dort gleichzeitig bedient werden können. Dies alles wird nach Zugtypen und weiteren Eigenschaften unterschieden. In Pseudoknoten kann kein Zug halten oder wenden, sie dienen lediglich als Verknüpfungspunkte für Kanten. Ein konkreter Zuglauf wird als Pfad durch den zeitexpandierten Graphen des makroskopischen Infrastrukturmodells dargestellt. Er enthält die Zeiten, zu denen der Zug die benötigten Infrastrukturelemente belegt bzw. freigibt. Ein fahrbarer Fahrplan entspricht einer konliktfreien Pfadmenge, also einer Pfadmenge, welche die genannten Restriktionen einhält. Ökonomische Nachfragemodellierung und der Begrif der Eizienz Um die ökonomische Eizienz eines Trassenzuteilungsverfahrens bewerten zu können, muss der hinter einem Trassenwunsch stehende ökonomische Nutzen der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) dargestellt werden. Dies wird durch Slotrequests realisiert. Ein Slotrequest speziiziert einen Trassenwunsch zeitlich und räumlich und verknüpft ihn mit einer Gebotshöhe, dem Basiswert. Zur räumlichen Speziikation werden die gewünschten Halte angegeben, zur zeitlichen Speziikation die bevorzugten Ankunfts- und Abfahrzeiten. Die genaue Streckenführung wird nicht festgelegt. Die Zeitspeziikation erlaubt die Angabe eines bevorzugten Zeitpunktes, eines zulässigen Zeitintervalls sowie eines linearen Abschlages von der Gebotshöhe für die Abweichung vom optimalen Zeitpunkt innerhalb des zulässigen Intervalls [7]. Um das Modell einfach zu halten, sehen wir von Abhängigkeiten zwischen Trassennachfragen (z. B. für Taktverkehre oder Zugumläufe) ab. Zumindest für den Güterganzzugverkehr sollte dies Trassenvermarktung Nutzungsentgelte für die Schieneninfrastruktur sind ein Thema von erheblicher verkehrspolitischer und volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Besonderheit des Verkehrsträgers Eisenbahn liegt darin, dass − zumindest theoretisch − Kapazitätsprobleme durch den Fahrplankonstruktionsprozess gelöst werden sollen und sich Engpässe nicht durch Staus, sondern durch abgelehnte Trassenwünsche manifestieren. Ist es daher möglich, ein Preissystem zu etablieren, das die Knappheit von Trassen exakt relektiert? Auktion versus Listenpreisverfahren Interdisziplinäres Forschungsprojekt Trassenbörse (gefördert vom BMWi): b Volkswirte (Leitung): TU Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) b Mathematiker: Zuse-Institut Berlin (ZIB) b Eisenbahningenieure: TU Berlin, Fachgebiet Schienenfahrzeuge und Bahnbetrieb (SFWBB), und TU Braunschweig, Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb (IVE) b Management Consultants Ilgmann, Miethner, Partner (IMP) POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 16 zulässig sein, so dass wir im Folgenden Güterzüge betrachten. Der Wert eines Fahrplans ist die Summe der Einzelnutzen der realisierten Slotrequests. Die Allokationseizienz eines Fahrplans ist für ein konkretes Nachfrageszenario deiniert als Quotient aus (i) dem volkswirtschaftlichen Nutzen der realisierten Allokation und (ii) dem volkswirtschaftlichen Nutzen der optimalen Allokation auf Grundlage der privaten Wertschätzungen der EVUs („Benchmark-Allokation“). Maximalwert der Allokationseizienz ist 1. Das Eizienzpotenzial Dass ein Listenpreisverfahren zu Ineizienzen führt, ist in der Literatur bekannt. Wir wollen eine Abschätzung der Größenordnung dieser Ineizienzen durchführen. Dazu untersuchen wir ein einfaches, auf einem einheitlichen Kilometerentgelt beruhendes Listenpreisverfahren. Dies entspricht idealisierend den Trassenpreissystemen in den meisten Ländern (allerdings unterscheiden wir nicht Kilometerpreise für verschiedene Zugtypen). In unseren Simulationsrechnungen wählen wir denjenigen Kilometerpreis, bei dem der Wert der Listenpreis-Allokation maximal wird. Um die Eizienz dieser Allokation zu berechnen, müssen wir zudem die Benchmark-Allokation bestimmen. Unsere Methodik beruht auf folgenden Elementen (siehe [5]): b Das makroskopische Netz „HaKaFu“ (Abbildung- 1), welches das Schienennetz der Region Hannover − Kassel − Fulda umfasst (erstellt vom Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb der TU Berlin sowie dem IVE Braunschweig). b Die Optimierungssoftware TS-OPT (entwickelt vom Konrad-Zuse-Institut), die vollautomatisch einen Fahrplan berechnen kann, der die Gesamtsumme der den Trassenanmeldungen (Slotrequests) zugewiesenen Werte maximiert. Diese Werte sind - die km-basierten Listenpreise für das Listenpreisverfahren, - die privaten Wertschätzungen für das Optimum (Benchmark). b Eine nach Gütergruppen gegliederte Verkehrsmatrix für den Güterverkehr, der im Untersuchungsgebiet seinen Ursprung oder seine Bestimmung hat oder es passiert. b Ein Verkehrsmodell, das aus der Verkehrsmatrix sowie diversen eisenbahntechnischen Daten stochastisch Slotrequests generiert. b Ein stochastisches Modell für die privaten Wertschätzungen der Slotrequests. Nachfrage- und Verkehrsmodell Die Online-Datenbank des Statistischen Bundesamtes, GENESIS, enthält Daten über Transportmengen für den Schienengüterverkehr, die nach sog. Güterhauptgruppen gegliedert sind. Eisenbahnverkehrliches Spezialwissen 1 erlaubte es, einerseits den Güterströmen Transportkorridore durch das Untersuchungsgebiet „HaKaFu“ zuzuordnen sowie aus den Tonnenkilometerangaben ungefähre Zugzahlen, unter Berücksichtigung notwendiger Leerfahrten, zu erhalten. Die Zugzahlen konnten mit Expertenwissen validiert werden. Um die Rechenzeit zu beschränken, wurden sie auf ein Zeitfenster von 1 h herunter gebrochen. Die konkreten Slotrequests wurden stochastisch als Poisson-Prozess modelliert. Der Intensitätsparameter des Poisson-Prozesses wurde mit einem multiplikativen Skalierungsfaktor versehen und so gewählt, dass wir in Simulationen mit einem Skalierungsfaktor von 1 Trassenbelegungen erhalten, die ungefähr den im Verkehrsmodell ermittelten Zugzahlen entsprechen. Die zeitliche Flexibilität der Trassenbestellungen wurde einheitlich auf ± 5 Minuten gesetzt. Um die Zahlungsbereitschaften der EVU abzuschätzen, sind wir wie folgt vorgegangen: Nach Aussagen von Marktteilnehmern liegen die erzielten Margen im Schienengüterverkehr zwischen 2 % und 6 %, der Kostenanteil der Trassen liegt bei 25 %. Da die maximalen Zahlungsbereitschaften bei dem Wert liegen, der die Marge auf 0 % drücken würde, können wir auf Zahlungsbereitschaften schließen, die zwischen 8 % und 24 % über den aktuellen Listenpreisen liegen. Wir nehmen an, dass die Zahlungsbereitschaften normalverteilt sind. Für die Schätzung der Varianz setzen wir an, dass 80 % der Werte im genannten Intervall zwischen 8 % und 24 % liegen. Simulationsrechnungen Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der Simulationsrechnungen. Da für jeden Skalierungsfaktor mehrere Simulationen ( jeweils auf Basis unterschiedlicher Realisationen der stochastischen Slotrequests) durchgeführt wurden, geben wir jeweils die Minimal-, Mittel- und Maximalwerte an. Die zweite Spalte zeigt die Zahl der Trassenbestellungen, die dritte Spalte die Zahl der zugeteilten Trassen. Die Eizienz wird in der vierten Spalte angegeben. Das berechnete Eizienzpotenzial - also die Diferenz zwischen der erreichten Eizienz und dem Wert 1 - liegt zwischen 0 und 10 %. Es erhöht sich mit steigender Nachfrage. Folgende Überschlagsrechnung soll eine Vorstellung von der Größenordnung vermitteln: Im Jahr 2009 wurden Güterverkehrstrassen im Wert Skalierungsfaktor Anzahl Trassenbestellungen (min mittel max) Anzahl realisierbare Züge Eizienz 0.8 14 - 19.2 - 26 9 - 12.2 - 14 1.000 - 0.991 - 0.955 1 17 - 24.3 - 29 13 - 15.5 - 17 1.000 - 0.990 - 0.968 1.5 28 - 37.6 - 45 18 - 20.5 - 28 1.000 - 0.961 - 0.912 2 34 - 48.3 - 63 18 - 24.8 - 34 0.998 - 0.970 - 0.933 2.5 44 - 60 - 72 31 - 30.3 - 44 1.000 - 0.965 - 0.841 4 68 - 86.6 - 105 38 - 38.7 - 68 0.970 - 0.934 - 0.905 6 121 - 138.3 - 152 45 - 48.6 - 121 0.950 - 0.911 - 0.877 Tab. 1: Zusammenhang zwischen Nachfrage (SGV, HaKaFu, 1 h), Zuteilungen und Eizienz eines herkömmlichen Listenpreisverfahrens Abb. 1 : HaKaFu-Netz, Abbildung mit Travis, ZIB Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 17 POLITIK Wissenschaft Jede konkrete Trasse besteht aus einer Sammlung von Token, die „im Paket“ gekauft werden. Der Trassenpreis entspricht der Summe der Preise der benötigten Token. Die zu bezahlende Belegungsdauer in einer Station entspricht der Verweildauer des Zuges in der Station. Für Kantenbelegungen liegen die Dinge komplizierter, da die Zugfolgezeit - d. h. die efektive Belegungszeit - von den Eigenschaften (Zugtyp und Fahrdynamik) sowohl des vorausfahrenden als auch des nachfolgenden Zuges abhängt. Naheliegend ist es, die für die Zahlung relevante Belegungsdauer mit einer (eventuell geeignet gewichteten) Durchschnittsbildung über alle möglichen Proile nachfolgender Züge zu bestimmen. Wir präsentieren Rechnungen mit nur einem Zugtyp. Zudem sehen wir von zeitlichen oder räumlichen Variationsmöglichkeiten von Trassen ab, so dass jeder Slotrequest nur durch einen einzigen Optra-Pfad implementiert werden kann. Eizienz token-basierter Allokationen Die optimale preisgestützte Allokation und die optimalen Tokenpreise price(T) ergeben sich aus dem folgenden linearen Programm. Dabei steht p für verschiedene Optra-Pfade bzw. Trassen (also hier Züge). Q sei die Menge aller nachgefragten Trassen. Die Indikatorfunktion X(p) gibt an, ob Trasse p zugeteilt wird (1) oder nicht (0). Die Zahlungsbereitschaft für die Trasse wird mit pathvalue(p) bezeichnet, so dass in der ersten Zeile die Summe der Zahlungsbereitschafvon ca. 600 Mio. EUR verkauft. 2 Setzt man den Mittelwert der Marge (16 %) an und berücksichtigt entsprechend den Wachstumsprognosen für den Güterverkehr einen Skalierungsfaktor von 1,5, so ergibt sich ein Eizienzpotenzial im Wert von ca. 40 Mio. EUR. Dies wäre eine untere Abschätzung des volkswirtschaftlichen Gewinns, den man zukünftig erhalten könnte, wenn man allein die Güterverkehrstrassen nicht nach einem kilometer-basierten Listenpreissystem, sondern mit einer Auktion zuteilen würde. Allerdings würden beide Allokationsverfahren in der Praxis nicht so perfekt funktionieren wie in den Simulationen. Token-basierte Preissysteme Die Preisindung des oben beschriebenen Listenpreisverfahrens beruht auf der Länge einer Trasse. Es ist naheliegend, ein reformiertes Listenpreissystem zu entwickeln, in dem die Preisdiferenzierung den Knappheitsverhältnissen angepasst wird. Ziel ist es, durch geeignete Preisindung eine möglichst eiziente Trassenvermarktung zu erzielen. Infrastrukturkapazität als ökonomisches Gut Als „Token“ bezeichnen wir ein Belegungsrecht für ein bestimmtes Infrastrukturelement (Station oder Gleisabschnitt) während einer bestimmten Zeitspanne. Wir bestimmen Preise für einzelne Token. Für die Dauer einer sog. „Zeitscheibe“ sind die Minutenpreise konstant; die Zeitscheibengröße ist ein freier Parameter. Abb. 2: Eizienz der token-basierten Allokation in Abhängigkeit von der Zuganzahl, für Zeitscheiben von 5, 10, 15, 30, 60 Minuten Abb. 2: Eizienz der token-basierten Allokation in Abhängigkeit von der Zuganzahl, für Zeitscheiben von 5, 10, 15, 30, 60 Minuten Optimierte Listenpreise für die zeitlich deinierte Belegung von Infrastrukturelementen (Token) POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 18 scherweise wird eine solche Preisindung durch einen Tâtonnementprozess beschrieben. Dabei handelt es sich um einen iterativen Prozess, bei dem Preiserhöhungen für übernachgefragte und Preissenkungen für unternachgefragte Güter stattinden. Der Prozess endet, wenn alle Bestellungen angenommen werden. Wir haben einen solchen Prozess durch eine Simulation nachvollzogen. Abbildung 3 zeigt den Verlauf der Eizienz während des Iterationsverfahrens. Nach ca. 20 Iterationen liegt die Eizienz über 95 %. Schließlich haben wir untersucht, wie sich die Einführung eines zweiten Zugtyps in das Szenario auswirkt. Erwartungsgemäß verringert sich die Eizienz, wenn die Heterogenität der Fahreigenschaften der Züge zunimmt, jedoch blieb sie stets über 95 %. Auktionen oder token-basiertes Listenpreissystem als geeignete Form der Trassenallokation? Eine kombinatorische Auktion besticht durch Stringenz und Perfektionismus. Ungewöhnlich ist an ihr jedoch, dass eine kombinatorische Optimierung über die Grenzen konkurrierender Firmen hinweg stattindet. Sonst wird die kombinatorische Optimierung meistens zur Optimierung irmeninterner Abläufe oder in einer Planwirtschaft eingesetzt. 3 Beiden Situationen ist gemein, dass keine Interessenskonlikte zu lösen sind und dass die Modellentwicklung, also die Festsetzung der Nebenbedingungen und Zielfunktionen, intern stattindet. Fraglich ist daher, ob eine kombinatorische Auktion den Anforderungen eines Trassenmarkts ten der zugeteilten Züge maximiert wird. Die erste Nebenbedingung stellt schematisch die Konliktfreiheit des Fahrplans im Optra-Modell dar. Hinter ihr verbirgt sich ein Satz linearer Nebenbedingungen für die Knoten- und Kantenrestriktionen. max feas ( )pathvalue( ) ({ : ( ) , ( ) price T Q p p p p Q p ∈ ∑ ∈ = = = ≤ = 1 1 0 }) ( ) pathvalue( ) ( ) price( ) price( p p p p p )) { , } pathvalue( ) ( ) ≥ ∈ p p 0 1 Der Preis einer Trasse price(p) entspricht der Summe der Preise der benötigten Token. Die beiden Preisgleichgewichtsbedingungen besagen, dass die Preise für akzeptierte Slotrequests die private Zahlungsbereitschaft nicht übersteigen dürfen, während abgelehnte Slotrequests preislich unattraktiv sind, d. h. ihr Preis liegt oberhalb der Zahlungsbereitschaft. Das Maximum wird über alle möglichen Pfadvergaben und alle möglichen Tokenpreise bestimmt, d. h. als Ergebnis der Maximierung ergibt sich eine preisgestützte Allokation zusammen mit den sie stützenden Tokenpreisen. Abbildung 2 zeigt die Simulationsergebnisse. Wird die Zeitscheibengröße auf höchstens 15 Minuten gesetzt, liegen die Eizienzwerte oberhalb von 99 %. Preiserkundung durch Tâtonnement Damit wurde gezeigt, dass bei richtiger Preissetzung der Token fast eiziente Allokationen erzielt werden können. Wie können diese Preise aber gefunden werden, wo doch die privaten Zahlungsbereitschaften unbekannt sind? Klassi- Abb. 3: Eizienz im Tâtonnementprozess Simulationsrechnungen weisen auf geringe Eizienzverluste bei token-basierten Preissystemen hin. Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 19 POLITIK Wissenschaft die regelmäßig überlastet sind, könnte nachgedacht werden. Es sollten dann ganze Trassen versteigert werden, die im Jahresfahrplan bereits vorkonstruiert wurden, z. B. Güterverkehrstrassen im Nachtsprung auf der Rheinschiene. Allerdings sollte auch hier zunächst das einfachere Instrument der Knappheitslistenpreise geprüft werden. Vermutlich wird eine Auktion erst dann besser abschneiden, wenn für eine größere Menge relativ homogener Trassen die Knappheit deutlich zunimmt. ɷ 1 Dank an Martin Balser, TU Berlin, Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb. 2 Nach Geschäftsbericht DB Netz, 2009, wurden Trassen im Wert von ca. 4 Mrd. EUR verkauft, davon entielen ca. 15 % auf den Güterverkehr. 3 Die Originalarbeit von Kantorovich zur linearen Programmierung (Kantorovich 1960) behandelt ein Produktionsproblem für eine Holzwerkstoffabrik [3]. In seiner Rede anlässlich der Nobelpreisverleihung 1975 betont er ausdrücklich die Bedeutung der zentralen Kontrolle der Ökonomie. gerecht wird. Die Kernkompetenz der EVU besteht in der Akquisition von Transportaufträgen sowie der Disposition von rollendem Material und Personal. Dabei sollte ihr Markt für Input- Güter, also insbesondere für Trassen, stabil und berechenbar sein. Eine kombinatorische Optimierung führt jedoch zu unkalkulierbaren Wechselwirkungen zwischen den Trassennachfragen. Hinsichtlich der Funktion von Preisen als Signale für die Nachfrager über die Marktbedingungen für Trassen sind die Preissignale, die eine kombinatorische Optimierung erzeugt, weitgehend nutzlos, weil instabil und schwer interpretierbar. Nach der Transaktionskostentheorie organisieren sich Firmen so, dass sie komplexe Transaktionen irmenintern halten und einfache über Märkte auslagern. Dies bedeutet umgekehrt: Wenn die Interaktion zwischen Infrastruktur und Transport als Markt zwischen verschiedenen Unternehmen gestaltet werden soll, dann muss der Trassenmarkt einfach und berechenbar gestaltet werden. Ein neuartiges, diferenziertes Listenpreisverfahren für Token erfüllt diese Voraussetzung. Die relativ schwierige Aufgabe, richtige Knappheitspreise für die Token zu bestimmen, wird dem Infrastrukturunternehmen (und dem Regulierer) überlassen. Hingegen ist die Interaktion mit den EVU einfach. Sie können sich über den Preis einer gewünschten Trasse idealerweise am Internet erkundigen, indem der Infrastrukturbetreiber entsprechende Software bereitstellt. Die vorgenommenen Simulationsrechnungen weisen zudem darauf hin, dass der volkswirtschaftliche Eizienzverlust vertretbar gering gehalten werden kann. Ein Trassenmarkt sollte ferner - ähnlich wie die Strommärkte - Möglichkeiten der längerfristigen Bindung, der Last-Minute-Bestellungen und des Wiederverkaufs bieten. Dabei sollte der Sekundärmarkt vorzugsweise über den Infrastrukturbetreiber organisiert werden, indem er Trassen zu vorgegebenen Bedingungen zurücknimmt und erneut verkauft. Eine kombinatorische Auktion wäre schwer mit einem Sekundärmarkt sowie einer kurzfristigen Trassenvergabe zu vereinen, da sie darauf beruht, dass sich die Trassenpreise in großen, umfassenden Verkaufsveranstaltungen jeweils aktuell am Markt bilden. Auch hier wäre ein token-basiertes Listenpreisverfahren aufgrund der relativen Stabilität der Preise im Vorteil. Welcher Platz bleibt für Auktionen im Trassenmarkt? Derzeit existiert noch (allerdings eher theoretisch) das sog. Höchstpreisverfahren (EIBV § 9 Abs. 6). Dies ist gleichbedeutend mit der Versteigerung eines isolierten Tokens. Ein Gewinner kann nicht sicher sein, ob er auch die anderen für eine Trasse benötigten Fahrtrechte erhält. Dieses Verfahren ist daher nicht hilfreich [4]. Über den selektiven Einsatz von (nicht kombinatorischen) Auktionen auf bestimmten Strecken, LITERATUR [1] BORNDÖRFER, R.; ScHlEcHTE, T. 2007: Models for Railway Track Allocation. conference Proceedings of 7 th Workshop on Algorithmic Methods and Models for Optimization of Railways, 2007. [2] BORNDÖRFER, R.; ScHlEcHTE, T.; WEIDER, S. 2010: Railway Track Allocation by Rapid Branching. conference Proceedings of 10 th Workshop on Algorithmic Methods and Models for Optimization of Railways, 2010. [3] KANTOROvIcH, l. v. 1960: Mathematical Methods of Organizing and Planning Production. Management Science, vol. 6, 1960, S. 366-422. [4] MITUScH, K.; TANNER, A. 2007: Trassenzuteilung und Konliktlösung nach neuer EIBv - Anmerkungen aus volkswirtschaftlicher Sicht. In M. Ronellenitsch und R. Schweinsberg, Herausgeber: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts XII, vorträge im Rahmen der Tagung am 6.-7. September 2006 in Tübingen. verlag Dr. Kovac, Hamburg, 2007, S. 169-197. [5] ScHlEcHTE, T.; TANNER, A. 2010: Railway capacity auctions with dual prices. Selected conference Proceedings of 12 th World conference on Transport Research, 2010. [6] SIEGMANN, J.; BAlSER M.; GIllE, A. 2011: Trassenplanung auf Basis abstrahierter Infrastrukturdaten. EI — Der Eisenbahningenieur, 62 (2011) 5. [7] NIlSSON, J. 2002: Towards a welfare enhancing process to manage railway infrastructure access. Transportation Research Part A 36 (5), 2002, S. 419 - 436. Andreas Tanner, Dr. IVU Traic Technologies AG andreas.tanner@ivu.de Kay Mitusch, Prof. Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung (IWW), Leiter Fachgebiet Netzwerkökonomie mitusch@kit.edu