Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0046
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2011
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Ausgezeichnete Logistikstandorte
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Steffen Nestler
Thomas Nobel
Güterverkehrszentren als Konsolidierungspunkte der Logistik an der Schnittstelle Nah-/Fernverkehr
haben sich in Deutschland erfolgreich durchgesetzt. Zusammen mit den italienischen Interporti zählen
sie zu den führenden Standorten in Europa und setzen die Leistungsstandards.
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LOGISTIK Güterverkehrszentren Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 20 Ausgezeichnete Logistikstandorte Güterverkehrszentren als Konsolidierungspunkte der Logistik an der Schnittstelle Nah-/ Fernverkehr haben sich in Deutschland erfolgreich durchgesetzt. Zusammen mit den italienischen Interporti zählen sie zu den führenden Standorten in Europa und setzen die Leistungsstandards. D eutschland verfügt mit 35 Standorten über die größte Anzahl von Güterverkehrszentren in Europa. In einer aktuellen Studie 1 der Deutschen GVZ-Gesellschaft (DGG) zum Benchmarking und Ranking der europäischen Güterverkehrszentren wird den deutschen GVZ ein hervorragender Leistungsstandard bescheinigt 2 (vgl. Abbildung-2). Ausgangspunkt der Studie war zunächst die Schafung eines einheitlichen und damit konsensfähigen GVZ-Verständnisses, das vor allem auf die Intermodalität und besonderen Managementstrukturen dieser makrologistischen Standorte abzielte. Demzufolge wurden nur Logistikstandorte berücksichtigt, die über eine entsprechende Ausrichtung verfügen. Dies bedeutet beispielsweise, dass Logistikparks an Autobahnkreuzen ohne Schienenanschluss oder klassische (Binnen-)Häfen nicht in die Bewertungen aufgenommen werden konnten. Einbezogen in die Studie wurden GVZ- Standorte aus insgesamt über 30 Ländern Europas. Nach mehreren Zwischenanalysen („Filterungen“) kamen letztendlich knapp 100 GVZ-Standorte in Europa in die nähere Betrachtung. Im Ergebnis der Studie zeigt sich, dass die GVZ-Landschaft in Europa noch sehr stark durch die etablierten Standorte in West- und Südeuropa geprägt ist. Erst relativ langsam kommt die Etablierung der GVZ-Idee in Osteuropa voran. Die sehr gute Positionierung der deutschen Güterverkehrszentren basiert in erster Linie auf den sehr hohen Beschäftigungswirkungen und umfangreichen Flächenoptionen. Die im europaweiten Benchmarking vergleichsweise hohe Anzahl an Beschäftigten basiert dabei auf der Tatsache, dass in den Güterverkehrszentren Unternehmen angesiedelt sind, die über die reinen TUL-Funktionen (Transport-Umschlag-Lagerung) hinaus hohe Wertschöpfungsanteile in den VAS- Dienstleistungen (Value Added Services) erwirtschaften. Hierdurch werden erhebliche Beschäftigungswirkungen erzielt, die auch im hohen Outsourcing-Anteil des Logistikdienstleistungssektors in Deutschland ihren Ausdruck finden. E ekte der GVZ Nach über 25 Jahren GVZ-Entwicklung in Deutschland ist ein umfangreiches Erfahrungs- und Ergebnisspektrum vorhanden. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen verschiedene Wirkungsebenen im Überblick: b Beginnend mit dem GVZ Bremen (1985) hat sich in 25 Jahren ein nahezu flächendeckendes GVZ-Netz mit insgesamt 35 Standorten in Deutschland entwickelt. Dabei ist festzustellen, dass es keine regionalen Konzentrationen gibt, sondern eine Gleichverteilung aller unterschiedlichen Entwicklungsstufen vorherrscht (vgl. Abbildung 2). Dass sich das GVZ-Konzept jedoch nicht in allen Regionen mit hoher Logistikintensität durchsetzen konnte, hat mehrere Gründe: So ist es z. B. in Ballungsräumen wie München Abb. 1: GVZ Bremen Foto: wfb Bremen Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 21 oder Rhein/ Main u. a. aufgrund begrenzter Flächenverfügbarkeit sowie hoher Grundstückskosten auch langfristig problematisch, im Umfeld der bestehenden KV-Terminals Logistikflächen für GVZ auszuweisen. Auch in den Seehäfen hat sich das GVZ-Modell bislang nur bedingt etablieren können. b Das herausragende Erfolgskriterium in den Güterverkehrszentren ist die flächendeckende Etablierung von KV-Terminals. Diese in den Anfangsjahren nicht zu erwartende Entwicklung wurde nachweislich insbesondere durch die Ende der 1990er Jahre wirksame KV-Förderrichtlinie des Bundes vorangetrieben. Heute bilden die KV-Terminals in den Güterverkehrszentren das Rückgrat des kontinentalen (und ansatzweise des maritimen) KV in Deutschland (Europa). b Bedingt durch die KV-Terminals ist festzustellen, dass die in den Güterverkehrszentren erreichten Verkehrsverlagerungen von der Straße auf den Verkehrsträger Schiene zu einer beachtlichen Reduzierung von Schadstofemissionen (insbesondere CO 2 - Ausstoß) des Güterverkehrs beitragen. b Das Feld „Grüne Logistik“ wird auch in den Güterverkehrszentren zunehmend thematisiert. Beim Thema „Klimaschutz/ Klimaanpassung“ gibt es vor allem Ansätze im Bereich Klimaschutz z. B. durch die Errichtung von Photovoltaikanlagen und die Installation von nachhaltigen Beleuchtungssystemen. Die Maßnahmen im Bereich Klimaanpassung hingegen sind − entsprechend der Situation der gesamten Logistikbranche − noch in den Anfängen. b Nachweislich wichtige Beiträge leisten die Güterverkehrszentren darüber hinaus zu Fragestellungen der Raumordnung in Deutschland. An sehr vielen Standorten ist es beispielsweise gelungen, Logistikanlagen aus Arealen mit erheblichen Nutzungskonflikten in die Güterverkehrszentren zu verlagern. Hierdurch konnten neue städtebauliche Handlungsspielräume und positive Efekte aus der arealen Verkehrsverlagerung erzielt werden. Darüber hinaus hat die Ausweitung von GVZ-Flächen für Neuansiedlungen zur Kanalisierung und Konzentration des Lkw-Schwerverkehrs (Fernverkehr) in der Peripherie der Agglomerationsräume beigetragen. b Die klassische Stadtlogistik („City-Logistik“), gekennzeichnet durch die kooperative Bündelung der speditionellen Verkehrsmengen, ist auch in den Güterverkehrszentren nahezu überall gescheitert. In der Praxis sind die Güterverkehrszentren aber Konsolidierungspunkte der Logistik an der Schnittstelle Nah-/ Fernverkehr, die auf einzelbetrieblicher Ebene eine Optimierung der Verkehre in die Innenstädte er- Tab. 1: Ergebnisse des europäischen GVZ-Rankings 2009/ 2010 (max. 250 Performancepunkte) Quelle: DGG Abb. 2: GVZ-Standortkarte 2011 Quelle: DGG LOGISTIK Güterverkehrszentren Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 22 leichtern und so verkehrsentlastende Efekte induzieren. In diesem Kontext könnten neue Initiativen für Logistik im städtischen Raum unter Einbeziehung der GVZ, z. B. durch Pilotprojekte, flankierend wirken. Unter Berücksichtigung verkehrlicher, ökologischer und ökonomischer Efekte der Güterverkehrszentren können die GVZ-Standorte in Deutschland ansatzweise einem „GVZ-Kernnetz“ und einem „GVZ- Ergänzungsnetz“ zugeordnet werden. Zum Kernnetz gehören Standorte, die in mindestens zwei der drei folgenden Bereiche aktuell hohe Wirkungen erzielen: b Verlagerungswirkung/ ökologische Efekte im Kombinierten Verkehr (Indikatoren: Gesamtumschlag des KV-Terminals, verlagerte Transportleistung, Berücksichtigung der Trimodalität sowie aktiver Gleisanschlüsse im Wagenladungsverkehr der Eisenbahn). b Verkehrliche und ökonomische Wirkung in der Region (Indikatoren: Lkw-Verkehrsmengen, Unternehmensbesatz, Anzahl der Beschäftigten). b Innovative Lösungen im Bereich der Stadt- und Regionallogistik (Indikatoren: operative Lösungen, Pilotprojekte). Folglich lassen sich 22 von 35 GVZ-Standorten einem Kernnetz zuordnen. Diese sind in der nachfolgenden Tabelle 2 aufgelistet. Zum Vergleich wird die Platzierung (1 bis 33) der Standorte aus dem im Jahr 2007 durchgeführten GVZ-Ranking der Deutschen GVZ-Gesellschaft (DGG) aufgeführt. 3 Hier zeigt sich zum einen, dass sich einige Standorte seit 2007 sehr positiv entwickelt haben. Andererseits bestätigt dieser Abgleich mit wenigen Ausnahmen die Abgrenzung des Kernnetzes. Perspektiven Für die Güterverkehrszentren besteht vor allem eine Chance darin, sich in einem bundesweiten Netz zentraler logistischer Zentren (Knoten) erfolgreich weiterzuentwickeln. Demzufolge gilt es auf unterschiedlichen Entscheidungsebenen zu prüfen, wie ein solches Netz konzeptionell zu konfigurieren wäre, das neben ausgewählten GVZ-Standorten beispielsweise eine Reihe von Binnen- und Seehäfen, Flughäfen sowie Transportgewerbegebieten beinhaltet. 4 Dieses Netz kann eine wesentliche Grundlage für die konzentrierte Vermarktung des Logistikstandorts Deutschland im Ausland darstellen. In diesem Kontext besteht eine wichtige Aufgabe der Güterverkehrszentren in der Bereitstellung attraktiver, optimal angebundener und konfliktfreier (nachhaltiger) Flächen für Logistikansiedler. Weitere wichtige Aufgaben wie z. B. die Generierung von hohen KV-Aukommen oder Lösungsansätze im Themenfeld „Grüne Logistik“ sind dabei ebenfalls Teil der Tätigkeiten. ɷ 1 Deutsche GVZ Gesellschaft (2010) 2 Nestler, S. / Nobel, T. (2010) 3 Vgl. Nobel, T. (2007) 4 Vgl. Nobel, T. (2004), S. 354 LITERATUR Deutsche GVZ Gesellschaft (2010): Ranking der europäischen GVZ-Standorte - Benchmarking der europäischen Erfahrungen, Makrologistische Knoten, Band 1, NESTLER, S./ NOBEL, T. (Hrsg.), Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin. NESTLER, S. / NOBEL, T. (2010): Deutsche GVZ in der Champions League, in: DVZ Nr. 6 vom 14.01., S. 12, Hamburg. NOBEL, T. (2004): Entwicklung der Güterverkehrszentren in Deutschland − Eine am methodischen Instrument Benchmarking orientierte Untersuchung, ISL Book Series no. 30, Bremen. NOBEL, T. (2007): GVZ bleiben gesuchte Standorte, in: DVZ Nr. 149 vom 13.12., S. 8, Hamburg. Ste en Nestler, Dipl.-Ing Geschäftsführer der Deutschen GVZ-Gesellschaft mbH, Dresden nestler@gvz-org.de Thomas Nobel, Dr. Geschäftsführer der Deutschen GVZ-Gesellschaft mbH, Bremen nobel@gvz-org.de GVZ-Standort GVZ-Kernnetz GVZ-Ergänzungsnetz DGG-Platzierung 2007 Augsburg 1 31 Berlin Ost 1 20 Berlin Süd 1 3 Berlin West 1 8 Bremen 1 1 Dresden 1 5 Emsland 1 6 Erfurt 1 30 Europark Coevorden 1 neu Frankfurt/ Oder 1 22 Göttingen 1 25 Hamburg 1 19 Hannover 1 29 Herne 1 9 Ingolstadt 1 15 Kassel 1 12 Kiel 1 14 Koblenz 1 16 Köln 1 28 Leipzig 1 4 Lübeck 1 13 Magdeburg 1 26 Nürnberg 1 2 Osnabrück 1 33 Regensburg 1 7 Rheine 1 18 Rostock 1 32 Salzgitter 1 21 Stuttgart-Kornwestheim 1 24 Südwestsachsen 1 17 Trier 1 10 Ulm 1 27 Weil am Rhein 1 11 Wilhelmshaven 1 neu Wolfsburg 1 23 GESAMT 22 13 Tab. 2: GVZ-Kern- und Ergänzungsnetz Quelle: DGG
