Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0047
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2011
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Bewertung von Logistikimmobilien
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Achim Lenzen
Die Anforderungen an moderne Logistikimmobilien sind sehr hoch. Die Bewertung dieser Spezialimmobilien setzt eine intensive Auseinandersetzung mit den branchenspezifischen Besonderheiten der Bewertungsmaterie voraus. Entscheidende Determinanten sind hier neben der vorrangigen Standortfrage, die Anforderungen an Grundstück und Gebäude, Struktur und Verhalten der Marktteilnehmer und nicht zuletzt die Drittverwendungsmöglichkeit der Objekte.
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Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 24 Bewertung von Logistikimmobilien Die Anforderungen an moderne Logistikimmobilien sind sehr hoch. Die Bewertung dieser Spezialimmobilien setzt eine intensive Auseinandersetzung mit den branchenspezifischen Besonderheiten der Bewertungsmaterie voraus. Entscheidende Determinanten sind hier neben der vorrangigen Standortfrage, die Anforderungen an Grundstück und Gebäude, Struktur und Verhalten der Marktteilnehmer und nicht zuletzt die Drittverwendungsmöglichkeit der Objekte. N och bis vor wenigen Jahren wurde unter dem Oberbegrif „Logistikimmobilie“ alles zusammengefasst, was im weitesten Sinne mit Lagerhaltung zu tun hatte. Es wurde aber mit der Zeit deutlich, dass es sich dabei um eine neue Asset-Klasse handelt - eine neue Immobilienart, die eigener Bewertungsparameter bedarf. Dazu war es notwendig, diese Objekte zu klassifizieren und auch von den Objektarten zu diferenzieren, die bislang zur Logistik gezählt wurden, aber diesen Bewertungsansprüchen nicht gerecht wurden. Die Frage, die sich hier stellt, lautet: Warum müssen sich Banken etwas Neues ausdenken? Warum folgt man nicht einfach der Industrie, den Entwicklern und den Nutzern? Schließlich sollten die doch eigentlich am besten wissen, was gut ist und was funktioniert. Pfandbriefqualität im Fokus Der Grund dafür, dass sich Banken, vor allem Pfandbriebanken, hier anders verhalten, hat einen Namen. Er heißt Sicherheit. Seit etwa 240 Jahren gibt es Pfandbriefe in Deutschland und seitdem gilt diese Refinanzierungsart als sicher. Diese besondere Verantwortung gegenüber den Pfandbriefgläubigern führte zu einer ganzen Reihe von Überlegungen, die einerseits die Finanzierung von Logistikobjekten ermöglichen, aber andererseits auch die hohen Anforderungen aus Kreditwesen- und Pfandbriefgesetz erfüllen sollten. An dieser Stelle seien Schlagworte wie Drittverwendungsfähigkeit, Nutzungsdauer, Standortqualität, Gebäudeeigenschaften und vor allem die Laufzeit von Mietverträgen genannt. Es geht also nicht nur darum, die Immobilie als solche zu bewerten, sondern auch die Sicherheit dieses Objektes im Hinblick auf die emittierten Pfandbriefe zu würdigen. Dies hat Auswirkungen für die Investoren. Denn werden Immobilienkredite durch die Emission von Pfandbriefen refinanziert, sind diese häufig günstiger als andere Refinanzierungsmöglichkeiten. 1 Der Bewertungsprozess bekommt hier eine entscheidende Bedeutung: Funkelnagelneue Distributionszentren mögen für den Erstnutzer optimal positioniert, errichtet und ausgestattet sein. Ob aber in jedem Fall ein möglicher Nachnutzer dies ebenfalls so sieht, kann manchmal fraglich sein. Dies gilt umso mehr, je individueller die Halle, deren Ausstattung und vor allem die Lage sind. Das zu erkennen, zu beurteilen und in einem Wert zu spiegeln, ist Aufgabe der für Banken tätigen Gutachter: Auf der einen Seite der Marktwert 2 als Repräsentant der aktuellen Marktverhältnisse, auf der anderen Seite der Beleihungswert 3 mit all seinen aufsichtsrechtlichen Anforderungen, als Grundlage einer durch Pfandbriefe gedeckten Finanzierung. Was bedeutet dies nun im Einzelnen? Logistikimmobilien unterliegen, wie alle anderen Wirtschaftsgüter, den Wechselwirkungen der Konjunktur. Eine Immobilienbewertung für die Bank hat aber einen Zeitraum im Fokus, der in der Regel die Foto: Ixocon LOGISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 25 Kreditlaufzeit abdeckt. Es sind hier also nicht nur die kurzfristigen Gegebenheiten zu berücksichtigen, wie sie beispielsweise im Abschluss eines günstigen zehnjährigen Mietvertrages zu sehen sind. Unter Nachhaltigkeit versteht der Gutachter auch die sog. Drittverwendungsfähigkeit, also die Möglichkeit die zu bewertende Logistikimmobilie nach Auslauf oder Störung des bestehenden Mietvertrages ohne wesentliche Investitionen im Bereich des ursprünglichen Verwendungszweckes neu zu vermieten oder zu verkaufen. Dies bedeutet aber, dass Maßanfertigungen nicht immer die beste und kosteneizienteste Lösung bei der Entwicklung einer neuen Halle sind. Die Individuallösung kann sich optimal in die Prozesskette des Erstnutzers eingliedern. Standortauswahl und Hallendesign bieten bei entsprechender Planung ein optimales Kosten-/ Nutzenverhältnis. Bei der Miete handelt es sich häufig um Kostenmieten, die über einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren die Investitionskosten refinanzieren. Das heißt, dass diese Kostenmiete, auch im Falle einer Nachvermietung, während des ganzen Zeitraums erzielt werden muss. Die Überlegungen des Bankgutachters gehen dabei in die folgende Richtung: Der Anmietung einer „gebrauchten“ Halle steht immer der Bau oder die Miete einer neuen Halle gegenüber. Der potenzielle Nachmieter muss sehr genau überlegen, inwieweit sich die bestehende Halle in die eigene kostenoptimierte Supply chain 4 eingliedern lässt. Zugeständnisse werden wahrscheinlich nur bei sehr guter Lage im Ballungszentrum möglich sein, wo entsprechende Grundstücksflächen nicht oder nur kostenintensiv erworben werden können. Von Ausstattungsstandards und Nutzungsmöglichkeiten Ausgehend von einem vergleichbaren Ausstattungsstandard könnte sich der potenzielle Nachmieter in einer ebenfalls vergleichbaren Lagequalität immer zur mehr oder weniger gleichen Kostenmiete eine neue Halle bauen lassen. Nur über einen entsprechenden Kostenvorteil, also eine rabattierte Miete, wäre er unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bereit, in die Bestandshalle einzuziehen. Inwieweit die Kostenmiete also über den gesamten Lebenszyklus der Halle, und das sind immerhin zwischen 20 und 30 - in Toplagen auch 40 Jahre, ansetzbar ist, hängt somit sehr stark von der Verfügbarkeit der erforderlichen Lagequalitäten ab. Gleiches gilt auch für die Ausführung des Hallenbaus. Je individueller das Objekt, desto eingeschränkter erscheinen dem Gutachter die Nachvermietungschancen. Zu flache Hallen sind hier ebenso vermietungshemmend wie zu große Höhen. Eine übliche Bodenbelastung ist im Hinblick auf das Nachvermietungspotenzial günstiger als eine geringere, auch wenn diese optimal für den Erstnutzer erscheint. Man kann also tatsächlich die Drittverwendung bereits planen oder sogar einbauen. Wird in der Erstnutzung eben nicht ein Heckandocktor pro 1000 m 2 benötigt, kann aber der nachträgliche Einbau durchaus vorgesehen werden und auch beim Grundstückslayout berücksichtigt werden. Nicht nur der Gutachter der Bank sieht es gerne, wenn Entwickler und Investor sich hier eigene Gedanken über eine planmäßige oder vorzeitige Nachbzw. Weiternutzung gemacht haben. Schwieriger wird es immer dann, wenn der Gutachter in die Situation eines Grundstücksentwicklers versetzt werden muss, um die Halle über den Ablauf des ersten Mietvertrages hinaus beurteilen zu können - zumal dies nicht seine originäre Aufgabe ist. Gerade in Deutschland wurden Hallen lange Zeit immer für die „Single-Tenant“-Nutzung, also für einen Mieter bzw. Nutzer gebaut. Dies in Verbindung mit dem üblichen 10 %igen Büroflächenanteil stellte lange den Standard dar. Wir beobachten heute aber vor allem im europäischen Ausland, dass die Hallen größer und flexibler werden. Es erscheint im Hinblick auf den zeitlichen Betrachtungsrahmen ungleich schwerer eine 20- oder 30 000 m 2 -Halle mit zentralem Bürotrack wieder zu vermieten, als Hallen, die flexibel in 5000 oder 10 000 m 2 -Einheiten zu unterteilen sind. Nachträglich ist eine solche Unterteilung kostenaufwendig, da in der Regel mit einer kompletten Überarbeitung der gesamten Ver- und Entsorgungssituation verbunden. Zentrale Bürotracks können sich ebenfalls als ungünstig erweisen. Flexible Büroflächenlösungen mit Mezzaningeschossen und/ oder an die Mieteranforderungen anpassbare Modullösungen sind hier Lösungsansätze, die einer nachhaltigen Drittverwendung dienlich sind. Kürzere Mietvertragslaufzeiten im Trend? Im Bereich der Kontraktlogistik sind die von Banken häufig gewünschten langen Mietvertragslaufzeiten zwischen 12 und 15 Jahren eher ungewöhnlich. Das Voraussetzen solcher Zeiträume wird dementsprechend einem großen Bereich der Logistikbranche nicht gerecht. Insgesamt wächst der Anteil kurzfristiger Mietverträge kontinuierlich an. Dagegen sind im Bereich der „Buildto-suit-Flächen“, der nutzeradäquaten Individuallösungen, laut Jones Lang LaSalle 5 Laufzeiten um die zehn Jahre obligatorisch: „Wenn einer nur drei Jahre mieten will, baut dem kein Entwickler eine Immobilie.“ 6 Banken tun sich deshalb häufig schwer, kurze Vertragslaufzeiten zu akzeptieren und gleichzeitig die hohen Anforderungen der Pfandbriefdeckung nicht außer Acht zu lassen. Ein möglicher Ansatz wäre hier die Diskussion einer Abhängigkeit zwischen Lagequalität und Mietvertragslaufzeit. An Topstandorten mit sehr guten Vermietungschancen wären demzufolge durchaus kürzere Vertragslaufzeiten tolerierbar als an einem Solitärstandort irgendwo auf der sog. Grünen Wiese. Hier muss sich die Hallenfinanzierung über die Laufzeit des Erstvertrages Abb. 1: Abhängigkeit von Standortqualität und Mietvertragslaufzeit LOGISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 26 darstellen lassen - natürlich immer unter der Voraussetzung einer nicht zu individuellen Gebäudeausführung. Drittverwendung - subjektiv oder objektiv? Aus der bisherigen Diskussion wird deutlich, dass der wesentliche Punkt der bankseitigen Immobilienbewertung gerade bei Logistikobjekten die Möglichkeit einer Drittverwendung ist. Die Lehre unterscheidet die subjektive von der objektiven Drittverwendungsfähigkeit. Versteht die subjektive Drittverwendungsfähigkeit die mögliche Nachnutzung im Sinne der ursprünglich geplanten Verwendung, unterstellt sie einen genügend großen potenziellen Nutzerkreis. Dagegen geht die objektive Drittverwendungsfähigkeit tatsächlich von einem Wechsel der Nutzungsart aus. Eine solche Überlegung ist naturgemäß mit wesentlich größeren Unsicherheiten verbunden, da an dieser Stelle bereits eine konkrete Weiterentwicklung des Objektes mit allen erforderlichen Kosten zu berücksichtigen ist und die Zielrichtung einer normalen Wertermittlung verlassen wird. Wie wäre also die subjektive Drittverwendung weiter zu forcieren? Durch die Agglomeration von Logistikimmobilien, Logistikdienstleistern und Flächenmanagement an einem Standort! Logistikparks vereinen nicht nur aus Sicht eines Kreditinstitutes viele Aspekte einer sinnvollen Risikominimierung. Wenn die Toplagen nicht vermehrbar sind, sollten zumindest gute Lagen gestaltet werden. Eine Einzelimmobilie kann dies nie aus eigener Kraft schafen. Es geht darum, dass sich ein Standort aus sich selbst heraus entwickeln und bestätigen kann. Erst durch die Konzentration von Flächen in einem gut angebundenen Bereich in Verbindung mit Logistikdienstleistern und unterstützenden Gewerben kann ein Standort entstehen, der mit einem einheitlichen Management kostenoptimierte Flächen anbieten kann. Die einzelnen Vertragslaufzeiten können hier ihre Brisanz verlieren, da nun die Antwort auf die Frage, ob ein Standort funktionieren kann oder nicht, eher in der Qualität des Managements zu suchen ist. Risikoprofile als Bewertungsgrundlage Die obige Darstellung in Form von Risikospinnen macht deutlich, dass die Herausforderungen bei einer Einzelimmobilie klar in den Bereichen der Mietvertragslaufzeiten und der Mieterbonitäten liegen. Eine gut bewirtschaftete Halle ist technisch durchaus 30 bis 40 Jahre nutzbar und die Objektqualität kann voraussichtlich auch den Ansprüchen in 20 Jahren noch gerecht werden. Bei einem Logistikpark verteilen sich die Risiken wesentlich stärker. Die Bonität der Mieter und die Laufzeiten der Mietverträge treten in ihrer Bedeutung zurück. Die Herausforderung ist hier eher die Objektqualität, was aber eindeutig in den Verantwortungsbereich eines Objektmanagements fällt. Selbstverständlich ist dieses Parkkonzept nicht auf alle Logistikketten übertragbar. So betreiben vor allem die großen Lebensmitteldiscounter ihre eigenen Versorgungsnetze, wobei sich die jeweiligen Standorte an den zu versorgenden Regionen orientieren. Dies macht aus Sicht dieser Lieferketten tatsächlich Sinn. Im Hinblick auf die Drittverwendung, als Voraussetzung einer pfandbriefgedeckten Refinanzierung, stellt diese individuelle Unternehmensstrategie jedoch einen Umstand in der Beleihungswertermittlung dar, der sich in reduzierten Wertansätzen widerspiegeln kann, was jedoch - wie hier dargestellt - nicht daran liegt, dass der Gutachter zu wenig Marktkenntnis über Logistikimmobilien besitzt. 1 ,Geplant, gebaut und finanziert: Logistikimmobilien aus Bankensicht‘; Achim Lenzen, Immobilienmanager 04-2009, S. 14 f) 2 § 194 Baugesetzbuch (BauGB) 3 § 16 Pfandbriefgesetz (PfandBG) 4 Supply chain (engl.) = Liefer-/ Wertschöpfungskette 5 Jones Lang LaSalle; Presseinformation MIPIM, Cannes, 09. März 2011 6 Investing in Germany der Immobilienzeitung 03. März 2011, S. 12, „Wo Lastwagen Konjunktur machen“, Rainer Koepke von Jones Lang LaSalle Abb. 2: Risikospinnen für zwei beispielhafte Logistikimmobilien Achim Lenzen, Dipl.-Geol. CIS HypZert (F/ M/ R), Teamleiter Internationale Immobilienbewertung der Berlin Hannoversche Hypothekenbank AG Achim.Lenzen@berlinhyp.de
