eJournals Internationales Verkehrswesen 63/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0048
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2011
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Grüne Lager haben mehr Facetten

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2011
Jens Kohagen
Sven Bennühr
Bei der Planung von Logistikimmobilien zählen die Energiefrage und klassische Faktoren. Geht es um nachhaltige Konzepte für die Logistik, stehen auch Lager und Umschlagzentren im Fokus. Allerdings muss bei Immobilien gänzlich anders an das Thema herangegangen werden als beim Gütertransport. Laut Alexander Nehm von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS spielen hier die Nutzungsdauer und der Amortisationszeitraum für umweltschonende Maßnahmen eine Rolle.
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LOGISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 27 Grüne Lager haben mehr Facetten Bei der Planung von Logistikimmobilien zählen die Energiefrage und klassische Faktoren. Geht es um nachhaltige Konzepte für die Logistik, stehen auch Lager und Umschlagzentren im Fokus. Allerdings muss bei Immobilien gänzlich anders an das Thema herangegangen werden als beim Gütertransport. Laut Alexander Nehm von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS spielen hier die Nutzungsdauer und der Amortisationszeitraum für umweltschonende Maßnahmen eine Rolle. E ine Logistikimmobilie wird im Normalfall für eine Nutzungsdauer von rund 30 Jahren konzipiert. Daher müssen sich die Planer auch intensiv mit energiewirtschaftlichen Szenarien auseinandersetzen. In erster Linie stehen dahinter zwei Beweggründe: So sollen die Betriebskosten und damit auch die CO 2 -Emissionen so weit wie möglich gesenkt werden. Dabei wird nach Ansicht von Nehm bewusst in Kauf genommen, dass die Erstellungskosten einer Öko-Anlage deutlich über denen eines konventionellen Lagers liegen. Allerdings amortisieren sich diese Mehrkosten trotz der weiter steigenden Energiekosten eher langfristig - in der Regel gehen die Planer von rund zehn Jahren aus. Uneinheitliche Einschätzung Doch die Umsetzung „grüner“ Immobilienkonzepte wird von den Teilnehmern am Logistikmarkt diferenziert gesehen. Nehm unterscheidet hier ganz klar zwischen Entwicklern, Eigennutzern und Investoren auf der einen Seite und Mietern auf der anderen Seite. Die erste Gruppe sieht den langfristigen Kostenefekt aufgrund der niedrigeren Foto: Gazeley LOGISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 28 Jens Kohagen Fachjournalist Frankfurt/ Main Kontakt über hector@dvz.de Sven Bennühr DVZ-Redakteur bennuehr@dvz.de Nebenkosten. Das erhöht zudem für die Investoren auch die Chancen, die Immobilie weiterzuvermieten oder zu veräußern, falls dies notwendig werden sollte. Für Logistikdienstleister, welche Lager anmieten, um Zweibis Dreijahres-Kontrakte zu erfüllen, spielen diese Gründe eine geringere Rolle. Ihnen geht es eher darum, die Gesamtmiete möglichst günstig zu halten. Das allerdings wird sich ändern, erklärt Nehm: Mehr und mehr fordern die Auftraggeber der Logistikdienstleister von diesen den Nachweis des sogenannten Carbon Footprint. Das heißt, die Immobiliennutzer müssen den CO 2 -Ausstoß ermitteln und melden. Ein verminderter Schadstofausstoß ist aber auch für Eigennutzer interessant, um ihre eigene Umweltbilanz zu verbessern. Verkürzte Betrachtung Nehm weist darauf hin, dass die Motive, welche die drei Interessengruppen antreiben, eine verkürzte Betrachtungsweise widerspiegeln. Einige klassische Nachhaltigkeitsfaktoren und Megatrends werden bei dieser Sichtweise vernachlässigt. Nach wie vor sind Faktoren wie die Standortwahl, die Drittverwendbarkeit der Immobilie sowie Verfügbarkeit von Arbeitskräften ausschlaggebend für den Bau eines Lagers. Hinzu kommen einige zukunftsgerichtete Aspekte wie die Konzeption von Park- und Rangierflächen für längerer Lastzugkombinationen oder die Berücksichtigung des demografischen Wandels in Form altersgerechter Arbeitsplätze. Zertifiziertes Bauen Bezogen auf die Nachhaltigkeit stellt sich allerdings die Frage, wie dies qualifiziert gemessen werden kann. Derzeit gibt es drei Zertifzierungsverfahren, mit deren Hilfe Logistikimmobilien hinsichtlich ihrer Umweltwirkung eingeordnet werden können: das „Leadership in Energy and Environmental Design“-Zertifikat (LEED), die „BRE Environmental Assessment Method“ (BREEAM) und das „Deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen“ (DGBN). Ausschlaggebend ist für Deutschland dabei laut Nehm das DGNB-Zertifikat. Im internationalen Umfeld und insbesondere in den USA hat sich dagegen der LEED-Standard durchgesetzt. Allerdings bemängelt Nehm den Wildwuchs bei den Zertifikaten und Siegeln. Dieser gehe zu Lasten der Transparenz. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein Zertifikat in jedem Fall nutzerrelevant sei. Einem Eigennutzer bietet es kaum Vorteile, so Nehm. ɷ Der Beitrag erschien zuerst in: DVZ Nr. 27 vom 3.3.2011, S. 13 Green Warehouses Der Logistikimmobilienentwickler Gazeley hat in North Stafordshire, nahe Manchester, ein CO 2 -positives Logistikzentrum realisert. Die Immobilie ist nach BREEAM zertifiziert und wurde mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen wie dem LEAF Award oder dem Hanse Globe 2009 prämiert. Der G. Park Blue Planet verfügt über eine Fläche von rund 36 000 m 2 und bezieht den Wärme- und Energiebedarf zu 100 % aus erneuerbaren Energien. Entscheidend ist dabei die positive CO 2 -Bilanz des Gebäudes, das vom britischen Architekturbüro Chetwoods Architects entworfen wurde. Nachhaltige Logistikzentren verbrauchen weniger Energie und ermöglichen so dem Nutzer seine Betriebskosten deutlich zu verringern. Gleichzeitig sinkt der CO 2 -Ausstoß der Immobilie. Ökologische und ökonomische Vorteile Bei der Planung des CO 2 -neutralen Gebäudes in Chatterley Valley wurde besonders auf die Einbettung in die umgebende Landschaft geachtet, um die Betriebsabläufe zu optimieren, die Eizienz der Umwelttechnologien zu erhöhen und gleichzeitig eine optimale Tageslichtausbeute im Gebäude zu garantieren. Zahlreiche Umweltmaßnahmen integriert In den Büros und Lagerhallen wurden energieeiziente Beleuchtungssysteme mit Tageslichtsensoren und Bewegungsmeldern eingesetzt, durch einen 15 %-igen Dachflächenanteil von Ethylen-Tetrafluorethylen- (ETFE-) Oberlichtern und zusätzliche Lichtbänder über den Ladetoren wird der Bedarf an künstlicher Beleuchtung reduziert. Die Dachkuppeln sind mit integrierten Photovoltaikelementen ausgestattet, der Einsatz der ETFE-Systeme minimiert die Lichtemissionen des Gebäudes in der Nacht. Die Dachpaneele mit integrierten Sonnenkollektoren sorgen für die Warmwasserversorgung in den Bürobereichen. Im Hinblick auf eine maximale Tageslichtausnutzung reduzieren das Gebäudedesign sowie ein separater, tageslichtdurchfluteter Bürotrakt den Bedarf an künstlicher Beleuchtung weiter. Kinetische Bodenplatten in der Zufahrtsstraße erzeugen beim Überfahren durch Lkw oder Pkw Energie. Ein eigenes Biomasse-Kraftwerk direkt beim Gebäude, das über vor Ort anfallende Holzabfälle gespeist wird, sorgt für die Strom- und Wärmeerzeugung. Die produzierte überschüssige Wärmeenergie kann über das Netz an die benachbarte Gemeinde als Drittnutzer eingespeist werden. Spezielle Solarpaneele an der Außenfassade liefern zusätzliche Wärme für die Gebäudeheizung und dienen gleichzeitig der Wärmeisolierung. Die bei der Gasifizierung als Nebenprodukt anfallende Wärmeenergie wird in Form von Warmwasser zur Halle abgeleitet und speist die Industriefußbodenheizung. Eine extrem hohe Gebäudedichtigkeit und thermische Eizienz reduzieren Energieverluste. Mittels dieser Maßnahmen konnten ökologische Verantwortung sowie gesellschaftliche und soziale Nachhaltigkeitskriterien in Einklang gebracht werden. Das Gebäude unterschreitet bereits jetzt die von der britischen Regierung festgelegten Richtlinien zur CO 2 -Reduktion für die Jahre 2020 und 2050. Weitere Informationen unter: www.gparkblueplanet.com PROJEKTBEISPIEL BLUE PLANET Blue Planet (Detailansicht) Foto: Gazeley