Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0049
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Luftfahrtstandort Hamburg
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Kirstin Rüther
Der Flughafen Hamburg feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag und hat zusammen mit der gesamten Luftfahrtbranche Norddeutschlands die Zukunft fest im Blick. Im Rahmen der Strategie „Neues Fliegen“ forschen Industrie und Wissenschaft gemeinsam im Luftfahrtcluster Metropolregion Hamburg daran, das Fliegen noch ökonomischer, ökologischer, komfortabler, flexibler und zuverlässiger zu machen.
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LOGISTIK Luftfahrt Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 29 Luftfracht eher Nebensache 72 000 t Fracht wurden 2010 in Hamburg umgeschlagen. Davon sind 45 000 t über die Straße zu anderen Abflughäfen wie Frankfurt, Amsterdam oder Luxemburg transportiert worden, geflogen wird Fracht meist als Beiladung in Passagiermaschinen. Vor allem kleinere und eilige Sendungen werden direkt ab Hamburg im Flugzeug befördert, etwa Komponenten der Flugzeugindustrie, Expressgüter oder Schifsersatzteile. Bei der Passagierabfertigung ist Hamburg mit rund 13-Mio.-Fluggästen pro Jahr der fünftgrößte Flughafen in Deutschland. (zp) HAMBURG AIRPORT Luftfahrtstandort Hamburg Der Flughafen Hamburg feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag und hat zusammen mit der gesamten Luftfahrtbranche Norddeutschlands die Zukunft fest im Blick. Im Rahmen der Strategie „Neues Fliegen“ forschen Industrie und Wissenschaft gemeinsam im Luftfahrtcluster Metropolregion Hamburg daran, das Fliegen noch ökonomischer, ökologischer, komfortabler, flexibler und zuverlässiger zu machen. V or 100-Jahren bezog sich Fliegen noch auf Zeppeline, vor 50- Jahren erregte das Donnern der ersten Düsenjets in Hamburg mehr Fortschrittsfreude als Unmut über den Lärm. Hamburg blickt auf eine lange Luftfahrttradition zurück. Die Stadt hat den ältesten Flughafen der Welt, der seit seiner Gründung ununterbrochen und am selben Standort in Betrieb ist. Es begann am 10.-Januar-1911 mit der Gründung der Hamburger Luftschihallen GmbH (HLG). Im Vorwege hatten Graf Zeppelin und prominente Hamburger wie der Reeder Albert Ballin Hamburg aufgefordert, sofort Schritte einzuleiten, um sich die Stellung als Zentrale für die Eroberung der Luft über dem Meer zu sichern. Neben dem Flughafen im Stadtteil Fuhlsbüttel befindet sich die Basis der Lufthansa Technik AG. Bereits im Jahr 1955 hat die Deutsche Lufthansa auf dem Gelände des Hamburger Flughafens ihre technische Basis errichtet. Heute ist Lufthansa Technik Weltmarktführer bei Wartung, Überholung und Reparatur von Verkehrsflugzeugen, ihren Triebwerken und Komponenten. Sie ist die tragende Säule des Luftfahrtstandorts Hamburg für das Kompetenzfeld Aviation Services. Flugzeugbau von Anfang an Auch der Flugzeugbau hat eine lange Tradition in Hamburg. Bereits 1909 haben auf einem unbebauten Platz im Stadtteil Wandsbek Luftfahrtpioniere mit selbst gebauten Kisten erste Flugversuche unternommen. Hier entstand auch die „Centrale für Aviatic“, die nach Eröfnung des Flughafens nach Fuhlsbüttel umzog. Daraus entwickelten sich die Hansa-Flugzeugwerke, die zunächst Eindecker und später ausschließlich Doppeldecker bauten. 1933 fiel dann in Hamburg der Startschuss für den Flugzeugbau im großen Stil: Die Schifswerft Blohm & Voss gründete an der Elbe die Hamburger Flugzeugbau GmbH (HFB). Motto: „Wer Schife fürs Meer bauen kann, kann auch welche für die Luft bauen“. Doch dafür benötigte das Unternehmen mehr und mehr qualifizierte Ingenieure. So wurde Ostern 1935 der Flugzeugbau als neue Abteilung an den Technischen Staatslehranstalten zu Hamburg gegründet, einem Vorläufer der heutigen Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. 1944 baute die HFB mit der BV238 das damals größte Flugzeug der Welt. Ab 1965 ging die HFB nach mehreren Fusionen in der DASA (Daimler Benz Aerospace) auf, die 1969 Teil des Airbus-Konsortiums wurde. Mit Airbus kamen der große Aufschwung und weitere Superlative. Im Werk in Ham- Foto: Flughafen Hamburg / Penner LOGISTIK Luftfahrt Internationales Verkehrswesen (63) 3 | 2011 30 burg-Finkenwerder werden alle Typen der A320-Familie produziert (die weltweit erfolgreichste Familie von Single-Aisle-Jets) sowie Teile und die komplette Kabine des A380 (das derzeit größte und modernste Passagierflugzeug der Welt) und seit kurzem Rümpfe für die A350-XWB (XtraWide- Body) - das künftig laut Airbus eizienteste Langstreckenflugzeug der Welt. Der Flugzeughersteller zog mit den Jahren zahlreiche Zulieferer und Dienstleistungsbetriebe an, so dass das Luftfahrtcluster Metropolregion Hamburg heute einer der größten Standorte der zivilen Luftfahrtindustrie weltweit ist. Neben den Ankerbetrieben Airbus, Lufthansa Technik und Hamburg Airport gibt es 300 kleine und mittelständische Unternehmen sowie wissenschaftliche Einrichtungen. 39 000 Fachkräfte arbeiten in der Luftfahrtbranche, die längst die Schiffahrtsbranche als wichtigsten Wirtschaftsmotor in der Hansestadt abgelöst hat. Spitzencluster seit 2008 Tradition hindert in Hamburg nicht Innovation. Mit der Strategie, das Fliegen künftig noch ökonomischer, ökologischer, komfortabler, flexibler und zuverlässiger zu machen, wurde die Branche im September- 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als eines der ersten fünf deutschen Spitzencluster ausgezeichnet. Der Bund unterstützt bis Ende- 2013 zukunftsträchtige Forschungsprojekte im Luftfahrtcluster mit insgesamt 40- Mio.- EUR. Mindestens ebenso viel investieren die Unternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen und die Freie und Hansestadt Hamburg. Das Luftfahrtcluster baut dadurch seine vier Kompetenzfelder weiter aus: Flugzeuge und Flugzeugsysteme, Kabinen und Kabinensysteme, Aviation Services und Lufttransportsysteme. Dem neu gegründeten Verein „Luftfahrtcluster Metropolregion Hamburg“ gehören neben Airbus, Lufthansa Technik, Flughafen Hamburg, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), den Mittelstandsverbänden Hanse-Aerospace und HECAS sowie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), der Helmut-Schmidt-Universität (HSU), der Technischen Universität Hamburg- Harburg (TUHH) und der Universität Hamburg (UHH) auch das Hamburg Centre of Aviation Training (HCAT), das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) GmbH, die Behörde für Wirtschaft und Arbeit, die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH (HWF) und der Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) an. Forschungsprojekte und Kabinentechnologie In Hamburg wird beispielsweise an der Brennstofzelle als Energieversorger im Flugzeug geforscht, an akustischen, beleuchtungstechnischen und klimatischen Verbesserungen in der Kabine gearbeitet, es werden Sitzschienensysteme verbessert und die Prozesse am Flughafen optimiert. In einem Projekt forschen Ingenieure beispielsweise an einem Konzept, bei dem fahrwerklose Flugzeuge auf einem am Flughafen installierten Fahrwerksystem, ähnlich einem Schlitten, landen. Wichtige Bausteine der Strategie sind die Forschungseinrichtung ZAL und die Bildungseinrichtung HCAT. Das Mitte- 2009 gegründete ZAL bietet Testinfrastrukturen, in denen Akteure aus Industrie und Wissenschaften ihre Fähigkeiten vernetzen, gemeinsame Forschungsprojekte initiieren und neue Technologien in innovative Produkte überführen. Darüber hinaus berät das Zentrum kleine und mittelgroße Betriebe und unterstützt die Bildung von Kooperationen. Das HCAT ist eine Lernortkooperation, bei der Industrie, Hochschulen und berufliche Fachschule die bedarfsgerechte Fachkräftequalifizierung entlang der Wertschöpfungskette vernetzen. Hier wird in den Bereichen Avionik/ Elektronik, Kabine/ Kabinensysteme, moderne Fertigungsverfahren und neue Werkstofe aus- und weitergebildet. Teil der Spitzencluster-Strategie ist die internationale Vernetzung in der European Aerospace Cluster Partnership (EACP), die inzwischen 38- Mitglieder aus 13- Ländern zählt. Sie wurde vom Luftfahrtcluster Metropolregion Hamburg initiiert, um die internationale Zusammenarbeit zu verstärken, Synergien zu erzeugen und Innovationspotenziale besser auszuschöpfen. Netzwerken steht auch bei der Aircraft Interiors Expo ganz oben auf der Agenda. Die weltweit größte Messe für Flugzeuginnenausstattung findet jährlich in Hamburg statt. Ein Highlight der Ausstellung ist die Verleihung des Crystal Cabin Award. Sowohl die Messe als auch der Kabinenwettbewerb passen perfekt zum Luftfahrtstandort Hamburg, da sich die Metropolregion insbesondere im Bereich Kabine und Kabinensysteme als internationales Kompetenzzentrum profiliert hat. Airbus Deutschland entwickelt hier moderne Kabinenausstattungen sowie ausgefeilte Technologien für alle Airbustypen. Künftig werden im neuen Customer Definition Centre auf dem Airbus-Gelände reale und virtuelle Welten miteinander verknüpft. Per Computeranimation können sich Fluggesellschaften die Kabinenkonfiguration ihrer A350 zusammenstellen. Lufthansa Technik erfüllt darüber hinaus höchste Ansprüche an VIP-Innenausstattungen. Beide Unternehmen können auf eine spezialisierte Zulieferstruktur am Standort zurückgreifen und arbeiten eng mit Hamburger Forschungseinrichtungen zusammen. ɷ Kirstin Rüther Presse- und Öfentlichkeitsarbeit Luftfahrtcluster Metropolregion Hamburg; kirstin.ruether@luftfahrtstandorthamburg.de Diesjährige Preisträger Für innovative Produkte und Konzepte für die Flugzeugkabine sind in diesem Jahr im Rahmen der Aircraft Interiors Expo im April in Hamburg folgende Unternehmen mit dem Crystal Cabin Award ausgezeichnet worden: Elektro-Metall Export, Lufthansa Technik, Recaro, Thales, The IMS Company und die Fachhochschule München. Die Kategorie „Unterhaltung und Kommunikation“ entschied The IMS Company aus den USA mit „Rave“ für sich. Das System ist unabhängig von der Kontrolleinheit, leicht und einfach zu installieren. In der Kategorie „Zukunftskonzepte und Design“ gewann die Recaro Aircraft Seating GmbH & Co. KG mit einem Sitz, der 3 kg leichter ist als vergleichbare Vorgängermodelle, mehr Platz oferiert und erhöhten Komfort bietet. Die „Air New Zealand SkyCouch“ von Recaro wurde zudem in der Kategorie „Komfort und Wohlbefinden“ ausgezeichnet. Es handelt sich um ein Trio von drei Economy-Sitzen, die zusammen auch eine Couch ergeben. Hygiene spielte in der Kategorie „Umwelt, Gesundheit und Sicherheit“ eine Rolle: Die Elektro-Metall Export GmbH bekam den Preis für das Produkt „Non Touch Waste Flap“, eine automatisch funktionierende, berührungslose Abfallklappe, die zusammen mit Schüschke Solid Surface entwickelt wurde. Im Bereich „Material und technische Komponenten“ überzeugte Lufthansa Technik mit dem Galley Light, dem derzeit flachsten Fluchtwegmarkierungssystem weltweit. Die „Universitäts-Kategorie“ entschieden Forscherinnen der Fachhochschule München für sich: In ihrer Designstudie „Airgonomic“, die in Kooperation mit EADS Innovation Works entstand, geht es um eine optimale ergonomisch-dynamische Sitzhaltung auf Kurzstreckenflügen. Einen Sonderpreis erhielt Thales für die „Touch Passenger Media Unit“, für Unterhaltung, Information und Kommunikation. (zp) CRYSTAL CABIN AWARD 2011
