Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0078
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Globale Mobilität ohne Sicherheit funktioniert nicht!
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Heinz Schulte
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GASTKOMMENTAR Heinz Schulte Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 94 Globale Mobilität ohne Sicherheit funktioniert nicht! D ie Wirtschaft boomt fast wieder auf dem Niveau vor der Krise. Jedoch haben die Wirtschaftskrise wie auch der jüngste Aufschwung die Grenzen und Schwächen der Globalisierung aufgezeigt: Sie beruht auf einer hochgezüchteten, weltumspannenden Mobilität − nahezu in Echtzeit („Just-in-time“). Und diese ist äußerst anfällig für technische Unzulänglichkeiten beziehungsweise Nachlässigkeit (Safety/ Fukushima) sowie unrechtmäßige Eingrife von außen (Security). Damit ist klar, dass globale Mobilität zu Lande, zu Wasser, in der Luft und virtuell (über Kabel und Sendemasten) ohne globale Sicherheit (global security) nicht vorstellbar ist. Mobilität und Sicherheit bedingen einander. Hierzu einige Kernthesen: • Wenn Globalisierung von Strömen (flows) handelt, dann handelt Global Security von der Kontrolle dieser Ströme an Gütern (Stichwort: Container Screening), Rohstofen (Liefersicherheit), Menschen (illegale Migration/ Terrorismus), Informationen (Datensicherheit) und Finanzen (Geldwäsche). • Global Security − die Kontrolle von Strömen − verursacht Kosten; sei es zur Vermeidung von Schäden (Vorsorge) oder durch Absicherung (geschützte Infrastruktur/ Versicherungsprämie). Beide Optionen sind mit Kosten verbunden. Und diese dürfen nicht mit klassischen Verteidigungsausgaben verwechselt werden; sie sind komplementär. Dies wird am Schaden für die Volkswirtschaften durch Piraterie deutlich. Ist Bekämpfung der Piraterie eine Kernaufgabe der Marine, der (polizeilichen) Küstenwache oder der betrofenen Reeder? • Wer politisch Sicherheitsstandards setzt, schaft Märkte und lässt Dritte dafür bezahlen. Im Augenblick setzen zwei politische Kraftzentren diese Standards: Washington und die europäische Zentrale in Brüssel. Weitere werden hinzukommen, wie Singapur und China. Als Beispiel für das Setzen von Standards sei die umstrittene amerikanische Überlegung genannt, künftig nur noch Container ins Land zu lassen, die aus „zertifizierten“ 50 bis 60 Seehäfen weltweit kommen. Wer zertifiziert, hat politische Macht! Aus dem oben Skizzierten wird deutlich, dass man die Entwicklung der internationalen Ströme, der Logistik und des Transports - kurzum der Mobilität - nicht von der Sicherheit der Ströme trennen kann. Die Hardware (Lagerhaltung, logistische Ketten, Transportsysteme) geht Hand in Hand mit dem Verständnis von Sicherheit. Transportsicherheit ist nicht ein Add-on für den Sicherheitsbeauftragten eines Unternehmens − neben Datenschutz, Zugangskontrolle und Spionageabwehr. Transportsicherheit ist Kernaufgabe unternehmerischen Handelns im globalen Wettbewerb! Die Schafung sichererer Infrastrukturen zu diesem Zweck hingegen ist staatliche Kernaufgabe. Der Begrif „Supply Chain Management“ wird primär ablauftechnisch definiert; er hat aber auch eine politische Dimension. Sicherheit der Mobilität beruht weitgehend auf sicherer Infrastruktur beziehungsweise Transportwegen (die Piraterie ist schon erwähnt worden). Und diese wiederum stützt sich auf politisch und gesellschaftlich stabile Fundamente (Rechtssicherheit, funktionierendes Staatswesen, Bildung, Infrastruktur) ab. Als Beispiel für den notwendigen Dialog zwischen Industrie, Staat und Gesellschaft zum Schlüsselthema „Mobilität und Sicherheit“ sei die Lkw-Maut genannt. (Exkurs: Ohne Maut ist „Just-in-time Delivery“ nichts anderes als „Lagerhaltung auf der Autobahn“ auf Kosten der Allgemeinheit.) Mautsysteme treiben nicht nur eine Straßennutzungsgebühr ein, sie bieten sich auch als schnell reagierendes, flexibles Lenkungssystem für logistische Ketten an. Voraussetzung - zumindest in westlichen Ländern − ist die gesellschaftspolitische Akzeptanz (Datenschutz). Es reicht in einer vernetzten Welt nicht länger aus, allein auf technische Lösungen zu setzen, ohne die gesellschaftliche Dimension (Schutz der Umwelt, der Arbeitsstätte, der Daten, der öfentlichen Sicherheit) einzubeziehen. ɷ »Die Entwicklung der internationalen Ströme, der Logistik und des Transports - kurzum der Mobilität - kann man nicht von der Sicherheit der Ströme trennen.« Heinz Schulte Chefredakteur der Griephan Publikationen der DVV Media Group, ist Fachjournalist für internationale Sicherheitspolitik. Er war jahrelang deutscher Korrespondent von Jane's Defence Weekly (London). Er schreibt regelmäßig zu sicherheitsrelevanten Themen im Handelsblatt. ZUR PERSON
