eJournals Internationales Verkehrswesen 63/5

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0087
91
2011
635

Verkehrte (Hafen-)Welt

91
2011
Christian Dahm
iv6350029
Internationales Verkehrswesen (63) 5 | 2011 65 Verkehrte (Hafen-)Welt D ie Wege der Europäischen Kommission sind oft unergründlich. Einen anderen Schluss lässt eine Analyse der geplanten Hafenpolitik der EU nicht zu. Da warten die europäischen Seehäfen seit Jahren auf EU-Leitlinien für Staatsbeihilfen − sie liegen aber trotz der Zusage der Kommission aus unerklärlichen Gründen noch immer nicht vor. Stattdessen kündigt EU-Verkehrskommissar Siim Kallas an, dass er den Zugang zu Hafendiensten und die Vergabe von Konzessionen genau unter die Lupe nehmen wird. Für die European Sea Port Association (Espo) ist dies völlig unnötig. Die Kommission habe 2007 den richtigen Weg gewählt, indem sie − nach zwei gescheiterten Initiativen − auf gesetzliche Regelungen verzichtete und sich auf Leitlinien für Häfen beschränkte. Warum also ein dritter Anlauf für ein Port Package? Es wäre falsch zu glauben, dass die Kommission dies nur zum Spaß an der Freude tut. Die Beweggründe sind ofenbar handfeste Beschwerden von Reedern. Der kleine Schönheitsfehler ist nur, dass es keiner wagt, diese ofen zu äußern. Der Grund: Die Reeder befürchten die Vergeltung von Hafenarbeitern oder Lotsen. Sie haben regelrecht Angst vor Boykottmaßnahmen. Auch die Kommission ist nach zwei gescheiterten Port Packages äußerst vorsichtig geworden. Sie gibt unumwunden zu, dass es viel einfacher wäre, wenn sie sich auf formelle Beschwerden stützen könnte. Doch entsprechende Appelle an die Reeder verhallten ungehört. So tastet sich die Kommission langsam an das Thema heran, um bloß niemanden zu brüskieren. Das Wort Gesetzesinitiative wird tunlichst vermieden. Vielmehr wird von einer Evaluierungsphase gesprochen, in der die Situation in den Häfen eingehend analysiert werden soll. Eine erste Studie wurde bereits in Auftrag gegeben. Aber nur wenn gravierende Probleme festgestellt würden, werde sie − gezwungenermaßen − aktiv, lässt die Kommission verlauten. Der Hafensektor sollte sich jedoch nichts vormachen. Eine soge- Christian Dahm EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung in Brüssel B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON CHRISTIAN DAHM nannte horizontale Richtlinie, die sektorübergreifend die Vergabe von Konzessionen EU-weit regeln soll, ist bereits in der Generaldirektion Binnenmarkt der Kommission in Vorbereitung. Und eine Ausnahme für Seehäfen war nicht vorgesehen. Das hat die deutsche Hafenwirtschaft sowie die Gewerkschaften auf den Plan gerufen, die sich gegen die Einführung von Konzessionsmodellen für die Vergabe von Terminalflächen in den Häfen aussprechen. Ofensichtlich nicht ohne Erfolg. Denn die Umsetzung der Richtlinie ist derzeit blockiert. Die federführende Generaldirektion Binnenmarkt hat zwar die Folgeabschätzung abgeschlossen. Doch innerhalb der Dienststellen der EU-Kommission ist ofenbar eine politische Kontroverse über die Anwendung der Richtlinie entbrannt. Zankapfel sind insbesondere die Seehäfen. Das hatte zur Folge, dass die Richtlinie nicht wie geplant vor der Sommerpause vorgelegt wurde. Und ein neues Datum wurde noch nicht genannt. Ofen ist auch, ob die Generaldirektion Verkehr (DG Move) es für nötig erachten wird, ein gesondertes Regelwerk für Häfen auszuarbeiten, sollte keine Ausnahme vorgesehen werden. Sicher scheint hingegen, dass die DG Move bei den Hafendiensten eingreifen wird. Die Kommission weiß, was sie sucht, und wird dies auch finden. Das ließ auch ihr Direktor für Seeschiffahrt, Fotis Karamitsos, bei der Jahreskonferenz der Espo in Zypern durchblicken. Persönlich halte er es für unausweichlich, dass die Kommission aktiv werde, erklärte der ranghohe EU-Beamte. Es gebe nun mal verschiedene Hafenstrukturen in der EU: Die Häfen, die sich für Wettbewerb ofen zeigten, und jene, die ihr eigenes Süppchen kochten. Und schließlich sei ein ausgewogener Vorschlag der Kommission für die Häfen zudem immer noch besser, als die Entscheidung den Richtern des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH) zu überlassen. Diese Warnung sollten sich die europäischen Seehäfen zu Herzen nehmen. In Anbetracht eines möglichen EuGH-Richterspruchs ist eine Gesetzesinitiative immer noch das kleinere Übel. Denn diese räumt den Häfen beispielsweise ein Mitspracherecht ein. Es besteht zumindest die Hofnung, dass die Kommission und anschließend beim Gesetzgebungsverfahren der EU-Ministerrat und das Europäische Parlament auf die unterschiedlichen Belange der Seehäfen eingehen werden. Das wird die Branche von den Richtern des EuGH wohl nicht erwarten können. »Statt an Leitlinien für Staatsbeihilfen arbeitet die EU-Kommission am dritten Port Package.«