eJournals Internationales Verkehrswesen 63/5

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0091
91
2011
635

Ein Jahrzehnt des Übergangs

91
2011
Nikos Kakalis
Der Geschäftsbereich „Research & Innovation“ bei Det Norske Veritas kann als Herausgeber des Technology Outlook auf eine lange Tradition zurückblicken. In diesem Report wagt DNV einen Blick in die Kristallkugel, um Diskussionen über künftige Technologien bis zum Jahr 2020 anzuregen.
iv6350037
Internationales Verkehrswesen (63) 5 | 2011 73 Ein Jahrzehnt des Übergangs Der Geschäftsbereich „Research & Innovation“ bei Det Norske Veritas kann als Herausgeber des Technology Outlook auf eine lange Tradition zurückblicken. In diesem Report wagt DNV einen Blick in die Kristallkugel, um Diskussionen über künftige Technologien bis zum Jahr 2020 anzuregen. D NV ist der festen Überzeugung, dass die rasante Weiterentwicklung von neuen Technologien zur Lösung vieler globaler und industrieller Herausforderungen beitragen kann, mit denen wir heute konfrontiert werden. Die beste Möglichkeit, uns auf die Zukunft vorzubereiten, besteht darin, uns einen umfassenden Überblick über diejenigen Technologien zu verschafen, die wichtige Lebensbereiche in den kommenden Jahren beeinflussen werden. Technology Outlook 2020 In diesem Rahmen betrachtet der Technology Outlook 2020 künftige Technologien in vier wesentlichen Bereichen: Schiffahrt, fossile Energieträger, erneuerbare Energien und Kernenergie sowie Systeme zur Energieerzeugung. Vor diesem Hintergrund geht der Report zum einen auf sieben globale Megatrends ein, die die Entwicklungen in den ausgewählten Bereichen beeinflussen können; zum anderen werden vier Szenarien, bestehend aus einer Kombination von klimapolitischen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren, vorgestellt, welche die Alternativen unserer Zukunft beschreiben. Die Weltbevölkerung nimmt auch weiterhin rasant zu. Bis zum Jahr 2020 wird sie die 7,5 Mrd.-Marke überschritten haben. In Asien wird mehr als die Hälfte aller Menschen leben. Der steigende Bedarf an Rohstofen und Energie, die Urbanisierung exponierter Gebiete, Naturkatastrophen und kriegerische Auseinandersetzungen werden Motivationsfaktoren für Zu- und Abwanderungen, sowohl innerhalb eines Landes als auch international. Die industrielle Revolution hat das wirtschaftliche Zentrum der Welt von Asien in den Westen verschoben - ein Trend, der sich nun umkehrt. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte dies zu größeren gesellschaftlichen Veränderungen führen und neue Geschäftsmöglichkeiten eröfnen, gleichzeitig aber auch erheblichen Einfluss auf die Umwelt haben. Für die kommenden 30 bis 50 Jahre werden signifikante Klimaveränderungen erwartet. Aktuelle Regierungsstrukturen verändern sich und in der politischen Landschaft spielen internetbasierte soziale Netzwerke eine zunehmend wichtige Rolle. Die Informationstechnologie übt einen enormen Einfluss auf das persönliche Leben, die Geschäftswelt und die Gesellschaft als Ganzes aus. Eine vereinfachte Produktion und die gemeinsame Nutzung von Informationen führen zu einem exponentiellen Datenwachstum und damit zu neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Abruf und der Sicherheit von Daten. Evolution statt Revolution Vieles von dem, was die Gesellschaft 2020 in technologischer Hinsicht kennzeichnen wird, ist bereits heute in den Laboren und auf den „Zeichenbrettern“ zu finden. Technologische Entwicklungen erfolgen in langen, langsamen Schritten. In den nächsten zehn Jahren ist die Wahrscheinlichkeit einer Technologie-Evolution höher als die einer Technologie-Revolution, aber wir können davon ausgehen, dass Technologien auf neuen Gebieten eingesetzt werden - beispielsweise dürfte sich die Nanotechnologie für die Entwicklung erneuerbarer Energien als sehr wichtig erweisen. Die Informations- und Kommunikationstechnologie wird alle anderen Technologien durchdringen. Innovative Schifskonstruktionen und nachhaltige Schiffahrts- und Hafenlösungen werden intensiv erforscht. Konzepte mit Foto: Planet Solar TECHNOLOGIE Zukunftsstudie TECHNOLOGIE Zukunftsstudie Internationales Verkehrswesen (63) 5 | 2011 74 Abb. 2: Koppelung von CAD (Computer Aided Design) und numerischer Strömungssimulation beim Schifbau (Grafik: DNV) Abb. 1: Modellbasierte Schifsmaschinenkonstruktion (Grafik: DNV) veränderten Rumpformen, die Nutzung der Luftblasenschmierung, Air Cavity Systeme (ACS), ballastfreie Schife und neue Arten von Oberflächenmaterialien könnten schon bald Realität werden. Außerdem ist mit einem zunehmenden Einsatz umweltfreundlicherer Treibstofe zu rechnen, mit vermehrter Nutzung von LNG und - in geringerem Umfang - von Biokraftstofen. Auch die Kernenergie als Energiequelle für die Schiffahrt könnte über das Jahr 2020 hinaus wieder eine Rolle spielen, wird sich jedoch zu Anfang mit öfentlicher Akzeptanz schwer tun. Jörg Langkabel, Country Manager DNV Germany, ist der Ansicht, dass Hybridantriebe - die „Prius of the Seas“ -, bei denen Schifsbrennstofzellen, Batterien, Solarmodule oder Windturbinen mit einem konventionellen „back-up“ in einen dieselelektrischen Antrieb integriert sind, bis 2020 in der Schiffahrt zum Einsatz kommen könnten, insbesondere für Schife mit variablem Energiebedarf wie z. B. Versorgungsschife und Fähren. Solche Technologien werden parallel zum „vollelektrischen Schif“ entwickelt und neben einer Erhöhung der Energieeizienz auch zu einer wesentlichen Verringerung von Treibhausgasemissionen von Schifen in Häfen führen. Elektronische Systeme Der Klimawandel wird eine Zunahme des Schifsverkehrs in der Arktis zur Folge haben, was wiederum die Entwicklung arktisspezifischer Technologien, wie etwa Software zur Routenoptimierung in arktischen Gewässern, Systeme zur Überwachung der Rumpflast und neue Eisbrecherkonzepte, beschleunigen wird. E-Navigation einschließlich des elektronischen Seekartensystems ECDIS sowie Technologien zur Routenplanung unter Berücksichtigung lokaler und regionaler Wetterbedingungen, zur Piraterieerkennung und zur Synchronisation zwischen Schif und Hafen finden voraussichtlich weite Verbreitung, wodurch Unfälle verhindert werden und die Leistung verbessert werden kann. Auch die rasanten Entwicklungen der letzten 20 Jahre auf dem Gebiet von Computer- und Automatisierungstechnik beeinflussen die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Schiffahrt. Moderne Software-Tools zur Modellierung sind eine Grundlagentechnologie für die Entwicklung und Beurteilung neuer und neuartiger Rumpkonstruktionen, Strahlruder und komplexer Maschinensysteme, und es ist davon auszugehen, dass deren Verwendung bis 2020 stark zunehmen wird. Der nächste Schritt zur Innovationsbeschleunigung und Technologieumsetzung wären in großem Maßstab angelegte Pilotprojekte mit gleichmäßiger Verteilung der Investitionen und Risiken unter den wesentlichen Interessengruppen. Die Schiffahrtsindustrie ist zwangsweise vom Energiesektor abhängig, da sich Entwicklungen in diesem Bereich signifikant auf Kraftstofarten und deren Verfügbarkeit für die Schiffahrt auswirken. Auf dem Energiesektor werden auch im Jahr 2020 fossile Brennstofe den größten Anteil zum Energiemix beitragen und DNV ist überzeugt, dass der Schwerpunkt dann auf einer Optimierung der Eizienz und Verbesserung der Ökobilanz liegen wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass immer modernere Systeme für die Öl- und Gasförderung in großen Wassertiefen eingesetzt werden und sich Bohr- und Interventionstechnologien durch ausgereiftere Überwachung und höhere Eizienz weiterentwickeln. Rainerien werden in Zukunft strengere Emissionsauflagen erfüllen und wesentlich „intelligenter“ sein müssen, als sie es heute sind. Unkonventionelle Erdöl- und Erdgassorten, an erster Stelle Schiefergas, werden wesentlich zum Energiemix beitragen und könnten sich als bedeutsamer Faktor für einen Wandel auf diesem Sektor erweisen. Energiesektor (ZÜS) Auf eine Wirtschaft mit geringstmöglichen CO 2 -Emissionen zusteuernd, könnten technologische Entwicklungen bei erneuerbaren Energien wie Windkraft, Solarenergie, Biokraftstofe und Geothermie einen solchen Wandel bis 2020 erheblich beschleunigen. Die Leistung von Ofshore-Windkraftanlagen dürfte von 3 auf 10 MW steigen, und da ihre Installation in immer größerer Entfernung zum Festland erfolgt, sind neue Lösungen hinsichtlich Erreichbarkeit und Instandhaltung gefragt. Aus diesem Grund müssen neue Konzepte für Transport- und Errichterschife entwickelt werden, die in der Lage sind, solche komplexen Aufgaben auch unter widrigsten Wetterbedingungen zu bewältigen. Zusammenfassend kommt DNV Research & Innovation zu dem Schluss, dass wir uns in einem Jahrzehnt des Übergangs befinden und die Welt in diesen Jahren die Chance hat, sich auf eine nachhaltigere Zukunft vorzubereiten, indem sie neue Technologien vorantreibt - von der ersten Idee und Testphase bis hin zu fertigen, wettbewerbsfähigen Lösungen. ɷ Nikos Kakalis, Dr. Head of DNV Research & Innovation Greece E-Mail-Kontakt: jan.tellkamp@dnv.com