Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0092
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Binnenschiffe mit neuem Innenleben
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Kerstin Zapp
Die Effizienzsteigerung in der Binnenschifffahrt ist schon lange ein Thema. Wie bei Seeschiffen spielen besonders Schiffsform, Antrieb und Abstimmung der Systeme eine große Rolle. Da Binnenschiffe alt werden, können nicht nur Neubauten, sondern auch neue Motorisierungen hier Vorteile bringen.
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Internationales Verkehrswesen (63) 5 | 2011 75 TECHNOLOGIE Schiffahrt Binnenschife mit neuem Innenleben Die Eizienzsteigerung in der Binnenschiffahrt ist schon lange ein Thema. Wie bei Seeschifen spielen besonders Schifsform, Antrieb und Abstimmung der Systeme eine große Rolle. Da Binnenschife alt werden, können nicht nur Neubauten, sondern auch neue Motorisierungen hier Vorteile bringen. A nstoß war ein Vortrag auf der Klimakonferenz der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt (ZKR) im Juni 2009: Joachim Zöllner vom Entwicklungszentrum für Schifstechnik und Transportsysteme (DST), Duisburg, berichtete über die Möglichkeiten, die Eizienz von Binnenschifen um bis zu 25 % zu steigern. Die Torque Marine IPS Innovative Propulsion Systeme GmbH & Co. KG, Hamburg, entwickelte darauhin das High Torque Power Drive (HTP)™ Antriebssystem und probierte es aus. Der dieselelektrische Prototyp ging im vergangenen Jahr auf dem Motorgüterschif „Enok“ auf Probefahrten. Dieselelektrischer Schifsantrieb Die Idee, einen dieselelektrischen Schifsantrieb zu entwickeln, ist nicht neu. Um den Treibstofeinsatz und damit auch die Emissionswerte zu reduzieren, hat sich das DST schon vor Jahren im Auftrag des Bundesumweltministeriums mit dem Thema beschäftigt. Der konventionelle dieselelektrische Antrieb konnte in der Praxis aber bisher Vorgaben wie Gewichts- und Volumenreduzierung nicht erfüllen. Andererseits sind konventionell angetriebene Binnenschife in der Regel übermotorisiert, ein Teil der installierten Leistung wird nicht genutzt. Das Torque-Antriebssystem ist modular aufgebaut und teilt die Antriebsleistung auf drei bis vier Aggregate auf. Es besteht aus Motor, Generatorenset, Schaltanlage mit Umrichter, Brückenantriebssteuerung und optional einem Zero Emission System (ZES). Es handelt sich um einen Direktantrieb aus Dieselgeneratoren und elektronischen Umrichtern. Das Zwei-Wellen-Antriebssystem kann im Minimalbetrieb mit einem Dieselgenerator von geringerer Leistung gefahren werden. Um mehr Kraft zu entwickeln, werden die anderen Generatoren bei Bedarf stufenlos zugeschaltet. Dieses Zu- und Abschalten erfolgt ohne die sonst übliche Synchronisation der Generatoren. Vorteile 20 % Treibstof sollen durch dieses System eingespart werden können, haben die Testfahrten ergeben. Entsprechend sinken die NOx- und CO 2 -Emissionen. Weitere Vorteile sind laut Hersteller die dynamische Bereitstellung der Energie, die tatsächlich benötigt wird, der Betrieb der Dieselgeneratoren immer im optimalen Leistungsbereich, die Ausfallsicherheit durch redundante Systemkomponenten, das Zuschalten der Aggregate ohne Synchronisation der Dieselgeneratoren und volles Drehmoment im jeweiligen Fahr-/ Geschwindigkeitsbereich, so dass sicher manövriert, umgesteuert und aufgestoppt werden kann. Der HTP ist für Binnenschife mit einem Leistungsbedarf von 250 bis 4500 PS ausgelegt. Das modulare System soll auch für alternative Energieträger verwendet werden können. Dass die Technik auch für Schlepper geeignet ist, will Torque mit zwei 6,5 Mio. EUR teuren Neubauten unter Beweis stellen. Bei den schwimmenden Kraftprotzen, die zwar ständig unterwegs sind, aber nur stundenweise die volle Leistung bringen müssen, rechnet sich die zusätzliche Investition nach Unternehmensangaben schon nach drei Jahren. Für Neubauten hat Torque Marine die Pläne für eine neu konzipierte Rumpform erworben und mit dem Flensburger Ingenieurbüro für Schifstechnik von Ingo Schlüter weiter entwickelt. Ebenso gibt es Material für einen Containershuttle unter dem Projektnamen „2130“, der im vergangenen Jahr auf der Messe SMM vorgestellt wurde. Das Beispiel „Enok“ zeigt, dass auch ältere Schife umweltfreundlicher werden können. Wissenschaftlich begleitet wurde die dreijährige Arbeit von den Schibauexperten aus Duisburg und der Technischen Universität (TU) in Hamburg-Harburg. Die Umbauleitung des Prototypen übernahm die Firma NavConsult aus Brunsbüttel auf der Gebr. Friedrich Werft in Kiel. ɷ Kerstin Zapp freie Fachjournalistin Redaktionsteam „Internationales Verkehrswesen“, DVV Media Group GmbH, Hamburg kerstin.zapp@dvvmedia.com Klima: aktivmobil Ebenfalls schon länger unterwegs ist die „Aqua Team“, ein Schubschif für bis zu vier Schubleichter mit etwa 1500 t pro Einheit. Sie gehört der österreichischen Danu Transport GmbH, Wien. Bereits 2007 hatte das Unternehmen das Schif um 6 m verlängern und den Tiefgang um 25 cm verringern lassen, um Stehzeiten bei Niedrigwasser zu vermeiden. Mit einer neuen Motorisierung ging es 2010 weiter, gefördert im Rahmen des österreichischen Programms „klima: aktivmobil“. Die „Aqua Team“ erhielt zwei fabrikneue Motoren von Mitsubishi vom Typ S12R-C2MPTK mit jeweils 940 kW und 1600 U/ min für Back- und Steuerbordseite sowie zwei neue Wendegetriebe. Ergebnis laut Danu Transport: 15 % weniger Treibstofverbrauch, 50 % geringere NOx- Emissionen. Eine Förderung durch „klima: aktivmobil“ hat auch die Helogistics Holding GmbH, Wien, für die Neumotorisierung samt Adaption der damit zusammenhängenden Antriebsaggregate von elf ihrer Schife in den Jahren 2002 bis 2010 erhalten. Die im Probe- und im regulären Betrieb festgestellte Treibstofersparnis beläuft sich auf 10 %. In einem weiteren Schritt will das Unternehmen das Fahrverhalten durch ein besseres Motorenmanagement und durch die bessere Integration bestehender Flussinformationssysteme (RIS) optimieren. (zp) ÖSTERREICH FÖRDERT UMMOTORISIERUNG Helogistics hat insgesamt elf Binnenschife mit neuen Motoren ausgerüstet. Foto: Helogistics
