eJournals Internationales Verkehrswesen 63/6

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0107
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Lieferkettenzerstörung - wer zahlt?

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Christoph Willi
Auch für Lieferkettenbeziehungen gilt: Sie sind nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Bricht dies, kann es zu Versorgungsengpässen und Produktionsausfällen kommen. Im Zweifel eine teure oder gar existenzbedrohende Angelegenheit. Wer kommt für den Schaden auf?
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Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 36 LOGISTIK Versicherung Lieferkettenstörung - wer zahlt? Auch für Lieferkettenbeziehungen gilt: Sie sind nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Bricht dies, kann es zu Versorgungsengpässen und Produktionsausfällen kommen. Im Zweifel eine teure oder gar existenzbedrohende Angelegenheit. Wer kommt für den Schaden auf? D ass hin und wieder ein Kettenglied bricht, wurde Anfang dieses Jahres wieder unter Beweis gestellt, als sich ein mit Säure beladenes Tankschif zu Füßen des Loreleyfelsens im Rhein auf die Seite und damit eine der wichtigsten Binnenschiffahrtsstraßen Europas für Wochen lahm legte. Denn die aus Sicherheitsgründen notwendig gewordene Flusssperrung führte dazu, dass die Rheinschiffahrt in großen Teilen zum Erliegen kam. Zahlreiche Binnenschife mussten mit ihrer wertvollen und dringend benötigten Fracht vor Anker gehen. Weil die Unglücksstelle über lange Zeit nicht passiert werden konnte, kam es bei einigen Firmen zu Versorgungsengpässen. Derartige Engpässe, die überdies zu Produktionsverzögerungen oder gar -ausfällen führen können, ziehen zweifellos enorme Kosten nach sich. Damit stellt sich die Frage, inwieweit sich das Risikomanagement in Unternehmen präventiv mit Szenarien wie diesen auseinandersetzt, um Schäden durch Unterbrechungen in der Lieferkettenbeziehung, der so genannten Supply-Chain, so gering wie möglich zu halten. Vorkehrung kann etwa eine Versicherung bieten, die das Risiko einer solchen Supply-Chain-Störung und ihrer finanziellen Folgen abdeckt. Fakt ist: Wenn eine benötigte Ressourcenlieferung nicht rechtzeitig oder in zu geringer Menge eintrift, wirkt sich das nicht nur negativ auf Umsatz und Gewinn aus. Weitere Folgen können sein: Kundenverlust, Image-, Reputations- oder Markenschädigung, Aktienkursverluste und höhere Kapitalkosten, um ein paar Beispiele zu nennen. Globalisationssorgen des Supply-Chain-Management Die Notwendigkeit, ein zunehmend komplexeres Netz von Lieferanten und Vertriebspartnern zu managen, kann die Widerstandsfähigkeit des eigenen Unternehmens schwächen, bringt aber auf jeden Fall neue Herausforderungen für das Management unternehmerischer Risiken mit sich. Es kann heute leicht geschehen, dass wegen eines Problems bei einem Lieferanten irgendwo auf der Welt ein Betrieb in Deutschland zum Erliegen kommt - fast so, als sei das Unglück direkt im Unternehmen selbst passiert. In den vergangenen zwanzig Jahren hat die rasch voranschreitende Globalisierung - insbesondere in der produzierenden Industrie - sämtliche operationelle Funktionen der Lieferketten unau altsam verändert. Neue Geschäftsmodelle wie Ofshore Manufacturing, globales Outsourcing oder Lean Sourcing haben zu komplexen globalen Lieferketten geführt, deren feine Glieder plötzlich reißen können. Dazu führen in erster Linie Unfälle im Betrieb und beim Transport, gefolgt von Bränden, Überschwemmungen, Erdbeben und anderen Naturereignissen, Streiks, Insolvenzen, Computerausfällen, Angrifen durch Terroristen und Piraten, Krieg, Kriminalität, Krankheit, Rechtsstreit und mehr. Schifsunfall an der Lorelei auf dem Rhein Foto: dieterwald/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 37 Mit einem individuellen Lieferketten-Check können Unternehmen per Selbstversuch testen, ob sie für eine eventuelle Unterbrechung der Lieferkette gewappnet sind. Quelle: Zurich Eine internationale Analyse der Zurich Versicherung in Zusammenarbeit mit dem Business Continuity Institute zeigt, dass allen befragten 310 Unternehmen Ausfälle der Lieferkette und die damit verbundenen finanziellen Folgen den Unternehmensführern große Sorgen bereiten. Die Untersuchung aus dem Jahr 2009 ergab, dass 72 % der Unternehmen im Verlauf der vorherigen zwölf Monate mindestens eine Störung in der Lieferkette hatten. 20 % dieser Störungen erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als neun Monaten. In rund sechs von zehn Fällen wurde der finanzielle Schaden durch Lieferkettenunterbrechungen auf mehr als 10 Mio. USD geschätzt. So eindrucksvoll diese Zahlen auch sind, geben sie doch nicht das ganze finanzielle Ausmaß solcher Risikoereignisse wieder. Weitere Konsequenzen als der reine finanzielle Schaden dürften schwieriger zu bezifern sein, jedoch noch schwerer ins Gewicht fallen: Der Zeitaufwand des Managements für die Lösung der Supply- Chain-Herausforderungen, der Verlust von Kunden, die gezwungen wurden, auf alternative Lieferanten auszuweichen, oder der erlittene Reputationsschaden bei Kunden, Geschäftspartnern und der breiten Öfentlichkeit. Management von Risiken muss gelernt sein Über die Problematik der externen Gefährdungen der Lieferkette wurde bereits viel geschrieben, über die internen Risiken indes so gut wie nichts. Der einseitige Fokus auf äußere Risikofaktoren hat dazu geführt, dass das eigentliche Ziel des Risikomanagements quasi in Vergessenheit geraten ist - nämlich nicht nur die betriebliche Kontinuität, sondern auch die Rentabilität des Unternehmens zu sichern. Fest steht, dass die Betriebskontinuität durch äußere Störungen beeinträchtigt werden kann. Doch sind es gerade die internen Prozesse, die bedeutende finanzielle Risiken bergen können. Für ein eizientes Management aller Risiken ist es daher genauso wichtig, sich mit diesen internen Einflüssen - beispielsweise Verhaltens- und Vorgehenshinweisen - wie mit externen Risikoereignissen zu befassen und sich für den Ernstfall abzusichern. Da es bei der Identifizierung so genannter Beschafungsrisiken aber keine pauschale Grundausstattung samt Bedienungsanleitung gibt, muss der Prozess der Identifikation und des Managements dieser Risiken gelernt sein. Dabei sollten Unternehmen auf die Expertise externer Spezialisten zurückgreifen, die die individuellen Risikoquellen erkennen und darüber hinaus eine entsprechende Absicherung für ihre Folgen schafen können. Auf dem europäischen Markt für Supply- Chain-Risikomanagement hat die Zurich Versicherung gemeinsam mit international führenden Research-Teams und Hochschulen eingetretene Lieferketten-Risikoereignisse aus den vergangenen Jahren analysiert und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in einer Datenbank zusammengetragen. Diese wird laufend anhand eines nach Risikotypen gegliederten Klassifizierungssystems aktualisiert, wodurch die Zurich-Risk-Spezialisten ihr Verständnis für potenzielle Ursachen von Betriebsunterbrechungen bzw. -beeinträchtigungen sowie deren Folgen stetig weiter vertiefen. Auf Basis dieser Erkenntnisse entwickelte Zurich eine spezielle Allgefahren-Versicherungslösung für Ertragsausfälle durch Lieferkettenunterbrechungen, die weit über die bisher existierenden Deckungskonzepte hinausgeht. Bei der so genannten Supply-Chain-Insurance (SCI) handelt es sich um eine Versicherungslösung für Unternehmen unterschiedlichster Branchen aus Industrie und Mittelstand. Sie deckt die Folgen externer Ereignisse ab - egal, ob Erdbeben, Aschewolke oder Truckerstreik. So können bisher nicht versicherbare Risiken erstmals gedeckt und die daraus entstehenden finanziellen Schäden bezahlt werden. Im Vordergrund der Supply-Chain-Insurance steht zunächst ein ausführliches Risk-Assessment des jeweiligen Kundenunternehmens. Dabei analysieren Risk-Ingenieure oder von der Versicherung lizensierte Spezialisten des Industrieversicherungsmaklers zunächst, wo und wann eine Lieferkette Schwachstellen aufweist und welches Ausmaß eine solche Beeinträchtigung haben könnte. Mit diesem Know-how ist es den Experten dann möglich, mit dem Kunden frühzeitig die Risiken zu sondieren, Ausweichszenarien zu entwickeln und gemeinsam mit ihm die Grundlage für einen Risikotransfer in die Supply-Chain-Versicherung zu schafen. Zudem kann hierbei bereits die Entschädigungsleistung im Voraus bestimmt werden, die der Kunde im Rahmen der individuell für ihn gestalteten Deckung im Versicherungsfall erhält. ɷ Christoph Willi Vorstand für den Bereich Industriekundenversicherung der Zurich Gruppe Deutschland, Bonn media@zurich.com 10 Fragen für den individuellen „Supply-Chain-Check“ 1. Kennen Sie Ihre wichtigsten Lieferanten und wissen Sie, welche finanziellen Auswirkungen deren Ausfall für Ihr Unternehmen hätte? 1 Ja Nein 2. Haben Sie Ihre Upstream-Supply-Chains (bis hin zur Rohstoffbeschaffung) und Downstream-Supply-Chains (bis hin zur Kundenbelieferung) analysiert und dokumentiert? 2 Ja Nein 3. Haben Sie Risikomanagementprozesse in Ihre Strategie zum Management der Supply-Chain integriert? 3 Ja Nein 4. Verfügen Sie über Systeme zur routinemäßigen Überprüfung und frühzeitiger Erkennung der finanziellen Stabilität Ihrer Hauptlieferanten? 4 Ja Nein 5. Kennen Sie die Naturkatastrophenexponierung der Produktionswerke und Logistikzentren Ihrer direkten Zulieferer? 5 Ja Nein 6. Ist das Supply-Chain-Risikomanagement in Ihrem Ansatz zum Management Ihrer unternehmensweiten Risiken eingebettet? 6 Ja Nein 7. Dokumentieren Sie Störungen in Ihrer Lieferkette und die Maßnahmen, die Sie getroffen haben, damit sich solche Fälle nicht wiederholen? 7 Ja Nein 8. Verfügen Ihre wichtigsten Lieferanten über eine auf ihre Wirksamkeit hin getestete Business-Continuity-Planung? 8 Ja Nein 9. Hat Ihr Supply-Chain-Managementteam ein Risikomanagementtraining durchlaufen? 9 Ja Nein 10. Kommt das Thema Risiko während der Leistungsbesprechungen mit Ihren strategisch wichtigsten Lieferanten zur Sprache? 10 Ja Nein