Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2011-0109
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Mit Service und Verbindungen punkten
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Kerstin Zapp
Thomas Klühr
Die Deutsche Lufthansa AG hat ihren Regionalluftverkehr reorganisiert. Einerseits werden kaum noch Flugzeuge mit weniger als 100 Sitzen eingesetzt, andererseits ist die Marke „Lufthansa Italia“ Ende Oktober 2011 eingestellt worden. Wie es um das Regionalfluggeschäft der Lufthansa steht und warum es zu Veränderungen im Italienverkehr kommt, erläuterte Thomas Klühr, Passagevorstand der Lufthansa und dort verantwortlich für das Ressort München und Direct Services, gegenüber Kerstin Zapp.
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Interview Thomas Klühr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 44 Mit Service und Verbindungen punkten Die Deutsche Lufthansa AG hat ihren Regionalluftverkehr reorganisiert. Einerseits werden kaum noch Flugzeuge mit weniger als 100 Sitzen eingesetzt, andererseits ist die Marke „Lufthansa Italia“ Ende Oktober 2011 eingestellt worden. Wie es um das Regionalfluggeschäft der Lufthansa steht und warum es zu Veränderungen im Italienverkehr kommt, erläuterte Thomas Klühr, Passagevorstand der Lufthansa und dort verantwortlich für das Ressort München und Direct Services, gegenüber Kerstin Zapp. Herr Klühr, was ist die Grundidee hinter der Dachmarke „Lufthansa Regional“? Grundidee der Marke „Lufthansa Regional“ ist es, die europäischen Regionen miteinander zu verbinden, insbesondere Regionen mit einem noch etwas geringeren Passagieraukommen. Idee ist es aber auch, die Regionen an die großen Drehkreuze Frankfurt, München und Düsseldorf anzubinden. Deutschlandweit ermöglichen wir damit optimale Mobilität in alle Kontinente. Denn die genau abgestimmten Flugpläne verkürzen unseren Gästen nicht nur die Reisezeit, sie bieten auch eine enge Vernetzung zu vielen europäischen Zielen. Ich meine damit vor allem Destinationen, die unterhalb der Kapazität der Lufthansa-Kontinentalflotte liegen. Durch die Zusammenarbeit im Lufthansa-Verbund und unter Lufthansa- Flugnummern erhalten unsere Passagiere sämtliche Vorteile, die das internationale Lufthansa-Netz zu bieten hat, inklusive des Star Alliance-Angebots. Welche Fluggesellschaften und welches Passagieraufkommen verbergen sich dahinter? „Lufthansa Regional“ ist ein Verbund aus fünf Airlines: Lufthansa CityLine, Eurowings, Air Dolomiti, Augsburg Airlines und Contact Air. In 2010 sind mehr als 11,5 Mio. Passagiere im Lufthansa-Regionalverkehr geflogen. Dabei ist CityLine mit mehr als 6 Mio. Gästen die größte Fluggesellschaft im Verbund, die vor allem den Zubringerverkehr für die Drehkreuze Frankfurt und München übernimmt. Ihr folgt Air Dolomiti, die vorrangig norditalienische Städte mit dem Drehkreuz München verbindet. Eurowings hat ihren Schwerpunkt in Düsseldorf, Augsburg Airways operiert von München und Contact Air von Stuttgart aus. Warum tauschen Sie kleinere Regionalflugzeuge gegen größere Maschinen aus? Der Einsatz von „Regio-Flugzeugen“, also den 50- und 70-Sitzern, ist auf vielen Europastrecken nicht mehr rentabel. Die Kosten pro Sitz oder pro Passagier sind bei größeren Flugzeugen deutlich niedriger. Sie können mehr Passagiere befördern, sind sparsamer und damit umweltschonender. Aber es gibt nicht nur den wirtschaftlichen Aspekt. Größere Flugzeuge - wie die Embraer - bieten unseren Gästen auch mehr Komfort. Außerdem haben sie im Gegensatz zu den kleineren Flugzeugtypen größere Laderäume, was für den Zubringerverkehr in die Drehkreuze von Vorteil ist. Diese Gründe führten zu der größten „Umflottung“ unserer Geschichte - also dem Austausch älterer und kleinerer Regionalflugzeuge gegen neue und größere. Reduziert sich dadurch die Abflugdichte und damit der Kundenservice auf den einzelnen Regionalrouten? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Natürlich gilt es nach wie vor, Destinationen mehrmals am Tag anzufliegen, um unseren Gästen eine optimale Frequenzdichte und eine bestmögliche Reiseplanung anzubieten. Der Kundenservice an Bord wurde ebenfalls verbessert, beispielsweise bieten wir auch auf innerdeutschen Flügen wieder einen Snack zum Getränk an. Lufthansa ist sehr erfolgreich in Italien. Was steckt dahinter? Das Lufthansa-Produkt wird von unseren italienischen Gästen sehr geschätzt. Aus Zwei Fragen an Michael Kraus, CEO und Präsident von Air Dolomiti Herr Kraus, was ändert sich für Air Dolomiti mit Auflösung von „Lufthansa Italia“? Heute verbindet Air Dolomiti die italienischen Städte von und nach München mit hohen täglichen Flugfrequenzen, die genau auf die Flugverbindungen von und zur Drehscheibe München abgestimmt sind. Daraus resultiert, dass unsere Passagiere überwiegend Geschäftsreisende und zum größten Teil Umsteigepassagiere sind, für die exakt aufeinander abgestimmte Flugverbindungen einen essenziellen Vorteil bieten. Lufthansa will die Anbindung des italienischen Markts an die Drehkreuze des Lufthansa-Verbunds verbessern. Das bedeutet gleichzeitig auch eine Stärkung der Marke Air Dolomiti: Wir werden die Verbindungen von den wirtschaftsstarken norditalienischen Metropolen zu den Drehkreuzen verdichten und darüber hinaus weitere ausgewählte Destinationen anfliegen. Wie wird Air Dolomiti der neuen Herausforderung begegnen? Derzeit können wir noch keine konkreten Angaben machen, auch wenn es bereits Pläne gibt, die Kompetenzen, Flugfrequenzen und Destinationen der Air Dolomiti zu erweitern. Doch auf jeden Fall bleiben wir unseren Prinzipien treu: höchste Qualitätsstandards für sicheren Flugverkehr, Pünktlichkeit und sympathischer Bordservice „all’italiana“. (zp) AIR DOLOMITI Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 45 diesem Grund ist Lufthansa in Italien mittlerweile die erfolgreichste ausländische Fluglinie. Das führt auch zu einem größeren Angebot. So fliegen wir in Italien bereits mehr Destinationen an als zum Beispiel innerdeutsche Ziele. 2008 haben Sie die Marke „Lufthansa Italia“ eingeführt. Warum? 2008 zog sich Alitalia aus Mailand-Malpensa zurück. Gleichzeitig endete die Kooperation mit Air One. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung richtig, „Lufthansa Italia“ zu gründen. Und weshalb wird sie so kurze Zeit später wieder vom Markt genommen? Unsere Kollegen haben in Mailand ein qualitativ hochwertiges Produkt geschafen, das bei unseren italienischen Gästen gut angekommen ist. Aber ein wirtschaftlicher Erfolg war nach der Wirtschaftkrise nicht mehr zu erzielen. Zum einen hat sich das Geschäftsreiseverhalten verändert, zum anderen gibt es einen intensiven Wettbewerb auf den Europastrecken. Was geschieht mit den Verbindungen von Lufthansa Italia? Es ist geplant, Kapazitäten von Lufthansa Italia zu unserer Kernmarke Lufthansa zu verlagern und Air Dolomiti zu stärken. Damit werden wir den Kunden eine noch höhere Netzqualität über unsere Drehkreuze bieten können. Die Verbindung von „Lufthansa“ und „Italia“ wird auch in Zukunft so eng bleiben wie bisher. Das Angebot der Lufthansa mit ihren zahlreichen Flugverbindungen nach Italien, insbesondere aus den Drehkreuzen, soll auch in Zukunft weiter wachsen. Zudem kann Air Dolomiti ihre Verbindungen zwischen den wirtschaftsstarken norditalienischen Metropolen und dem Drehkreuz München weiter verdichten. Genaue Entscheidungen zu den einzelnen Routen sind aber noch nicht getrofen. Wohin gehen die Flugzeuge vom Typ Airbus A319 nach Einstellung der Marke? Die Flugzeuge kommen in den Lufthansa- Konzern zurück. Dort werden sie benötigt, um an anderen Lufthansa-Standorten weiter wachsen zu können. So genannte Billigflieger starten und landen oft auf Flughäfen, die in Randregionen von Metropolen liegen. Kein Modell für Lufthansa, aber eventuell für die Regionalpartner? Nein, das ist sicher kein akzeptables Modell. Nach wie vor werden Standorte fernab der Verkehrsströme künstlich am Leben gehalten. Dieses geht zu Lasten der Steuerzahler, einer leistungsstarken, eizienten Flughafenstruktur und damit auch der Nachhaltigkeit. Die Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt am Main, konzentriert sich als Aviation-Konzern auf die fünf Geschäftsfelder Passage Airline Gruppe, Logistik, Technik, Catering und IT-Services. Mit Ihrem Regionalluftverkehrskonzept und dem Einsatz neuer, größerer Flugzeuge versuchen Sie, den Low Cost Airlines etwas entgegen zu setzen. Reicht das, um vom wachsenden Markt der Kurzreisen stärker zu profitieren? Ja, natürlich profitieren wir von dieser Entwicklung. Die verbesserte Wirtschaftlichkeit im Regionalverkehr ist der Hebel, um den Low Cost Airlines Paroli zu bieten. Unsere Pluspunkte sind die unzähligen Direktverbindungen zwischen den europäischen Regionen, die wir mit modernem Fluggerät anfliegen. Dazu bietet Lufthansa alle europäischen Ziele zu einem Preis ab 99 EUR an - Hin- und Rückflug, Steuern und Gebühren inklusive. Der Gast muss weder für den Service noch für Gepäck zahlen. Zusammengerechnet liegen die Low Cost Airlines zum Teil deutlich über diesem Tarif. - Vor allem, wenn man hier noch die An- und Abfahrt zu den teilweise weit abgelegenen Airports hinzurechnen muss. Bitte ein kleiner Ausblick: Welche Entwicklungen erwarten Sie generell in den nächsten Jahren auf dem europäischen Regionalflugmarkt? Ausblicke sind immer schwierig. Aber ich denke, dass die aktuellen Tendenzen sich noch weiter verstärken werden. Zum einen wird die Integration kleiner Regionalfluggesellschaften in große Allianzsysteme oder Fluggesellschaften weiter fortschreiten. Von Vorteil ist dabei, wenn kleinere Airlines - eingebettet in ein großes Airlinesystem - ihre regionalen Besonderheiten beibehalten können. Das Beispiel Air Dolomiti zeigt, dass unsere Kunden dieses besonders schätzen. Zum anderen werden Regionalflugzeuge größer. Sie werden aus den Drehkreuzen nicht mehr wegzudenken sein, weil sie sehr gut geeignet sind, auch kleinere Märkte erfolgreich anzubinden. Herr Klühr, vielen Dank für das Gespräch. Thomas Klühr Passagevorstand der Deutsche Lufthansa AG, Ressort München und Direct Services ZUR PERSON ZUM UNTERNEHMEN ɷ Foto: Deutsche Lufthansa AG
