Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0032
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Der Effekt der Lkw-Maut auf den Verbraucherpreis
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Christos Evangelinos
Kristin Reinboth
Claudia Hesse
Ronny Püschel
Ende 2008 beschloss die deutsche Bundesregierung den Lkw-Mautsatz auf 16,3 Cent/km zu erhöhen. In diesem Beitrag werden mittels einer Input-Output-Analyse die Preiseffekte der Lkw-Mauterhöhung zu Beginn des Jahres 2009 berechnet und kritisch hinterfragt.
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POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 14 Foto: Tollcollect I m Jahr 2005 wurde eine streckenbezogene Autobahn-Maut für Lkw über 12 t zulässigem Gesamtgewicht (zGG) in Deutschland eingeführt. Zur Einführung betrug der Durchschnittsmautsatz 12,4- Cent/ km. In den Folgejahren sollte er nach Empfehlung der Pällmann-Kommission auf 15- Cent/ km angehoben werden. Nachdem im Wegekostengutachten von 2007 ein erhöhter Wegekostensatz für Lkw von etwa einem Cent berechnet wurde, beschloss die Bundesregierung, den Mautsatz im Jahr 2009 auf durchschnittlich 16,3-Cent/ km zu verteuern. Kritiker meinten, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise, die sich seit Ende 2008 auch in Deutschland ausbreitete, eine solche Mautkostenerhöhung für viele Transportunternehmen nicht zu tragen wäre (Hahn, Doll, Müller, Wieland, 2008, S.- 5f ). Zudem könnte durch die schlechte wirtschaftliche Lage das Ziel der Regierung, die Transportunternehmen zur Anschafung emissionsärmerer Fahrzeuge zu bewegen, nicht erreicht werden. Dadurch würden die Mauteinnahmen deutlich höher ausfallen und somit auch der durchschnittliche Mautsatz mehr als nur 16,3- Cent/ km betragen. Das BGL empfahl den Transportunternehmen sogar öfentlich, ihre Mautkosten an den Auftraggeber weiterzuleiten, um der wirtschaftlichen Situation standhalten zu können (Grewer, 2009). Sollten alle Transportunternehmen tatsächlich ihre Mautkosten in voller Höhe auf die Kunden überwälzen und sich dieser Prozess entlang der Logistikkette bis zum Endverbraucher durchziehen, würden letztendlich die Endverbraucher für die Mautkosten aukommen müssen. Die Gründe für dieses unternehmerische Verhalten liegen auf der Hand. In wettbewerbsintensiven Märkten haben die Unternehmen langfristig keine andere Möglichkeit, als Inputpreiserhöhungen unmittelbar in ihr Preissetzungskalkül einzubeziehen. Genau diesen Efekt auf den Endverbraucherpreis kalkulieren wir im Folgenden. Unsere Berechnungen basieren auf der Ghosh-Speziikation der Input-Output-Analyse. Dazu verwenden wir die Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes. Modellbeschreibung Die Input-Output-Analyse geht auf Wassily W. Leontief (1936) zurück und untersucht die intersektoralen Produktionsverlechtungen einer Volkswirtschaft innerhalb eines Jahres (Holub; Schnabl, 1994, S.- 30). Ausgangspunkt sind die Der Efekt der Lkw-Maut auf den Verbraucherpreis Ende 2008 beschloss die deutsche Bundesregierung den Lkw-Mautsatz auf 16,3 Cent/ km zu erhöhen. In diesem Beitrag werden mittels einer Input-Output-Analyse die Preise ekte der Lkw-Mauterhöhung zu Beginn des Jahres 2009 berechnet und kritisch hinterfragt. Die Autoren: Christos Evangelinos, Kristin Reinboth, Claudia Hesse, Ronny Püschel Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 15 POLITIK Wissenschaft der Preisefekte wird anschließend der Gesamtoutputvektor des Bezugsjahres ins Verhältnis zu dem des Basisjahres gesetzt. Zu den einzelnen Bestandteilen des Primäraufwands zählen die Sektoren ,Vorleistungen aus Importen‘, ,Gütersteuern abzgl. der Gütersubventionen‘ sowie ,Bruttowertschöpfung‘. Die Bruttowertschöpfung setzt sich im Einzelnen aus den Bereichen ,Arbeitnehmerentgelt im Inland‘, ,sonstige Produktionsabgaben abzgl. sonstiger Subventionen‘, ,Abschreibungen‘ und ,Nettobetriebsüberschuss‘ zusammen. Nach genauerer Betrachtung kann die Mauterhöhung als Gebühr nur auf den Vektor ,Gütersteuern abzgl. Gütersubventionen‘ aufgeschlagen werden. Zwar ist die Maut keine Steuer, doch unterscheidet dieser Vektor nicht zwischen Steuern und Abgaben, sondern vereinigt beide Begrife unter dem Posten Gütersteuern. Da die Maut lediglich im Straßengüterverkehr Anwendung indet, sollte sie auf den Sektor ,Güterbeförderung im Straßenverkehr‘ aufgeschlagen werden. Im Statistischen Bundesamt wird dieser Sektor dem Sektor ,Sonstige Landverkehrsleistungen, Transportleistungen in Rohrfernleitungen‘ untergeordnet. Dabei macht der Anteil der ,Güterbeförderung im Straßenverkehr‘ etwa 58,33 % des gesamten Sektors aus. Der Wirtschaftszweig ,Güterbeförderung im Straßenverkehr‘ konnte aufgrund der mangelnden Datengrundlage des Statistischen Bundesamtes nicht aus diesem Sektor herausgeiltert werden. Für die folgenden Berechnungen kann also nur der vollständige Sektor ,Sonstige Landverkehrsleistungen, Transportleistungen in Rohrfernleitungen‘, der im Folgenden die verkürzte Bezeichnung ,Landverkehr‘ erhält, als Gesamtsektor verwendet werden. Die Situation im Basisjahr bezeichnen wir als Szenario-0. Das Element ,Gütersteuern abzgl. Gütersubventionen‘ durch den ,Landverkehr‘ bleibt im Szenario-0 unverändert, da es als Vergleichsgrundlage verwendet werden soll. In Tabelle- 1 wurden die Werte der einzelnen Bestandteile des Primäraufwandsektors für den Sektor ,Landverkehr‘ im Jahr 2007 aufgelistet. In Szenario- 1 erhält das Element ,Gütersteuern abzgl. Gütersubventionen‘ des ,Landverkehrs‘ durch die Diferenz der Mauteinnahmen von Input-Output-Tabellen, die jährlich vom Statistischen Bundesamt bereitgestellt werden und die Lieferbeziehungen der einzelnen Sektoren untereinander beinhalten. Auf Basis dieser Informationen kann eine Input-Output-Analyse erfolgen. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen dem von Leontief entwickelten nachfrageorientierten Modell und dem 1958 von Ambica Ghosh vorgestellten angebotsorientierten Modell. Während das Leontief-Modell im Allgemeinen eine hohe Akzeptanz erfährt, wird die Plausibilität des Ghosh-Modells angezweifelt (de Mesnard, 2009, S.- 361). Nach Dietzenbacher (1997, S.-630f ) führt das Ghosh-Modell allerdings nur deshalb zu Verwirrungen, weil bei den meisten Untersuchungen von einem Mengenmodell ausgegangen wird, wie der Studie von Oosterhaven (1988, S. 205) zu entnehmen ist. Demnach plausibilisiert sich das Modell dann, wenn es als Preismodell reinterpretiert wird. Genau diese Interpretation legen wir im Folgenden zugrunde. Der entscheidende Unterschied des angebotszum nachfrageorientierten Modell kann mit der Annahme ixer Output-Koeizienten anstatt ixer Input-Koeizienten und einer spaltenstatt zeilenweisen Berechnung des Gesamtoutputs beschrieben werden. Nach Dietzenbacher (1997) erhalten wir die Ghosh-Koeizienten mit Hilfe der Gleichung: b 0 ij = x 0 ij x 0 i (1) wobei x 0 ij die Lieferung von Sektor i an Sektor j und x 0 i den gesamten Output des Sektors i zum Ausgangszeitpunkt t-=-0 bezeichnen. Alle Elemente b 0 ij werden in der Ghosh-Koeizientenmatrix B 0 zusammengefasst. Der Gesamtoutputvektor ergibt sich aus der Multiplikation der Primäraufwandsvektoren mit der Ghosh-Inversen: x' = v' · (E - B 0 ) -1 (2) wobei x' und v' den Endoutputbzw. Primäraufwandvektor bezeichnen und E als Einheitsmatrix zu verstehen ist. Mit anderen Worten wird folgende Frage beantwortet: Welchen Efekt verursacht eine Änderung des Primäraufwands auf den Endoutput? Berechnungen und Ergebnisse Die Input-Output-Tabelle des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2007 (Statistisches Bundesamt, 2010) stellt eine günstige Ausgangsbasis für unsere Berechnungen dar. Auf deren Basis lässt sich die Ghosh-Koeizientenmatrix anhand einfacher Rechenoperationen problemlos herleiten. Im nächsten Schritt muss ein Aufschlag auf den Primäraufwand vorgenommen werden, der die Preiserhöhung allein durch den Anstieg des Mautsatzes widergibt. Um eine prozentuale Änderung zu ermitteln, berechnen wir im Folgenden den Gesamtoutput für das Basisjahr 2007 und für das Bezugsjahr 2009. Zur Bestimmung Bestandteile/ Primäraufwand Landverkehr in Mio. € Vorleistung der Produktionsbereiche aus Importen 1.580 Gütersteuern abzgl. Gütersubventionen 3.297 Arbeitnehmerentgelt im Inland 22.773 Sonst. Produktionsabgaben abzgl. sonstige Steuern 272 Abschreibungen 1.122 Nettobetriebsüberschuss 3.779 ∑ Primäraufwand 32.823 Tab. 1: Primäraufwand im Szenario-0 Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes (2010) POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 16 werden als bei anderen Sektoren. Da der Durchschnittsanteil pro Sektor 1,54 % beträgt, wird die Mauterhöhung für alle Sektoren, die über diesem Wert liegen, für relativ stärkere Preisefekte sorgen. Dies trift im Speziellen auf die Industriezweige ,Keramik und Verarbeitung von Steinen und Erden‘, ,Kokerei- und Mineralölerzeugnisse‘, ,Herstellung von Holzstof, Zellstof, Papier, Karton und Pappe‘ zu, da beide Anteile einen Wert über 2 % aufweisen. Die Ergebnisse der Szenarien- 1 und 2 zeigen, dass im Sektor ,Landverkehr‘ selbst der stärkste Preisefekt festzustellen ist. Die Preise steigen hier um etwa 1,25 % bei Szenario-1 und 1,63 % bei Szenario- 2. Alle anderen Sektoren liegen deutlich unter diesem Wert. Im Mittel ergab sich ein Preisefekt von nur 0,04 % bzw. 0,05 %. Daher ist von keiner gravierenden Änderung der Endverbraucherpreise auszugehen. Neben den eben genannten Sektoren zählen die Sektoren ,Herstellung von Holzstof, Zellstof, Papier, Karton und Pappe‘, ,Herstellung von Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden‘, ,Herstellung von Roheisen, Stahl, Rohren und Halbzeug daraus‘ mit Preisefekten aus Szenario- 2 von 0,055 %, 0,085 % und 0,059 % zu den zehn Sektoren, auf die die Erhöhung des Lkw-Mautsatzes am stärksten wirkt. Dies bestätigt die im vorherigen Abschnitt aufgestellte Hypothese, dass jene Sektoren, die einen starken Input- und Outputanteil des Landverkehrssektors aufweisen, gleichzeitig die höchsten Preisefekte zu verzeichnen haben. Bei allen anderen Industriezweigen ielen die Preisefekte noch niedriger aus. Letztendlich ist abzulesen, dass keine deutlich spürbaren Auswirkungen auf die Verbraucherpreise zu beobachten waren. Zur Mauteinführung prognostizierte das BMVBS Preissteigerungen durch die Maut von etwa 0,15 % (BMVBS, 2009). Doll und Schaffer (2007, S.- 55) errechneten durch eine Input- Output-Analyse Preisefekte zwischen 0,09 % und 0,11 % für die gesamte Wirtschaft. Während in den Berechnungen zur Mauteinführung der Mautsatz 12,5- Cent/ km betrug, nehmen wir in dieser Untersuchung die Änderung des Durchschnittsmautsatzes auf Basis der Ex-Post-Berechnung des BGL an. Dabei ergab sich eine reale Mauterhöhung von 2007 auf 2009 von 5,86- Cent. Damit ist davon auszugehen, dass die Preisefekte durch die Mauterhöhung von 2007 auf 2009 nur etwa halb so hoch ausfallen wie diejenigen zur Mauteinführung. Tabelle- 3 zeigt unsere Ergebnisse. Zum Vergleich sind in der ersten Spalte die Preisefekte aus Doll und 2007 auf 2009 (vgl. BAG, 2010) einen Aufschlag von 669-Mio.- EUR. In diesem Aufschlag sind allerdings nicht nur die erhöhten Mautsätze enthalten, sondern auch konjunkturelle Efekte, die wir anschließend im Szenario- 2 bereinigen. Während der Wirtschaftskrise 2008/ 2009 ist die Verkehrsleistung stark zurückgegangen. Aus diesem Grund berücksichtigen wir im Szenario- 2 die Mauteinnahmen, die sich aus der Anzahl der gefahrenen Mautkilometer im Jahr 2007 und den Mautsätzen von 2009 ergeben. Da die Unternehmen 2009 mehr emissionsarme Fahrzeuge einsetzten, als es noch 2007 der Fall war, lassen wir auch die Anteile der gefahrenen Mautkilometer der jeweiligen Schadstoklasse nach EURO-Norm von 2009 in die Berechnung mit einließen. Dadurch ergibt sich nach Abzug der realen Mauteinnahmen des Jahres 2007 von den bereinigten Mauteinnahmen des Jahres 2009 eine Diferenz von 872-Mio.-EUR. Bei gleichbleibender Verkehrsleistung - d. h. ohne Einbeziehen der Wirtschaftskrise - wären demnach die Mauteinnahmen des Staates im Jahr 2009 um ca. 200- Mio.- EUR höher ausgefallen als es tatsächlich der Fall war. In Tabelle-2 sind alle erläuterten Szenarien für einen Aufschlag auf den Primäraufwand überblicksweise aufgeführt. Bevor näher auf die ermittelten Preisefekte eingegangen werden kann, sollte im Vorfeld eine Betrachtung der berechneten Ghosh-Outputkoeizienten erfolgen. Durch die Verknüpfung der Lieferbeziehungen aller Sektoren untereinander weist jeder Sektor bestimmte Input- und Outputeinlüsse zu jedem anderen Sektor auf. Die Outputkoeizientenmatrix gibt die Lieferverhältnisse zwischen den einzelnen Sektoren an. ,Landverkehr‘ liefert z. B. 2,5 % an den Sektor ,Nahrungs- und Futtermittel‘ und 3,1 % an sich selbst. Es ist davon auszugehen, dass sich bei Industriezweigen, deren Ghosh-Outputkoeizienten überdurchschnittlich ausfallen, verstärkte Preisefekte ergeben werden als bei den anderen. Allerdings muss nicht nur der Outputanteil betrachtet werden, sondern auch der relative Anteil des ,Landverkehrs‘ am Input des jeweiligen Sektors (Doll; Schafer, 2007, S.-54). Der Sektor ,Nahrungs- und Futtermittel‘ erbringt bspw. 2,5 % des gesamten Landverkehrs-Outputs, das entspricht aber nur 1,6 % des gesamten Inputs, der für die Produktion von ,Nahrung und Futtermittel‘ benötigt wird. Dementsprechend kann im Voraus nur gesagt werden, dass falls sowohl der Inputals auch der Outputanteil des ,Landverkehrs‘ an dem jeweiligen Sektor eine hohe Ausprägung haben, die Preisefekte stärker hervortreten In Mio. € Szenario 0 (Status Quo Ante) zusätzliche Mauteinnahmen Szenario 1 (beobachteter Efekt) zusätzliche Mauteinnahmen Szenario 2 (bereinigter Efekt) Gütersteuern 3.297 +669 3.966 +872 4.169 Primäraufwand 32.823 33.492 33.695 Tab. 2: Überblick der Szenarien zur Berechnung des Primäraufwandes Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage des Statistischen Bundesamtes (2010) und des BAG (2010) Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 17 POLITIK Wissenschaft den Lkw auf dem Bundesstraßennetz vermutlich geringer ausfällt, da Bundesstraßen zum Großteil von Transportunternehmen im Nah- und Regionalverkehr befahren werden. Für Szenario- 4 ergibt sich demnach ein Aufschlag in Summe von 5,19-Mrd.-EUR. Nach Berechnung der Gesamtoutputvektoren und den sich daraus ergebenden Preisefekten kann gesagt werden, dass selbst die Anlastung der vollen Wegekosten für Lkw über 12 t zGG keinen gravierenden Efekt auf die Verbraucherpreise haben würde. Der Preisefekt auf die gesamte Volkswirtschaft liegt bei 0,07 % (Szenario-3) bzw. 0,18 % (Szenario-4). Im Folgenden nehmen wir eine explorative Berechnung vor, um zu bestimmen, wie hoch die Mauteinnahmen letztendlich sein müssten, damit die Verbraucherpreisänderung die 1 %-Marke erreicht. Diese Aussage ist jedoch aus Gründen, die wir im nächsten Abschnitt erläutern werden, mit Vorsicht zu genießen. Dementsprechend unterstellen wir einen linearen Zusammenhang zwischen Mauteinnahmen und Preisefekt. Eine Extrapolation dieses Zusammenhangs für einen 1 %-igen Preiseffekt ergibt Mautmehreinnahmen in Höhe von 16,78- Mrd.- EUR. Dieser Wert entspricht allerdings nur den Mautmehreinnahmen der Inländer, also nur 65 % der tatsächlichen Mauteinnahmen. Um die exakte Höhe der vollständigen Mauteinnahmen zu berechnen, müssen weiterhin noch die kompletten Mauteinnahmen des Jahres 2007 in Höhe von 3,36- Mrd.- EUR hinzu addiert werden. Damit ergeben sich Gesamteinnahmen von 29,17- Mrd.- EUR. Wird die Verkehrsleistung des Jahres 2007 beibehalten und werden nur die gesamten inländischen Mauteinnahmen von 18,97- Mrd.- EUR betrachtet, erhalten wir einen durchschnittlichen Mautsatz von 1,06- EUR/ km. Nach EU-Recht wäre jedoch ein solch hoher Mautsatz nicht durchsetzbar, da nur Schafer (2007) aufgeführt, in den folgenden Spalten die beiden vorgestellten Szenarien. Im Ergebnis zeigt sich, dass bei beiden Szenarien die Preisefekte sehr niedrig ausfallen und zudem auch ähnlich mit den von Doll und Schafer (2007) ermittelten Efekten sind. Abweichungen der Ergebnisse zur Mauteinführung und zu den in unserer Untersuchung ermittelten Preisefekten sind auf Nachfrageänderungen innerhalb der Sektoren zurückzuführen. Bei Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass die Gesamtsumme aus den in beiden Studien ermittelten Preisefekten an die vom BMVBS angegebene Preiserhöhung von 0,15 % herankommt. Dementsprechend wurde die ursprüngliche Prognose des BMVBS zur Mauterhöhung erst mit der Mauterhöhung 2009 erreicht. Die zukünftigen Auswirkungen von Mauterhöhungen auf die Endverbraucherpreise Nachdem festgestellt wurde, dass die Mauteinführung und -erhöhung nur vernachlässigbare Preisefekte hervorgerufen haben, gehen wir in diesem Abschnitt der Frage nach, ob eine Mauterhöhung zukünftig überhaupt in der Lage wäre, einen spürbaren Einluss auf die Verbraucherpreise auszuüben. In den folgenden Ausführungen berechnen wir daher die Mauthöhe, die einen durchschnittlichen Preisefekt von 1 % verursacht. Dazu werden im ersten Teil der Analyse zwei weitere Szenarien untersucht, anhand derer überprüft werden soll, ob eine vollständige Anlastung der Wegekosten für Lkw über 12 t zGG stärkere Effekte auf die Verbraucherpreise hervorbringen könnte. Erreichen diese Efekte die 1 %-Marke nicht, wird alternativ die Mauthöhe berechnet, die Preissteigerungen von einem Prozent erzeugen würde. Die Szenarien- 3 und 4 basieren auf der Wegekostenrechnung 2007 (IWW/ ProgTrans, 2007, S.- 5). Der Unterschied zwischen beiden Szenarien besteht darin, dass Szenario- 3 nur die Wegekosten auf Bundesautobahnen und Szenario-4 zusätzlich die Wegekosten auf Bundesstraßen einbezieht. In Szenario-3 wird deshalb mit Mauteinnahmen von 5,2-Mrd.-EUR gerechnet. Da die Input-Output-Tabelle allerdings nur inländische Werte berücksichtigt, wurde bei der Berechnung der Mauteinnahmen jene der Gebietsfremden anteilig abgezogen. In den Jahren 2007 bis 2009 blieb der Anteil der Mauteinnahmen durch ausländische Transporteure konstant bei 35 % (BAG, 2010, S. 35). Daher wurden nur 65 % der Wegekosten, also 3,38- Mrd.- EUR zur Berechnung der Preisefekte angesetzt. In Szenario- 4 soll der durchschnittliche Preisefekt bei Erweiterung der Lkw-Maut auf das Bundesstraßennetz ermittelt werden. ProgTrans und IWW lasteten den Lkw über 12 t zGG Wegekosten für das Bundesstraßennetz von 2,78-Mrd.-EUR im Jahr 2010 an. Auch hier ziehen wir pauschal 35 % ab, wobei anzunehmen ist, dass der Anteil der gebietsfrem- Sektor minimale Preisefekte in 2005 (Doll und Schafer, 2007) Preisefekte durch die Mauterhöhung von 2009 Szenario 1 Szenario 2 [%] [%] [%] Landverkehr 4,35 1,247 1,625 Holz-und Holzerzeugnisse 0,15 0,029 0,038 Keramik und Verarbeitung von Steinen/ Erden 0,13 0,065 0,085 Tabak 0,10 0,014 0,018 Papier- und Papiererzeugnisse 0,09 0,025 0,033 Chemische Erzeugnisse 0,09 0,019 0,025 Forstwirtschaft 0,08 0,009 0,012 Nahrungs- und Futtermittel 0,08 0,033 0,043 Getränke 0,08 0,022 0,028 Gesamte Wirtschaft 0,09 0,040 0,052 Tab. 3: Vergleich der ermittelten Preise ekte von 2005 und 2009 Quelle: eigene Berechnungen sowie Doll und Scha er (2007, S. 55) POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 18 die tatsächlichen Wegekosten für die Berechnung angesetzt werden dürfen (vgl. EU-Richtlinie 1999/ 62/ EG). Wichtig für die Einschätzung der Ergebnisse ist außerdem die Überlegung, dass die Gesamtoutputvektoren nur die Preissteigerungen ausgeben, die verursacht werden, wenn die Mautkosten vollständig an den Endverbraucher abgewälzt werden würden. Eine vollkommene Weitergabe der Preise ist aus Wettbewerbsgesichtspunkten jedoch nicht immer umsetzbar. Im Straßengüterverkehrsmarkt gibt es Teilsegmente, die unterschiedliche Wettbewerbsintensitäten aufweisen. Eine vollständige Weitergabe der sich aus der Maut ergebenden Zusatzkosten ist nicht in allen Marktsegmenten realisierbar. Von daher stellen unsere errechneten Preisefekte eine Obergrenze dar. Es ist wahrscheinlich, dass die tatsächlichen Efekte noch geringer ausfallen. Zusammenfassung und Kritik In diesem Beitrag kalkulierten wir die Preiseffekte der Lkw-Mauterhöhung 2009 anhand einer Input-Output-Analyse nach dem Ghosh-Modell. Unsere Ergebnisse verglichen wir mit denen aus der Studie von Doll und Schafer (2007) und stellten fest, dass die Mauterhöhung von 2009 etwa halb so hohe Preisefekte implizierte wie die Mauteinführung. Allerdings beinden sich die ermittelten Änderungen im marginalen Bereich. Sie nehmen daher kaum Einluss auf die Höhe der Endverbraucherpreise. Ausgehend von einem linearen Zusammenhang zwischen Mauterhöhung und dem Anstieg der Endverbraucherpreise sowie bei vollständiger Überwälzung der Maut auf den Endverbraucher wächst erst bei einem Mautsatz von über 1 EUR der Preisefekt auf den Endverbraucherpreis auf 1 % an. Die Ergebnisse dieser Analyse sind kritisch zu betrachten, da die Mauterhöhung einen starken Einluss auf alle Verkehrssektoren hat. Beim Sektor ,Dienstleistungen bzgl. Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr‘ ergaben sich die zweithöchsten Preisefekte von etwa 0,24 %. Die Preiserhöhungen der anderen Verkehrssektoren lagen bei 0,047 % für den Schifverkehr, 0,053 % für den Luftverkehr und 0,08 % für die Eisenbahn. Eine Verteuerung der Transportpreise anderer Verkehrsträger als Reaktion auf die Mauterhöhung ist jedoch nicht als realistisch anzusehen. Ein weiterer kritischer Punkt, der insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn man die aktuellen Preisefekte für steigende Mautsätze extrapoliert, sind die möglichen multiplen Mautreaktionen. Steigende Transportkosten aufgrund erhöhter Mautgebühren können z. B. langfristige Entscheidungen von Unternehmen hinsichtlich ihrer Standortwahl beeinlussen, was wiederum zu einem niedrigeren Verkehrsaukommen führen kann. Auch die Wahl des Verkehrsmittels oder der Fahrzeuggröße sind Faktoren, die zwar kurzfristig als durchaus LITERATUR Bundesamt für Güterverkehr (2010): Geschäftsbericht 2009, Köln. 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TU Dresden Lehrstuhl für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik ronny.pueschel@tu-dresden.de Claudia Hesse, Dipl.-Verk.-Wirtsch. TU Dresden Lehrstuhl für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik claudia.hesse@tu-dresden.de konstant angesehen werden können, sich langfristig jedoch ab einer bestimmten Mauthöhe signiikant verändern könnten. Die Input-Output-AnalyseistdaherfürZukunftsprognoseneher ungeeignet. Vielmehr sollten in diesen Fällen allgemeine Gleichgewichtsmodelle zur Anwendung kommen. ■
