Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0034
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Paketmarkt zurück auf Wachstumskurs
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Ferry Salehi
Lars Ryssel
Die europäische Branche für Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) blickt auf ein gutes Jahr 2010 zurück und hat das Vorkrisenniveau in etwa wieder erreicht. Wesentlicher Treiber für das Wachstum war der Internethandel.
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LOGISTIK KEP Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 22 Paketmarkt zurück auf Wachstumskurs Die europäische Branche für Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) blickt auf ein gutes Jahr 2010 zurück und hat das Vorkrisenniveau in etwa wieder erreicht. Wesentlicher Treiber für das Wachstum war der Internethandel. I m Jahr 2010 stieg das Volumen der Sendungen um 6 % im Vergleich zum Vorjahr auf 5- Mrd., der Umsatz legte im gleichen Zeitraum um 4 % auf rund 42- Mrd.- EUR zu. In den kommenden zwei Jahren wird die Sendungsmenge auf 5,7- Mrd. anwachsen. Die starke Nachfrage nach preisgünstigeren Standardangeboten setzt die KEP-Dienstleister jedoch weiterhin unter Druck. Dies zeigt die aktuelle A.T. Kearney-Studie zur Entwicklung im europäischen KEP-Markt. Auf den nationalen Märkten haben insbesondere B2C- und E-Commerce-Sendungen das Wachstum im Jahr 2010 vorangetrieben. Aber auch international wird das Geschäft zunehmen. Das macht deutlich, dass der Internethandel vor allem noch innerhalb von Landesgrenzen vonstatten geht und die Verbraucher europaweites Einkaufen nur begrenzt nutzen. Das B2C-Geschäft ist auf nahezu allen untersuchten nationalen Märkten schneller gewachsen als das B2B-Geschäft. Die Ausnahme bildet Russland; hier ist der Trend Abb. 1: Entwicklung nationaler und internationaler KEP-Markt in Europa Quelle: Geschäftsberichte, Experteninterviews, A.T. Kearney-Analyse Abb. 2: Volumenwachstum für B2C, C2X und B2B (2009-2010) Quelle: A.T. Kearney-Analyse gegenläuig. Dies liegt vor allem an der (noch) geringeren Verbreitung von Internet und Smartphones. In ganz Europa machen B2C-Sendungen derzeit 43 % des Gesamtvolumens aus. International dagegen ist die Bedeutung mit einem Anteil von 10 % geringer - das Wachstum allerdings liegt bei 12 % jährlich (vgl. Abbildung 1). Volumen steigt wieder an Während die Sendungsmengen 2010 mit 5,0- Mrd. wieder das Niveau von 2008 (4,8- Mrd.) erreicht bzw. leicht übertrofen haben, gelang dies nicht bei den Umsätzen. Auch wenn dieser im Vergleich zu 2009 um 4 % gestiegen ist, liegt dieser aktuell um 5 % niedriger als vor drei Jahren. Der Umsatz pro Sendung ist demnach gesunken. Gründe für die schwächere Entwicklung des Gesamtumsatzes liegen insbesondere in den schwierigen Nachverhandlungen mit den Kunden und der Dominanz von eher leichten Sendungen im B2C-Geschäft. Zudem bieten Standardservices in Europa eine vergleichsweise hohe Qualität. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die europäische KEP-Branche spätestens zu Beginn des Jahres 2012 das Umsatzniveau von 2008 wieder erreichen wird. Bis 2013 wird zudem ein Wachstum der Sendungsmenge von jährlich 4 % erwartet. Deutschland, Großbritannien, Polen und Russland werden dabei die wichtigsten Wachstumsregionen sein. Standard gewinnt weiter In Deutschland, Frankreich und Großbritannien gewinnt Standard national im Vergleich zur Expressvariante weiter an Bedeutung. So liegt der Anteil in Deutsch- Die Autoren: Ferry Salehi, Lars Ryssel Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 23 Abb. 3: Marktentwicklung nach Land - Vergleich 2008 und 2010 Quelle: Geschäftsberichte, Experteninterviews, A.T. Kearney-Analyse land derzeit insgesamt bei 96 %. Irland, die Niederlande, Polen und Schweden sind die einzigen Länder, in denen auf internationaler Ebene Express schneller als Standard wächst. Standard ist im Aufwind auf interkontinentalen Strecken und in Bereichen, die sensibel auf die Verringerung von Logistikkosten reagieren. Viele Kunden haben während des wirtschaftlichen Abschwungs von Expressauf kostengünstigere Standardsendungen umgestellt und diese Entscheidung häuig noch nicht rückgängig gemacht - auch weil Unterschiede bei der Transitzeit im Vergleich zu Express gering sind. Dennoch bleibt das Pricing eine Herausforderung, da Kunden über standardisierte Preise klagen. Gerade im nationalen Bereich ist oft der einzige Unterschied, dass Express-Anbieter einen genauen Liefertermin garantieren. Tatsächlich bieten bereits jetzt schon viele KEP- Dienstleister Expressqualität zu Standardpreisen. Demzufolge ist zu erwarten, dass die Grenzen zwischen beiden Segmenten im nationalen Bereich immer stärker verschwimmen werden. Internationales Wachstum und nationale Konsolidierung Die Studie zeigt zudem, dass der europäische KEP-Markt im letzten Jahr international stärker gewachsen ist als national. Kaum Unterschiede bei den Wachstumsmustern gab es bei Sendungen innerhalb des Kontinents sowie interkontinental. Routen mit bedeutenden Wachstumsaussichten sind weiterhin diejenigen zwischen Europa und China/ Hongkong sowie Europa und den Vereinigten Staaten. Insbesondere auf den nationalen Märkten ist zudem mit einem Fortschreiten der Konsolidierung zu rechnen. Nischenanbieter im B2C-Geschäft weiten die Zahl ihrer B2B- Produkte aus, während die internationalen Netzwerkanbieter genau das Gegenteil tun - und eher auf B2C setzen. Im internationalen Express-Geschäft wird es keine weitere organische Konsolidierung geben, da der Markt bereits stark konzentriert ist und die sechs größten Netzwerke bereits 90 % des Marktes ausmachen. Interessant werden hier jedoch Kooperationen zwischen den großen Playern und kleineren, lokalen Dienstleistern. Steigende Produktionskosten in Line Haul, Pick-up und Delivery sowie Aufschläge für Kraftstofe werden zudem in den nächsten drei Jahren zu leichten Preiserhöhungen von bis zu 3 % und zu einer Erhöhung des Umsatzes pro Sendung führen. Allerdings werden die KEP-Anbieter nicht in der Lage sein, die entstandenen Mehrkosten insgesamt an ihre Kunden weiterzugeben. Gewicht und Versand von Dokumenten gehen auf nationaler Ebene zurück Angesichts der stärkeren Nutzung von E- Mail stagnieren in Europa der A.T. Kearney-Studie zufolge die Dokumentensendungen - allein die aufstrebenden Märkte wie die Türkei und Russland erleben hier ein Wachstum. Hier erhöht ein starker Zuwachs an neuen Unternehmen den Bedarf der Wirtschaft insgesamt. Während das Gewicht pro Sendung auf nationaler Ebene aufgrund des Zuwachses bei leichteren B2C- und E-Commerce-Sendungen sank, ist es im internationalen Geschäft gestiegen. Fazit Die europäische KEP-Branche zurück auf Wachstumskurs. Darauf deuten die guten Zahlen hin. Um in den nächsten Jahren den richtigen Weg zum Erfolg zu inden, müssen sich die Verantwortlichen vorbereiten: Stetige Marktveränderungen, neue Kundenbedürfnisse und makroökonomische Unsicherheit lauten die künftigen Herausforderungen. Nach den Zeiten, die von Sparmaßnahmen geprägt waren, rücken nun Wachstumsstrategien wieder verstärkt in den Fokus. Vom B2C-Boom werden alle Wettbewerber auf ihre Weise proitieren, Integratoren beispielsweise aufgrund ihrer Struktur eher im höherpreisigen B2C-Segment. ɷ A.T. Kearney-Studie zum KEP-Markt Die jährlich von A.T. Kearney durchgeführte Studie untersucht die aktuelle Lage und die künftige Entwicklung der KEP-Branche Europas. Auf Basis von Gesprächen mit Entscheidern und der Auswertung von Unternehmensentwicklungen aus 13 Ländern beschreibt die Analyse einen Wirtschaftszweig, der derzeit auf den Wachstumspfad zurückindet. Im Rahmen der Studie wurde die Lage folgender Länder untersucht: Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Polen, Russland, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Türkei. Die Analyse umfasst netzwerkfähige Standardsowie Express-Sendungen. Express beinhaltet das schnellstmögliche Angebot mit garantiertem Lieferzeitpunkt - Standard eine taggenaue Lieferung. Das Höchstgewicht für berücksichtigte Sendungen betrug 2500 kg. ÜbER dIE STUdIE Ferry Salehi Partner und Leiter des Beratungsbereichs Transportation A.T. Kearney, Berlin Ferry.Salehi@atkearney.com Lars Ryssel Manager und KEP-Experte A.T. Kearney, Berlin Lars.Ryssel@atkearney.com
