Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0040
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Gas geben mit alternativen Antrieben?
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Uta Schneider
Elisabeth Dütschke
Klimawandel, Ölknappheit und Förderprogramme rücken auch alternative Kraftstoffe wie Erd- und Autogas in den Fokus der Aufmerksamkeit. Der Anteil von Gasfahrzeugen ist in Deutschland bis heute sehr niedrig, obwohl Fahrzeuge und Infrastruktur zur Verfügung stehen. Interessant ist daher zu fragen: Was sind die Beweggründe von Autofahrern, sich für Gas zu entscheiden?
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MOBiLitÄt Kraftstofe Gas geben mit alternativen Antrieben? Klimawandel, Ölknappheit und Förderprogramme rücken auch alternative Kraftstofe wie Erd- und Autogas in den Fokus der Aufmerksamkeit. Der Anteil von Gasfahrzeugen ist in Deutschland bis heute sehr niedrig, obwohl Fahrzeuge und Infrastruktur zur Verfügung stehen. Interessant ist daher zu fragen: Was sind die Beweggründe von Autofahrern, sich für Gas zu entscheiden? E rd- und Autogasfahrzeuge weisen eine ähnliche weltweite Verbreitung auf: Ende des Jahres 2009 gab es weltweit ca. 11,3-Mio. Fahrzeuge mit Erdgas-Antrieb, denen über 10- Mio. mit Autogas betriebene Fahrzeuge gegenüberstanden (vgl. Aral-2011). Wie Abbildung- 1 zeigt, hat die Zahl der mit Gas betriebenen Pkw in Deutschland, insbesondere der Autogas-Pkw, in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Momentan gibt es auf deutschen Straßen rund 70 000 erdgasbetriebene und 418 659 Autogas-Pkw. Dies entspricht ca. 0,17 % bzw. 1 % des Gesamt-Pkw-Bestandes (vgl. Kraftfahrt-Bundesamt 2011, Stand zum Januar-2011). Berechnungen auf der Basis von Fahrdaten aus dem „Mobilitätspanel Deutschland“ haben ergeben, dass ca. 65 % der benzinbetriebenen Pkw durch monovalente Erdgas- Pkw und ca. 60 % durch LPG-Fahrzeuge kostensparend ersetzbar sind − bei einem betrachteten Zeitraum von zehn Jahren, Verbrauchskosten von 4- Cent bzw. 7- Cent pro gefahrenem Kilometer (Produkt aus Gaspreis und Verbrauch) gegenüber Benzinverbrauchskosten von 12- Cent/ km, Mehrkosten von 3500-EUR bei Erdgas bzw. Umrüstkosten von 2500- EUR bei Autogas (vgl. Plötz, Kley, Wietschel i.V.). Die Zahl der öfentlich zugänglichen Erdgastankstellen liegt in Deutschland bei 900 (vgl. erdgas mobil GmbH 2011) und bei 6000 für Autogas (vgl. Deutscher Verband Flüssiggas e.V., 2011). Erdgasantriebe sind monovalent, d. h. ohne oder mit nur sehr kleinem zusätzlichen Benzintank, und bivalent, d. h. in Kombination mit einem normalen Tank für Benzin, verfügbar. Die Reichweite im Erdgasbetrieb liegt ca. zwischen 400 und 500 km bzw. zwischen 200 und 300 km (vgl. Erdgasplus.de, 2007). Die meisten mit Autogas betriebenen Pkw in Deutschland sind Umrüstungen, bei denen der Benzintank bestehen bleibt, und insofern bivalent. Die Reichweite mit einer Autogas-Tankfüllung beträgt zwischen 250 und 500 km (vgl. ADAC, 2009). Für beide alternative Kraftstofe sind verschiedene Fahrzeugmodelle ab Werk oder als vom Hersteller zugelassene Umrüstungen verfügbar. Was die Umweltverträglichkeit der Kraftstofe anbelangt, so weisen Erdgasfahrzeuge deutlich niedrigere, Autogasantriebe etwas niedrigere direkte und indirekte CO 2 - Emissionen auf als mit konventionellen Kraftstofen betriebene Fahrzeuge. Erdgas hat zudem niedrigere Stickoxid- und Feinstaub-Emissionen (vgl. Engerer & Horn, 2008, S.-790). Anders als die relativ geringe Verbreitung von Gasfahrzeugen zunächst vermuten lässt, ist Gas als Kraftstof unter Pkw-Nutzern relativ bekannt: So geben 70 − 75 % an, die beiden Kraftstofe zu kennen (KÜS und kfz-betrieb 2008). Im Detail zeigen sich jedoch Wissenslücken: Laut der gleichen Studie kennen fast drei Viertel nicht den Unterschied zwischen den Kraftstofen. Mangelndes Wissen könnte ein Grund sein, warum trotz Wirtschaftlichkeit, vorhandenem Fahrzeugangebot und einer in den meisten Regionen Deutschlands gut ausgebauten Infrastruktur sich die Zahl der Gasfahrzeuge in Deutschland auf niedrigem Niveau bewegt. Um valide Schlussfolgerungen zu ziehen, wie die Verbreitung alternativer Kraftstofe wie Erd- und Autogas in Deutschland gefördert werden kann, stellt sich jedoch umgekehrt die Frage, was die zentralen Beweggründe und Motive derjenigen Personen waren, die sich bereits für Gas als Kraftstof entschieden haben. Studien, die dies aus individueller Konsumentensicht beleuchten, liegen für Deutschland - mit Ausnahme von Kannwischer et al. (2010) - nicht vor. Auch international sind nur wenige Arbeiten zu dem Thema publiziert, wobei das Problem besteht, dass diese Befunde aufgrund abweichender struktureller Voraussetzungen in den verschiedenen Ländern (z. B. staatliche Förderung, Infrastruktur) kaum auf Deutschland übertragbar sind. Im Folgenden werden die Ergebnisse einer eigenen empirischen Erhebung, die zwölf Tiefeninterviews mit Gasfahrern umfasst, vorgestellt. Die Autoren: uta Schneider, Elisabeth Dütschke Foto: Aral MOBiLitÄt Kraftstofe Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 48 Abb. 1: Bestand gasbetriebener Pkw in Deutschland, eigene Darstellung Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt 2011 interviewstudie Das Ziel der empirischen Erhebung ist es, die Motive für die Übernahme gasbetriebener Pkw aus Sicht aktueller Nutzer zu identiizieren sowie den Entscheidungsprozess nachzuvollziehen. Datenerhebung, Stichprobe und Datenauswertung Für die Studie wurden qualitative teilstandardisierte Leitfadeninterviews durchgeführt. Ein solches Vorgehen bietet sich an, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Fokus der Studie auf Theoriebildung und -erweiterung liegt (Brüsemeister, 2008). Die Interviews wurden telefonisch im Zeitraum Mai bis Juni 2010 durchgeführt und dauerten durchschnittlich 30 bis 40-min. Um eine heterogene Stichprobe zu erhalten, wurden mögliche Befragte über verschiedene Wege kontaktiert (z. B. Internetforen, Ansprache an Gas-Tankstellen). Insgesamt zwölf Personen, die regelmäßig einen Erd- oder Autogas-Pkw nutzen und maßgeblich an der Entscheidung zum Kauf bzw. zur Umrüstung beteiligt waren, wurden schließlich interviewt, (vgl. Tabelle-1). Wie Tabelle-1 zeigt, verteilt sich die Nutzung hälftig auf Erdbzw. Autogas als Kraftstof. Alle Erdgasfahrzeuge wurden mit einer ab Werk eingebauten Gasanlage erworben; sämtliche Autogas-Pkw sind Nachrüstungen. Die Interviews wurden mit Einverständnis der Befragten aufgezeichnet und im Anschluss vollständig transkribiert. Die Auswertung wurde mittels computergestützter qualitativer Datenanalyse durchgeführt. Ergebnisse Die folgende Ergebnisdarstellung fokussiert mit Blick auf die Fragestellung des vorliegenden Artikels insbesondere auf die Prozesse der Informationssuche vor der Entscheidung sowie die Beweggründe und Motive für die Gasnutzung. Bedenken und Informationssuche Im Vorfeld der Entscheidung für das Gasfahrzeug bestand eine Reihe von Bedenken bei den Befragten. Gegenstand dieser Unsicherheiten war zum einen das Tankstellennetz, insbesondere auch bei Urlaubsreisen. Zum anderen herrschte Unsicherheit in Bezug auf technische Aspekte und die Zuverlässigkeit der Technologie, z. B. hoher Druck im Erdgastank, mögliche Explosionsgefahr, Umgang mit dem Fahrzeug etwa beim Tankvorgang oder generelle Zuverlässigkeit aufgrund der Neuheit der Technik. Alle Interviewpartner suchten deshalb aktiv nach Informationen, wobei alle das Internet nutzten. Insbesondere Internetforen zum Thema Gas wurden zur Informationssuche herangezogen: „[…] der Umrüster würde ja nie schlecht über seine Gasanlagen sprechen. [...] darum hat es wenig Zweck, sich jetzt bei Werkstätten selber zu erkundigen.“ (P10) Auch das Einholen von Informationen bei Nutzern von Gas-Pkw im Familien- oder Freundeskreis wird besonders deshalb geschätzt, da man sich dort ausführlich und persönlich informieren könne. Das Wissen und die Erfahrungen tatsächlicher Nutzer haben somit zentrale Bedeutung für die Informationssuche. Als weitere Informationsquelle führen die Befragten Händler oder Umrüstwerkstätten an. Die Nutzer bemängelten dabei allerdings das mangelhafte Wissen und z. T. sogar die fehlende Bereitschaft, Gas-Pkw zu verkaufen: „Der Händler war eigentlich nur mit massivem Überreden bereit, mir ein Erdgasfahrzeug zu verkaufen. [...] Der wollte mir lieber einen Diesel verkaufen.“ (P2) Beweggründe und Motive Der über alle Interviewpartner hinweg am häuigsten genannte Grund für die Übernahme von Gas als Kraftstof war die Wirtschaftlichkeit. Alle zwölf Befragten führten diesen Faktor entweder als wichtigsten oder in Kombination mit dem Umweltaspekt als wichtigsten Grund an. Bei mehreren Gasnutzern iel die Entscheidung für Gas vor dem Hintergrund eines langen Arbeitsweges. Ein weiterer, von neun Befragten genannter Grund, der einen Einluss auf die Entscheidung für Gas als Treibstof gehabt habe, ist der Umweltaspekt. Es zeigt sich, dass dieser Aspekt entweder mit ökonomischen Aspekten zusammen als wichtigste Motivation zur Übernahme diente oder eher eine untergeordnete Bedeutung aufwies, bspw. im Sinne eines ‚angenehmen Nebenefekts‘: „[…] normale Kraftstofe sind ja sehr umweltschädlich, Gas ist ja was sehr umweltfreundliches, es kam mir immer schon sympathisch vor, wir heizen ja auch mit Gas.“ (P4) Gasfahrzeug nr. Geschlecht alter Beruf Erdgas monovalent P1 m 40 Ingenieur P2 m 61 Im Ruhestand P3 m 58 Lehrer P4 m 59 Lehrer bivalent P5 m 41 Betriebswirt P6 m 61 Angestellter Autogas P7 m 31 Fachinformatiker P8 m 20 Soldat auf Zeit P9 m 37 Text-Chef P10 m 62 Im Ruhestand P11 w 26 Ärztin P12 w 49 Flugbegleiterin Tab. 1: Die Stichprobe der empirischen Untersuchung Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 49 LITERATUR ADAC (2009): Autogas. Fünf Fragen und Antworten. ARAL, 2011, FAQ Autogas, http: / / www.aral.de/ aral/ faq.do? categoryId=9020953&content Id=7038622, (15/ 02/ 2011). BRÜSEMEISTER, T. 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Diese ist für Gasfahrzeuge relativ zuverlässig abzuschätzen, da die Investitions- und Folgekosten weitgehend bekannt sind. Der Wille, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, folgt an zweiter und Interesse an Technik an dritter Stelle. Gleichzeitig wollen sich die künftigen Nutzer im Entscheidungsprozess nicht auf oizielle Informationen, z. B. durch Hersteller, allein verlassen. Wichtiger ist der Austausch im eigenen Bekanntenkreis und über das Internet mit Personen, die den Kraftstof bereits nutzen. Der informelle Austausch ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Förderung von Gas als Kraftstof. ɷ uta Schneider, Dipl.-Soz. Wiss. wissenschaftliche Mitarbeiterin Competence Center Energiepolitik und Energiesysteme, Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe uta.schneider@isi.fraunhofer.de Elisabeth Dütschke, Dr. Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, Competence Center Energiepolitik und Energiesysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe elisabeth.duetschke@isi.fraunhofer.de dANKSAGUNG Die vorgestellte Studie entstand im Rahmen des Projekts MeRegioMobil, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wird. Besonders schnell, bestens gedämmt. Das Spiraltor HS 7030 PU Das Spiraltor HS 7030 PU macht mit Öffnungsgeschwindigkeiten von bis zu 2,5 m/ Sek. den Weg frei. Zusätzlich überzeugen die feuerverzinkten, doppelwandigen Lamellen mit PU-Hartschaum-Füllung und edler Micrograin Oberfläche mit einem U-Wert von 1,95 W/ m 2 K. 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