Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0049
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Schwung für die Zukunft
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Kerstin Zapp
Mehr Leistung, weniger Kraftstoffverbrauch: Der schwedische Automobilhersteller Volvo knüpft an Versuche aus den 1980er Jahren an und testet seit dem vergangenen Herbst ein Schwungradspeichersystem in einem Pkw.
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tECHnOLOGiE Schwungrad Internationales Verkehrswesen (64) 2 | 2012 71 Schwung für die Zukunft Mehr Leistung, weniger Kraftstofverbrauch: Der schwedische Automobilhersteller Volvo knüpft an Versuche aus den 1980er Jahren an und testet seit dem vergangenen Herbst ein Schwungradspeichersystem in einem Pkw. E in Vierzylinder-Motor kann die Leistung eines Sechszylinders erreichen und gleichzeitig bis zu 20 % Kraftstof einsparen. Das will die Volvo Car Corporation (VCC) derzeit in Tests mit einem Prototypen beweisen, den das Unternehmen mit einer Technik zur Bremsenergierückgewinnung ausgerüstet hat. Ebenfalls beteiligt sind der Motorenproduzent VCC Powertrain Engineering und die schwedische SKF-Group, einer der weltweit führenden Hersteller von Qualitätslagern, Dichtungen, Mechatronik-Bauteilen und Schmiersystemen. Die schwedische Umweltbehörde unterstützt das Projekt mit einem Zuschuss in Höhe von umgerechnet 735 000-EUR. Schwung direkt umgesetzt Das neue Rekuperationssystem mit der Bezeichnung Flywheel KERS (Kinetic Energy Recovery System) ist an die Hinterachse gekoppelt. Während des Bremsvorgangs schaltet sich der Motor automatisch ab und die Bremsenergie treibt das Schwungrad (Flywheel) mit bis zu 60 000 Umdrehungen in der Minute an. Beim Anfahren wird die gewonnene Bremsenergie vom Schwungradspeicher über einen speziell entwickelten Transformator auf die Hinterachse übertragen. Daraus resultiert eine zusätzliche Leistung von 80 PS (59 kW) und eine Steigerung des Drehmoments. Die Schwungradenergie verbessert die Beschleunigung beim Anfahren und wird darüber hinaus auch zur Unterstützung des normalen Fahrbetriebs genutzt. Akkus zur Energiezwischenspeicherung sind nicht erforderlich. Die Berechnungen von VCC Powertrain Engineering haben ergeben, dass der Motor bei Fahrten im Rahmen des oiziellen Testzyklus NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) etwa die Hälfte der Fahrzeit ausgeschaltet bleiben kann. Zudem sei diese Technik auch deshalb so efektiv, weil das System seine größte Energiezufuhr während der höchsten Belastung erhalte. Dies bedeute: Je mehr Stopps und Starts, je länger die Fahrt, desto größer sei die Energiegewinnung und gleichzeitig auch die Kraftstofeinsparung. Volvo testet innovative Schwungradspeicher-Technik Quelle: Volvo Schwung leicht gemacht Ein Vorläufer der Schwungradspeichertechnik wurde bereits in einem Volvo- 240 in den 1980er Jahren getestet. Das damalige Schwungrad war aus Stahl. In jüngster Zeit haben verschiedene Hersteller ähnliche Konzepte erprobt. Die bisherige Stahlbauweise ist wenig efektiv und zu teuer. Das neue System von Volvo ist aus karbonfaserverstärktem Kunststof (CFK) in Leichtbauweise gefertigt. Es wiegt lediglich rund 6 kg und hat einen Gehäusedurchmesser von nur 20 cm. Darüber hinaus arbeitet das Karbonfaserschwungrad innerhalb des Gehäuses in einem Vakuum, um Reibungsverluste zu vermeiden. Zudem hat Volvo ein Verfahren entwickelt, welches das an der Hinterachse wirkende System mit einem Frontantrieb verbindet. andere Schwünge Einen Schwungradspeicher indet man beispielsweise auch im Rennwagen Porsche 911 GT3R Hybrid. Doch hier werden nur bis zu 40 000 Umdrehungen des Rotors pro Minute erreicht. Weitere Unterschiede: Beim Porsche-Rennwagen wird der normale Hinterradantrieb durch einen Schwungradspeicher an der Vorderachse unterstützt. Volvo dagegen unterstützt den normalen Frontantrieb durch einen Schwungradspeicher an der Hinterachse. Und: Porsche verwendet die Schwungenergie erst nach Umwandlung in elektrische Energie durch zwei Elektromotoren an der Vorderachse. Dagegen wird bei Volvo die mechanische Energie ohne Umwandlung an die Antriebsachse übertragen. Insgesamt sind die ersten Fahrzeuge mit Schwungradspeicher bereits in den 1950er Jahren unterwegs gewesen: so genannte Gyrobusse im Stadtverkehr. Sollten die Tests erfolgreich verlaufen und die Entwicklung planmäßig voranschreiten, rechnen die Projektpartner bereits in wenigen Jahren mit der Einführung eines serienreifen Systems. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Schwungradspeichertechnik - gerade im Vergleich zu den möglichen Einsparungen - günstig sei. Zudem könne sie problemlos in den meisten Pkw-Modellen eingesetzt werden. Volvo sieht das System als wichtigen Baustein in seiner Zukunftsstrategie „DRIVe Towards Zero“. (zp) ɷ Die Autorin: kerstin Zapp
