eJournals Internationales Verkehrswesen 64/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0059
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Logistikimmobilienmarkt: Kennzahlen, Trends, Standorte

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Uwe Veres-Homm
Logistikimmobilien locken Investoren und Projektentwickler wieder mit überdurchschnittlichen Renditen und einem dynamischen Marktwachstum. Wie reagiert der Markt auf die veränderten Rahmenbedingungen nach der Krise? Welche Standorte sind für welche logistischen Aufgaben am besten geeignet? Diese und weitere Fragen zum Logistikimmobilienmarkt wurden in einer aktuellen Studie der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) untersucht.
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LOgISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 20 Logistikimmobilienmarkt: Kennzahlen, Trends, Standorte Logistikimmobilien locken Investoren und Projektentwickler wieder mit überdurchschnittlichen Renditen und einem dynamischen Marktwachstum. Wie reagiert der Markt auf die veränderten Rahmenbedingungen nach der Krise? Welche Standorte sind für welche logistischen Aufgaben am besten geeignet? Diese und weitere Fragen zum Logistikimmobilienmarkt wurden in einer aktuellen Studie der Fraunhofer- Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) untersucht. D ie Logistikwirtschaft arbeitet seit einigen Jahren unter erschwerten Bedingungen: Unsichere konjunkturelle Entwicklungen, steigende Preise und erhöhte Anforderungen an die Sicherheit und Nachhaltigkeit von Transportketten verlangen von Unternehmen und Dienstleistern robuste Strukturen bei größtmöglicher Flexibilität und Innovationskraft. Auch am Markt für Logistikimmobilien sind diese Entwicklungen mit restriktiveren Finanzierungsrichtlinien, einem Rückgang der spekulativen Bautätigkeit und strategischen Umstrukturierungsmaßnahmen bei Projektentwicklern nicht spurlos vorübergegangen. In der Studie „Logistikimmobilien - Markt und Standorte 2011“ [1] wurde der Logistikimmobilienmarkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz umfassend analysiert und bewertet. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Studie zum Thema Abb. 1: Neubauentwicklung Logistikimmobilien in Deutschland seit 2002 zeigt sich: Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung bescherte dem Markt 2011 insgesamt ein dynamisches Jahr; in vielen Bereichen konnte er die heftigsten Nachwehen der Krise von 2008 und 2009 hinter sich lassen. Doch so abhängig der Markt von wirtschaftlichen Entwicklungen und politischen Rahmenbedingungen auch ist: Über den langfristigen Erfolg oder Misserfolg von Logistikimmobilienprojekten und die Entwicklung von Logistikstandorten entscheiden nicht nur diese äußeren, schwer zu beeinlussenden Faktoren, sondern auch die richtige Ausrichtung des Angebots. Hier die harten Fakten. Kennzahlen zum Logistikimmobilienmarkt Für die strukturellen Marktkennzahlen wurde eine kontinuierlich geplegte Datenbank mit mehr als 6000 Logistikimmobilien in Deutschland ausgewertet. Die Durchschnittsgröße von Logistikimmobilien in der Bundesrepublik liegt demzufolge bei 16 000 m 2 , allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Nutzungsarten. Während moderne Distributionszentren im Schnitt mit gut 26 000 m 2 deutlich größer ausfallen, umfassen reine Umschlagimmobilien, wie sie beispielsweise von KEP-Dienstleistern oder Stückgutkooperationen genutzt werden, meist nur um die 9000 m 2 . Auch die Branche des Nutzers entscheidet über die Größe der Immobilie: So liegen mehr als die Hälfte der von Industrieunternehmen genutzten Logistikhallen unter 10 000 m 2 , während der Handel auffällig häuig Objekte mit mehr als 20 000 m 2 errichtet. Logistikdienstleister nutzen je nach Ausrichtung und Kundenauftrag jede Größenordnung, lediglich Objekte über 100 000 m 2 sind hier sehr selten anzutreffen. Die in Deutschland erfassten Logistiklächen verteilen sich dabei zu 55 % auf Lo- Der Autor: Uwe Veres-Homm Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 21 gistikdienstleister, 28 % werden vom Handel genutzt und 17 % von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Die durchschnittlichen Investitionskosten betragen rund 1-Mio.-EUR pro 1000 m 2 Hallenläche, darin sind die Ausgaben für Lagerausstattung und Technik allerdings schon enthalten. Der Logistikimmobilienmarkt in Österreich und der Schweiz fällt wesentlich kleiner aus als in Deutschland. Dementsprechend ist auch die Datensituation noch nicht ausreichend, um ähnlich detaillierte Ergebnisse zu erhalten. Aufällig ist jedoch die eindeutig geringere Durchschnittsgröße der dortigen Logistikimmobilien, die bei etwas über 11 000 m 2 in Österreich und rund 8500 m 2 in der Schweiz liegt. Die jüngste Entwicklung: Krise und Erholung Der Logistikimmobilienmarkt hat sich im vergangenen Jahrzehnt von einem absoluten Nischensegment zu einer festen Größe in der Immobilienwirtschaft entwickelt. Das in Deutschland lange Jahre andauernde Wachstum des Neubauvolumens von rund 20 % pro Jahr fand mit Beginn der Wirtschaftskrise Ende 2008 ein jähes Ende. Dabei reagiert die Logistikimmobilienbranche aufgrund der abgeleiteten Nachfrage aus Industrie und Handel auf Veränderungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Während 2008 noch Rekordwerte von über 4- Mio.- m 2 Neubauläche realisiert wurden, iel der Abschwung 2009 umso deutlicher aus: Weniger als 50 % des Vorjahreswerts wurde an neuen Logistikimmobilien errichtet. Zahlreiche Planungen und angekündigte Großprojekte wurden auf Eis gelegt, die spekulative Bautätigkeit kam nahezu vollständig zum Erliegen. Im Jahr 2010 wurden angesichts der sich auhellenden Konjunktur zunächst die entstandenen Leerstände abgebaut, die Vermietung von Bestandsobjekten zeigte bereits eine deutliche Erholung. Im Bereich der Neubauentwicklungen kann jedoch erst 2011 von einem Überwinden der Krise gesprochen werden; dieser Aufschwung war aber aufgrund zahlreicher jetzt realisierter Großprojekte umso deutlicher und lag mit mehr als 2,5- Mio.- m 2 um 50 % über dem Vorjahreswert (Abbildung 1). Ohne eine sehr konstante Neubauaktivität des Handels auch während der Krise wäre der Rückgang noch drastischer ausgefallen. Zahlreiche Handelsketten nutzten die günstigeren Preise zur Restrukturierung ihrer Logistiknetzwerke und investierten ausgiebig in neue Logistikzentren - ein Trend, der bis heute anhält. Die Rückgänge in den Krisenjahren sind also nahezu ausschließlich auf Nutzer aus der Industrie und auf Logistikdienstleister zurückzuführen. Diese zeigten erst 2011 wieder erhöhtes Interesse an Projektentwicklungen im Logistikimmobilienbereich. Von dieser Entwicklung konnten vor allem die 20 Logistikregionen in Deutschland proitieren. Sowohl im Miet-, als auch im Neubaubereich waren sehr hohe Aktivitäten zu verzeichnen. Die fünf bekanntesten Logistikstandorte Hamburg, Berlin, München, Frankfurt und Duisburg berichten von 2011 als Jahr mit Rekordwerten beim Umsatz von Logistiklächen. Aber auch die anderen Logistikregionen verzeichneten gegenüber dem Vorjahr Zuwächse im zweistelligen Bereich. 2012: Positive Erwartungen Fraunhofer SCS geht bei einer ersten, vorsichtigen Prognose für 2012 davon aus, dass das hohe Neubauvolumen vom Vorjahr nahezu wieder erreicht werden kann. Zwar sind die durch die Krise aufgeschobenen Projekte mittlerweile zum großen Teil umgesetzt und der milde Winter führte zu einer hohen Bauaktivität bis zum Jahresende 2011. Anfang 2012 zeigt sich deshalb zunächst ein relativ ruhiger Markt. Dennoch sind nach wie vor einige große Investitionen angekündigt. Außerdem ist das Outsourcing-Potenzial für Kontraktlogistiker in der Industrie noch nicht ausgeschöpft, die Restrukturierungsmaßnahmen der Einzelhändler halten an und auch das spekulative Bauen nimmt angesichts geringer Leerstände wieder Fahrt auf. Insgesamt also zahlreiche Indikatoren für eine positive Entwicklung des deutschen Logistikimmobilienmarkts. Anforderungen an moderne Logistikimmobilien Welche Eigenschaften eine Logistikimmobilie konkret aufweisen muss, ist in hohem Maß vom speziischen Bedarf des jeweiligen Nutzers abhängig. Die typischen Anforderungen der Finanzierer und Investoren an die Charakteristika von Logistikimmobilien lassen sich hingegen schlicht mit „Drittverwendungsfähigkeit“ zusammenfassen. So ist die Wahrscheinlichkeit, nach Ablauf des Mietvertrags einen Folgenutzer zu inden, und somit auch die Sicherheit des Investments am höchsten. Im Trend liegen deshalb möglichst lexible, größtenteils standardisierte Hallenmodule von rund 10 000 m 2 , die jeweils nutzerspeziisch weiter unterteilt werden können. Wichtige Kriterien für die Drittverwendungsfähigkeit sind darüber hinaus: Erweiterbarkeit, Hallenhöhe 10 bis 12 m, möglichst stützenfreie Konstruktion und rund 10 % Bürolächenanteil. Das Thema Nachhaltigkeit ist zwar aktuell in der Immobilienbranche sehr verbreitet, bleibt aber abgesehen von Maßnahmen für eine eiziente Beleuchtung, Dämmung und der Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien noch ein Nischenthema für besonders image- oder umweltaine Nutzer. Das logistische Kerngeschäft ist in den meisten Fällen zu kostengetrieben, um die Mehraufwände, die für die Nutzung erneuerbarer Energien oder gar die Errichtung komplett CO 2 -neutraler Logistikimmobilien vorgesehen werden müssten, lächendeckend in Kauf zu nehmen. diferenzierter Standortwettbewerb Während weitestgehend Konsens bezüglich der Gebäudemerkmale besteht, fallen die Bedürfnisse bezüglich des Standorts wesentlich unterschiedlicher aus - je nachdem, welche Aufgabe von einem Standort aus erfüllt werden soll. Nutzer, die beispielsweise ihre weltweite Logistik zentral von einem Standort aus koordinieren, haben ganz andere Anforderungen als solche, die einen bestimmten Ballungsraum zuverlässig mit Gütern versorgen müssen. Dabei geht es nicht nur um die Lage an sich. Auch Kriterien wie Flächenpreise, Arbeitskräfteverfügbarkeit oder Flughafenanbindung können von unterschiedlicher Bedeutung sein. Ein Standort steht also grundsätzlich nicht mit allen Logistikregionen im Wettbewerb, sondern nur mit denjenigen, die eine ähnliche Kombination von Standortfaktoren aufweisen und somit vergleichbare logistische Funktionen übernehmen. In der Studie werden deshalb mehrere Typen von Logistikstandorten unterschieden, Primäre logistikaufgaben logistikregionen Globale Air & Sea Gateways Hamburg, Rhein-Main, Bremen Europäische Gateways Duisburg-Niederrhein, Hannover, Nürnberg, Basel, Leipzig Regionale Ballungsraumversorger Kölner Bucht, östliches Ruhrgebiet, Berlin, München, Wien, Zürich Regionale Industrieversorger Stuttgart, Rhein-Neckar, Schwaben, Münster-Osnabrück, Donau, Linz, Saarland, Westschweiz, Graz Interregionale Portale Oberrhein, Salzburg, Klagenfurt Zentrale Hubs Mitte Deutschlands, Erfurt Abb. 2: Unterschiedliche Logistikaufgaben und ihre Regionen LOgISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 22 Uwe Veres-Homm, Dipl.-Kfm. wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS, Fraunhofer IIS, Nürnberg uwe.veres-homm@scs.fraunhofer.de LITERATUR [1] NEHM, A.; VERES-HOMM, U.; KÜBLER, A.: Logistikimmobilien - Markt und Standorte 2011: Deutschland, Österreich, Schweiz; Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS, Nürnberg, 2011 Abb. 3: Die Top-Logistikregionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die jeweils stellvertretend für die wichtigsten Logistikaufgaben in der jeweiligen Region stehen (Abbildung 2). Top-Logistikstandorte Ausschlaggebend für die Aufnahme einer Region in die Riege der Fraunhofer Top- Logistikstandorte ist die überdurchschnittliche Bewertung in zwei Analyseaspekten: Während mit der „Logistikattraktivität“ die vorhandene Kombination von logistikrelevanten Standortfaktoren bewertet wird, misst die „Logistikintensität“ die tatsächliche Konzentration der Logistikwirtschaft in einer Region. Jede der insgesamt 28 identiizierten Regionen hebt sich hinsichtlich ihrer Standortattraktivität und der Intensität der angesiedelten Logistikimmobilien also deutlich von den übrigen Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz ab (Abbildung 3 und 4). Bezüglich ihrer Bedeutung für den Logistikimmobilienmarkt weisen aber auch diese Top-Standorte starke Unterschiede auf. Am oberen Ende der Skala beinden sich die bekannten „Champions“ Hamburg, Rhein- Main und Duisburg, „Verfolger“ wie etwa Erfurt, Salzburg oder die Westschweiz stellen hingegen noch relativ kleine und junge Logistikimmobilienmärkte dar. Dazwischen liegen „klassische“ und „etablierte“ Logistikregionen, die aufgrund ihrer großen Bevölkerung und Wirtschaftskraft bzw. ihrer speziellen logistischen Ausrichtung zu den interessanten Märkten für die Entwicklung von Logistikimmobilien zählen. Wo im konkreten Fall die Ansiedlungsentscheidung für ein Logistikzentrum fällt, bleibt in hohem Maß von der Ausrichtung des jeweiligen Nutzers abhängig. Eine fokussierte Ausrichtung des regionalen Ansiedlungsmanagements und der Wirtschaftsförderung auf die jeweiligen logistischen Kernaufgaben kann jedoch entscheidend zur weiteren Etablierung und zum weiteren Wachstum der Regionen als Logistikstandorte beitragen. ■ Abb. 4: Wer ist Verfolger, etabliert, Klassiker oder Champion?