eJournals Internationales Verkehrswesen 64/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0062
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Trimodal die Seehäfen entlasten

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Kerstin Zapp
Diverse deutsche Binnenhäfen bauen ihre Kapazitäten aus, um als Hinterland-Hubs für die Seehäfen zur Verfügung zu stehen. Besonders trimodale Ansätze (Straße / Schiene / Binnenschiff) spielen dabei eine Rolle. Trimodale Hafenstandorte gelten als Bausteine für nachhaltige Transport- und Verkehrskonzepte.
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LOgISTIK Hinterlandverkehr Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 26 Trimodal die Seehäfen entlasten Diverse deutsche Binnenhäfen bauen ihre Kapazitäten aus, um als Hinterland-Hubs für die Seehäfen zur Verfügung zu stehen. Besonders trimodale Ansätze (Straße / Schiene / Binnenschif) spielen dabei eine Rolle. Trimodale Hafenstandorte gelten als Bausteine für nachhaltige Transport- und Verkehrskonzepte. D er von der EU-Kommission im Rahmen der neuen TEN-T- Richtlinien gewählte Ansatz für ein europäisches Transportnetz aus Hauptkorridoren und Ergänzungsnetzen bringt der Binnenschiffahrt große Chancen, ihr Potenzial stärker als bisher auszuschöpfen. Das betonte Jean-Eric Paquet, Director European Mobility Network bei der DG Move der EU-Kommission, Anfang 2012 in Straßburg. Paquet forderte See- und Binnenhäfen auf, schon jetzt gemeinsame Projekte zur Verbesserung der Hinterlandanbindung vorzubereiten, die dann mit Beginn der neuen Verkehrsnetzpolitik ab 2014 umgesetzt werden können. In Deutschland haben die Binnenhäfen bereits diverse Projekte in Angrif genommen. Einige Beispiele. Rhein Angetrieben wird die Entwicklung am Rhein durch die Westhäfen Rotterdam, Amsterdam, Antwerpen und Zeebrügge, die Am Containerterminal Dortmund trefen die Verkehrsträger Schif und Bahn direkt aufeinander. Foto: Container Terminal Dortmund GmbH in neue Containerterminals investieren. Sie setzen sowohl auf die Bahn als auch auf das Binnenschif, um die Verweildauer der Boxen auf den Terminals zu reduzieren, und sehen den Rhein als Verbindung mit dem europäischen Hinterland. „RheinCargo“ heißt ein großes Projekt zwischen Wesel und Bonn: Das Bundeskartellamt hat die geplante Kooperation der Neuss-Düsseldorfer Häfen (NDH) und Köln (HGK) Anfang Februar genehmigt. Mitte 2012 soll das Gemeinschaftsunternehmen Rheincargo startbereit sein, das Hafenumschlag und Eisenbahngeschäft beider Partner unter ein Dach bringt. 2010 schlugen die Unternehmen zusammen 41 Mio. t um. HGK baut ein neues Containerterminal für den Kombinierten Verkehr (KV) im Industriepark Nord, das 2013 operativ starten soll. Darüber hinaus steht der Ausbau des Godorfer Hafens im Kölner Süden mit einem vierten Hafenbecken an. NDH plant ein KV-Containerterminal bei ihrer Hafentochter in Krefeld. Zuvor erhält jedoch Neuss Trimodal zwei neue Containerkranbrücken und zwei zusätzliche Gleise. Der Marktführer am Rhein, der Duisburger Hafen, konnte 2010 einen Umschlag von 54 Mio. t verbuchen und im vergangenen Jahr 64 Mio. t. Der Gesamtumschlag in den öfentlichen und privaten Häfen erreichte 125,6 Mio. t in 2011. Duisburg ist der weltgrößte Containerhafen im Binnenland, dessen Kapazität von derzeit 3,5 Mio. TEU auf 6 Mio. TEU ausgebaut werden soll. Hier wird weiter daran gearbeitet, Duisburg als die Logistikdrehscheibe im Hinterland der Seehäfen zu entwickeln und das eigene Netzwerk zu ergänzen, beispielsweise durch eine Kooperation von Duisport mit dem neuen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven, Jade-Weser-Port. Spekuliert wird unter anderem über eine künftige regelmäßige Bahnverbindung. Im Norden von Duisburg entsteht darüber hinaus ein KV-Hub der DB-AG, das den Hafen anbinden wird. Dagegen kommt der Bau des neuen KV-Terminals in Duisburg-Hohenbudberg nicht so schnell voran wie geplant. Das internationale Logistikunternehmen Samskip baut hier seine Aktivitäten im Hafen gemeinsam mit seinem Tochterunternehmen Van Dieren aus. Der europäische Shortsea- und Multimodal-Operator ist bereits seit vielen Jahren im Hafen aktiv und wickelt seine schifsseitigen Verkehre über das DeCeTe-Terminal ab. Damit in Zukunft auch die bahnseitigen Verkehre von Van Dieren über Duisburg laufen können, vereinbarte das Unternehmen mit der Duisport-Gruppe den Bau des neuen KV- Terminals in Hohenbudberg. Betriebsstart ist in diesem Jahr geplant. Ein alter Hase in Duisburg ist ebenfalls die Haeger & Schmidt International GmbH. Das Unternehmen bietet einerseits durch regelmäßige Binnenschifsabfahrten in nahezu allen Verkehrsrelationen und andererseits durch die Einbindung in das in- Die Autorin: Kerstin Zapp Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 27 ternationale Verkehrsnetz der belgischen Staatsbahn SNCB multimodale Transportketten. Allein in Duisburg schlägt Haeger & Schmidt rund 2 Mio. t pro Jahr um. Um die Komplettlösungen für kombinierte Barge-Rail-Transporte weiter ausbauen zu können, will das Unternehmen den Hafen Andernach als wichtige Drehscheibe am Mittelrhein noch stärker nutzen. Zudem sind die H&S Container Line GmbH und die Haeger & Schmidt International GmbH Anfang 2011 dem ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (SPC) beigetreten. Bislang ist der Hafen Dortmund (Umschlag 2011: 5,18 Mio. t) die Hauptdrehscheibe von und nach Bremerhaven. Jade-Weser-Port- Betreiber Eurogate ist im Rahmen seines Hinterlandnetzwerks am Containerterminal im Hafen Dortmund beteiligt. Gleichzeitig ist die Duisport-Gruppe aber auch Kooperationspartner der Dortmunder Hafen AG. Motor künftiger Entwicklungen in Dortmund könnte die geplante neue KV- Anlage „Am Hafenbahnhof“ im Norden des Hafens sein, die in Abstimmung mit Duisport errichtet wird und Ende 2013 an den Start gehen soll. Wer die Anlage betreiben wird, war Anfang April noch ofen. Des Weiteren wird darüber gesprochen, den Logistikpark Westfalenhütte per Schiene an den Hafen anzubinden und darüber, ein Schwergutterminal im Hafen zu errichten. Der Hafen Straßburg liegt zwar in Frankreich, aber die Nähe zu Deutschland könnte künftig für deutsche Kunden interessanter werden. Im Gegensatz zu Kehl und weiter lussabwärts Karlsruhe, Wörth und Germersheim kann Straßburg große Erweiterungslächen bieten. Im Rahmen des Projekts „Lauterbourg“ entstehen beispielsweise ein neues Containerterminal (Betriebsstart: 2014) und Gewerbelächen. Neben der Wasseranbindung bietet Straßburg Bahnverbindungen nach Antwerpen, Rotterdam, Le Havre, Lyon/ Marseille-Fos, Ludwigshafen und Obernai. Die Schweizer Rheinhäfen stellen sich mit einem neuen trimodalen Terminal in Basel Nord auf steigende Mengen im intermodalen Verkehr mit den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen ein. In Zusammenarbeit mit SBB Cargo soll ein neues Containerterminal in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hafen Kleinhüningen gebaut werden, direkt am Bahnkorridor Rotterdam - Genua. Die Planungsarbeiten für die Anlage sollen bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Zunächst wird das Terminal für den KV ausgelegt, in einer zweiten Bauphase kommt der Anschluss an den Rhein hinzu. Nach dem ersten Jahr seines Basel-Multimodal-Express (BME) zieht der Containerlogistik-Spezialist Contargo eine positive Bilanz: Mit der ersten trimodalen Transportverbindung zwischen Basel und den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen wurden bereits rund 13 500 TEU befördert. Seit Februar 2011 kombiniert der BME die Vorteile von drei Verkehrsträgern: Den Zubringerdienst zwischen den Westhäfen und Emmerich übernehmen Binnenschife. Anders als bei Direktzugverbindungen können sie die Container direkt und lexibel an allen gängigen Seehafenterminals in Rotterdam und Antwerpen abholen oder anliefern. Das ebenfalls zum Contargo-Netzwerk zählende trimodale Terminal in Emmerich dient als Hub und Schnittstelle zwischen Binnenschif und Bahn. Mit der Bahn werden die Container über Nacht zwischen Emmerich und Basel hin- und hergefahren. Die Transporte zwischen Basel und Hinterland übernehmen Lkw. Main-Donau-Kanal/ Donau Ende April hat der Wirtschaftsraum Nürnberg/ Oberfranken eine direkte Kombizuganbindung an Rotterdam erhalten. Partner ist TX Logistik, zuständig für Organisation, Disposition und Traktion. Vermarktung und Auslastungsrisiko teilt sich der Dienstleister mit dem Rotterdamer Umschlagunternehmen ECT. Damit tritt Rotterdam in direkten Wettbewerb zu Hamburg um das süddeutsche Hinterland. Neue Verbindungen wie der tägliche Shuttlezug Bamberg - Nürnberg seit Dezember 2011 stärken die regionale Wirtschaft, die Synergien zwischen den Bayernhafen-Standorten und die Hubfunktion von Nürnberg. Seit Anfang Januar 2012 arbeitet das Aschafenburger Containerterminal unter neuer Flagge: Die TCA Trimodales Containerterminal Aschaffenburg GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Bayernhäfen (49 %) und der Container Depot Nürnberg GmbH (CDN; 51%). Die Bayernhafen Gruppe mit ihren sechs Standorten Aschafenburg, Bamberg, Nürnberg, Roth, Regensburg und Passau hat 2011 29,8 Mio. t mit Schif, Bahn und Lkw umgeschlagen. Der Donauhafen Straubing-Sand war auch 2011 mit einem Gesamtumschlag von 4,2 Mio. t Niederbayerns leistungsstärkstes Güterverkehrszentrum. Um den Anteil der Bahnverkehre (derzeit nur 8,3 % am Umschlag) noch zu steigern, ist ein neues KV- Terminal im Osten des Hafens geplant. Der Bau könnte noch 2012 beginnen. Mittellandkanal/ Weser Auch am Mittellandkanal tut sich was: Die Häfen Preußisch Oldendorf, Lübbecke, Espelkamp, Hille, Minden und Bückeburg kooperieren seit 2008 miteinander und arbeiten daran, erster Ansprechpartner für Anfragen rund um die Integration der Verkehrsmittel Binnenschif und Bahn in die Transportkonzepte der Region Ostwestfalen-Lippe und Umgebung zu werden. Die Lage an der A2 und der Ost-West-Bahntrasse sowie die Anbindung über den Mittellandkanal und das Wasserstraßenkreuz in Minden an die deutschen Seehäfen ist gut, um künftig als Drehkreuz im Seehafenhinterlandverkehr eine größere Rolle zu spielen. Noch besser wird die Infrastruktur, wenn voraussichtlich Ende 2013 der Bau der neuen Weserschleuse in Minden und 2015/ 16 der Ausbau der Mittelweser abgeschlossen sein werden. Dann können auch Großmotorgüterschife in die Region gelangen. Zur Abfertigung dieser Einheiten ist in Minden ein neues Containerterminal direkt am Mittellandkanal geplant. Der neue „RegioPort Weser“ soll 2014 in Betrieb gehen. Elbe Flexibilität ist Trumpf in Dresden. Ob Eisgang die Binnenschiffahrt unmöglich macht oder Störungen der Bahnverbindungen den Schienenverkehr zum Erliegen bringen: Die Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO) haben oft die Möglichkeit, Ladung vom einen auf den anderen Verkehrsträger zu verlagern. So geschehen beispielsweise beim Elbe-Niedrigwasser im November 2011 und 2010 bei Bahnproblemen für den Kunden Wacker Chemie. Umweltschutz prägt die Geschäfte in Magdeburg. Die Firma Enercon GmbH als führender Produzent von Windenergieanlagen am Standort Magdeburg, die Städtische Werke Magdeburg GmbH (SWM) als innovativer Konzeptführer bei der Versorgung der Landeshauptstadt mit umweltfreundlichen Energien und die Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH haben eine Projektvereinbarung geschlossen: Magdeburg wird als erster Hinterlandhafen zu einem Greenport entwickelt. Die neu gebauten und künftigen Kaianlagen werden mit Elektranten ausgestattet. Durch eine vor kurzem in Hafennähe errichtete Windenergie-Referenzanlage von Enercon können dann Binnenschife mit regenerativem Landstrom versorgt und der CO 2 -Ausstoß im Hafen maßgeblich reduziert werden. Ein Großteil der Rangier- und Überfuhrdienste der Hafenbahn soll bereits in diesem Jahr durch eine Hybridlok erbracht werden. ■ Kerstin Zapp (zp) freie Fachjournalistin Redaktionsteam „Internationales Verkehrswesen“, DVV Media Group GmbH, Hamburg kerstin.zapp@dvvmedia.com