Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0066
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Viel Neues im Westen
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Holger Ackermann
Mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest am 21. Oktober 2011 wurden am Flughafen Frankfurt die Voraussetzungen geschaffen, die luftseitige Kapazität entsprechend den zukünftigen Bedarfssteigerungen weiterzuentwickeln. Die darauf abgestimmte Kernmaßnahme zur Erhöhung der Kapazität des Terminals 1 ist der „Flugsteig A-Plus“.
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Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 38 Viel Neues im Westen Mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest am 21. Oktober 2011 wurden am Flughafen Frankfurt die Voraussetzungen geschafen, die luftseitige Kapazität entsprechend den zukünftigen Bedarfssteigerungen weiterzuentwickeln. Die darauf abgestimmte Kernmaßnahme zur Erhöhung der Kapazität des Terminals 1 ist der „Flugsteig A-Plus“. D as Erweiterungsvorhaben wird modernste Terminaleinrichtungen und vielfältigste Einzelhandels- und Gastronomie-Angebote für bis zu sechs Millionen Fluggäste pro Jahr bereitstellen. Die zusätzlichen Großraumpositionen am Gebäude, insbesondere für den Airbus A380, werden die Drehkreuzfunktion Frankfurts weiter stärken. Allein die Deutsche Lufthansa AG (DLH) hat 17- Airbus A380 bestellt, dazu zwanzig Boeing- 747-800, und alle werden in Frankfurt stationiert. DLH mit ihren Partnern innerhalb der „Star Alliance“ wird den Flugsteig A-Plus exklusiv nutzen. Das Zentrale Infrastrukturmanagement der Fraport Ag Im Zuge einer unternehmensweiten organisatorischen Umstrukturierung hat die Fraport AG zum 1.-Januar-2011 die Gesamtverantwortung für die Infrastruktur des Flughafens Frankfurt im Servicebereich „Zentrales Infrastrukturmanagement“ gebündelt. Die neu geschafene Organisationseinheit ist verantwortlich für die strategisch ganzheitliche Investitions- und Infrastrukturentwicklung am Standort Frankfurt, für die Wertsteuerung der Infrastrukturanlagen unter Lifecycle-Gesichtspunkten und für die Sicherstellung einer stringenten, gesamthaften Entwicklungsplanung für die Flughafeninfrastruktur. Innerhalb des Servicebereichs verantwortet die Abteilung „Investitionsmanagement Terminal A-Plus“ die aus einer Vielzahl von Einzelprojekten bestehende Gesamtmaßnahme A-Plus in der Rolle als unternehmensinterner Bauherr. Die Aufgaben umfassen die Führung der Anforderungsplanung und der Projektentwicklung sowie die Projektsicherung von A-Plus hinsichtlich der funktionalen, terminlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen bei der Planung und Umsetzung durch das Realisierungsmanagement. Der neue Flugsteig entsteht - eine kurze Chronologie Im Jahr 2005 verständigten sich Fraport und DLH auf die Erweiterung des Terminals 1 nach Westen in den Bereich der Lufthansa-Basis hinein - ein Entwicklungsansatz, wie er seinerzeit im Generalausbauplan 1985 für den Flughafen Frankfurt (mit einem anderem Footprint) dargestellt worden war. Die Terminalerweiterung A-Plus erforderte einen Teilabbruch der Bebauung auf der Lufthansa-Basis. Die Abbrucharbeiten begannen im Juni 2006. Insgesamt mussten 14 Gebäude mit einem umbauten Raum von rund 950 000 m 3 dem neuen Flugsteig wei- Der Autor: Holger Ackermann INFRASTRUKTUR Luftverkehr Foto: Fraport Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 39 chen. Dazu gehörte auch die Sprengung der unter dem Namen „Schmetterlingshalle“ bekannten Flugzeughalle 3 im Jahr 2007. Nach vorbereitenden Maßnahmen wurde am 10. Dezember 2008 symbolisch der erste Spatenstich für die Baugrube vorgenommen. Die Rohbauarbeiten begannen im Juli 2009. Der Grundstein wurde am 1. September 2009 gelegt. Nach nur 15 Monaten Bauzeit konnte am 2. Dezember 2010 das Richtfest gefeiert werden. Die Inbetriebnahme A-Plus erfolgt im Oktober 2012. A-Plus − ein Flugsteig der Superlative Mit dem neuen Flugsteig wird das Terminal- 1 geradlinig um ca. 800 m nach Westen erweitert. Das Hochbauprojekt umfasst den eigentlichen Pier, die sogenannte Wurzel A als Bindeglied zwischen Neubau und dem bestehenden Terminalbereich A sowie die Erweiterung der vorhandenen Gepäckausgabehalle A. Das Gebäude ist rund 22 m hoch und verfügt über vier Ober- und zwei Untergeschosse. Mit seinem baulichen und funktionalen Konzept schließt A-Plus ebenengleich an das Terminal-1 an. Die Dimensionen des Gebäudes sind beeindruckend: fast 1- Mio. m 3 umbauter Raum und 185 000 m 2 Brutto-Geschossläche. Es wurden 300 000 m 3 Erde ausgehoben. Mit Fertigstellung werden 100 000 m 3 Beton und 17 500 t Betonstahl verbaut, 66 000 m 2 Natursteinboden, ca. 67 km Rohrleitungen und 500 km Stromkabel verlegt sein. Rund 10 000 m 2 transparente Fassadenlächen sorgen für helle Wartebereiche und maximale Tageslichtausbeute. Die bestehende Gepäckförderanlage wird um weitere 7500 m Förderstrecke verlängert, die Gepäckabfertigungsläche um ca. 25 300 m 2 erweitert. Für ankommende Passagiere stehen künftig drei zusätzliche Gepäckausgabebänder mit jeweils 75 m Länge zur Verfügung. Die Fraport AG investiert mehr als 0,5-Mrd.-EUR in das Terminalprojekt. Der Airbus A380 - das Maß aller Dinge Der Flugsteig A-Plus verfügt über sieben Großraumpositionen. Vier sind auf den A380 (bzw. die Boeing B747-800) ausgelegt, oder erlauben alternativ die Doppelbelegung mit kleinerem Fluggerät bis Airbus A321. Die anderen drei Kontaktpositionen nehmen Flugzeugtypen bis Airbus A340- 600 (bzw. Boeing B747-400) auf. Im terminalnahen Vorfeldhof A können zusätzlich bis zu drei Flugzeuge der Größe bis Airbus A321 positioniert werden. Auf den A380- Positionen erlauben jeweils drei Fluggastbrücken das Zwei-Ebenen-Boarding für den Riesen-Airbus sowie die Brückenandienung bei Doppelpositionierung. An allen anderen Gebäudepositionen sind zwei Fluggastbrücken Standard. Aus Gründen der Nutzungslexibilität ermöglichen die Brückenbauwerke bis zu drei parallel durchführbare Abfertigungsprozesse. Die Gatebereiche - Passagierprozesse mit Komfort und Aufenthaltsqualität Auf der Ebene 1 beinden sich (neben Vorfeld- und Gepäckfunktionen) zusätzliche Busgates und Busankunftsstationen. Ebene-2 dient dem Schengen-Passagierverkehr (Ablug, Ankunft), die Ebenen- 3 (Ablug) und 4 (Ankunft) sind dem Non-Schengen- Passagierverkehr vorbehalten. Umsteiger wechseln die Fluggastebenen in zwei zentral angeordneten Transferkernen im Pier und im Wurzelbereich, von wo aus direkter Zugang zur Skyline-Station A mit schnellem Anschluss zu den anderen Terminalbereichen besteht. Insgesamt entstehen 27 neue Gates mit einer Gesamtläche von 12 100 m 2 . In allen Bereichen sind die Gates ofen gestaltet und erlauben den freien Blick auf das Flughafenvorfeld. Die Passagiere haben die Möglichkeit, sich bis kurz vor Boarding frei im Gebäude zu bewegen. Die Gateräume verfügen über ca. 6000 Sitzplätze. Bei der Konzeption des Gebäudes waren kurze Wege, eindeutige Orientierung und Übersichtlichkeit maßgebende Planungsprämissen. Für optimalen Passagierluss, barrierefreies Reisen und schnelles Umsteigen sorgen 43 Fahrtreppen, 22 Aufzüge und 31 Fahrsteige mit bis zu 70 m Länge. Die Erlebniswelt − Shopping, Gastronomie, Lounges Im Bereich der Wurzel entsteht auf zwei Ebenen ein weitläuiger Marktplatz mit attraktiven Geschäften, Restaurants und Services. Erstmalig am Flughafen Frankfurt wird das sogenannte „Walk-through-Konzept“ in den Duty-free- und Travel-value- Shops umgesetzt: Unmittelbar nach den Sicherheits- und Passkontrollen werden die Fluggäste im Zulauf auf den Marktplatz durch diese Shops geleitet. Auf fast 10 000 m 2 bietet sich ein vielfältiges Einzelhandelsangebot in über 60 Geschäften. Weltbekannte und regionale Marken sorgen für einen abwechslungsreichen und interessanten Mix. Auf rund 2100 m 2 wird regionale und internationale Küche angeboten; Bars, Bäckereien und Convenience- Konzepte bereichern das Angebot. Ebenfalls direkt am zentralen Markplatz beinden sich die großzügigen Business-, Senator- und First-Class-Lounges der DLH, die sie gemäß ihrem neuen Lounge-Design ausgestaltet. Insgesamt wird DLH fünf neue Lounges auf rund 7500 m 2 über drei Ebenen eröfnen. In der Mitte des Piers inden die Fluggäste vor dem Ablug oder auf dem Weg zum Anschlusslug einen weiteren, ergänzenden Marktplatz in der Schengen- und der Non-Schengen-Ebene. Der Anspruch − Architektur und Nachhaltigkeit Die Gestaltung des Innenraums − geprägt durch Licht, Glas und hochwertige Materialien - erzeugt ein architektonisch ansprechendes und abwechslungsreiches Ambiente. Das Lichtkonzept gliedert den neuen Flugsteig räumlich und diferenziert in die Abb. 1: Das Atrium ist das architektonische Highlight und Erkennungsmerkmal von A-Plus. Foto: Fraport INFRASTRUKTUR Luftverkehr Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 40 unterschiedlichen Funktionsbereiche; mittels linearer Beleuchtung wird ein difuses, gleichmäßiges Licht geschafen, punktförmige Lichtquellen setzen Akzente und erzeugen Kontraste. Im zentralen Marktplatz der Wurzel gewährt ein mittig angeordneter, über alle Passagierebenen reichender Lichtkegel faszinierende Einblicke und Perspektiven; er sorgt dank seiner gläsernen Überdachung mit einem Durchmesser von ca. 35 m für Tageslicht im Gebäudeinneren. Das „Atrium“ ist das architektonische Highlight und Erkennungsmerkmal von A-Plus. Ökologie und Nachhaltigkeit stehen im Fokus. Die Planungsvorgabe nach möglichst hoher Energieeizienz wird durch Minimierung des Energiebedarfs und Optimierung der Energiebereitstellung umgesetzt. Innovative Systeme führen zu einer Minderung von jährlich rund 10 000 t CO 2 . Das entspricht rund 40 % gegenüber konventionellen Anlagen, die noch nach der Energieeinsparverordnung EnEV 2007 ausgelegt sind. Die Fassade ist nach Norden weitgehend geschlossen. Nach Süden öfnet sie, verglast über die drei Obergeschosse, das Gebäude zum Vorfeld. Feststehende, rund einen Meter auskragende Elemente gliedern die Fassadenläche, bieten im Sommer Sonnenschutz und reduzieren die erforderliche Kälteleistung. Im Winter wird die tiefstehende Sonne jedoch im Innenraum wirksam. Der Einsatz eizienter Leuchtmittel hilft nicht nur Energie zu sparen, sondern reduziert auch die Erwärmung der Räume und somit den Kühlungsbedarf. Das Kühlsystem weist mehrere Optimierungsansätze auf. Qualitätsfühler in der Abluft steuern die transportierten Luftmengen entsprechend den hygienischen Erfordernissen und begrenzen sie auf den tatsächlichen Bedarf. Zur Abführung der Kühllasten werden wassergestützte Systeme realisiert, die große Energiemengen mit geringem Aufwand transportieren können. Das hohe Temperaturniveau der eingesetzten Kühlsysteme ermöglicht die Nutzung von Hybridkühltürmen, die den mit hohem Energieverbrauch verbundenen Kältemaschineneinsatz für viele Monate im Jahr ersetzen. Auch bei der Luftkühlung wird innovativ eingespart. In den Lüftungszentralgeräten wird Wasser in der Abluft versprüht und verdunstet; die dabei entstehende Kälte kühlt die angesaugte Frischluft. Der Kälteleistungsbedarf für die Luftkühlung konnte mit diesem Konzept halbiert werden. Zur Reduzierung des Trinkwasserverbrauchs wird das gesamte Regenwasser der Dachlächen von A-Plus sowie von Teilen des bestehenden Flugsteiges A in mehreren miteinander verbundenen Zisternen aufgefangen. Das Regenwasser wird für die Toilettenspülung, die Berieselung der Hybridkühltürme und für die adiabate Abluftbefeuchtung in den Lüftungszentralgeräten genutzt. Mit dieser Maßnahme sollen ca. 20 000 m 3 Trinkwasser pro Jahr durch Regenwasser ersetzt werden. Die Baustelle − eine logistische Herausforderung Für die Organisation und Steuerung der Material- und Personalströme sorgt ein komplexes Baulogistikkonzept, das die knappen Freilächen im unmittelbaren Baufeld optimal nutzt und die Abwicklung der zusätzlichen baubedingten Verkehrsmengen gewährleistet. Im Rahmen der Baustellenorganisation werden die Zu- und Abgänge von Personen und Fahrzeugen gesteuert, die Maßnahmen zur Ver- und Entsorgung der Baustelle geplant und Zutrittsberechtigungen für Baupersonal (in Spitzenzeiten sind bis zu 1000 Arbeiter zeitgleich auf der Baustelle tätig) und für Besucher erteilt. Mit der Umwidmung der A-Plus-Baustelle zum Sicherheitsbereich („Critical Part“) im Sommer 2012 wird sich die gesamte Baulogistik noch einmal grundlegend verändern. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Arbeiter, Werkzeuge und Baumaterialien vor Betreten bzw. Verbringen in den Sicherheitsbereich eine aufwändige Personal- und Warenkontrolle durchlaufen. Deshalb wird angestrebt, möglichst viele Bereiche des Innenausbaus, so auch in den Shops, Gastronomien und Lounges, inklusive der Möblierung bis zu diesem Zeitpunkt fertig zu stellen. Der Probebetrieb − auf Herz und Nieren testen Derzeit läuft ein umfassender technischer und operativer Probebetrieb; hierbei werden die künftigen Abläufe und Anlagenkomponenten ausgiebig getestet und aufeinander abgestimmt. Auch die Personalprozesse stehen auf dem Prüfstand. Ziel ist, vom ersten Tag der Eröfnung an alle Aviation- und Non-Aviation-Prozesse sowie das Facility- Management reibungslos zu gewährleisten. Die ersten Teilinbetriebnahmen Die erste Teilinbetriebnahme, die Non- Schengen-Luftsicherheitskontrollen in der Ebene- 3, erfolgte am 1.- Februar dieses Jahres. Mit den Erfahrungen wurden die Vorbereitungsmaßnahmen der technischen und operativen Inbetriebnahme-Teams optimiert. Die nächste Teilinbetriebnahme ist für Juli 2012 geplant und umfasst die Schengen-Luftsicherheitskontrollen in der Ebene-2 und mehrere Busgates in der Ebene-1. Kommunikation − ein maßgeblicher Erfolgsfaktor Angesichts der Komplexität des Gesamtvorhabens und der vielfältigen Wechselwirkungen der Einzelmaßnahmen untereinander stiegen die Vernetzungsbedarfe und Steuerungsanforderungen bei allen Beteiligten. Daher wurde frühzeitig eine unternehmensübergreifende und planmäßige Regelkommunikation auf Ebene des Top- Managements von Fraport und DLH eingerichtet, welche die Abstimmungen und Entscheide im Projekt lankiert und absichert. ■ Abb. 2: Die Ebenen 3 (Ablug) und 4 (Ankunft) sind dem Non-Schengen-Passagierverkehr vorbehalten. Graik: Fraport Holger Ackermann, Dipl.-Ing. (TU) Leiter Investitionsmanagement Terminal A-Plus Fraport AG, Frankfurt/ M. h.ackermann@fraport.de
