eJournals Internationales Verkehrswesen 64/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0068
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2012
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Schnellstraße Brasilien - China

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2012
Dirk Ruppik
China ist auf der Suche nach Rohstoffen und wird zunehmend durch Brasilien gefüttert. Der Flut chinesischer Konsum- und Industrieprodukte will man durch den Bau neuer Häfen und Infrastruktur Herr werden. Der größte Eisenerzexporteur der Welt Vale entwickelt eigens eine neue Schiffsklasse, den Chinamax-Frachter.
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INFRASTRUKTUR Brasilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 44 Schnellstraße Brasilien − China China ist auf der Suche nach Rohstofen und wird zunehmend durch Brasilien gefüttert. Der Flut chinesischer Konsum- und Industrieprodukte will man durch den Bau neuer Häfen und Infrastruktur Herr werden. Der größte Eisenerzexporteur der Welt Vale entwickelt eigens eine neue Schifsklasse, den Chinamax- Frachter. E s scheint so, als habe sich da ein Paar gefunden. China begehrt die Rohstofe, Stahl sowie Nahrungsmittel des südamerikanischen Power House. Der Partner Brasilien hat sich am Chinaieber angesteckt und exportiert einen Großteil seiner Waren ins Reich der Mitte. Der hungrige Drache wird neben Rohstofen mit Soja, Orangensaft, Getreide, Kafee, Zucker, Rindleisch, Holz etc. Abb. 1: Topograische Karte von Brasilien gefüttert. Im ersten Halbjahr 2010 lag Brasilien auf Platz acht der Hauptlieferländer (Platz vier USA, Deutschland Platz fünf ) Chinas. Umgekehrt hat China die USA von Platz eins der Hauptlieferländer (Deutschland Platz vier) für Wirtschaftsgüter an Brasilien in 2010 abgelöst. Die chinesische Wirtschaft hat den riesigen Konsumentenmarkt des südamerikanischen Landes mit fast 200-Mio. Einwohnern erschlossen. Der gelbe Riese liefert neben Konsumgütern u. a. Maschinen, Kfz, und elektronische Produkte. Zudem ist China Hauptabnehmer für brasilianische Wirtschaftsgüter. Laut Germany Trade & Invest (Gtai) soll das Konsumniveau in 2012 bei 5 % und damit über der erwarteten BIP-Zunahme von 3,7 % liegen. Der Konsum bleibt der Konjunkturmotor Nummer eins, auch wegen der Anhebung des Mindestlohns um 14 %. Durch öfentliche Aufträge im Rahmen des Investitionsförderprogramms PAC wird für 2012 eine Investitionsquote der Unternehmen von 6,5 % erwartet. Die starke Überbewertung der brasilianischen Währung Real führte zu einer gigantischen Importzunahme in 2010 von 42,2 %. Von Januar bis November 2011 lag sie erheblich niedriger bei 26,2 %. Der Export nahm im gleichen Zeitraum um 27,5 % zu. In 2010 führte das Land am Zuckerhut zum Beispiel rund 32 % mehr Maschinen ein, als in 2009. Dies wiederholte sich mit 32,7 % Importzuwachs im ersten Halbjahr 2011. Daher fürchtet der Fachverband Abimaq eine drohende Deindustrialisierung und bemüht sich um eine Importzollsteigerung für Maschinen, die auch im Lande gefertigt werden, von 14 auf 35 %. Beim Export machen Agrarerzeugnisse 42 % aus. Der Eisenerzexport stieg in 2010 um mehr als 40 % und in 2011 um 12,5 %. Neben der überbewerteten Währung stellen das extrem komplizierte politische System, die komplexe Steuergesetzgebung und die hohen Zinsraten um die 18 % große Herausforderungen dar. Brasilien benötigt schnelle, direkte und simple Reformen. Nadelöhr Transportinfrastruktur Die Infrastruktur stellt eines der Nadelöhre der brasilianischen Wirtschaft (globales Ranking Platz- 41) dar. Die Häfen sind der enormen Zunahme im Handelsvolumen nicht gewachsen. Gleiches gilt für die Der Autor: Dirk Ruppik Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 45 Abb. 2: Açu Superport Flughäfen, die nicht nur dem Warentransport nicht standhalten, sondern auch dem erwarteten Besucheransturm durch die Fußballweltmeisterschaft in 2014 und die Olympischen Spiele in 2016. Die Exportprodukte werden in vielen Regionen des Landes erzeugt und meist über die Straße transportiert. Der Schienenweg wird kaum genutzt. Daher hat das Transport Infrastructure Department ein Budget von 9,34-Mrd.-USD (rund 6,5-Mrd.-EUR) für 2011 bereitgestellt, das in gleichen Teilen für den Straßen-, Hafen- und Eisenbahnbau verwendet werden soll. Bis 2014 werden alleine 11,34-Mrd. - USD (rund 8-Mrd.- EUR) in den Hafenbau, insbesondere in den Containerbereich, investiert. Trotzdem wird bemängelt, dass die Gelder zu sehr in punktuelle Aktionen wie die genannten Sportevents ließen statt in langfristig nutzbringende Projekte. Im Vergleich zu China mit 5 % investiert Brasilien gerade einmal 0,5 % seines BIP in die Infrastruktur. Doch chinesische Unternehmen investieren zunehmend im großen Stil im südamerikanischen Land. Laut der Brazil-China Chamber of Trade and Industry legten chinesische Unternehmen in 2009 nur rund 270-Mio.-EUR in Brasilien an. In 2010 waren es schon sagenhafte rund 13-Mrd.-EUR. Gemäß Economic Times (India) sollen es in 2011 rund 7- Mrd.- EUR gewesen sein. Die Unternehmen aus dem Land der Mitte setzten die Gelder in diversen Sektoren vom Bankenbereich bis zur Fahrzeugproduktion ein. Einer der größten Deals wurde im Stahlerzeugungsbereich abgeschlossen. Das brasilianische Unternehmen LLX wird zusammen mit dem chinesischen Stahlunternehmen Wuhan Iron ein Stahlwerk im Wert von rund 3,5- Mrd.- EUR bis 2013 im Staat Rio de Janeiro auf dem Gebiet des Superhafens Açu aubauen. LLX gehört dem reichsten Mann des Landes Eike Batista. Das nationale brasilianische Energieunternehmen Petrobras gründete mit Chinas Petrochemical Group (Sinopec) ein Joint-Venture zur Exploration von Öl und will ebenso eine 1200 km lange Pipeline zwischen Süd- und Nordbrasilien bauen. Künftig steht die Erschließung der brasilianischen Ofshore-Erdölquellen an. Hauptstadt: Brasilia Regierung: Präsidiale Bundesrepublik mit Präsidentin Dilma Rousef, Demokratie seit 1985 Einwohner: Rund 195 Millionen (2011), fünftgrößter Staat der Erde Währung: Brasilianischer Real (BR) Rohstofe: Eisenerz, Erdöl, Erdgas, Uran, Eisen, Zinn, u. a. Herausforderungen: Kompliziertes politisches System, komplexe Steuergesetzgebung, hohe Zinsraten, unzureichende Infrastruktur, Fachkräftemangel Häfen: 17 Haupthäfen, 2 neue Superhäfen: Açu und Sudeste Handel: Hauptlieferländer für Brasilien: China, USA, Argentinien, Deutschland. China ist zudem Hauptabnehmer von brasilianischen Wirtschaftsgütern und Rohstofen noch vor den USA, Argentinien, den Niederlanden und Deutschland. Eisenerzexporteur Vale hat eigens die neue Schifsklasse Chinamax mit 400 000 t Leergewicht in Auftrag gegeben. Chinesische direktinvestitionen in Brasilien: 270 Mio. EUR (2009), 13 Mrd. EUR (2010), 7 Mrd. EUR (2011) Fußballweltmeisterschaft: 2014 olympische Spiele: 2016 BRASILIEN - DATEN UND FAKTEN INFRASTRUKTUR Brasilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 46 Milliardär Batista baut Superhäfen Laut der britischen Portstrategy haben lange Wartezeiten in den 17 bedeutensten Häfen Brasiliens in 2010 zu 850 Stornierungen bei den Hafeneinläufen geführt. Im Jahr davor waren es nur 457. Daraus kann man die Dringlichkeit für den Bau von neuer Hafeninfrastruktur ablesen. Genau das hat das Unternehmen des Industriemagnaten Eike Batista (laut Forbes achtreichster Mensch der Welt) erkannt und baut daher die zwei Superhäfen Açu und Sudeste. In einem CNN-Interview Ende 2010 sagte Batista: „Brasilien hat versäumt, in Infrastruktur zu investieren. Meine Unternehmen haben sich auf Logistik und Infrastukturbau, insbesondere Hafenbau, spezialisiert. Die größte Chance des Landes liegt in der Ofshore-Exploration mit einem Projektwert im Trillionen-US-Dollar-Bereich.“ Der bereits seit 2007 im Bau beindliche Superhafen 400 km nördlich von Rio soll 30-Liegeplätze besitzen und Stahl, Kohle, Petroleum, Granit, Eisenerz, lüssiges Schüttgut und allgemeine Fracht handeln. Ein gigantischer Pier ragt 2,9 km weit ins Meer. Der stellvertretende chinesische Handelsminister Jiang Yaoping bezeichnete ihn als „Schnellstraße nach China“. Açu soll 2012 in Betrieb genommen werden. Das Projekt umfasst einen 90 km 2 großen Industriepark. Neben der genannten Stahlmühle soll eine weitere Stahlmühle durch das italienischargentinische Stahlunternehmen Techint gebaut werden. Der Industriepark wird u. a. Zementfabriken, Ölverarbeitungsanlagen (Shell), Pelettierungsanlagen für Eisenerz und Automobilhersteller beherbergen. Die Nähe zu den Ofshore-Ölquellen im Campos Pre Salt Basin soll deren Exploration er- Abb. 3: Die 3607 TEU große „Norfolk Express“ an der Pier in Hongkong leichtern. LLX investiert in das gigantische Projekt rund 1,9-Mrd.-EUR und will weitere 28- Mrd.- EUR an Investitionen anlocken. Der Superhafen Sudeste in der Region Serra Azul ist seit Juli 2010 im Bau und insbesondere für den Eisenerzexport durch das Batista-Unternehmen MMX nach China vorgesehen. Die chinesische Firmengruppe Wuhan Iron and Steel Corporation (Wisco) erwarb 21,52 % an MMX. Der Hafen wird eine Wassertiefe von 21 m und zwei Ofshore-Liegeplätze besitzen, wenn er 2012 in Betrieb geht. Das Investment liegt bei 1,8-Mrd.-BR (rund 790-Mio.-EUR). Schifbau erlebt Boom Durch die Entdeckung der Ofshore-Erdölfelder in 2007 und 2008 boomt auch der Schibau. Mehr als 250 Schife und Ölplattformen hat laut Gtai alleine Petrobras geordert. Das Unternehmen benötigt 146 Schlepper und Versorgungsschife, mit denen die Ölplattformen bewegt werden sollen. Die Regierung stellt über den Marinefonds umgerechnet 2,5- Mrd.- EUR bereit. Eigens für den Eisenerztransport hat das zweitgrößte Bergbauunternehmen und größte Eisenerzexporteur der Welt Vale eine Bestellung für 36 erste, 360 m lange Schife der neuen Schifsklasse Chinamax bei der drittgrößten Schifswerft des Landes der Mitte Jiangsu Rongsheng Heavy Industries aufgegeben. Der größte Eisenerztranporter der Welt hat ein Eigengewicht von 400 000 t. Das Unternehmen versucht dadurch eine stärkere Kontrolle über seine Versorgungskette und Frachttarife zu bekommen. Die Eisenerzfrachter sollen in 2011 ausgeliefert werden. Es wird erwartet, dass die Chinamax-Klasse die Frachtraten gewaltig von rund 31 000- EUR (Capesize) auf 7000 bis 8000- EUR/ Tag drücken wird. abhängigkeit kann zum Verhängnis werden Laut Chinamining.org stiegen die Preise für Eisenerz im letzten Jahr auf ein Rekordniveau. Für 2012 wird ein hohes, aber schwankendes Preisniveau bei sinkender Nachfrage aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung in China erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des gelben Drachens lag laut National Bureau of Statistics of China bei rund 10 % in 2010 und bei 9,5 % in 2011. Der amerikanische Finanzdienstleister JP Morgan gibt ein BIP von 8,4 % für 2012 an. Jeder Abfall im BIP wird sich in einer geringeren Nachfrage widerspiegeln. Generell ist Brasilien extrem stark von der Rohstofnachfrage aus China abhängig. Ein Rückgang würde natürlich auch die Umschlagsvolumina in den Häfen drastisch vermindern. Die Auslegung der neuen Häfen und auch der Chinamax-Frachter von Vale könnten sich dann als überdimensioniert erweisen. China kann durch den Bezug von Eisenerz aus Australien Brasilien jederzeit unter Druck setzen. Zudem kommt, dass ein Großteil aller brasilianischen Konsumartikel-Exporte ins Land der Mitte gesendet wird. ■ dirk ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de