eJournals Internationales Verkehrswesen 64/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0072
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Abgasärmere Schiffsmotoren fördern

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Jörg Rusche
Seit April 2007 fördert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) den Einbau von emissionsarmen Dieselmotoren für den Antrieb von Binnenschiffen. Das Programm folgt dem Prinzip der Übererfüllung von Umweltstandards. Finanzielle Unterstützung erhält nur, wer mehr tut als er nach den internationalen Abgasvorschriften für die Binnenschifffahrt ohnehin tun muss.
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TECHNOLOgIE Binnenschiffahrt Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 58 Abgasärmere Schifsmotoren fördern Seit April 2007 fördert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) den Einbau von emissionsarmen Dieselmotoren für den Antrieb von Binnenschifen. Das Programm folgt dem Prinzip der Übererfüllung von Umweltstandards. Finanzielle Unterstützung erhält nur, wer mehr tut als er nach den internationalen Abgasvorschriften für die Binnenschiffahrt ohnehin tun muss. M it nicht rückzahlbaren Zuschüssen fördert das BMVBS die Anschafung abgasärmerer Dieselmotoren, um die Erneuerung der Schifsmotoren im Interesse der Umwelt und der Flottenmodernisierung zu beschleunigen. Bewilligungsbehörde ist die Wasser- und Schiffahrtsdirektion (WSD) West, die für den Bund unter anderem auch die Förderprogramme für die Aus- und Weiterbildung in der Binnenschiffahrt erfolgreich durchführt. Funktionsweise Gefördert wird ein Motor, der bestimmte Partikelgrenzwerte unterschreitet. Bis Ende 2011 reichte eine Unterschreitung um 30 % der geltenden EU-Standards aus. Seit dem 1.-Januar-2012 muss der Grenzwert bei sich in Fahrt beindlichen Binnenschifen unter Seit fünf Jahren fördert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) den Einbau von emissionsarmen Dieselmotoren für den Antrieb von Binnenschifen. Foto: B. Sieker 0,14 g/ kWh und bei neu gebauten Schifen sogar unter 0,03 g/ kWh liegen. Eigentümer von im deutschen Binnenschifsregister eingetragenen Fahrzeugen erhalten unter Berücksichtigung der De-minimis-Regeln pro Motor den Prozentsatz einer Pauschale für die Mehrkosten gegenüber der Anschafung eines herkömmlichen Motors mit den allgemein geltenden Grenzwerten. Die pauschalierten Mehrkosten werden mit 22,50-EUR/ kW bei einer Motorleistung unter 500 kW angenommen. Bei einer Motorleistung ab 500 kW kommen 27-EUR/ kW in Betracht. Für die Hauptzielgruppe der ausgetauschten Motoren an Bord in Fahrt beindlicher Schife kommen noch Pauschalen für die Aus- und Einbaukosten von 50 000- EUR bzw. 40 000- EUR bei den Hauptantrieben oberhalb bzw. unterhalb der 500 kW-Grenze hinzu, die bei Hilfsmotoren wie dem Bugstrahl oder bei Lade- und Löschpumpen 20 000- EUR und bei Generatoren für den Schifsbetrieb 5000- EUR betragen. Liegekosten werden mit 6- EUR/ kW Motorenleistung angesetzt. Die Zuwendung beträgt 30 % der so berechneten Beträge. Bei KMU kann sie auf 40, in bestimmten Fördergebieten der neuen Bundesländer sogar auf bis zu 50 % steigen. Bei der ersten Fassung der Richtlinie stand das niederländische Förderprogramm VERS Pate. Die Niederlande hatten zwei Jahre vor Deutschland mit der Förderung begonnen. Allerdings änderten die Nachbarn die Fördervoraussetzungen jährlich bis hin zum Steuerabzug für Investitionen und weg vom Zuschuss. Diese Unstetigkeit dürfte ein Grund sein, warum eine Evaluierung von VERS für die Jahre 2005 - 2008 zu einer für die dortige Regierung enttäuschenden Einschätzung führte. Entwicklung über die Jahre Aus den in elwis.de eingestellten Kennzahlen für die Zuwendungen von emissionsärmeren Motoren ergibt sich zum Stand 1.- Januar- 2012 die in Tabelle- 1 und Tabelle- 2 dargestellte Bilanz. Aufällig ist, dass deutlich mehr Motoren als Abgasnachbehandlungssysteme gefördert wurden. Bei letzteren überwiegen die Partikelilter für Fahrgastschife. Erfreulich ist, dass vor allem Hauptmotoren gefördert wurden, was der Umwelt am meisten nutzt. Aufällig ist zudem, dass seit 2009 weniger Anträge gestellt werden. Finanzrahmen In den Jahren 2007 bis 2011 standen für das Programm 10- Mio.- EUR degressiv gestaffelt zur Verfügung. Für das laufende Haushaltsjahr 2012 ist 1- Mio.- EUR vorgesehen (Tabelle-3). Der Autor: Jörg Rusche Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 59 Nicht ausgegeben wurden vor allem in den ersten zwei Jahren des Programms rund 4 Mio. EUR, die noch aktiviert werden könnten. Dies gilt allerdings nur, wenn an anderer Stelle im Haushalt des BMVBS Einsparungen in derselben Höhe vorgenommen würden. Das fällt in Zeiten der Finanzkrise schwer und zeigt einen Webfehler des Programms: die 10 Mio. EUR wurden nicht ratierlich über die ersten fünft Haushaltsjahre verteilt, sondern degressiv gestafelt. Eine gleichmäßige Verteilung der Mittel über die Jahre wäre den Antragszahlen gerechter geworden und hätte dem Gewerbe und der Umwelt mehr genutzt. 2007 wurden noch kaum Motoren eingebaut. Nach dem Programmstart im April des Jahres traten zunächst Anlaufschwierigkeiten bei der Identiikation förderfähiger Motoren durch speziell für das deutsche Förderprogramm entwickelte Herstellererklärungen auf. Schon nach einem halben Jahr wurde zudem erkennbar, dass bei den Aus- und Einbaukosten, die bis zum 31.-Dezember- 2007 generell 20 000- EUR betrugen, die oben dargestellte Unterscheidung in die Gruppen der Haupt- und Hilfsmotoren angemessen war. Auch weil Fördermittel erst ausgekehrt werden, wenn die Rechnungen der Werften und Motorenlieferanten fällig werden, konnte im ersten Jahr kaum Geld ausgegeben werden. Folglich blieben die ersten 2- Mio.- EUR im Programm fast unangetastet. Eine wichtige Verbesserung des Programms bestand im Abbau von Bürokratie. Seit dem 2.- Juni- 2009 verzichtet die WSD auf den sogenannten Vorbescheid, so dass nach Erhalt einer Eingangsbestätigung für den Antrag ein Motor bestellt werden kann. Zuvor mussten sich Hersteller und Käufer über Wochen an ein Angebot gebunden halten. Damit ist zwar nicht die Flexibilität ausländischer Förderprogramme erreicht, die einen Kostennachweis nach dem Einbau des Motors genügen lassen. Doch zusammen mit dem 2011 ausgesprochenen Verzicht auf die Mitwirkung von Steuerberatern und Notaren bei der Antragstellung ist das Antragsverfahren inzwischen wesentlich verbessert. Der Verzicht auf den Vorbescheid hat dem Programm gut getan: Bis Ende 2010 hat die WSD 5,5- Mio.- EUR im Rahmen des Förderprogramms bewilligt. Bis April 2009 zählte man 340 geförderte Motoren auf 200 teilnehmenden Schifen. 21 wirtschaftlich schwierige Monate später gab es bereits über 600 Förderobjekte an Bord von 371 Schifen. Die Mittel allerdings, die vom Gewerbe nicht abgerufen werden konnten, müssen heute mit viel Mühe und unter Zurückstellung anderer legitimer verkehrspolitischer Ziele wieder im Verkehrshaushalt eingeworben werden. Daher ist die Botschaft für die Weiterentwicklung des Programms klar: Nicht so viel Geld zu Beginn eines Förderzeitraums einplanen. Es war bitter zu sehen, dass die Verwaltung im Jahr 2011 schon zur Jahresmitte Interessenten sagen musste, dass kaum noch Geld im Topf sei. Mit dieser Information verzichteten viele Unternehmer auf einen Förderantrag mit ungewissem Ausgang. Dieselbe Entwicklung zeichnet sich 2012 noch viel stärker ab. Ausblick in die Zukunft des Programms Gemäß Koalitionsvertrag soll an den Hilfen zur Flottenmodernisierung und zur Umrüstung auf abgasärmere Motoren festgehalten werden. Im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik des BMVBS wird eine Fortentwicklung des Programms festgelegt. Auch die Verbände der Hersteller, Werften und der Binnenschiffahrt möchten das Förderprogramm fortentwickeln. Dabei geht es um die Öfnung des Programms für dieselelektrische Antriebe und eine generelle Öfnung auch für andere erfolgversprechende Emissionsminderungstechnologien. Für die künftige Förderung der Dieselelektrik haben die Verbände erste Überlegungen angestellt. Unter einem diesel-elektrischer Antrieb verstehen sie dabei ein Antriebssystem, bei dem vom Dieselmotor ein oder mehrere Generatoren angetrieben werden, die den Strom für den Fahrmotor bereitstellen. Gedacht wird auch an den dieselelektrischer Hybridantrieb als Antriebssystem, das aus einem herkömmlichen diesel-mechanischen Teil sowie einem diesel-elektrischen Teil besteht. Entsprechende Fördertatbestände sind noch in keinem Förderprogramm in Europa dargestellt, so dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Deinition sauberer Antriebstechnik wahrnehmen könnte. Schließlich spielt das Bundesumweltministerium bei der Erarbeitung eines Vorschlags der Europäischen Kommission über künftige Abgasgrenzwerte in der Binnenschiffahrt eine aktive Rolle und schließlich hat das BMVBS Anfang 2012 einen Bericht veröfentlicht, der die noch bestehenden Schwierigkeiten beim Einsatz von Dieselpartikeliltern gerade bei Güterschifen mit großen Motoren, die allerdings bedingt durch Wassertiefe und Strömung selten mit Volllast fahren, veröfentlicht. Auch die europäische Vorgabe, Luftreinhaltepläne zu entwickeln, legt es nahe, die Förderung auch nach 2012 fortzusetzen. Der BDB wird sich dafür einsetzen, dass auch 2013 Fördermittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Das Motorenförderungsprogramm wird nach derzeitiger Absicht der Regierung auch über den 31.-Dezember-2012 hinaus mit leicht erhöhtem Etat verlängert. ■ Jörg Rusche Geschäftsführer Bundesverband der Deutschen Binnenschifahrt e.V. Duisburg BDB-Rusche@binnenschif.de Kalenderjahr Anträge geförderte Motoren geförderte Nachbehandlungssysteme 2007 96 71 6 2008 201 160 2 2009 201 187 9 2010 155 153 12 2011 114 104 2 Tab. 1: Förderung Motoren vs. Nachbehandlungssysteme Zur Förderung beantragte emissionsärmere Schifsdieselmotoren bei in Fahrt beindlichen Binnenschifen bei Schifsneubauten Hauptantriebsmotoren 305 59 Hilfsantriebsmotoren 50 23 Schifsbetriebsmotoren 225 56 Lade- und Löschpumpen 7 3 Tab. 2: Förderung umweltfreundlicherer Motoren 2007 2008 2009 2010 2011 und 2012 2,0 Mio. EUR 3,0 Mio. EUR 2,5 Mio. EUR 1,5 Mio. EUR je 1,0 Mio. EUR Tab. 3: Finanzrahmen