Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0086
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2012
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Theoretisch gut und praktisch bewährt
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Ute Jasper
Tobias Czepuli
Rainer Grabbe
Rainer Huneke
Theoretische Konzepte klingen oft überzeugend. Entscheidend ist jedoch, dass sie sich praktisch bewähren. Was steckt hinter dem häufig gepriesenen Lebenszyklusansatz? Weshalb kann er die öffentlichen Haushalte entlasten? Klingt er nur auf Papier überzeugend oder belegt auch die Praxis dessen Vorzüge? − Eine Gegenüberstellung.
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INFrASTrUKTUr Lebenszyklusansatz Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 33 Theoretisch gut und praktisch bewährt Theoretische Konzepte klingen oft überzeugend. Entscheidend ist jedoch, dass sie sich praktisch bewähren. Was steckt hinter dem häuig gepriesenen Lebenszyklusansatz? Weshalb kann er die öfentlichen Haushalte entlasten? Klingt er nur auf Papier überzeugend oder belegt auch die Praxis dessen Vorzüge? − Eine Gegenüberstellung. B ei der Straßenunterhaltung verhält es sich wie beim Kauf von Schuhen: Wer kurzfristig sparen will, zahlt langfristig mehr. Wer hingegen von vornherein auf Qualität setzt, darf sich auf Langlebigkeit verlassen und handelt deshalb auf Dauer wirtschaftlicher. Weshalb das auch bei der Straßenunterhaltung so ist? Beseitigen die Städte und Gemeinden Straßenschäden nur provisorisch, vermögen sie die Schäden zwar mit wenig Geld kurzfristig zu übertünchen. Würden sie aufwendigere Maßnahmen veranlassen, welche die Straßen von Grund auf sanieren, würden jedoch hohe Folgekosten vermieden. Liegen die Straßenschäden etwa nicht nur an der Oberläche, sondern tiefer, lässt eine rein oberlächliche Sanierung der Straße die Kosten im Nachhinein oftmals explodieren. Dieses Phänomen ist den Kommunen durchaus bekannt. Dennoch entscheiden sie sich oftmals für das provisorische Flickwerk. Dies liegt an politischen Zwängen sowie an der angespannten Haushaltslage. Sie verleiten zu kurzfristig billigeren Sanierungsmaßnahmen - auf Kosten der zukünftigen Generation. Welche alternativen Möglichkeiten gibt es, um dieses ineiziente Gebaren bei der Straßenunterhaltung zu beenden? Noch schrecken viele Kommunen vor öfentlichprivaten Partnerschaften zurück. Einzelne politische Strömungen malen plakativ (und schlichtweg falsch) den Ausverkauf des staatlichen Tafelsilbers an die Wand, wenn sie allein dieses Reizwort hören. Zu Unrecht. Denn gerade die langfristige Zusammenarbeit mit einem privaten Unternehmen macht es möglich, die Straßen nachhaltig zu sanieren und sie so auf ein Abb. 1: Straßenschäden im Kreis Lippe Foto: newsowl.de qualitativ besseres Niveau zu heben. Und das Beste daran: Es kommt die Städte und Gemeinden günstiger. Öfentlich-private Partnerschaften lohnen Wie kann das sein? Anders als die öfentliche Hand sind Privatunternehmen nicht an die Zwänge jeweils eines konkreten Haushaltsjahres gebunden. Dadurch können sie ihr Verhalten viel mehr auf langfristige Wirtschaftlichkeit ausrichten als die Kommunen. Die Langlebigkeit der Straßen ist aus wirtschaftlichen Gründen das ureigene Interesse des privaten Partners. Denn wenn er die Straßen über einen langen Zeitraum auf einem festgelegten qualitativen Niveau halten muss, schneidet er sich ins eigene Fleisch, wenn er fortlaufend sein eigenes Flickwerk ausbessern muss. Anders als die öfentliche Hand wird ein privater Investor den gesamten Lebenszyklus der Straßenunterhaltung ins Visier nehmen. Die Straßenunterhaltung an Privatunternehmen für einen längeren Zeitraum zu vergeben, bringt für die Bürger, die Privatwirtschaft und für die öfentliche Hand viele weitere Vorteile mit sich. Neben dem erheblichen Einsparpotenzial sorgen langfristige Maßnahmen insbesondere dafür, dass die Straßen in einem qualitativ hochwertigen und verkehrssicheren Zustand sind. Wie ausgeführt liegt dies einmal daran, dass die Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen selbst daran interessiert sind, qualitativ hochwertige Straßen zu bauen und zu unterhalten. Darüber hinaus bringen die Fachunternehmen ihr gesamtes Know-how in die Straßenunterhaltung mit ein, wovon die Städte und Gemeinden proitieren. Sie können dies gezielt fördern, indem sie den Auftrag über die Straßenunterhaltung nur „funktional“ ausschreiben, also lediglich Zielvorgaben hinsichtlich des Straßenzustands machen. Den Unternehmen obliegt es dann, mit ihrer Fachexpertise zu erörtern, wie sie dieses Ziel erreichen und die Die Autoren: Ute Jasper, Tobias Czepull Überzeugendes Konzept - Der Lebenszyklusansatz InfrasTrUkTUr Lebenszyklusansatz Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 34 Straßenbauarbeiten umsetzen. Hierfür trägt der private Partner die alleinige Verantwortung. Planungssicherheit statt jährliche schwankungen Ein weiterer Vorteil für die öfentliche Hand liegt darin, dass sie die Kosten für die Straßenunterhaltung über eine lange Zeitspanne hinweg planen kann. Unerwartete Kostenexplosionen kommen auf sie nicht zu. Das Risiko besonders strenger Winter liegt bei den Unternehmen. Anders als bisher sorgen kalte Winter also nicht für frostige Zeiten in der ohnehin schon klammen Haushaltskasse. Den gesamten Lebenszyklus der Straßenunterhaltung zu beachten, lohnt sich somit für Die Autoren: rainer Grabbe, rainer Huneke Praktisch bewährt - Ein Erfahrungsbericht aus Lippe S eit Juli 2009 lässt der Kreis Lippe sein Straßennetz von einem deutschen Firmenkonsortium bestehend aus der Heinrich Walter Bau GmbH, der Wittfeld GmbH und der Lanwehr Bau GmbH unter dem Dach der französischen Eifage S. A. baulich unterhalten. Gegenstand dieses über 24,5- Jahre angelegten Vertrages sind neben 435- km Straßen, 124- km Rad-/ Gehwege, 96- Brücken, 65-Stützbauwerke und 1273-Durchlässe. Die Leistungsanforderungen an das Unternehmen sind dabei streng funktional und orientieren sich hinsichtlich der Controlling- und Abrechungsgrundlagen dauerhaft an dem Zustand der Straßen gem. ZTV-ZEB-StB-06 bzw. den Ergebnissen der Bauwerksprüfungen gem. DIN- 1076 durch einen zertiizierten Fachingenieur. Zur Prüfung der Erfüllung der Leistungskriterien werden die Straßenzustände turnusmäßig alle fünf Jahre und einmal gesondert zwei Jahre vor Vertragsablauf gemessen. Mehr schlecht als recht: Der Zustand 2008 Der allgemeine Zustand des Straßennetzes war im Jahre 2008 vollständig messtechnisch erfasst worden. Dabei stellte sich heraus, dass entgegen bisheriger Annahmen rd. 44 % der Straßen in schlechtem bzw. sehr schlechtem Zustand waren. Die strengen Winter der letzten Jahre setzten dem Netz weiter zu. Dies erfordert in einem unmittelbaren Handlungsrahmen, dass allein ca. 200- km des Kreisstraßennetzes bis zur ersten Kontrollmessung im Jahr 2013 baulich instand zu setzen sind. Hierbei ist es dem Bauunternehmen aber gänzlich selbst überlassen, mit welchen Maßnahmen die vertraglichen Ziele erreicht werden. Der Ansatz, nicht wie sonst üblich einfache Gewährleistungsfristen von bis zu fünf Jahren, sondern die Betrachtung über den Lebenszyklusansatz als vertragliche Grundlage zu wählen, bringt für das Bauunternehmen die Verplichtung mit sich, eine Straße dauerhaft instand zu halten und nicht nur einmal instand zu setzen. Durch diese Übertragung von Risiken entstehen auch gleichzeitig Chancen, bei der Gestaltungsfreiheit durch innovative und neuartige Ansätze optimierte Zustandsverläufe der Fahrbahnen zu erzielen. Selbstverständlich sind alle gängigen technischen Regelwerke Grundlage für diese Arbeiten. Als konzeptionelle Basis zur Ausarbeitung dieses Handlungsrahmens hat der Kreis bereits vor bzw. während der Vertragsverhandlungen neben der messtechnischen Ursprungsanalyse des Fahrbahnzustandes als reproduzierbare Ausgangsgröße, eine Georadaruntersuchung zu Aussagen über den befestigten Fahrbahnaubau und der direkt darunter beindlichen Schichten durchgeführt. Hierbei wurden ergänzend 500-Bohrkerne zur Referenzierung der Messdaten aus dem Straßennetz entnommen. Enge abstimmung aller Beteiligten Die konkrete Maßnahmenplanung auf Grundlage eines Pavement-Management- Systems (PMS) erfolgt in enger Abstimmung mit den 16- lippischen Städten und Gemeinden, sowie deren Abwasserbetrieben und anderen Versorgungsunternehmen. Hierbei dienen unterschiedliche Zeithorizonte in der Maßnahmenplanung bis hin zum konkreten einjährigen Bauprogramm der Planungssicherheit betrofener Dritter, der Ausarbeitung von Umleitungsstrecken und Sperrgenehmigungen sowie der allgemeinen Öfentlichkeitsarbeit. Eine besondere Herausforderung stellt die Disposition der Einzelmaßnahmen dar, weil durch die regionalen Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Individualverkehr eine hohe Netzverfügbarkeit stets gewährleistet sein muss. Gleichzeitig sind die saisonal bedingten Arbeiten in diesem Umfang nur zu leisten, wenn „von einem Tag auf den nächsten“ zur Folgebaustelle gewechselt werden kann. So konnten in den Jahren 2009 ab 1.- September 13-km, in 2010 67-km und in 2011 75-km Kreisstraßen als Maßnahmen baulich instand gesetzt werden. Dabei wurden als Bauweisen u. a. Deckenverstärkungen bzw. der Austausch von Deck-/ Binderschichten oder auch des gesamten befestigten Fahrbahnaubaus realisiert. Damit setzt das Bauunternehmen seinem Erhaltungskonzept folgend ausschließlich langfristig wirkende Maßnah- Abb. 2: Auch 96-Brücken müssen im Kreis Lippe baulich unterhalten werden. Foto: Kreis Lippe alle Beteiligten: Für die öfentliche Hand, da sie spart und da sie nicht das Risiko für Kostenexplosionen trägt, für die Bürger, da sie nachhaltig verkehrssichere Straßen nutzen können und für die Privatwirtschaft, da sie von der langfristigen Vergabe öfentlicher Aufträge proitiert. Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 35 men um. Auf kleinräumige Flick- und Unterhaltungsarbeiten wurde vollständig verzichtet. Das Vergütungsmodell für diese Bauleistungen ist festgeschrieben und bietet durch ein gestafeltes Pauschalentgelt mit vereinbarter Indexierung als Inlationsausgleich eine ausbalancierte Grundlage der knapp 25-jährigen Partnerschaft. Zu- und Abbestellrechte ermöglichen Veränderungen am Vertragsgegenstand z. B. der Straßenbaulast oder politischer Einlussnahmen und sichern die Hoheit des Kreises Lippe. Förderfähige Neu-, Um- und Ausbaumaßnahmen sowie der gesamte Betriebsdienst werden weiterhin vom Eigenbetrieb des Kreises direkt getätigt. Bei vergleichbarer Qualität beträgt die über den Public-Sektor-Comparator (PSC) als hochgerechneten Vergleich zu einer herkömmlichen Verfahrensweise mit Einzelausschreibungen ermittelte Kosteneinsparung ca. 10 %. Der Partner hält Wort Bis zum Zeitpunkt der ersten vollständigen Wiederholungsmessung im Jahre 2013 wird das Bauunternehmen voraussichtlich früher als geplant bereits sämtliche Maßnahmen an den im Jahre 2008 erkannten sanierungsbedürftigen Straßen durchgeführt haben. Dann wird sich auch zeigen, wie sich der Zustand der übrigen Straßen entwickelt haben wird, ob und welche Maßnahmen ggf. zusätzlich erforderlich sein werden. Nach Ablauf der anfänglichen Sanierungsphase, spätestens aber ab 2018, wird für alle Straßen ein einheitlicher Zustandwert gelten, der dann bis zum Ende des Vertrages nicht unterschritten werden darf. Weitere regelmäßige Messungen sind für 2023, 2028 und 2033 vorgesehen. In der weiteren Zukunftsbetrachtung ist hervorzuheben, dass für die messtechnische Kontrolle zusätzlich zwei Jahre vor Ablauf des Vertrages und der Abschlussmessung die geforderten Zustandsnoten um 0,5-Punkte heraufgesetzt werden, um eine deutliche Nachhaltigkeit bei der Qualität der Kreisstraßen auch über das Vertragsende am 31.-Dezember 2033 hinaus zu gewährleisten. Durch dieses bundesweit erste mit dem PPP Innovationspreis 2010 ausgezeichnete kommunale Straßenerhaltungsprojekt mit Netz- und Lebenszyklusansatz wird es uns „Lippern“ möglich, den Sanierungsstau zu beseitigen, die Qualität der Kreisstraßen kurzfristig zu verbessern, langfristig zu sichern und das mit den Steuern unserer Einwohner geschafene Vermögen auch für unsere Nachfahren zu erhalten. ■ Ute Jasper, Dr. Rechtsanwältin Partnerin Heuking Kühn Lüer Wojtek u.jasper@heuking.de Tobias Czepull, Dr. Rechtsanwalt Heuking Kühn Lüer Wojtek t.czepull@heuking.de rainer Grabbe, Dipl. Verw.-Wirt. Fachgebietsleiter Finanzen Kreis Lippe r.Grabbe@kreis-lippe.de rainer Huneke, Dipl.-Ing. Betriebsleiter im Straßenbetrieb Kreis Lippe r.Huneke@kreis-lippe.de Mehr Infos unter: www.hoermann.de Tel. 0 18 05-750 100 * * *0,14 €/ Min. aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €/ Min. Komplett-Lösungen für mehr Effizienz Wo es auf reibungslose Arbeitsabläufe ankommt, sind intelligente Lösungen gefragt. Die bekommen Sie von Hörmann, und zwar komplett aus einer Hand: Ladebrücken, Torabdichtungen, Vorsatzschleusen und Industrietore, perfekt aufeinander abgestimmt und für jede Situation das passende System. Flexible Schnelllauftore mit SoftEdge-Anfahrschutz Moderne Logistik mit intelligenten Docking Systemen
