Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0096
61
2012
644
Eine Plattform für die Verkehrsforschung
61
2012
Lars Schnieder
Karsten Lemmer
Mit der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) schaft das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und der Stadt Braunschweig eine einzigartige Möglichkeit zur vernetzten Forschung, Entwicklung und Anwendung für intelligente Transport- und Mobilitätsdienste.
iv6440062
TECHnOLOGIE Intelligente Mobilitätsdienste Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 62 Eine Plattform für die Verkehrsforschung Mit der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) schaft das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und der Stadt Braunschweig eine einzigartige Möglichkeit zur vernetzten Forschung, Entwicklung und Anwendung für intelligente Transport- und Mobilitätsdienste. I m Vergleich zu bestehenden Testfeldern ermöglicht AIM verkehrswissenschaftliche Forschung in einer neuen Qualität und Dimension [1]. • Räumliche Dimension: Als Forschungsplattform in der Dimension einer ganzen Region und Stadt betrachtet AIM Forschungsfragestellungen zur urbanen Mobilität [3] in ihrem regionalen Kontext auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene. • Repräsentativität: Die Region ist mit allen Verkehrsträgern an großräumige Verkehrsnetze angeschlossen und verfügt über ein gut ausgebautes Verkehrswegenetz für den öfentlichen Personennahverkehr auf Straße und Schiene [2]. • Zugänglichkeit: AIM ist als Forschungsinfrastruktur in die Produktivumgebung des Verkehrsmanagements eingebettet. Somit ermöglicht AIM die durchgängige Forschung und Entwicklung von der Demonstration erster forschungsgeleiteter Prototypen bis zum Test marktreifer Produkte im öfentlichen Straßenraum. Abb. 1: Sukzessive Überführung kooperativer Assistenzsysteme von der Simulation in die Realität • Langfristiger Betrieb: Die Wiederverwendbarkeit reduziert Investitionen in projektspeziische Infrastruktur und minimiert Risiken durch die Verwendung bereits getesteter Funktionen. Vorhandene verkehrsbehördliche Genehmigungen beschleunigen die Forschung. Der langfristige Betrieb ermöglicht Längsschnittstudien und reproduzierbare Ergebnisse. • Methodische Einbettung: Das in AIM verfügbare Technologieportfolio ist methodisch stringent verknüpft. Ergebnisse empirischer Datenerhebungen werden bruchlos in Modelle überführt und ermöglichen den sukzessiven Übergang von der Simulation in die Realität. • Konvergenz von Simulation und Realität: Anlagenkomponenten im öfentlichen Straßenraum korrespondieren mit virtuellen Abbildern. Im Labor werden frühzeitig valide Ergebnisse von Prototypentests erzielt. Simulationsmodelle werden durch den Abgleich von Simulation und Realität kontinuierlich verbessert. • Multimodalität: Im urbanen Raum erfordert der Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrssystemen eine ganzheitliche Mobilitätsassistenz. AIM integriert konsequent alle Modalitäten des motorisierten und nicht-motorisierten Verkehrs bzw. individueller und kollektiver Mobilität und verknüpft verkehrsträgerübergreifend vorhandene Datenbasen. • Unabhängigkeit: Das DLR ist als Großforschungseinrichtung unabhängig von wirtschaftlichen Interessen strikt der Neutralität verplichtet und gewährleistet im Rahmen seines Forschungsauftrags die wissenschaftliche Objektivität und Transparenz wissenschaftlicher Erkenntnisse. Verfügbare Technologiebausteine AIM verfügt über ein breites Spektrum unterschiedlicher Anlagenkomponenten, die in Forschungsprojekten bedarfsorientiert miteinander verknüpft werden. Für die Erhebung empirischer Daten stellt AIM infrastrukturseitige Komponenten und Fahrzeugplattformen zur Verfügung. • Die Forschungskreuzung erlaubt die infrastrukturgestützte Erfassung von Fahrzeugtrajektorien und stellt diese für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung. • Der Forschungsbahnübergang stellt infrastrukturseitige Sensorik zur Untersuchung des Fahrerverhaltens bereit, um hieraus Empfehlungen für Assistenz und Automation an Bahnübergängen abzuleiten. • Die Fahrzeugflotte stellt einen Baukasten für die kampagnenspeziische Ausrüstung von Versuchsträgern zur Untersuchung intelligenter Verkehrssysteme bereit. • Eine Plattform für Naturalistic Driving Studies ermöglicht die Untersuchung individuellen Fahrerverhaltens in ihrem natürlichen Umfeld. Die Autoren: Lars schnieder, karsten Lemmer Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 63 Abb. 2: Sende- und Empfangseinrichtung für die Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation im öfentlichen Straßenraum Fotos: DLR • Die Integration mobiler Dienste erlaubt neben der Erprobung neuer Konzepte der Mobilitätsassistenz die Erhebung empirischer Daten des Nutzerverhaltens. AIM stellt virtuelle Abbilder der Teile der städtischen Straßenverkehrsinfrastruktur bereit, die auch im öfentlichen Straßenraum mit Anlagenkomponenten ausgestattet sind. • Ein Werkzeugverbund des Verkehrsmanagements fusioniert Daten aus verschiedenen Quellen zu einer Gesamtverkehrslage, um eine vergleichende Analyse prognostizierter Verkehrsszenarien zu ermöglichen [7][8]. • Virtuelle Referenzstrecken für den Kraftfahrzeugverkehr und den öfentlichen Personenverkehr auf Straße und Schiene schafen einen Rahmen für die humanzentrierte Entwicklung neuer Konzepte der Verkehrsautomation. AIM erlaubt im Anschluss an die prototypische Demonstration neuer Ansätze der Verkehrsautomation ihre sukzessive Überführung von der Simulation in die Realität: • MoSAIC (Modular and Scalable Application Platform for ITS Components) erlaubt über die Kopplung bestehender Simulatoren die Untersuchung kooperativer Fahrerassistenzsysteme. • Ein modulares Mockup ermöglicht den lexiblen Aubau neuartiger Fahrzeugkonzepte und macht diese einer Untersuchung im dynamischen Fahrsimulator zugänglich. Das nach außen sichtbarste Element der Anwendungsplattform sind die Anlagenteile für die praktische Erprobung im Feld. • Eine Referenzstrecke für die Fahrzeug- Infrastruktur-Kommunikation gestattet Feldtests kooperativer Assistenzsysteme. Seit August 2011 werden u. a. Zustandsgrößen der Lichtsignalanlagen über ein W-LAN für Automotive-Anwendungen (IEEE 802.11p) ausgestrahlt. • Weitere Anlagenteile umfassen eine intelligente Fahrspur (iLane) sowie die wissenschaftliche Betrachtung von Shared Space-Konzepten (iShared Space). • Hochgenaue Ortungsinformationen für urbane Räume stehen Dank einer geeigneten Fahrzeugplattform trotz Mehrwegeausbreitung und Abschattung von GPS-Signalen im Bereich innerörtlicher Straßen zur Verfügung. Das Institut für Verkehrssystemtechnik verfügt über umfangreiche Expertise zum Datenmanagement [4]. Durch den Aubau eines leistungsfähigen Backendsystems wird in AIM die strukturierte Auswertung der im Feld und in den Simulatoren erhobenen Daten gewährleistet. Darüber hinaus integriert AIM umfangreiche Datenbasen externer Partner. Die Plattform wächst mit ihren aufgaben Nach dem Abschluss der Aubauphase wird die Großforschungsanlage AIM projektgetrieben um weitere Komponenten und Funktionen ergänzt. Das entwicklungsleitende Paradigma ist hierbei die Kooperation im Rahmen gemeinsamer Forschungsvorhaben. Die gemeinsame Deinition von Forschungsprojekten resultiert in Arbeitspaketen mit konkreten fachlichen Inhalten LITEraTur [1] BAUER, S.; BRETSCHNEIDER, E.; RATAJ, J.; SCHUMANN, T.: AIM - Application Platform for Intelligent Mobility. 16th World Congress for ITS Systems and Services, 21.-25. September 2009, Stockholm. [2] Zweckverband Region Braunschweig: Nahverkehrsplan 2008 für den Großraum Braunschweig. Braunschweig, 2008. [3] Kommission der Europäischen Union: Aktionsplan urbane Mobilität. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Rat der Regionen. SEK(2009) 211 / SEK(2009) 212, Brüssel, 2009. [4] KÖSTER, F.; NOYER, U.: Leistungsfähiges Datenmanagement als Rückgrat einer menschzentrierten Entwicklung von Automation/ Assistenz. In: 24. VDI/ VW-Gemeinschaftstagung − Integrierte Sicherheit und Fahrerassistenzsysteme (24), S. 219-226. VDI Verlag GmbH. 24. VDI/ VW-Gemeinschaftstagung, 29.-30. Okt. 2008, Wolfsburg. [5] FRANKIEWICZ, T.; HINSBERGER, A.; LORENZ, T.; HILT, H.-J.; WEBER, S.; WIEKER, H.; KÖSTER, F.: Standortbestimmung und Integration von ITS Roadside Stations für die Anwendungsplattform Intelligente Mobilität. AAET − Automatisierungssysteme, Assistenzsysteme und eingebettete Systeme für Transportmittel, 9.-10. Febr. 2011, Braunschweig, Deutschland. [6] THIELEN, D.; HARMS, Chr.; LORENZ, T.; KÖSTER, F.: Communication between Vehicle and Nomadic Device Used for Assistance and Automation. In: Instrumentation, Measurement, Circuits and Systems Advances in Intelligent and Soft Computing, 127. S. 747-758 (2012). Lars schnieder, Dr.-Ing. Projektleiter AIM, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) in der Helmholtz-Gemeinschaft Institut für Verkehrssystemtechnik lars.schnieder@dlr.de karsten Lemmer, Prof. Dr.-Ing. Institutsleiter, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) in der Helmholtz-Gemeinschaft Institut für Verkehrssystemtechnik Braunschweig karsten.lemmer@dlr.de und Zielterminen. Im Dialog mit dem DLR identiizieren die Projektpartner die für die Umsetzung des Forschungsvorhabens erforderlichen Technologiebausteine aus AIM und schließen hierüber eine konkrete Nutzungsvereinbarung. Das DLR schreibt auf dieser Basis die Roadmap zur konkreten inhaltlichen und terminlichen Ausgestaltung der Erweiterung fort. Auf diese Weise wächst mit jedem durchgeführten Projekt die verfügbare funktionale und infrastrukturelle Basis von AIM. Bereits heute proitieren unsere Partner im Rahmen von Forschungsvorhaben von der verfügbaren technologischen Basis. ■ [7] BEHRISCH, M.; BIEKER, L.; ERDMANN, J.; KRAJZEWICZ, D.: SUMO - Simulation of Urban MObility: An Overview. In: Proceedings of SIMUL 2011, The Third International Conference on Advances in System Simulation. SIMUL 2011, 23.-28. Okt. 2011, Barcelona. [8] HEINRICHS, M.: TAPAS: Travel-Activity-Pattern Simulation − Parallelisiertes Mikroskopisches Verkehrsnachfragemodell. In: Next Generation Forum 2011, S. 74. Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt e. V. Next Generation Forum 2011, 26.-27. Sept. 2011, Oberpfafenhofen, Deutschland. [9] RICHTER, A.; FRIEDL, H.; GURAJ, V.; RUPPERT; T.; KÖSTER, F.: Developing a toolchain for providing automatically highly accurate 3D database. Verlag der Bauhaus-Universität Weimar. ConVR2011, 3.-4. Nov. 2011, Weimar, Deutschland.
