Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0097
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Innovationsdruck in der Schifffahrt steigt
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Kerstin Zapp
Die Brennstoffkosten sind in der Seeschifffahrt in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Emissionsschutzgebiete wurden eingerichtet. Die Einbindung auch dieses Verkehrsträgers in den Emissionshandel ist wahrscheinlich. Und die EU-Kommission fordert eine Senkung der CO2-Emissionen um 40 % bis 2050 gegenüber dem Niveau von 2005. Vier Gründe, um über Treibstoffalternativen und eine verbesserte Energieeffizienz nachzudenken.
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TECHnOLOGIE Seeschiffahrt Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 64 Innovationsdruck in der Schiffahrt steigt Die Brennstofkosten sind in der Seeschiffahrt in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Emissionsschutzgebiete wurden eingerichtet. Die Einbindung auch dieses Verkehrsträgers in den Emissionshandel ist wahrscheinlich. Und die EU-Kommission fordert eine Senkung der CO 2 -Emissionen um 40 % bis 2050 gegenüber dem Niveau von 2005. Vier Gründe, um über Treibstofalternativen und eine verbesserte Energieeizienz nachzudenken. A ngepasste Geschwindigkeit, Trimm- und Ballastwassermanagement: Das sind nur einige Beispiele für Elemente eines „Ship Energy Eiciency Management Plan“ (SEEMP), über den laut Regeln der International Maritime Organisation (Imo; MEPC.1/ Circ.683) von 2013 an alle Schife verfügen müssen. Dieses Werkzeug soll die Energieefizienz von Schifen optimieren; sein Einsatz und Erfolg werden anhand von Audits und Reports überprüft. Abwärmenutzung, Abgasilter und Propeller in besonders beweglichen Gondeln - diverse technische Finessen sorgen dafür, dass bei weiterer Nutzung von Schifsdiesel der Schadstofausstoß pro beförderter Frachttonne sinkt. Dazu tragen auch verbesserte Rumpformen oder spezielle Beschichtungen der Außenhaut bei. Durch die Steigerung der technischen und betrieblichen Eizienz könnte man die CO 2 - Emissionen von Schifen global um bis zu 20 % senken, meint die Klassiikationsgesellschaft Germanischer Lloyd (GL). Doch die Gesamtemissionen der Schiffahrt werden weiter steigen, da der Welthandel - und damit auch die Welthandelslotte - weiter wachse. Besonders die Kapazität der Containerschifslotte soll bis 2050 jährlich um 5 % zulegen, geht aus einer im Jahr 2010 aktualisierten Imo-Studie hervor. Die von der EU-Kommission geforderte Senkung des CO 2 -Ausstoßes um 40 % bis 2050 gegenüber dem Niveau von 2005 ist laut GL daher nur zu schafen, wenn intensiver als bisher über innovative Konstruktionsideen und alternative Kraftstofe nachgedacht wird. LH 2 -Containerfeeder Die Vision eines wirklich emissionsfreien Handelsschifs, das keinerlei Schwefel- und Stickoxid-, Feinstaub- oder Treibhausgasemissionen versursacht - weder durch Bordanlagen noch bei der Herstellung seiner Treibstofe - könnte man mit heutiger Technik durchaus bauen. Die strategische Forschung und Entwicklung des GL hat ein ganzheitliches Konzept für ein emissionsloses, 1000-TEU-Containerfeederschif mit 150- Kühlcontainerplätzen entwickelt. Es wird mit verlüssigtem, durch Windstrom erzeugten Wasserstof (LH 2 ) betrieben. Als Einsatzgebiet wurden nordeuropäische Seegebiete mit typischen zehntägigen Rundreisen angenommen. Das Schif hat komplett ofene Ladeluken, um die Be- und Entladezeiten zu verkürzen und damit die Reisegeschwindigkeit auf 15 Knoten verringern zu können. Es verfügt über je einen Stromerzeugungsraum im Vor- und Hinterschif. Als Hauptantriebsaggregate dienen zwei Propulsor-Module; ein zusätzliches Strahlruder erhöht die Manövrierfähigkeit und dient als Notantrieb. Die Antriebsenergie wird von einer 5-MW- Brennstofzellenanlage geliefert. Mit 920 m 3 LH 2 an Bord, gelagert in Tanks des Typs C im vorderen und hinteren Teil des Schifs, so dass beide Tanklager gleichzeitig befüllt werden können, hätte der Frachter genug Treibstof für eine typische zehntätige Rundreise. Ausgehend von einer vom GL- 2009 vorgelegten Studie über ein LNG-betriebenes Feederschif müssten für die Wasserstoftanks etwa 6 % der TEU-Ladekapazität des Schifs geopfert werden. Da Brennstofzellen in der Regel nicht schnell auf Spitzenleistung hochgefahren werden können, beindet sich an Bord zudem eine von dem Brennstofzellensystem gespeiste 3-MW-Batterieanlage für den Spitzenstrombedarf. Die Investitionskosten des LH 2 -betriebenen Containerschifs wären deutlich höher als für ein konventionelles Schif gleicher Größe. Ausgehend von einer Marktstudie des GL zu Brennstofzellensystemen und der o. g. LNG-Feederschif-Studie kostet der Frachter etwa 35 Mio. USD und damit 60 % mehr als ein HFO/ MGO-betriebenes Schif (22 Mio. USD; HFO: Heavy Fuel Oil; MGO: Marine Gas Oil). Die zusätzlichen Kosten sind bedingt durch die Brennstofzellenanlage (57 % der Mehrkosten), die Typ-C-Tanks (37 %) und die Batterieanlage (6 %). Diese Schätzung geht zudem von einer stetigen Abnahme der Kosten für Brennstofzellen und der Investitionskosten auf 1500- USD/ kW bis 2020 aus. Das GL-Konzept nimmt für die Versorgung mit Wasserstof eine Bebunkerungsstation an, die mit Windenergie LH 2 produziert. Die Windenergie wäre überschüssig und würde sonst verloren gehen. Gespeichert wird der lüssige Wasserstof vor Ort in einem Tanklager. Wirtschaftlich könnte die Erzeugung des Wasserstofs laut GL dann werden, wenn der Preis für MGO auf 2000-USD pro t steigt. Das könnte zwischen 2020 und 2030 geschehen, so eine GL-Studie. LnG als antriebsenergie Die IPP Ingenieur Partner Pool GmbH hat Pläne für eine Baureihe von LNG-betriebenen Containerschifen mit 3000 bis 4200 TEU Ladekapazität vorgelegt, die vom GL genehmigt wurden und sämtliche Emissionsgrenzen der kommenden Jahre einhalten. Liquiied Natural Gas übertrift die meisten anderen Möglichkeiten zur Reduzierung der Umweltbelastung: Es senkt die SOx-Emissionen und den Feinstaubausstoß um fast 100 %, NOx-Emissionen um etwa 90 % und den CO 2 -Ausstoß um knapp 20 %. Unter Deck sind feste LNG-Bunkertanks vorgesehen, ergänzt durch ein neuartiges mobiles LNG-Tanksystem an Deck, das bei Bedarf eine zusätzliche Bunkerkapazität bereitstellt. Ein langsam laufender Propeller mit hohem Wirkungsgrad wird direkt ange- Die Autorin: kerstin Zapp Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 65 trieben von einer Dual-Fuel-2-Takt-Maschine mit 22,9 MW Leistung - einer Spezialentwicklung von MAN für den LNG-Betrieb. Auch die Hilfsmotoren, Generatoren und der Boiler sind für den Dual-Fuel-Betrieb ausgelegt. Kraftstofeinsparung ist nicht der einzige Vorteil dieses eizienten Konzepts: Die Maschinenanlagen können auf vielfältige Weise genutzt werden. Bei mittleren Tiefgängen und moderaten Geschwindigkeiten kann die Hauptmaschine nicht nur die benötigte Antriebsenergie, sondern auch über den Wellengenerator die gesamte elektrische Energie für den Bordbetrieb erzeugen. Bei Bedarf können die Hilfsmaschinen über den Wellengenerator zusätzliche Energie für höhere Geschwindigkeiten beziehungsweise für benötigte Mehrleistungen bei Schlechtwetter liefern. Mit Zusatzinvestitionen in eine Wärmerückgewinnungsanlage (Waste Heat Recovery System - WHRS) kann das Schif seine Energieeizienz noch weiter steigern. Dabei versorgt eine Abgaskesselanlage einen Turbosatz zur Erzeugung von elektrischer Energie. Ein Power-Management-System (PMS) optimiert den Kraftstofverbrauch und senkt damit die Energiekosten weiter. Je nach Betriebsbedingungen und in Abhängigkeit von der Entwicklung der Brennstofkosten sowie den erforderlichen Fahrten in den Emissionsschutzgebieten (ECA-Zonen) können sich die zusätzlichen Installationskosten in vier bis sechs Jahren amortisieren. Die Rumplinien der Baureihe wurden von den Experten der Hamburgischen Schifbau-Versuchsanstalt hydrodynamisch optimiert, um die maximale Ladekapazität und Stabilität mit den absolut geringsten Kosten per Container und Seemeile zu erreichen. Die Schife werden laut IPP im Vergleich mit konventionellen Schifen in Emission Controlled Areas (ECA), in denen künftig nur noch schwefelreduzierter Schifsdiesel eingesetzt werden kann, um die Abgasgrenzwerte einzuhalten, bei vorsichtiger Schätzung etwa 30 % Kraftstokosten einsparen. Einziges Problem: Noch gibt es nur wenige LNG-Betankungsstationen. neue Tanks bieten mehr Platz Kawasaki Heavy Industries (KHI) hat die Entwicklung eines LNG-betriebenen 9000-TEU-Schifs abgeschlossen und dafür die grundsätzliche Genehmigung von der Klassiikationsgesellschaft Det Norske Veritas (DNV) erhalten. Das Schif ist mit einem neuen LNG-Tank konzipiert, der mehr Platz für Containerfracht lässt. Das LNG wird in prismatischen, isolierten Niederdrucktanks (Typ B) gespeichert, die zum ersten Mal in einem großen Containerschif eingesetzt werden. Sie unterscheiden sich von zylindrischen Druckbehältern (Typ C) durch die bessere Raumnutzung aufgrund ihrer prismatischen, rechteckigen Form. Darüber hinaus kam bei KHI mit dem der Wärmedämmung dienenden Kawasaki Panel System auch eine Technologie zur Anwendung, die die Verdampfungsrate des LNG reduziert. Tanks vom B-Typ produzieren laut DNV kontinuierlich verdampfendes LNG, das für den Antrieb oder für Hilfsstofe verwendet wird. Kühlcontainer konsumieren den Abdampf im Hafen, so dass jegliche Emission von LNG an die umgebende Luft vermieden sowie die Versorgung mit Landstrom unnötig werden sollen. Der LNG-Treibstoftank sowie weitere Dieseltanks beinden sich unter dem vorderen Aubau, wodurch der Verlust von Laderaum weiter minimiert wird. Ein elektronisch gesteuerter Zweitakt-Dual-Fuel-Hauptmotor mit eizienter Verbrennungsmethode ist gekoppelt mit einer für Sicherheit und Kraftstofverbrauch optimierten Rumpform. Der Motor kann mit einer Abgasrückführung (AGR), die die Imo-Tier-3-Anforderungen für Fahrten in nordamerikanische und europäische ECAs erfüllt, ausgestattet werden. In Norwegen sind laut DNV schon jetzt 25 Schife der schwimmende Beweis für die Sicherheit und technische Machbarkeit von LNG als Treibstof. Die LNG-Vorschriften von DNV sind bereits seit über zehn Jahren in Kraft. DNV hat zudem die Machbarkeit einer Reihe großer, LNG betriebener Schife durch Konzeptstudien wie das Containerschif Quantum 9000, Triality, ein VLCC- Öltanker und zwei unterschiedlich große Massengutfrachter demonstriert. LNG-betriebene Schife sind lt. DNV etwa 10 % teurer als Einheiten mit herkömmlichem Kraftstof als Treibstof. Diese Investition zahle sich jedoch durch reduzierte Wartungskosten, einen geringeren Treibstofverbrauch und günstigere Kraftstofpreise über den gesamten Lebenszyklus eines Schifs aus. Die Amortisationsdauer für die Installation von LNG-Antriebsmotoren auf einem Shortsea-Bulkcarrier mit einem Leergewicht von 8000 t, der ausschließlich in ECAs unterwegs ist, könne sogar nur sechs Jahre betragen. Bei nur teilweisem Befahren von ECA-Zonen liege die Amortisationsdauer bei zehn Jahren. Darüber hinaus ist DNV als Projektleiter federführend am Forschungsprojekt „FellowSHIP“ beteiligt. Weitere Partner sind die Reederei Eidesvik Ofshore und Wärtsilä, ein Anbieter für maritime Antriebslösungen. LnG, Batterie und Brennstofzelle Die drei Jahre alte „Viking Lady“ der Ofshore-Spezialreederei Eidesvik zählt bereits heute zu den umweltfreundlichsten Schifen der Welt. Sie ist das erste mit LNG betriebene Ofshore-Versorgungsschif, bei dem eine Brennstofzelle mit einer Leistung von 330 kW ins Antriebsystem integriert wurde. Zur Energiespeicherung wird im Sommer ein großer Batteriesatz installiert. Ein Hybrid-Energiesystem wie an Bord der „Viking Lady“ erlaubt laut DNV Kraftstofeinsparungen in Höhe von 20 bis 30 % gegenüber herkömmlichen Antrieben. Auch im Hafen kann das Schif ausschließlich mit Hilfe von Brennstofzellen und Batterieleistung betrieben werden. Eine umfassende Messkampagne soll das Einsparpotenzial bestätigen. Detaillierte kalibrierte und veriizierte Prozessmodelle des Hybridsystems sollen die Simulation und Optimierung zukünftiger Lösungen vereinfachen. Parallel dazu entwickelt DNV neue Klassenvorschriften für Schife mit elektrischen Antrieben. Dies sind die ersten Klassenvorschriften für Batterieantriebe - gültig sowohl für Hybridlösungen als auch für den reinen Batteriebetrieb. Das Projekt soll 2013 abgeschlossen werden. sonne und Wind Darüber hinaus werden auch die erneuerbaren Energiequellen Sonnenlicht und Wind künftig eine größere Rolle spielen. Die japanische NYK Line hat bereits 2009 auf mehreren Reisen ihres Fahrzeugtransporters „Auriga Leader“ Erfahrungen mit Sonnenenergie gesammelt. Das Schif wurde mit 328 Solarpaneelen ausgestattet, um ihre Belastbarkeit unter den Wetterbedingungen auf hoher See zu testen. Es gab keine Probleme. Die Reederei Mitsui OSK Lines hat im Juni die „Solar Hybrid“ in Fahrt gebracht, einen Autotransporter, der Strom während der Hafenliegezeiten komplett aus Lithium-Ionen-Akkus mit einer Speicherkapazität von 2,2 MW bezieht. Die Akkus werden während der Fahrt durch an Deck installierte Solarmodule aufgeladen. Beteiligt am Projekt sind Sanyo Electric Group und Mitsubishi Heavy Industries. NYK will bis 2030 ein „Super Eco Ship“ entwickeln, das zwei Drittel weniger Schadstofe ausstößt als heute üblich. Hier ist der Einsatz von Segeln, Solarzellen und gleichzeitig von Brennstofzellen geplant, zudem wird der Rumpf speziell beschichtet, um den Reibungswiderstand unter Wasser zu verringern. ■ kerstin Zapp (zp) freie Fachjournalistin Redaktionsteam „Internationales Verkehrswesen“, DVV Media Group GmbH, Hamburg kerstin.zapp@dvvmedia.com
