eJournals Internationales Verkehrswesen 64/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0102
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Weltschiffbaumarkt verändert sich

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Kerstin Zapp
Obwohl die Folgen der weltweiten Finanzkrise noch nicht überwunden sind, ist die Welthandelsflotte im vergangenen Jahr um 8,6 % gewachsen. Anlässlich der Vorauspressekonferenz zur 25. SMM sprachen Dr. Martin Stopford, Geschäftsführer von Clarkson Research Services Ltd. (CRSL), und Dr. Herbert Aly, Präsident und CEO von unter anderem der Blohm + Voss Industries GmbH, Mitte Mai über den deutschen und den Weltschiffbaumarkt. Hier Auszüge aus ihren Vorträgen.
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VEransTaLTUnGEn SMM Internationales Verkehrswesen (64) 4 | 2012 72 Weltschibaumarkt verändert sich Obwohl die Folgen der weltweiten Finanzkrise noch nicht überwunden sind, ist die Welthandelslotte im vergangenen Jahr um 8,6 % gewachsen. Anlässlich der Vorauspressekonferenz zur 25. SMM sprachen Dr. Martin Stopford, Geschäftsführer von Clarkson Research Services Ltd. (CRSL), und Dr. Herbert Aly, Präsident und CEO von unter anderem der Blohm + Voss Industries GmbH, Mitte Mai über den deutschen und den Weltschifbaumarkt. Hier Auszüge aus ihren Vorträgen. I m Herbst- 2008 endete der größte Schibauboom unseres Zeitalters mit dem jähen Rückgang des Massengutfrachtmarkts. Seit dem Beginn der weltweiten Finanzkrise im August-2007 sind zwar schon fast fünf Jahre vergangen, doch die Krise ist laut Stopford noch nicht vorbei. Nach wie vor werfen Probleme in der Eurozone und in Japan sowie Sorgen um die chinesische Wirtschaft Schatten auf das künftige Weltwirtschaftswachstum und damit auch auf die Mittel zur Finanzierung von Schifsneubauten. Weniger neubautonnage, mehr spezialschife Trotz hohem Auftragsbestand zu Beginn der Krise, Rückgang der Frachtraten und 10 %, Auliegern bei Containerschifen, Auftragsstornierungen und -verschiebungen ist die Schibauproduktion in den vergangenen drei Jahren gewachsen: von 77,3- Mio.- GT (gross tonnage bzw. Bruttoraumzahl) in 2009 auf 100,9-Mio.-GT im Jahr-2011. Auch die Neubaubestellungen setzten sich fort, allerdings auf einem weitaus niedrigeren Niveau als die Ablieferungen. Stopford geht davon aus, dass die Werften das derzeitige Produktionsniveau nicht über 2012 hinaus aufrechterhalten können. Clarkson Research rechnet mit einem Rückgang um etwa 5 % in diesem Jahr. Bei den bestellten Schifstypen änderte sich der Trend in den vergangenen zwei Jahren weg von Massenfrachtern und Tankern hin zu Spezial- und Ofshore-Schifen. 2011 machten Spezialschife etwa zwei Drittel des Neubauauftragsvolumens aus, darunter 4,2-Mio.-CGT Flüssiggastanker, 4,1-Mio.-CGT Ofshore-Schife und 9,1- Mio.- CGT Containerschife. Auf Tanker entielen 2,6 und auf Massenfrachter 8,3-Mio.-CGT (compensated gross ton bzw. gewichtete Bruttoraumzahl). Die Schibaupreise ielen vor allem 2009 um 30 bis 40 % gegenüber dem Spitzenniveau von 2008, stehen aber noch immer insbesondere durch die chinesischen Werften unter Druck. Der Überkapazität und dem Preisverfall entgegen wirkt die Abwrackrate. Waren es 2008 nur 14,2-Mio.-tdw (tons deadweight bzw. Ladetonnen), so wurden 2011 41,4- Mio.- tdw abgewrackt. Für das gesamte Jahr 2012 rechnet CRSL mit rund 50- Mio.- tdw, die abgewrackt werden. Das ist etwa ein Drittel der Tonnage der Neubauablieferungen. Allerdings wird nicht von fortlaufend höheren Abwrackraten ausgegangen. Die hohe Rate der vergangenen zwei Jahre beruhe auf nachgeholten Verschrottungen von Schiffen, die nur aufgrund der günstigen Marktverhältnisse in Fahrt geblieben seien. rolle asiens In den vergangenen zwei Jahren hat China Südkorea als weltweit führende Schifbaunation abgelöst. 2011 lieferte China 19,3-Mio.-CGT aus, gefolgt von Südkorea mit 16,1- Mio. und Japan mit 9- Mio.- CGT. Nach den jüngsten Auftragsbestandsprognosen von CRSL bleibt China-2012 weiterhin führend mit Ablieferungen in der Größenordnung von 18,4- Mio.- CGT vor Südkorea mit 14,2-Mio.-CGT. Allerdings ist Chinas Produktion sehr auf Massenfrachter ausgerichtet (2011: Anteil von 63 %). Da dieser Teil des Markts stark zurückgegangen ist, müssen sich die chinesischen Werften diversiizieren. Dagegen sind die südkoreanischen Werften breiter aufgestellt und sind marktführend bei Gastankern, Containerfrachtern und Ofshore-Schifen. Japan wiederum ist führend im Bau umweltfreundlicher Modelle, besonders bei Massenfrachtern und kleinen Tankern. Dies kann künftig ein Vorteil sein gerade mit Blick auf die steigenden Bunkerkosten und neue Luftemissionsvorschriften. schifbau in Deutschland 2008 waren noch etwa 50 % der Kapazitäten deutscher Werften auf den Containerschifbau ausgerichtet. Die Umorientierung auf den Spezialschibau bot laut Aly keine Rettung, da er nicht hinreichend Marktpotenzial bieten konnte, um die frei gewordenen Kapazitäten nachhaltig zu füllen. Zudem werden in Korea und Singapur derlei Schiffe bereits seit langem gebaut. Entsprechend verringerte sich der Auftragsbestand mit rund 1,6-Mio.- CGT 2011 auf weniger als die Hälfte der Zahlen des Jahres- 2007, ebenso sanken die Auftragseingänge. Verzögert setzt sich der Trend in der deutschen Zulieferindustrie fort, obwohl sie nicht allein den deutschen Markt beliefert. Die Konkurrenz aus Asien nehme auch hier zu, so Aly. Im Bereich „Green Shipping“ sieht er gute Perspektiven für die deutsche Zulieferindustrie, doch zweifelt er daran, dass die deutschen Werften hier einen nennenswerten Auslastungsefekt erfahren. Enormes Wachstumspotenzial schreibt Aly dem Marktsegment „Ofshore Wind“ zu, doch die Entwicklung gehe zu langsam voran, die technische Komplexität und Infrastrukturbereitstellung seien unterschätzt worden. Im Spezialschibau habe Deutschland vor allem dann eine Chance, wenn die hohen Grundlagen-, Problemlösungs- und Projektmanagementkompetenzen deutscher Ingenieure mit der Erkenntnis einhergingen, dass diverse Leistungen von spezialisierten Unterlieferanten zu erbringen seien. Die Voraussetzungen für den Bau von Unikaten seien aber aufgrund der hervorragenden Ausbildung deutscher Ingenieure bestens. (zp) ■ Die Autorin: kerstin Zapp