eJournals Internationales Verkehrswesen 64/5

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0109
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2012
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»Gespaltenes Image der Verkehrsbranche«

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Gerd Aberle
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KURZ + KRITIScH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 11 D ie Logistikwirtschaft, deren Leistungen (ohne die Intralogistik) zu etwa 80 % vom Verkehrssektor erbracht werden, sonnt sich gern in Leistungskennzifern. Regelmäßig werden Studien zu Beschäftigtenzahlen und Wertschöpfungsefekten in Auftrag gegeben und breit vermarktet. Der jährliche Logistikkongress platzt mit 3000 und mehr Teilnehmern aus allen Nähten und strotzt vor Selbstbewusstsein. Man weiß um die unbestrittene zentrale Relevanz des Sektors und sieht sich mit Recht als imageträchtiges Aushängeschild für die Lösung komplexer Aufgabenstellungen in Industrie, Handel und Dienstleistungswirtschaft. Dieser durchaus korrekte Blick der Akteure und dessen politische Unterstützung können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass außerhalb der Stakeholdergemeinde der Logistik eine andere Wahrnehmung gefährlich stark verbreitet ist. Insbesondere für die Nachwuchsgewinnung, also die existenzielle Herausforderung der nächsten Jahre, ist angesichts der dramatischen demograischen Veränderungen die wesentlich ungünstigere öfentliche Einschätzung der Verkehrs- und Logistikbranche ein besorgniserregendes Dilemma. Die Ursachen dieses Imagedeizites sind sowohl branchenintern als auch durch externe Entwicklungen begründet. So sind seit Jahrzehnten die im Vergleich zur Industrie und teilweise auch zum Handel deutlich ungünstigeren Verdienstmöglichkeiten aufällig. Hier hat die Branche deutliche Deizite hingenommen, teilweise auch bewusst, um sich im Outsourcing-Prozess von Industrie und Handel preisattraktiv darstellen zu können. Der Marktdruck der Verlader trug und trägt zusätzlich zur Situationsverschlechterung bei. Auf das Branchenimage wirken aber auch - und mit zunehmender Intensität - die zahlreichen Negativberichte in den Medien, wie über erschreckende Arbeits- und Einkommensbedingungen in den stark wachsenden Zustelldiensten der letzten Meile. Seit Jahrzehnten werden mit Vorliebe Speditionen in Fernsehproduktionen des Kriminalilmgenres als aktiv beteiligt am Menschen- und Drogenhandel, irregulärer Schadstofentsorgung und als Teil maiöser Strukturen dargestellt. Auch für die Eisenbahnen gilt in den Medien die imageschädigende Erkenntnis: Schlechte Nachrichten sind interessanter als gute, seien sie auch noch so unbedeutend. Nur die »Eine nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen liegt im existenziellen Interesse der Branche.« Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche »Gespaltenes Image der Verkehrsbranche« Luftverkehrswirtschaft hat sich einen positiven Imagefaktor erhalten können, begünstigt durch eine immer noch vorhandene besondere Ausstrahlung, auch wenn die Arbeitsbedingungen, etwa bei den Low-Cost-Fluggesellschaften, als ungünstig bekannt geworden sind. Dennoch ist die Luftverkehrswirtschaft der Verkehrsbereich mit den noch besten Chancen für eine Gewinnung attraktiver Nachwuchskräfte. Die Zukunft des Verkehrs- und Logistiksektors liegt eindeutig nicht in im Vergleich zu anderen Branchen niedrigen Personalkosten. Schon heute herrscht im Straßengüterverkehr ein eklatanter Fahrermangel. Auch Eisenbahnen, Nahverkehrsunternehmen und Schiffahrt sehen sorgenvoll in die Zukunft. Eine nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen liegt im existenziellen Interesse der Branche. Es muss am Markt ein Preisgefüge durchgesetzt werden, das diese Verbesserung ermöglicht. Hierzu ist es auch erforderlich, dass in den Logistikunternehmen qualitativer vor quantitativem Wachstum rangiert, also Aufträge abgelehnt werden, die eine angemessene Personalkostenerwirtschaftung nicht zulassen. Denn leistungsfähiges und leistungsbereites Personal kann nur begrenzt durch Kongresse und gesamtwirtschaftliche Kennzahlen für die Branche interessiert werden, sondern vorrangig durch imagebildende positive Verhältnisse in den Unternehmen, wozu insbesondere die Arbeitsbedingungen zählen. Dann könnte es gelingen, die Imagespaltung des Sektors im positiven Sinne aufzuheben.