eJournals Internationales Verkehrswesen 64/5

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0121
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Steigerung von Parkerlösen an europäischen Verkehrsflughäfen

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Mark Friesen
Europäische Flughäfen verdienen weniger mit Parkgebühren als andere Airports weltweit. Welche Marketingmaßnahmen können helfen, einerseits die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen und andererseits die Einnahmen der Flughäfen zu steigern?
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INFRASTRUKTUR Non-Aviation Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 41 Steigerung von Parkerlösen an europäischen Verkehrslughäfen Europäische Flughäfen verdienen weniger mit Parkgebühren als andere Airports weltweit. Welche Marketingmaßnahmen können helfen, einerseits die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen und andererseits die Einnahmen der Flughäfen zu steigern? D ie Vermarktung und Vermietung von Flächen an einem Flughafen, das sogenannte Non-Aviation Geschäft, wird für Airports zunehmend wichtiger. So können die Erlöse aus Einzelhandel, Gastronomie, Werbung und Parken an einem internationalen Verkehrslughafen heutzutage bereits mehr ausmachen als die Umsätze aus dem traditionellen Kerngeschäft, der Passagier- und Frachtabfertigung (vgl. A.T. Kearney 2007). Abbildung 1 zeigt den Anteil der Non-Aviation-Erlöse am Gesamtumsatz der zehn größten europäischen Flughäfen nach Passagierzahlen. Dieser lag im Jahr 2011 bei durchschnittlich 34 % und damit zehn Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der 53 größten amerikanischen Airports (vgl. Leigh Fisher Management Consultants 2012). Nicht alle europäischen Flughäfen partizipieren in gleicher Weise vom Trend der seit Jahren steigenden Umsätze aus nicht-lugverkehrsbezogenen Geschäftsaktivitäten: So stammt in London-Gatwick, München oder Rom-Fiumicino bereits je- Abb. 1: Anteil Non-Aviation-Erlöse und Anteil Parkerlöse der zehn größten europäischen Flughäfen der zweite Euro des Gesamtumsatzes aus Pachterlösen, Mieteinnahmen und Parkgebühren. Die Bewirtschaftung des Parkraums rund um einen Flughafen wurde lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Auch heute noch bleibt das Parkraummanagement an europäischen Airports mit einem Anteil von durchschnittlich 17 % an den gesamten Non- Aviation-Umsätzen hinter internationalen Benchmarks zurück (vgl. Abbildung-1). Amerikanische Airports erwirtschafteten im gleichen Zeitraum annähernd das Dreifache gemessen an den gesamten Non-Aviation-Erlösen (vgl. Leigh Fisher Management Consultants 2012). Allerdings fällt auf, dass manche europäische Flughäfen erfolgreicher bei der Vermarktung ihrer Parklächen sind als andere. So verdiente der Flughafen Amsterdam Schiphol im Jahr 2011 gemessen an den Non-Aviation-Erlösen zehn Prozentpunkte mehr mit seinem Parkierungsgeschäft als beispielsweise der Flughafen Frankfurt am Main (vgl. Abbildung- 1). Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Zunächst muss konstatiert werden, dass Flughäfen zuweilen ihre Non-Aviation-Aktivitäten anders deinieren und im Geschäftsbericht unterschiedlich ausweisen. Auf die mangelnde Vergleichbarkeit wiesen bereits Zenglein/ Müller im Jahr 2007 hin. Andererseits existiert eine Reihe von Faktoren, welche als Erklärung für die unterschiedliche Performance der aus dem Parkraummanagement erzielten Erlöse herangezogen werden können (vgl. Fürst et al. 2011). Flughafenparken ist ein kompetitiver Markt Während die meisten infrastrukturellen Gegebenheiten eines Flughafens und seines Umfelds über Jahre hinweg exogen determiniert sind, kann ein Airport letztlich nur auf seine Kunden und den Wettbewerb aktiv Einluss nehmen (vgl. Abbildung- 2). Flughafenparken ist ohne jede Frage ein kompetitiver Markt. Allein in Deutschland konkurrieren über 150 Unternehmen, sog. Of-Airport-Anbieter, mit ihren Parkangeboten außerhalb des Flughafengeländes um Passagiere, die mit dem eigenen PKW anreisen (vgl. Aschenbeck 2011). So verwundert es kaum, dass an einigen internationalen Flughäfen Of-Airport-Anbieter bereits mehr als die Hälfte aller Langzeit-Parkplätze stellen (vgl. ACRP 2009). Mit aggressiver Preiskommunikation und kostenlosen Zusatzdienstleistungen vermarkten diese vermehrt international agierenden Unternehmen ihre Parkplätze ausschließlich über das Internet oder Reisebüros. Ein Beispiel dieser stark wachsenden Of-Airport-Konkurrenz ist die Firma Holiday Extras. Entscheidend für deren Erfolg ist neben attraktiven Tarifen der Wunsch vieler Fluggäste, ihren Parkplatz bereits vor Antritt der Reise zu reservieren. Verweildauer und Zahlungsbereitschaft bestimmen Kundenpotenzial Ähnlich dem Kerngeschäft eines Flughafens, der Passagier- und Frachtabfertigung, sind auch für das Parkgeschäft die Flug- Der Autor: Mark Friesen INFRASTRUKTUR Non-Aviation Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 42 Abb. 3: „Parking à la carte”-Ansatz der Parkprodukte an Flughäfen Abb. 2: Treiber von Parkerlösen an Flughäfen passagiere die wichtigste Nachfragergruppe. Dabei stehen im Wesentlichen diejenigen Fluggäste im Fokus, die ihre Reise an ein- und demselben Flughafen beginnen und wieder beenden, sog. O&D Passagiere. In Paris machten diese im letzten Jahr beispielsweise 76 % aus. Dieses Kundenpotenzial lässt sich aufgrund seines Parkverhaltens in zwei verschiedene Gruppen unterteilen: Kurzzeit- und Langzeitparker. Letztere haben eine durchschnittliche Verweildauer von mehr als einer Woche. Sie machen den Großteil der Parkerlöse an einem Flughafen aus (vgl. Leigh Fisher Management Consultants 2012). Kurzzeitparker hingegen sind Kunden, die üblicherweise weniger als sechs Stunden an einem Flughafen parken, z. B. Holer und Bringer, Flughafenbesucher oder -angestellte. Die Wahl eines Flughafenparkplatzes wird maßgeblich durch die Zahlungsbereitschaft determiniert. Parkkunden, die aus privaten Gründen ihre Flugreise antreten, gelten als eher preissensitiv. Geschäftsreisende stellen die zweite große Kundengruppe dar und gelten beim Parken als eher preisunelastisch. Airport-Anbietern zu bestehen, sind Produktinnovationen zwingend erforderlich. Denn ein Parkplatz ist grundsätzlich eine homogene und austauschbare „Commodity“, die produktseitig nur wenig Spielraum für Diferenzierungen lässt. Insbesondere Geschäftsreisende, die Zeitersparnis und „Convenience“ schätzen, sind jedoch bereit, für mehrwertstiftende Parkprodukte und -services Prämien zu bezahlen (vgl. ACRP 2010). Damit sind jedoch nicht nur die auch bereits von Of-Airport-Firmen angebotenen Zusatzdienstleistungen wie Valet-, Sicherheits- oder XXL-Parken gemeint, sondern: • „Pay per Use“-Parken in Form von Wert-, Saison- oder Dauerparkkarten für Vielparker • reservierte Stellplätze zur unbegrenzten Nutzung für Vielparker (z. B. Flughafen Boston Logan) • Valet-Parken mit direkter Check-in Möglichkeit am Parkplatz (z. B. Flughafen München) • „Park and Call“-Zonen für auf den Anruf von ankommenden Fluggästen wartende Holer und Bringer (z. B. Flughafen Salt Lake City) • Ultrakurzzeit-Parken auf beschrankter und kostenplichtiger Terminalvorfahrt anstelle kostenfreier Parkbuchten (z. B. Flughafen Paris Charles de Gaulle) Professionelles Preismanagement birgt hohes erlöspotenzial Ein professionelles Preismanagement hat wirtschaftlich die größte Hebelwirkung auf die Parkerlöse. Könnte beispielsweise der Flughafen München bei seinen annähernd 7 Mio. Parkierungskunden pro Jahr eine durchschnittliche Tariferhöhung von 2 % durchsetzen, würde dies zu einem Umsatzplus von ca. 1,4 Mio. EUR pro Jahr führen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Parkplätzen an einem Flughafen relativ unelastisch reagiert, d. h. Preisanpassungen mittelbis langfristig keinen Rückgang der Parkierungsvorgänge nach sich ziehen. Das mag daran liegen, dass die meisten Parkkunden nur gelegentlich am Flughafen parken, so dass ihr Preiswissen weniger stark ausgeprägt ist. Parken an europäischen Flughäfen ist im Terminalbereich weltweit am teuersten (vgl. ACI 2009). Deshalb sollte das Preismanagement weniger auf das Tarifniveau bestehender Parkprodukte abzielen, als auf neue, aus anderen Dienstleistungsindustrien bereits bekannte Tarifmodelle: • dynamische Parktarife: Parkpreise variieren in Abhängigkeit des Buchungszeitpunkts und der Kapazitätsauslastung (z. B. Flughafen Kopenhagen) Die beschriebene Intensität des Wettbewerbs und die Heterogenität der Nachfrager stellen europäische Flughäfen mehr denn je vor die Herausforderung, ihr Parkraummanagement durch kundengerechte Marketinginnovationen so zu verbessern, dass die Parkerlöse relativ ein internationales Niveau erreichen. Maßgeschneiderte Parkprodukte Heterogene Kundenstrukturen verlangen nach diferenzierten Parkprodukten an Flughäfen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen und Zahlungsbereitschaften gerecht werden. Um die Selbstselektion für Kunden zu erleichtern, folgen Flughäfen üblicherweise der Logik: terminalnahes Parken in Laufdistanz für preisunsensible Geschäftsreisende und terminalentferntes Langzeitparken für Privatreisende mit geringerer Zahlungsbereitschaft. Dabei bestimmt die Entfernung zum Terminal die Wertigkeit der unterschiedlichen Parkprodukte, was auch als „À la carte“-Parken bezeichnet werden kann. (vgl. Abbildung-3). Um in dem intensiven Wettbewerb mit Of- Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 43 • strategische Parktarife: Temporäre Reduzierung der Parktarife, um Neukunden und Kunden von Of-Airport-Anbietern zu gewinnen (z. B. Flughafen San Francisco) • psychologische Parktarife: - Gutscheine, Rabattierungen oder Upgrades, um „Upsell“ zu fördern (z. B. Flughafen Dallas) - Wochenend- oder Wochen-Flatrates für bessere Berechenbarkeit und Transparenz - Verkürzung der Tariftaktung für genauere Anpassung an Parkdauer (z. B. Flughafen Madrid) Glaubhafte Preiskommunikation ist erfolgskritisch Parktarifanpassungen an Flughäfen erregen zuweilen mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung als dem Betreiber der Parkplätze lieb sein kann. „Abzocke am Airport“, „Parken am Flughafen ist Luxus“ oder „Parken so teuer wie Fliegen“ sind nur einige der zahlreichen Überschriften von kritischen Artikeln über die Parkpreise an deutschen Flughäfen. Um solch negative Presse zu vermeiden, ist eine proaktive, glaubhafte und breit angelegte Kommunikation der Tarifänderungen in allen Kanälen zu empfehlen, die darauf hinweist, dass: • Die meisten Parktarife unverändert bleiben und manche sogar reduziert werden. • Preisanpassungen in der Regel nicht alle Abb. 4: Pre-Booking am Flughafen Frankfurt am Main Kunden betrefen. Privatreisende oder Urlaubsparker proitieren nach wie vor von günstigen Langzeitparktarifen oder -rabatten. • Die Tarifanpassungen Parkhäuser oder -plätze betrefen, deren Preise seit Jahren konstant gehalten wurden. Ziel muss es sein, in der Kundenwahrnehmung das Preisimage des teuren Flughafenparkens abzuschwächen, indem vermehrt der Kundennutzen des terminalnahen Parkens ins Zentrum der Kommunikation rückt, ohne dabei günstige Parkalternativen zu verschweigen. Kunden wollen Parkplätze vorab buchen Die Zeiten, dass Passagiere erst nach der Ankunft am Flughafen ihr Parkticket bezahlen, scheinen vorbei. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass über 80 % der Kunden das Bedürfnis haben, bereits vor Reiseantritt ihren Parkplatz am Flughafen zu reservieren (vgl. Groß/ Schneider 2012 und ACRP 2009). Beim sog. Pre-Booking stehen Kunden grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: online im Internet oder stationär im Reisebüro. Letzteres kann direkt über seine Buchungssysteme auf gelistete Parkplätze zugreifen. 75 % der auf diesem Weg durchgeführten Reservierungen entfallen im Übrigen auf die Of-Airport-Parkplätze von Holiday Extras (vgl. Groß/ Schneider 2012). Andere Flughäfen vertrauen auf die eigene Website als Buchungsplattform wie z. B. der Frankfurter Flughafen (vgl. Abbildung- 4) oder bedienen sich anderer Reservierungsplattformen wie Chauntry, Skyparking.com oder Airportparkingreservations.com. Europäische Flughäfen haben das Potenzial des Online-Vertriebs erkannt. So wird jede zweite Parkplatztransaktion in London- Heathrow mittlerweile über das Internet abgewickelt. Allerdings scheuen viele Airports nach wie vor die Integration ihrer Flughafenparkplätze in die klassischen Buchungssysteme des stationären Vertriebs. Fazit Der Anteil der Parkerlöse an den gesamten Non-Aviation-Umsätzen europäischer Verkehrslughäfen bleibt hinter internationalen Benchmarks zurück. Zwar setzten die europäischen Flughäfen mit durchschnittlich über 2000 EUR pro Stellplatz jährlich sogar mehr um als ihre amerikanischen Pendants (vgl. National Parking Association 2010), jedoch schöpfen sie im Vergleich zu den US- Airports ofenkundig ihr O&D Passagierpotenzial nicht vollständig aus. Die Umsetzung der vorgestellten Marketingmaßnahmen sollte dazu beitragen, die Parkerlöse an europäischen Verkehrslughäfen kurzbis mittelfristig zu steigern. ■ Mark Friesen, Dr. Selbständiger Unternehmensberater und Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftslehre, Universität St. Gallen mark.friesen@quinta-consulting.de LIteratur ACI: Airport Service Quality, Best Practice Report, Parking Facilities, Genf 2009 ACRP: Guidebook for Evaluating Airport Parking Strategies and Supporting Technologies, Report 24, Washington 2009 ACRP: Handbook to Assess the Impacts of Constrained Parking at Airports, Report 34, Washington 2010 ASCHENBECK, A.: Geballte Of-Airport-Power, in: fvw, 2011 (16), S. 32 A.T. KEARNEy: Airport Studie 2008, Internationale Studienergebnisse, Düsseldorf 2008 FÜRST, F./ GROß, S./ KLOSE, U./ SCHNEIDER, S.: Die Bedeutung des Non-Aviation-Segments an Flughäfen, in: Internationales Verkehrswesen, 2011 (63), S. 26-29 GROß, S./ SCHNEIDER, S.: Parken an Flughäfen - Bedeutung im deutschen Reisebürovertrieb, Hrsg.: Arbeitsbereich Tourismus des Kompetenzzentrums für Informations- und Kommunikationstechnologie, Tourismus und Dienstleistungen an der Hochschule Harz, Wernigerode 2012 Leigh Fisher Management Consultants: 2012 ACI/ IPI Parking Survey Results, San Francisco 2012 National Parking Association: Parking in America - The Third Annual Review of Parking Rates in North America, Washington, 2010 ZENGLEIN, M. J./ MÜLLER, J.: Non-Aviation Revenue in the Airport Business - Evaluating Performance, Measurement for a Changing Value Proposition, GAP Project Working Paper, Berlin 2007