eJournals Internationales Verkehrswesen 64/5

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0125
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2012
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Mobilität und Lebensqualität in Ballungsräumen

91
2012
Miriam Dross
Markus Salomon
Elisabeth Schmid
Christian Simon
Seit mehreren Jahren schon gibt es eine intensiv geführte Debatte zur Elektromobilität und zu anderen neuen Mobilitätsformen. Dabei haben sich jedoch die Belastungen durch den Autoverkehr insbesondere in Ballungsräumen nicht wesentlich verringert. Mobilität ist zwar ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens und damit der Lebensqualität, darf aber nicht nur auf das Auto konzentriert verstanden werden.
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Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 55 Mobilität und Lebensqualität in Ballungsräumen Seit mehreren Jahren schon gibt es eine intensiv geführte Debatte zur Elektromobilität und zu anderen neuen Mobilitätsformen. Dabei haben sich jedoch die Belastungen durch den Autoverkehr insbesondere in Ballungsräumen nicht wesentlich verringert. Mobilität ist zwar ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens und damit der Lebensqualität, darf aber nicht nur auf das Auto konzentriert verstanden werden. E ines der elf Kapitel, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem aktuellen Umweltgutachten „Verantwortung in einer begrenzten Welt“ im Juni 2012 veröfentlicht hat, heißt „Mobilität und Lebensqualität in Ballungsräumen“. Das Kapitel gehört damit zu den Umweltthemen, für die der Umweltrat einen besonderen Handlungsbedarf sieht. Die meisten Menschen in Deutschland leben in Ballungsräumen. In diesen dicht besiedelten, stark vom Verkehr geprägten Gebieten belasten Autos die Lebensqualität durch Luftschadstofe, Lärmemissionen und Unfallrisiken. Gleichzeitig verringert der Autoverkehr das Angebot an ruhigen und grünen Flächen, zerschneidet Lebens- und Aufenthaltsräume und schränkt darüber hinaus die Mobilität von nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern, wie zum Beispiel Kindern, erheblich ein (Abbildung- 1). Autozentrierte Infrastrukturen führen dazu, dass die Erreichbarkeit von Zielen für Menschen ohne Auto erschwert wird. Zudem sind die Belastungen sozialräumlich ungleich verteilt: sozial schwächer gestellte Menschen werden überproportional durch Luftschadstofe und Lärm belastet. Lebensqualität in Ballungsräumen Ballungsräume spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft: In verdichteten Siedlungsgebieten können Ressourcen wie Energie, Flächen oder Infrastrukturen efektiver genutzt werden. In Ballungsräumen kann darüber hinaus die Erreichbarkeit von Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung und ähnlichen Einrichtungen für alle Bewohner besser sicher gestellt werden als auf dem Land, wo dies auch angesichts des demograischen Wandels immer schwieriger wird. Insofern hat die Frage der Lebensqualität in Ballungsräumen eine zunehmende Relevanz. Ziel sollte es sein, die Lebensqualität aller Menschen in den Ballungsräumen zu erhalten und zu verbessern. Dazu ist insbesondere ein umweltgerechter Verkehr notwendig. Prognosen, wie sich der Personenverkehr in Zukunft entwickeln wird, zeigen kein eindeutiges Bild. Bereits seit Jahren wachsen die Personenverkehrsleistung und der motorisierte Individualverkehrnur in sehr geringem Umfang. Ob es zukünftig eine Zu- oder Abnahme des Autoverkehrs geben wird, hängt - neben der Bevölkerungsentwicklung - unter anderem von der Wirtschaftsleistung sowie von der Preisentwicklung im motorisierten Individualverkehr und beim öfentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ab. Die Autoren: Miriam dross, Markus Salomon, elisabeth Schmid, christian Simon Foto: Miriam Dross MOBILITÄT Umweltgerechter Verkehr MOBILITÄT Umweltgerechter Verkehr Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 56 Abb. 1: Flächenbeanspruchung durch den ließenden Verkehr Quelle: [1] Auch in Bezug auf das Mobilitätsverhalten lassen sich für die Zukunft keine eindeutigen Trends ablesen. Einerseits weisen Untersuchungen darauf hin, dass die Automobilität bei den Senioren leicht ansteigt, andererseits kann ein leichter Rückgang der Pkw-Nutzung und eine zunehmende Multimodalität bei Jugendlichen verzeichnet werden. Gleichzeitig gibt es insbesondere in Ballungsräumen ein wachsendes Interesse am Zufußgehen und am Fahrradfahren. Unabhängig von den Beweggründen für das veränderte Mobilitätsverhalten von Jugendlichen sollte dieses als ein Ansatzpunkt für eine zukünftige, nachhaltige Mobilität genutzt werden. Leitbild für eine nachhaltige Mobilität sollte sein, die Belastungen, die durch den Autoverkehr entstehen, so weit wie möglich zu vermindern. Gleichzeitig darf die Mobilität und die Erreichbarkeit wichtiger Ziele nicht eingeschränkt werden. Das bedeutet konkret, den Anteil des Autoverkehrs zu verringern, ihn langsamer und sauberer zu machen sowie in den Umweltverbund (Fuß- und Fahrradverkehr sowie ÖPNV) zu investieren und ihn verstärkt zu fördern. Dafür lassen sich Qualitätsziele formulieren, die sich beispielweise auf eine saubere Luft, die Verkehrssicherheit, lärmarme Aufenthaltsräume sowie die Anzahl der Grünlächen im direkten Wohnumfeld beziehen. Außerdem sollten Ziele für den Modal Split (Verkehrsmittelwahl) und den Umweltverbund aufgestellt werden. Aus den Qualitätszielen lassen sich konkrete Indikatoren ableiten, anhand derer die Zielerreichung überprüft werden kann. Maßnahmen für umweltgerechten Verkehr Der SRU hat im Umweltgutachten 2012 eine Reihe von Maßnahmen dargestellt, die den umweltgerechten Verkehr in Ballungsräumen fördern können. Zunächst ist es grundsätzlich wichtig, für Kostentransparenz und -internalisierung im Verkehr zu sorgen. Zahlreiche inanzielle Fehlanreize sowie direkte und indirekte Subventionen des privaten Autoverkehrs tragen zu einer autozentrierten Struktur bei. Eine Untersuchung umweltschädlicher Subventionen kommt zu dem Ergebnis, dass im Verkehrssektor im Jahr 2008 Subventionen in Höhe von 23 Mrd. EUR zur Belastung der Umwelt beitrugen [4]. Dazu zählen neben der Entfernungspauschale die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstof und die niedrige Besteuerung privat genutzter Dienstwagen. Diese Subventionen sollten auf Bundesebene überprüft und neu gefasst werden. Die weitere Verbesserung des Emissionsverhaltens von Fahrzeugen ist notwendig und sollte durch die Weiterentwicklung der Emissionsvorschriften für Kraftfahrzeuge unterstützt werden. Umweltzonen sollten so fortentwickelt werden, dass sie auch zukünftig die Einführung emissionsarmer Autos fördern und neben der Feinstaubbelastung zudem die Emissionen anderer Schadstofe in den Innenstädten mindern. Die Einführung von Elektrofahrzeugen ist - wenn diese mit regenerativ erzeugter Elektrizität versorgt werden - eine wichtige Maßnahme, um Lärm- und Schadstofemissionen und Treibhausgase zu reduzieren. Allerdings können mit Elektrofahrzeugen viele andere Belastungen des Verkehrs nicht reduziert werden. Elektrofahrzeuge könnten aber in Bereichen, in denen ein Verzicht auf Pkw oder Lkw schwierig ist, zum Beispiel im innerstädtischen, kleinteiligen Lieferverkehr, eine beudetende Rolle spielen. Die Förderung der Bundesregierung sollte sich hierauf konzentrieren. Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs Darüber hinaus ist es aber zentral, den ÖPNV sowie den Fahrrad- und Fußverkehr zu fördern. Die Bedeutung des ÖPNV für die Mobilität der Menschen ist hoch: 2010 wurden in Deutschland täglich fast 30 Mio. Fahrten im ÖPNV unternommen [5]. Im Vergleich zu 2005 zeigt sich ein fortgesetzter Zuwachs der Fahrgastzahlen. Daher benötigen die Kommunen auch nach Auslaufen bestehender Finanzierungsinstrumente weiterhin inanzielle Unterstützung für den Erhalt des ÖPNV. Aus diesen Gründen empiehlt der SRU ein ÖPNV-Finanzierungsgesetz des Bundes. Die Ausweitung des Fahrradverkehrs besitzt ein großes Potenzial für die Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs, Abb. 2: Modal Split in deutschen Städten Quelle: [3] Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 57 in den Ballungsräumen, wo 50 % aller Pkw- Fahrten kürzer als 5 km sind [6]. Gerade bei dieser Entfernung sind aber Auto und Fahrrad von Tür zu Tür gleich schnell, bei kürzeren Strecken ist das Fahrradfahren sogar schneller. Der Nationale Radverkehrsplan 2002 bis 2012 enthielt zwar einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Förderung des Fahrradverkehrs, erzielte jedoch nur begrenzte Umsetzungserfolge. Der Nationale Radverkehrsplan soll durch einen Folgeplan für den Zeitraum von 2013 bis 2020 fortgeführt werden. Wünschenswert wäre es, in diesen nunmehr auch quantiizierte Ziele zum Modal Split und zu gefahrenen Fahrrad-Kilometern aufzunehmen. Ein umweltfreundlicher Verkehr erfordert eine vorausschauende und langfristige Planung. Es ist insgesamt notwendig, den öfentlichen Raum in Ballungsräumen gerechter zu verteilen und die Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer anzugleichen. Dies bedeutet eine fahrrad- und fußgängerfreundliche Infrastruktur mit Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für motorisierte Fahrzeuge in Innenstädten. Auch die Parkraumbewirtschaftung ist - wenn sie richtig ausgestaltet wird - ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Platzinanspruchnahme im öfentlichen Raum und zur Reduzierung des Autoverkehrs. In den meisten Ballungsräumen Deutschlands fehlen verbindliche integrierte Konzepte, die mit anderen Planungen, zum Beispiel im Hinblick auf Luftreinhaltung und Lärm, aber auch der Stadtplanung, koordiniert sind. Dazu tritt der nicht problemadäquate Raumbezug: Die einzelnen Kommunen können wesentliche verkehrserzeugende Bedingungen nicht beeinlussen, weil ihre Planungen die umliegende Region, die wegen der Verlechtungen der Verkehre von hoher Bedeutung ist, nicht erfassen. Ziel einer integrierten Verkehrsentwicklungsplanung sollte es sein, die Lebensqualität in den Ballungsräumen zu erhalten und zu verbessern. Wie dargestellt, kann dies insbesondere durch die Förderung des Umweltverbundes gelingen. Ein hoher Anteil des Fahrrad-, Fuß- und ÖPNV-Verkehrs am Personenverkehrsaukommen in Ballungsräumen gewährleistet eine hohe Mobilität und Erreichbarkeit, gleichzeitig werden die Belastungen durch den Autoverkehr verringert. Dort, wo es einen attraktiven ÖPNV und gute Möglichkeiten für Fahrradfahrer und Fußgänger gibt, ist der Anteil des Umweltverbundes am Modal Split regelmäßig hoch (Abbildung- 2). LIteratur [1] BRACHER, T., BACKES, T., URICHER, A. (2002): Möglichkeiten der Umweltentlastung und Kostenreduzierung im Verkehr durch Verkehrsplanung − mit Leitfaden für die LCTP-Anwendung in Kommunen, Berlin: Umweltbundesamt. UBA-Texte 23/ 02. [2] SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen) (2012): Umweltgutachten 2012. Verantwortung in einer begrenzten Welt. Berlin: Erich Schmidt. [3] UBA (Umweltbundesamt) (Hrsg.) (2009c): Daten zum Verkehr. Ausgabe 2009. Dessau-Roßlau: UBA. [4] SCHRoDE, A., BURgER, A., ECKERMAnn, F., BERg, H., THIELE, K. (2010): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Aktualisierte Ausgabe 2010. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt. [5] Destatis: Pressemitteilung vom 7. April 2011 [6] Bundesregierung (2007): Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Situation des Fahrradverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland. Unterrichtung durch die Bundesregierung. Berlin: Bundesregierung. S. 6. Miriam dross, ass. jur., LL.M. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Sachverständigenrat für Umweltfragen Berlin Miriam.Dross@umweltrat.de Markus Salomon, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Sachverständigenrat für Umweltfragen Berlin Markus.Salomon@umweltrat.de elisabeth Schmid, Dr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Sachverständigenrat für Umweltfragen Berlin elisabeth.Schmid@umweltrat.de christian Simon Stellvertretender Generalsekretär Sachverständigenrat für Umweltfragen christian.simon@umweltrat.de Weitere Potenziale können erschlossen werden, denn Befragungen zeigen, dass auch ein großer Anteil der Autofahrer dem Umweltverbund grundsätzlich positiv gegenüber steht. Daher regt der SRU an, dass sich Ballungsräume das Ziel setzen, bis 2025 ihren Anteil des Umweltverbundes am Modal Split um 20 % zu erhöhen. Langfristig wäre ein Anteil des Umweltverbundes von 70 bis 80 % für die Entwicklung eines nachhaltigen Verkehrs zielführend. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen heute und in den kommenden Jahren die Weichen gestellt werden. ■ S-Park unterirdischer Schacht Skyline Parking AG : : Parken neu definiert Automatische Parksysteme Vorteile Platzeffizienz Geschwindigkeit Redundanz Rentabilität Umweltfreundlichkeit Sicherheit Produkte Skyline T-Park L-Park S-Park C-Park R-Park www.skyline-parking.com Lagerhausstrasse 3, 8400 Winterthur info@skyline-parking.com C-Park Park & Ride L-Park laterale, in Gebäude integrierte Lösung T-Park Parking Turm R-Park Autos im Kern der Spiral-Rampe