eJournals Internationales Verkehrswesen 64/5

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0127
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2012
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Schleppkurven von Lang-Lkw

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Wolfgang Wirth
Serif Callskan
Jessica Glabsch
Stefan Schuhbäck
Der Einsatz von Lang-Lkw auf Deutschlands Straßen gilt als umstritten. Ein häufiges Argument für die Kritik an den Fahrzeugen ist ihre unzureichende Kurvengängigkeit, die den Verkehr behindert. Ob diese Beurteilung der Wahrheit entspricht, wurde mit Hilfe des GPS-Schleppkurven-Messverfahrens überprüft.
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TecHNOLOGIe Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 60 L ange Zeit waren Fahrzeugkombinationen (Fz-Kombinationen), die über die in der StVZO festgelegten Maximaldaten hinausgehen, ugs. Gigaliner, in Deutschland umstritten. Inzwischen läuft der Feldversuch mit den sog. Lang-Lkw in sieben Bundesländern. Wie die Fz-Kombination eines Lang-Lkw konkret aussieht, ist nicht deiniert. Festgelegt sind nur die zulässige Maximallänge von 25,25 m sowie das zulässige Gesamtgewicht von 44 t (sog. Eurocombi). Es gibt zahlreiche Kombinationen, die diesen Randbedingungen gehorchen; einige Beispiele sind in Abbildung-1 dargestellt. Eine Fz-Kombination, ein Standard-Lkw mit angehängtem Dolly und darauf aufgesetztem Sattelaulieger wurde zu Testzwecken eines weiter entwickelten Schleppkurven-Messverfahrens mit diferentiellem kinematischen GPS verwendet. Die Fz-Kombination ist allerdings länger als das zulässige Lang-Lkw-Maß, weshalb eine Untersuchung ihrer Kurvengängigkeit besonders aufschlussreich ist. Über viele Aspekte der Lang- Lkw in allen möglichen Kombinationen wurde in letzter Zeit kontrovers diskutiert. In der Untersuchung kann lediglich der Aspekt der Kurvengängigkeit speziell dieser Fz-Kombination mit präzisen Messdaten belegt werden. Messverfahren und Postprocessing-Software An der Universität der Bundeswehr München, Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen, wird seit einigen Jahren das in Zusammenarbeit des Instituts für Geodäsie und des Instituts für Verkehrswesen und Raumplanung entstandene zentimetergenaue Schleppkurven-Messverfahren, beruhend auf kinematischem DGPS (diferentiellem GPS), weiterentwickelt. Als Vorbereitung für den Test wird jedes in sich starre Fahrzeug bzw. jeder gelenkige Fahrzeugteil eines mehrgliedrigen Zuges oder eines Gelenkfahrzeugs mit zwei GPS-Antennen bestückt. Zur Gewinnung der Grundrissprojektion der Fahrzeugaußenkonturen werden die Positionen der Wagenkasteneckpunkte und der Antennen in einem lokalen fahrzeugbezogenen Koordinatensystem eingemessen. Auf diese Weise kann man den Fahrzeuggrundriss (ohne überstehende Teile wie Spiegel usw.), der vereinfacht als Rechteck dargestellt wird, und die relative Lage der Antennenpositionen dazu bestimmen. Das Programm ist aber auch dafür ausgelegt, erforderlichenfalls kompliziertere Fahrzeugumrisse, z. B. mit einspringenden Ecken wie sie bei Flugzeugen vorkommen, aufzunehmen. Dann wird der Umriss durch ein Polygon mit entsprechend vielen aufzunehmenden Punkten angenähert. Die am Erfassungsrechner per Kabel angeschlossenen GPS-Empfänger geben im 10 Hz-Takt Daten im NMEA-Format aus, die gespeichert werden. Darin enthalten sind u. a. die notwendigen Informationen GPS-Zeit, Koordinaten der momentanen Antennenposition und Qualität der Messung. Mit den in den Empfängern hinterlegten Transformationsparametern werden die 2D-Lagekoordinaten (Rechts- und Hochwert) unmittelbar vom Empfänger berechnet und ausgegeben. Mit den vorab erfassten Antennenpositionen im lokalen Fahrzeugsystem können so die Fahrzeugecken im übergeordneten Koordinatensystem (GK-Landeskoordinaten) bestimmt werden. Die kartierten Verbindungen der Fahrzeugeckpunkte im übergeordneten System ergeben eine Folge von „Momentanbildern“ der Fahrzeugposition. Bei dichter Momentanbildfolge lässt sich daraus per Augenschein die beanspruchte Schleppkurvenläche erkennen. Die mathematische Lösung ist etwas komplizierter. Die exakte Ermittlung der Einhüllenden der von einem Fahrzeug in enger Kurvenfahrt überstrichenen Fläche, also der Schleppkurve im landläuigen Sinn, ist kein triviales Problem. Bei der theoretischen Erzeugung mit den handelsüblichen Simulationsprogrammen im Straßenwesen, die die Vorgabe einer Leitlinie voraussetzen, Schleppkurven von Lang-Lkw Der Einsatz von Lang-Lkw auf Deutschlands Straßen gilt als umstritten. Ein häuiges Argument für die Kritik an den Fahrzeugen ist ihre unzureichende Kurvengängigkeit, die den Verkehr behindert. Ob diese Beurteilung der Wahrheit entspricht, wurde mit Hilfe des GPS-Schleppkurven-Messverfahrens überprüft. Die Autoren: Wolfgang Wirth, Serif caliskan, Jessica Glabsch, Stefan Schuhbäck Abb. 1: Mögliche Kombinationen von Lang-Lkw Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 61 TecHNOLOGIe Wissenschaft aufgezeichneten Wagenkästen oder auch nur jeder n. Wagenkasten (n = Element der natürlichen Zahlen) dargestellt werden. Die aufgezeichnete Messfahrt kann am Bildschirm verfolgt werden, indem nacheinander jede einzelne Position angeklickt, d. h. jedes einzelne Wagenkasten-Momentanbild farbig hervorgehoben werden kann. Auch Daten aus dem Fahrzeug-CAN-Bus, die während der Schleppkurvenmessfahrt aufgenommen werden, wie der Lenkradwinkel, können synchron zu dem Datenstrom der GPS- Antennen zugespielt werden, so dass sie für die Auswertung zur Verfügung stehen. Die Winkelgeschwindigkeit beim Lenkradeindrehen kann z. B. als Indikator für die Steuerungsbequemlichkeit bzw. -unbequemlichkeit herangezogen werden. Die Software erlaubt die Darstellung eines Lenkradwinkeldiagramms mit der Zeitachse als Abszisse. Wiederum kann man im Programm ein Wagenkasten-Momentanbild anklicken, wobei der synchrone Kurvenpunkt im Diagramm farbig erscheint. Testfahrzeuge Die für den Test zur Verfügung stehende Fz- Kombination (Abbildung-2) bestand aus: • Lkw MAN TGS 26.400 6 x 2 - 4 LL mit Krone Cool-Carrier-Kühlkoferaubau • Dolly Krone ZZB 18 eLZ • Sattelaulieger Krone Standard. Die Fz-Kombination hat eine rechnerische Gesamtlänge von 26,03 m, übertraf also die zulässige Lang-Lkw-Länge um rund einen Dreiviertelmeter. Damit hat es Folgendes auf sich: Viele Dollys haben eine längenverstellbare Deichsel. Um Fehleinstellungen, wie sie im praktischen Güterverkehr nicht auszuschließen sind, zu simulieren, hat man ein Worst case-Szenario inszeniert und die Länge der Testkombination auf rund 26 m eingestellt. Das lag aus zwei Gründen nahe: Erstens war es einer der letzten Tests auf privatem Werksgelände vor dem Großversuch auf den öfentlichen Straßen. Zweitens lag man mit der Überlänge auf der sicheren Seite: Wenn die Testkombination die Bedingungen der engen Kurvenfahrt erfüllt, dann erfüllt sie der reguläre Lang-Lkw mit 25,25 m Gesamtlänge allemal. Das MAN-Zugfahrzeug hat zwei angetriebene und vier gelenkte Räder. Der Krone Dolly ist ein zweiachsiges Drehgestell, dessen Vorderräder stellt sich die Frage, inwieweit ein Durchschnittsfahrzeugführer bei einer realen Fahrt derjenigen Leitlinie folgt, die in der Simulationssoftware unterstellt wird (vgl. auch [5]). Bei der empirischen Aufnahme real gefahrener Schleppkurven wird leicht übersehen, dass es nicht ausreicht, die Trajektorien der Wagenkasteneckpunkte oder der Hinterachsenendpunkte zu betrachten. Vielmehr müssen für die Momentanbilder in beliebig dichter Folge die Wagenkanten konstruiert werden. Wie leicht man hier einem Trugschluss unterliegen kann, zeigt u. a. [1], S.-4; denn insbesondere bei mehrgliedrigen Fahrzeugen und/ oder der Durchfahrung gegengekrümmter Kurven bleibt die Lage des auf der konkaven Seite maßgebende Berührpunkts zwischen Einhüllender und Tangentenkurvenschar in Bezug auf den Fahrzeugumriss nicht ix, sondern wandert auf der seitlichen Wagenkastenkante. Mathematisch gesprochen handelt es sich um die beidseitige Ermittlung der Enveloppe, der Einhüllenden einer Kurvenschar. Eine Lösung dieser Aufgabenstellung, die wegen ihrer Komplexität z. B. nicht einfach mit der Delaunay- Triangulation zur Hüllkurvenermittlung einer Punktwolke bewältigt werden kann, ist in [3] entwickelt. Die je Fahrzeugglied durchzuführenden Operationen in Stichworten: Interpolation der Momentanbilder in beliebiger Dichte durch Konstruktion der Eckpunkttrajektorien mittels kubischem Spline - Bestimmung des Momentanpols mittels der Eckpunkt-Geschwindigkeitsvektoren - Beschreibung des Wagenkastengebiets mittels Ungleichungen - Konstruktion der beidseitigen Randkonturen, wobei die innere Enveloppe dem „langsamsten“ Punkt, die äußere dem „schnellsten“ Punkt entspricht - Lösung einer Optimierungsaufgabe „Suche nach dem Punkt mit Minimalabstand zum Momentanpol“, um den o. g. Berührpunkt auf der Einhüllenden zu inden - Sortieren der ermittelten Enveloppe- Stützpunkte mittels eines speziell entwickelten Algorithmus, um per Interpolation konsistente Hüllkurven zu erhalten - ggf. Überlagerung der Schleppkurvenlächen der einzelnen Fahrzeugglieder. Die Postprocessing-Software bietet beide Darstellungsformen an: Wagenkasten-Momentanbilder oder Umrissdarstellung der Schleppkurvenläche. Im ersten Fall können wahlweise alle 4,80 1,35 2,57 3,45 2x0,70 26,03 1,57 2,73 2,00 2,00 Abb. 2: Für den Test verwendete Lang-Lkw-Kombination TecHNOLOGIe Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 62 Die Kleinen Kreisverkehre, die schon für die herkömmlichen Lastzüge und 15 m-Reisebusse manchmal schwierig zu befahren sind, wurden an zwei Varianten getestet, und zwar an der kleinsten und an der größten Innerorts-Ausführung gemäß [2] mit Außendurchmessern von 26 m bzw. 40 m. Der 40 m-Kreisverkehr stellt besonders wegen der geringen Breite der Ringfahrbahn gemäß [2] für Langfahrzeuge eine Herausforderung dar. Wie in [6] nachgewiesen, sind einzelne Eckausrundungsvorgaben in [2] für ein problemloses Befahren zu gering angesetzt. Deswegen wurden beim hier vorliegenden Schleppkurventest in beiden Situationen mit Kreisverkehren jeweils nur der Innenkreis (Kreisinselkante), der Außenkreis sowie die Ränder der Kreiszu- und ausfahrten (Fahrbahnteilerkante, Fahrstreifenaußenkante) markiert, nicht jedoch die Ausrundungen im Übergang von den Zubzw. Ausfahrten zur Ringfahrbahn. Die Fahrstreifenbreite der Kreiszufahrten wurde mit 3,50 m, die Breite der Kreisausfahrten mit 3,75 m angenommen, unter Zugrundelegung eines 2,50 m breiten parallellankigen Fahrbahnteilers. Die gewählten Fahrstreifenbreiten entsprechen dem Mittelwert für Innerortslage, der mit dem Mindestwert für Außerortslage des Kreisverkehrs identisch ist, jeweils nach Tab.-3 in [2]. Die Markierung der Fahrbahnbzw. Fahrstreifenränder erfolgte mit gelber Fettkreide, zusätzlich wurden in Abständen von ca. 1 m Holzklötze an der Markierung entlang auf die Fahrbahn aufgelegt, um den dreidimensionalen Eindruck eines Bordsteins für den Kraftfahrer zu simulieren - diese Vorgehensweise hat sich bei den früheren Schleppkurventests des Instituts für Verkehrswesen und Raumplanung der Universität der Bundeswehr München bewährt. An den - dreiarmig konzipierten - K leinen Kreisverkehren wurden jeweils zwei unterschiedliche Manöver durchgeführt: Eine 1/ 2-Kreisdurchfahrt und eine 3/ 4-Kreisdurchfahrt - das sind diejenigen Manöver, bei denen gegensinnig gekrümmte Kurven durchfahren werden müssen. Im Gegensatz dazu ist das bei einer 1/ 4-Kreisdurchfahrt nicht der Fall. Bezüglich der Knotenpunktgeometrie der Kreisverkehre ist anzumerken, dass die Achsen der Knotenpunktarme-1 und 2 in einer Durchmesserlinie lagen (Drehung um 180°), sowie dass aufgrund der Randbedingungen des Testgeländes die Achse des 3. Armes nicht symmetrisch in 270° angelegt werden konnte, sondern bei etwa 285° lag. Schließlich gab es noch eine Testsituation „freie Fahrt“, bei der keine geometrischen Vorgaben einer Verkehrsanlage markiert waren. Dabei sollte der Kraftfahrer einen Wendekreis mit kleinstmöglichem Außendurchmesser, also mit vollem Lenkradeinschlag bzw. praktisch möglichem maximalem Lenkwinkel, fahren. Die Situation wurde aus Zeitgründen nur im Uhrzeigersinn durchfahren, weil dieser Fall insbesondere für die Eckenausrundung beim Rechtsabbiegen automatisch aktiv gelenkt werden, wobei der Radeinschlag mechanisch in Abhängigkeit vom Deichselwinkel erfolgt (vgl. Abbildung-3). Das Ladevolumen der gesamten Kombination beträgt ca. 157 m 3 bei einem Gesamtgewicht von 44 t. Im Vergleich dazu beträgt das Ladevolumen bei einem herkömmlichen Gliederzug (Lkw mit Anhänger) ca. 120 m3, bei einem herkömmlichen Sattelzug 90 bis 100 m 3 jeweils bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 t. Testprogramm und -durchführung Das Testprogramm konzentrierte sich auf die StVZO-Vorgabe zu den Kurvenlaufeigenschaften sowie auf den Kleinen Kreisverkehr. Das detaillierte Testprogramm ist Tabelle-1 zu entnehmen. Der sog. BO-Kraftkreis gemäß §- 32 StVZO als Grundvoraussetzung für ein allgemein zugelassenes Straßenkraftfahrzeug wurde im und gegen den Uhrzeigersinn durchfahren (vgl. Abbildung-4). Abb. 3: Krone-Dolly, aktiv gelenkt − Typ: ZZB 18 elZ Abb. 4: Testsituation BO-Kraftkreis Foto: Roman Dittrich, Ellen Marsmann Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 63 TecHNOLOGIe Wissenschaft am Kreisringinnenrand, also zwischen konkaver Hülle der Schleppkurvenläche und BO-Kraftinnenkreis, eine von der Fahrzeugkombination unüberstrichene Kreisringläche von ca. 1 m Breite. Das bedeutet, dass die Fz-Kombination den im BO-Kraftkreis unterstellten maximalen Verbreiterungsbedarf nur zu ca. 80 % ausschöpft. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Fz-Kombination auch eine noch engere konstante Kreisfahrt vollführen könnte, wobei der BO-Kraftinnenkreis die konkave Einhüllende der Schleppkurvenläche bildet und somit der maßgebend ist. Die Situation kann auch zur Befahrbarkeitsprüfung kleinster Wendeanlagen und U-Turns herangezogen werden, da bei Lenkwinkelvolleinschlag Symmetrie zwischen Rechts- und Linksfahrt unterstellt werden kann. Der Test wurde am 12.09.2011 auf der Teststrecke-II der MAN in München bei schönem Wetter durchgeführt. Die Fahrzeuge waren unbeladen, die Hinterachse des Zug-Lkw war angehoben. ergebnisse Das Wichtigste vorab: In den getesteten Fällen blieben die Schleppkurvenlächen der Fz-Kombination bis auf wenige Ausnahmen, in denen eine Wagenkastenecke die Grenzkonturen geringfügig überschritt, innerhalb der vorgegebenen Fahrbahnbzw. BO-Kraftkreisbegrenzungen. In den Abbildungen- 5 bis 8 ist im Interesse der Übersichtlichkeit jeweils nur jeder 5. Wagenkasten dargestellt - das entspricht einer Taktfrequenz der Momentanbilder von 2 Hz. Jeweils eine Wagenkastenposition ist farbig hervorgehoben, um den oben beschriebenen Software-Effekt des „Anklickens“ zu veranschaulichen. Wegen kurzer GPS-Ausfälle können jedoch einzelne Wagenkastenbilder fehlen. Das Programm bietet die Möglichkeit, diese durch Interpolation zu simulieren, wovon hier aber kein Gebrauch gemacht wurde; wählt man die 10 Hz-Darstellung mit allen Wagenkästen, so stellt das Fehlen eines Momentanbildes keine Einschränkung für die augenscheinliche Beurteilung dar. In den Abbildung- 6 und 7 entsprechen die rot eingetragenen Eckausrundungen den Innerorts- Mittelwerten nach Tab.-4 in [2] bzw. den für einen herkömmlichen Sattelzug erforderlichen Werten nach Tab.-1 in [6]. In der Testsituation BO-Kraftkreis zeigte sich, dass bei Fahrten im Uhrzeigersinn die für die konvexe Einhüllende maßgebende vordere Fahrzeugecke etwas exakter auf dem als Leitlinie fungierenden BO-Kraftaußenkreis geführt werden konnte (Abbildung 5) als bei Fahrten gegen den Uhrzeigersinn; das könnte mit den Sichtverhältnissen für den Kraftfahrer bei Linkssteuerung zusammenhängen. In jedem Fall aber verblieb Testsituation AußenØ d InnenØ d Ringfahrbahnbreite B Manöver Wiederholungen BO-Kraftkreis 25 m 10,60 m 7,20 m im Uhrzeigersinn 3 Vollkreisfahrten ununterbrochen gegen Uhrzeigersinn 5 Volkreisfahrten ununterbrochen - Kleiner Kreisverkehr groß - 40 m 27 m 6,50 m ½-Kreis-Durchfahrt 3 Durchfahrten ¾-Kreis-Durchfahrt 3 Durchfahrten Kleiner Kreisverkehr klein - 26 m 8 m 9,00 m ½-Kreis-Durchfahrt 3 Durchfahrten ¾-Kreis-Durchfahrt 3 Durchfahrten „freie“ engste Kreisfahrt keine geometrischen Vorgaben im Uhrzeigersinn 3 Fahrten Tab. 1: Testprogramm 0 5 10 15 20 25m ÿ 10,60 m ÿ 25,00 m Abb. 5: Ergebnisbsp. BO-Kraftkreis (1 Umfahrung im Uhrzeigersinn) Ø 25,00 m Ø 10,60 m TecHNOLOGIe Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 64 unüberstrichene Kreisring am Außenrand liegen sollte. Bekanntlich ist aber ein Entlangsteuern der Fz-Kombination - wie eines jeden mehrgliedrigen Zuges - mit einer entsprechenden Zielvorgabe mittels der herkömmlichen Lenkungsmechanismen nicht möglich. Man könnte die gestellte Frage allenfalls mit Hilfe einer langwierigen Testreihe beantworten. Zur Klärung der Frage können aber die Ergebnisse der Testsituation „freie engste Kreisfahrt“ (vgl. Abbildung-8) herangezogen werden. Im Kleinen Kreisverkehr mit 40 m Durchmesser und seiner relativ engen Ringfahrbahn zeigt sich an den auch für den herkömmlichen Sattelzug kritischen Stellen ein Berühren der Schleppkurvenläche bzw. ein leichtes Überschreiten der Bordsteinkonturen. Insbesondere erscheinen die mit 3,50 m bzw. 3,75 m bemessenen Zu- und Ausfahrten für den getesteten Lang-Lkw etwas zu eng (Abbildung 6), wobei auch dieses Phänomen schon beim herkömmlichen Sattelzug beobachtet wurde [4]. Beim Kleinen Kreisverkehr mit 26 m Durchmesser und seiner vergleichsweise breiten Ringfahrbahn sind derlei Probleme nicht zu beobachten (Abbildung 7). In dieser Abbildung sind die Wagenkästen außerdem mit einem gelben Schleier unterlegt, der die nach [3] ermittelte eigentliche Schleppkurvenläche darstellt. Außerdem ist in Abbildung- 7 das Lenkradwinkel-Diagramm für diese Testfahrt angegeben. Anzumerken ist, dass bei dem durchgeführten Test die Werte des Lenkradwinkels nicht vom CAN-Bus abgenommen, sondern von einem Messlenkrad abgegriffen wurden, das von der Abteilung Engineering Research Prototypes zur Verfügung gestellt und eingebaut wurde. Für die Umfahrung der Testsituation „freie engste Kurvenfahrt mit maximalem Lenkwinkeleinschlag“ wurden Referenzkreise mit den Durchmessern 20 m (außen) und 3 m (innen) als Anhaltspunkt für die Krümmungsgrößenordnungen gewählt. Es zeigt sich, dass die Fz-Kombination beim Rechtsabbiegen einer Kreisbogen- Eckausrundung mit einem Radius von 1,50 m folgen könnte. Allerdings würde der Zug dann eine Fahrstreifenbreite von ca. 8,50 m benötigen, also deutlich mehr als im BO-Kraftkreis. Beachtlich ist aber, dass das Testfahrzeug dabei auch mit ca. 20 m Außendurchmesser der Schleppkurve deutlich unter dem BO-Kraftkreis bleibt, etwa 5 m unter der StVZO-Vorgabe. Für die Befahrbarkeit von Wendekehren oder die Konstruktion von U-Turns ist dies ein wichtiger Befund. Resümee Die oben beschriebene Fahrzeugkombination konnte alle Testsituationen problemlos befahren - und das, obwohl sie die für Lang-Lkw amtlich vorgegebene Maximallänge um 78 cm überschritt. Der Preis für diese Befahrbarkeit sind allerdings ein höherer Reifenverschleiß und eine etwas stärkere Beanspruchung der Fahrbahnbe- 0 10 20 30 40 50m 0 10 20 30 40m 5 10 15 20 Zeit [s] -720 -360 0 360 Lenkradwinkel [∞] Abb. 6: Ergebnisbsp. Kleiner Kreisverkehr D = 40 m 3/ 4-Kreis-Durchfahrt Abb. 7: Ergebnisbsp. Kleiner Kreisverkehr D = 26 m 3/ 4-Kreis-Durchfahrt (Schleppkurvenläche gelb hinterlegt) mit Lenkradwinkel-Diagramm Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 65 TecHNOLOGIe Wissenschaft festigung im Vergleich zur Kreuzung, ein Sachverhalt, der schon von der engen Kurvenfahrt herkömmlicher schwerer Großfahrzeuge bekannt ist. Auch wenn davon auszugehen ist, dass Lang-Lkw-Fahrer kreisverkehrsintensive Abschnitte des Innerortsnetzes schon im eigenen Interesse meiden, kann dennoch eine konkrete Empfehlung aus dem Test abgeleitet werden: Bei den Breitenmaßen der Zu- und Ausfahrten von Kleinen Kreisverkehren sollte der Planer die nach [2] jeweils größeren Werte von 3,75 m bzw. 4,00 m und 4,00 m bzw. 4,50 m verwenden. Da die Lang-Lkw erwartungsgemäß das Autobahnnetz bevorzugen werden, sollte man bei den Rampenquerschnitten auf die alte Randstreifenbreite von 50 cm statt der derzeit aktuellen, aus fragwürdigen Sparmotiven reduzierten Breite von 25 cm zurückgreifen. Gelegenheit dafür würden die anstehenden Corrigenda der Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) bieten. Die Befahrbarkeit herkömmlicher Straßenanlagen mit der getesteten Fahrzeugkombination, insbesondere wenn sie auf das reguläre Lang-Lkw- Maß gekürzt ist, stellt jedenfalls kein Problem dar. Die Institute der Universität der Bundeswehr München danken der MAN Truck & Bus AG und der Krone GmbH für die Bereitstellung der Fahrzeuge und insbesondere der Abteilung Engineering Research Prototypes (ERP) für die messtechnische Unterstützung und die Bereitstellung der Teststrecke II. ■ Stefan Schuhbäck, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrstuhl Verkehrswesen und Straßenverkehrsanlagen Univ. der Bundeswehr München stefan.schuhbaeck@unibw.de Jessica Glabsch, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Geodäsie Univ. der Bundeswehr München jessica.glabsch@unibw.de Serif caliskan, M. Eng. Dipl.-Ing. (FH) Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Verkehrswesen und Raumplanung Univ. der Bundeswehr München serif.caliskan@unibw.de Wolfgang Wirth, Prof. Dr.-Ing. Institut für Verkehrswesen und Raumplanung Univ. der Bundeswehr München wolfgang.wirth@unibw.de LIteratur [1] BASt (Hg.), „Auswirkungen von neuen Fahrzeugkonzepten“, Schlussbericht (Juli 2008) [2] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hg.), Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren (Köln, 2006) [3] PRACHHART, Max Michael, „numerische Bestimmung der beidseitigen Randkonturen von gPS-aufgemessenen Schleppkurvenlächen“, Studienarbeit an der Univ. der Bundeswehr München (März 2011) [4] SoBoTTA, rüdiger, Überprüfung des Entwurfsparameter für Kreisverkehre mit empirischen Schleppkurven, Schriftenreihe des Instituts für Verkehrswesen und raumplanung der UniBw, Heft 49 (Neubiberg 2007) [5] WIrTH, Wolfgang, „Fahrkurven ja, aber die richtigen“, Internationales Verkehrswesen (Juni 2001), S. 288 - 291 [6] WIrTH, Wolfgang et al., „Flächenbedarf und Befahrbarkeit Kleiner Kreisverkehre“, Straßenverkehrstechnik (April 2009), S. 216 - 219 ÿ 3m ÿ 20m Abb. 8: Ergebnisbsp. „freie“ engste Kreisfahrt (1 Umfahrung im Uhrzeigersinn) Ø 20 m Ø 3 m