Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0141
111
2012
646
Betrieb von Offshore-Windparks
111
2012
Gerd Holbach
Christopher Stanik
Vor den deutschen Küsten steigt die Anzahl an Ausbauprojekten für Offshore-Windparks in den nächsten Jahren exponentiell an. Insbesondere die Wetterproblematik erschwert neben der Errichtung auch den Betrieb der Ofshore-Windenergieanlagen (OWEA). Deutsche Reedereien, Werften und maritime Zulieferer verfügen über Fähigkeiten, um als potenzielle Dienstleister Lösungen anzubieten.
iv6460031
LOGISTIK Ofshore Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 31 Betrieb von Ofshore-Windparks Vor den deutschen Küsten steigt die Anzahl an Ausbauprojekten für Ofshore-Windparks in den nächsten Jahren exponentiell an. Insbesondere die Wetterproblematik erschwert neben der Errichtung auch den Betrieb der Ofshore-Windenergieanlagen (OWEA). Deutsche Reedereien, Werften und maritime Zulieferer verfügen über Fähigkeiten, um als potenzielle Dienstleister Lösungen anzubieten. D ie Ziele der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 den Ausbau der Ofshore-Windenergie zu einer installierten Leistung von 10 000 MW voranzutreiben [1], wurden in den letzten Monaten von einigen Experten als zu ambitioniert betrachtet [2]. Häuig genannte Missstände sind dabei Fragen der Finanzierung und Haftung für den Netzanschluss von Ofshore-Windparks. Wegen der enormen Relevanz des Ausbaus der Ofshore-Windenergie für die Energiewende im Rahmen der EU-Klimapolitik hat sich die Bundesregierung die Klärung dieser offenen Fragen zur eigenen Aufgabe gesetzt, mit dem Ziel, die Kinderkrankheiten der neuen Technologie zu überwinden. Dienstleistungsbedarfe im Windparkbetrieb Der Ausbau der Ofshore-Windenergie vor Abb. 1: Ofshore-Windparkprojekte in der deutschen Nord- und Ostsee Quelle: WAB e.V, www.wab.net den deutschen Küsten oferiert nicht nur für Energieerzeuger und Windparkbetreiber ein lukratives Geschäftsfeld. Deutsche Werften, Reedereien und maritime Zulieferer bieten hervorragende Kompetenzen für maritime Arbeiten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) an [3]. Während des Betriebs von Ofshore-Windparks existiert ein Outsourcing-Potenzial von Betriebsprozessen der Windparkbetreiber, sodass sich ein Markt für maritime Dienstleistungen ergibt. Das Forschungsprojekt „Ofshore-Solutions“ der TU Berlin und der IPRI gGmbH hat basierend auf den vorhandenen Prozessen in und um den Ofshore-Windparkbetrieb acht verschiedene Dienstleistungen ermittelt, denen jeweils konkrete Leistungsbereiche untergeordnet wurden. Für die Ermittlung dieser Dienstleistungen und Leistungsbereiche wurden Interviewgespräche mit Energieerzeugern, Windparkbetreibern, Reedereien, Werften und maritimen Zulieferern geführt. Die Verabschiedung der Dienstleistungsbedarfe wurde durch einen projektbegleitenden Ausschuss vorgenommen, der aus renommierten Unternehmen der Windenergiebranche und der maritimen Industrie besteht [4]. Versorgung des Ofshore-Windparks Die Versorgung des Windparks mit Service- Technikern und Ersatzteilen stellt das „Bottleneck“ des Betriebs dar. Den vorhandenen Schifstypen für die Personal- und Materialversorgung stehen in Abhängigkeit von der Wetterlage unterschiedliche Einsatzfenster zur Verfügung. Die Einsatzfenster sind eng mit der energetischen Verfügbarkeit der OWEA verbunden. Schife mit höheren Einsatzfenstern weisen jedoch ebenso höhere Anschafungskosten auf. Das vorrangige Die Autoren: Gerd Holbach, Christopher Stanik Maritime Dienstleistungspotenziale LOGISTIK Ofshore Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 32 Ziel der Windparkbetreiber ist eine maximale energetische Verfügbarkeit der OWEA unter möglichst geringen Betriebskosten. Aus diesem Grund sind auch die einzusetzenden Transportmittel möglichst so zu wählen, dass für den jeweiligen Windpark die Gesamtkosten aus den Transportkosten und den Kosten der Nichtverfügbarkeit der Anlagen minimiert werden. Ofshore-Sicherheit hat Priorität Der wichtigste Faktor im Ofshore-Windparkbetrieb ist die Sicherheit. Jeder Service- Techniker, der für Instandhaltungsaufgaben im Ofshore-Windpark eingesetzt werden soll, muss wiederholt ein Ofshore-Sicherheitstraining absolvieren. Insbesondere der Personenüberstieg von und zu den OWEA verbirgt ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Service- Techniker, weshalb dieser bei den Personenbeförderungsfahrzeugen nur bis zu einer bestimmten signiikanten Wellenhöhe ermöglicht werden kann (siehe Abbildung-3). Je nachdem wo sich ein Ofshore-Windpark beindet, unterscheiden sich der vorhandene Seegang und somit die möglichen Einsatzfenster der Crew Transfer Vessels erheblich [5]. Ist ein sicherer Überstieg der Service-Techniker nicht mehr möglich, bleibt nur noch die Variante auf Helikopter zurückzugreifen. Helikopter oder Crew Transfer Vessel? Vor allem in den Wintermonaten kam im ersten deutschen Ofshore-Windparktestfeld „alpha ventus“ in den letzten Jahren vorwiegend der Helikopter zum Einsatz, da wegen der hohen durchschnittlichen signiikanten Wellenhöhen in der Nordsee ein sicherer Überstieg vom Crew Transfer Vessel (CTV) häuig nicht mehr gewährleistet werden konnte. Von Betriebsbeginn an wiesen Schifstransporte in diesem Windpark eine Erreichbarkeit der Anlagen von über 60 % auf, während sie für Helikoptereinsätze bei über 90 % lag [6]. Wegen des größeren Einsatzfensters des Helikopters setzt der Turbinenhersteller Areva Wind beispielsweise auf eine überwiegende Helikopterlösung für den Personentransfer auf die Windenergieanlagen innerhalb ihrer Operation & Maintenance-Aktivitäten. Neben der erhöhten Zugänglichkeit sind bei Helikoptereinsätzen die Zeitersparnis sowie der Vorteil, dass die Service-Techniker nicht seekrank werden und somit direkt nach dem Transfer einsatzbereit sind, zu erwähnen. Jedoch weist der Helikopter im Verhältnis zum Schif eine sehr viel geringere Zuladungsmöglichkeit und höhere Betriebskosten auf. Erfahrungen aus dem Betrieb des Ostsee- Windparks „EnBW Baltic- 1“ zeigen, dass die Transportkosten eines CTVs für 12 Personen bei 500- EUR/ h liegen, während sie bei einem Helikopter für 6 Personen 2400-EUR/ h ausmachen [7]. Ofshore-Helikoptereinsätze sind bis zu einer Windstärke von 11 Beaufort möglich, wobei solche Einsätze nur noch für Rettungsaktionen vorgenommen werden. Fällt die Windenergieanlage bei schlechteren Wetterverhältnissen aus, bleibt nur noch das Abwarten auf eine bessere Wetterlage. Maritime Lösungsansätze Basierend auf den ermittelten Randbedingungen für den Personentransport werden innerhalb von „Ofshore-Solutions“ maritime Lösungsansätze für die logistische Versorgung von Ofshore-Personal evaluiert und Mengengerüste und Marktvolumina für den Einsatz der unterschiedlichen Transportmittel bestimmt. Als weitere Eingangsdaten liegen Informationen zum täglichen Personalbedarf etablierter Windparkprojekte und Ausfallwahrscheinlichkeiten unterschiedlicher OWEA-Komponenten zugrunde. In Abbildung- 5 ist beispielsweise der tägliche Ofshore-Personalbedarf über der OWEA-Anzahl je Windpark abgetragen. Die Plandaten (schwarze Punkte) stammen dabei aus Interviewgesprächen mit Energieerzeugern, Windparkbetreibern und Ofshore-Versorgungsdienstleistern. Mit Abb. 2. Prozesse, Dienstleistungen und Leistungsbereiche während des Ofshore-Windparkbetriebs Abb. 3: Einsatzfenster repräsentativer CTV-Schifstypen für Ofshore-Windparks in der Nordsee (oben: BSH-Nordseeboje „NSB3“) und in der Ostsee (unten: BSH-Ostseeboje „Arkona“) Quelle: Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, www.bsh.de Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 33 Abb. 4: Links: SWATH@A&R-Tender „Natalia Bekker“ während des Personenüberstiegs auf eine Ofshore-Windenergieanlage im Windpark „BARD Ofshore 1“ Quelle (links): Abeking & Rasmussen Rechts: Abseilen eines Service-Technikers auf die Areva Wind Multibrid M5000 im Windpark „alpha ventus“ Quelle (rechts): Wiking Helikopter Service zunehmender Windparkgröße wird durch Skalenefekte ein degressiver Efekt bezüglich des Personalbedarfs je Windpark erzeugt. Es wird davon ausgegangen, dass sich der tägliche Ofshore-Personalbedarf für einen Windpark innerhalb der Maximal- und Minimalszenarien bewegt, da die Windparkbetreiber unterschiedliche Service- und Betriebskonzepte fokussieren und allgemeingültige Aussagen nur durch das Aufstellen dieser Szenarien ermöglicht wird. Im Rahmen der Jahreswartung in den Sommermonaten, fällt der Personalbedarf sogar doppelt bis dreifach so hoch aus wie in Abbildung- 5 gekennzeichnet. Die Marktpotenziale für Personentransporte werden in „Ofshore-Solutions“ für sämtliche deutschen Ofshore-Windparks innerhalb der aufgestellten Minimal- und Maximalszenarien inklusive der Jahreswartungen hochgerechnet. Entsprechend der Methodik zur Mengengerüst- und Marktvoluminakalkulation für Personentransporte, lassen sich diese auch für Materialtransporte in Ofshore-Windparks hochrechnen, wobei auch hierbei ladungs-, transport- und wetterbedingte Randbedingungen einzuhalten sind. Um eine genaue Aussage zu Dienstleistungspotenzialen für die maritime Industrie zu treffen, gilt es, die vorhandenen Kompetenzen der Werften, Reedereien und maritimen Zulieferern zu konkretisieren und mit den Chancen und Risiken abzugleichen, die sich aus den Lösungsansätzen für die ermittelten Leistungsbereiche ergeben. Durch „Ofshore-Solutions“ werden schließlich potenzielle Handlungspfade für eine erfolgreiche Positionierung der maritimen Industrie als Lösungsanbieter während des Ofshore- Windparkbetriebs aufgezeigt. Das IGF-Vorhaben-394-ZN der Forschungsvereinigung Center of Maritime Technologies- e. V. (CMT) wird über die AiF- e. V. im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung Abb. 5: Täglicher Ofshore-Personalbedarf während des Windparkbetriebs und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert. ■ LITERATUR [1] Bundesregierung (Hrsg): Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energie, August 2010 [2] BRIESE, D.: Logistische Herausforderungen und Bedarfe für die Errichtung von Ofshore-Windparks in Europa - Schife, Häfen, Hinterland, Wind: Research, Wind & Maritim 2012 in Rostock, Mai 2012. [3] HOLBACH, G. und SEITER, M.: Ofshore-Solutions: Dienstleistungspotenziale von Werften und Reedereien als Lösungsanbieter während des Betriebs von Ofshore-Windparks, Schif & Hafen, Jg. 63, S. 50-51, Dezember 2011. [4] HOLBACH, G. und STANIK, C.: Auf dem Weg zum Lösungsanbieter für den Betrieb von Ofshore-Windparks, Ingenieurspiegel, Ausg. 2, S. 87-88, Mai 2012. [5] BSH: Seegangsstatistik der Messtationen in der Deutschen Bucht und der westlichen Ostsee im Jahr 2011, online unter www.bsh.de, Januar 2012. [6] DEBIERRE, F.: AREVA Wind: Lessons learnt alpha ventus, CEO der AREVA Wind GmbH, HUSUM WindEnergy, September 2010. [7] BOLL, M.: Service-Konzept und erste Betriebserfahrungen des Ofshore-Windparks EnBW Baltic 1, EnBW Erneuerbare Energien GmbH, KELI Berlin, Mai 2012. Gerd Holbach, Prof. Dr.-Ing. Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme Institut für Land- und Seeverkehr TU Berlin gerd.holbach@tu-berlin.de Christopher Stanik, Dipl.-Ing. Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme Institut für Land- und Seeverkehr TU Berlin christopher.stanik@tu-berlin.de
