Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2012-0149
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Mobilitätserhebungen mit Smartphones
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Marc Schelewsky
Dirk Stürzekarn
Benno Bock
Der Einsatz von Ortungstechnologien in verkehrswissenschaftlichen Untersuchungen hat sich noch nicht etabliert, obwohl sich damit die Wirkung von verkehrlichen Interventionen und Mobilitätsangeboten genau quantifizieren ließe. Mit der Verbreitung von Smartphones könnte sich dies nun ändern. Im Rahmen des vom BMWi geförderten Forschungsprojekts cairo (context aware intermodal routing) wurde mit HaCon, DB Rent und InnoZ ein solches Erhebungsinstrument entwickelt.
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TECHNOLOGIE Ortung Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 55 Mobilitätserhebungen mit Smartphones Der Einsatz von Ortungstechnologien in verkehrswissenschaftlichen Untersuchungen hat sich noch nicht etabliert, obwohl sich damit die Wirkung von verkehrlichen Interventionen und Mobilitätsangeboten genau quantiizieren ließe. Mit der Verbreitung von Smartphones könnte sich dies nun ändern. Im Rahmen des vom BMWi geförderten Forschungsprojekts cairo (context aware intermodal routing) wurde mit HaCon, DB Rent und InnoZ ein solches Erhebungsinstrument entwickelt. D ie ersten Mobilitätsstudien mit GPS-Tracker dienten zur Ermittlung von Korrekturfaktoren, um vergessene Wege in Wegetagebüchern auszugleichen. Es zeigte sich, dass die herkömmlichen Erhebungsverfahren oft ungenau und fehlerhaft waren und für speziische Aussagen, z. B. über Änderungen des Modal Split, nicht ausreichten. Die Nutzung von GPS bot hier eine verlockende Alternative (Doherty et al. 2001; Pearson 2001). Doch auch die Qualität von GPS-Daten ist oft lückenhaft und fehlerbehaftet. Ein weiterer Nachteil von GPS-Tracks gegenüber Wegetagebü- Abb. 1: Einstellungsbildschirm des Tracking-Tools chern zeigt sich bei der Identiikation von Wegezwecken, die ohne zusätzliche Interaktion der Probanden nahezu unmöglich sind. Die Ausstattung von GPS-Trackern mit Funktionstasten sollte darauhin Probanden die Eingabe von Verkehrsmitteln und Wegezwecken ermöglichen, wie z. B. in der CHASE-Methode unter Nutzung eines „Prompted Recall Survey“ (Stropher 2008). Im cairo-Projekt wurden Erfahrungen mit solchen GPS-Trackern gesammelt. Es zeigte sich, dass beim Umgang mit solchen ungewohnten technischen Geräten Bedienschwierigkeiten auftreten können und die ergänzenden Eingaben häuig unvollständig oder fehlerhaft waren. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, dass der Ladestand der Geräte nicht beachtet wurde. Zudem wurde das Mitführen eines zusätzlichen Geräts als Belastung empfunden und es daher nicht mehr auf allen Wegen mitgeführt. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde eine Applikation für Android-Smartphones entwickelt, die unter Rückgrif auf die GPS- Sensoren bzw. den Positioning-Layer den gleichen Leistungsumfang wie GPS-Tracker erreicht, aber die Handling- und Usability- Probleme vermeidet. Dieser Ansatz wurde bereits in der MASI-Studie und beim Erhebungssystem TRAC-IT erprobt (verkehrplus et al. 2010; Winter et al. 2008). Wichtige Vorteile bei dem Einsatz von Smartphones als Erhebungsinstrument bestehen vor allem in deren Alltagstauglichkeit als Kommunikationsmedium: Die meisten Smartphone- Besitzer führen die Geräte stets bei sich und achten zudem auf den Ladestand. Der Umgang ist vertraut und stellt selten große Herausforderungen dar (Schelewsky et al. 2012). Konzeption des Trackingtools Der Einsatz des Smartphone als Erhebungsinstrument darf die alltägliche Nutzung nicht einschränken. Die Anwendung soll unbemerkt im Hintergrund arbeiten, ohne dass der Benutzer regelmäßig interagieren muss. Ein Hauptaugenmerk liegt daher auf größtmöglicher Automatisierung, sowohl im eigentlichen Client als auch bei der Datenaubereitung. Die Interaktion der Probranden wurde dazu auf ein Minimum begrenzt: Nach dem Start der Applikation wird zunächst eine Benutzerkennung eingegeben, über die sich der Proband pseudonymisiert, bevor die Tracking-Funktion aktiviert werden kann. Nutzerseitige Einstellungsmöglichkeiten betrefen den zeitlichen Maximalabstand zwischen zwei Positionsbestimmungen und den Übertragungszeitpunkt der Daten zum Server für die Datenaubereitung. Des Weiteren kann der Nutzer die zu verwendenden Ortungstechniken bestimmen sowie in einer Karte bestimmte Orte taggen, um für die Auswertung z. B. Wegezwecke zu bestimmen (vgl. Abbildung-1). Die technische Herausforderung in der ersten Entwicklungsphase resultiert aus dem Spannungsverhältnis einer möglichst genauen und umfassenden Datenerfassung bei möglichst geringem Energieverbrauch, um die Akkulaufzeit zu maximieren. Dazu wurde in einem ersten Schritt die Frequenz der Positionsbestimmungen direkt von der Bewegungsgeschwindigkeit des Geräts abhängig gemacht. Während das Tool bei Stillstand in einem festen, niedrigen Takt neue Positionen ermittelt, wird die Frequenz beim Erkennen von Bewegung mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter erhöht. Auf GPS-Daten basierende Geschwindigkeitsmessungen werden aber immer erst verzögert, d. h. beim Registrieren des nächsten Datenpunkts wahrgenommen (Abbildung- 2). Dadurch können Schwierigkeiten beim Erfassen von sehr kurzen Wegen entstehen. Die Autoren: Marc Schelewsky, Dirk Stürzekarn, Benno Bock TECHNOLOGIE Ortung Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 56 Zudem wird die Identiikation von Verkehrsmitteln erschwert, da eine große Distanz zwischen den ersten Datenpunkten zurückgelegt wird. Um diesen Anforderungen zu begegnen, wurde die Tracking-Frequenz mit dem Beschleunigungssensor des Smartphone gekoppelt. Dadurch lassen sich Ortsveränderungen unmittelbar registrieren und die Tracking-Frequenz wird gesteigert. Einen weiteren Beitrag zur Energieeinsparung kann die Wahl der Ortungstechnik leisten. Insbesondere die GPS-Ortung benötigt im Vergleich zur GSM- oder WLAN- Ortung viel Energie. Allerdings ist die Ortung über Mobilfunknetze mit starken Ungenauigkeiten verbunden. Deshalb muss immer abgewogen werden, ob die Güte einer Messung per Netzwerk ausreicht, um eine GPS-Position zu ersetzen. Die Ortung über Mobilfunk und WLAN erfolgt anhand von Datenbanken, in denen die Standorte der einzelnen Netzwerke erfasst sind. Diese Daten sind nicht notwendigerweise aktuell, was zu Messfehlern führen kann. Auf der anderen Seite verfügen die GPS- Module heutiger Smartphones meist über eine so geringe Leistung, dass sie schon bei geringer Abschirmung z. B. durch Gebäudekomplexe keine Satellitensignale mehr empfangen können. Informationen über die Qualität der Positionsbestimmung sind hierbei nur begrenzt zugänglich. Ein Zugrif auf die Sensordaten ist nicht direkt möglich. Das Betriebssystem stellt ein Application Programming Interface (API) zur Verfügung, über das die Positionen alle vorhandenen Module bereits in aufgearbeiteter Form in einem festen Format geliefert werden. So erhält man nur noch sehr grobe Informationen über die Güte der Messung, die als Genauigkeit in Metern angegeben wird. Datenaufbereitung Auch wenn die täglich anfallende Datenmenge bei nur 300 kB pro Proband und Tag liegt, kann die Interpretation der gesammelten Daten nur automatisiert erfolgen. Als Basisinformation werden zu jedem GPS-Track die Geokoordinaten, die Uhrzeit, die Genauigkeit der Messung und die Geschwindigkeit erfasst. Als weitere Informationen dienen Nutzerangaben. Hat der Benutzer Orte getaggt, kann aus diesen Angaben automatisiert der Wegezweck erkannt werden, wenn beispielsweise ein Weg von der „Wohnung“ zum „Arbeitsplatz“ erkannt wird. Die Datenaubereitung beginnt dann mit der Identiikation von Ruhephasen und Änderungen im Bewegungsverhalten, um den Track in einzelne Wege und Wegeabschnitte zu unterteilen. Diese Wegeabschnitte können dann auf drei Arten einem Verkehrsmittel zugeordnet werden: • durch Verknüpfung der Tracks mit dem bekannten Verkehrswegenetz, • durch Extraktion von Haltepunkten und Abgleich mit den Fahrplandaten sowie • durch Ermittlung der Durchschnittsgeschwindigkeit und Vergleich mit typischen Geschwindigkeiten von Verkehrsmitteln. Ein Beispiel für eine bereits vorhandene Technik zur Erkennung von genutzten ÖV- Verbindungen in Echtzeit stellt die in cairo eingesetzte „Match me“-Funktionalität dar (vgl. Abbildung- 3). Der Server bestimmt anhand der aktuellen Verkehrslage, welche öfentlichen Verkehrsmittel sich in einem bestimmten Umkreis rund um die übermittelten Positionen beinden. Da das „Match me“-System allerdings auf eine Nutzerinteraktion setzt, ist die dort durchgeführte Suche sehr unscharf. Die verbleibende Auswahl muss anhand von weiteren Algorithmen nach Plausibilität geiltert werden. Eine Identiizierung von Carsharing- oder Bikesharing-Fahrten ist theoretisch in ähnlicher Weise möglich, dazu müsste die „Match me“-Funktion um Buchungsdaten erweitert werden. Das setzt die Bereitschaft entsprechender Mobilitätsanbieter voraus. Ergebnisse und Ausblick Der Nutzen des Tracking-Tools muss nicht allein auf die Erstellung von Wegetagebüchern in der Verkehrsforschung beschränkt bleiben. Insbesondere im Hinblick auf die Erkennung von ÖV-Anteilen innerhalb der erfassten Wegstrecken lassen sich noch andere Einsatzbereiche vorstellen. Graisch ansprechende Statistiken könnten dem Nutzer beispielsweise seine gelebte Mobilität transparenter werden lassen. Auf dieser Basis wäre es denkbar, monatliche Übersichten zu Kostenstruktur und CO 2 -Ausstoß zu generieren. Auch ließe sich die Nutzung von Abb. 2: Track mit Geschwindigkeitsheuristik Abb. 3: Funktion „aktuelle Fahrt ermitteln“ mit dem „Match me“-System Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 57 E-Ticketingsystemen mit Check-in/ Checkout-Funktionalität vereinfachen, indem der Check-out-Vorgang über die Identiikation der genutzten Verkehrsmittel automatisiert erkannt wird. Ein solcher Anwendungsfall stellt jedoch hohe Anforderungen an den Datenschutz und ist derzeit auch technisch eine große Herausforderung. ■ Marc Schelewsky, Dipl.-Soz. InnoZ GmbH, Berlin marc.schelewsky@innoz.de Dirk Stürzekarn, Dipl.-Math. HaCon Ingenieurgesellschaft mbH, Hannover dirk.stuerzekarn@hacon.de Benno Bock, Dipl.-Ing. InnoZ GmbH, Berlin benno.bock@innoz.de LITERATUR CASAS, J.; ARCE, C.H. (1999): Trip Reporting in Household Travel Diaries: A Comparison to GPS Collected Data, In: 78th Annual Meeting of the Transportation Research Board. Washington D.C.: Transportation Research Board SCHELEWSKY, M.; BOCK, B.; JONUSCHAT, H. (2012, im Erscheinen): Einfach und komplex. Nutzeranforderungen an intermodale Smartphone-Applikationen zur individuellen Routenplanung. InnoZ-Baustein Nr. 13, Berlin: InnoZ DOHERTY, S. T., NOËL, N., GOSSELIN, M.L., SIROIS, C., UENO, M. (2001) Moving beyond observed outcomes: integrating global positioning systems and interactive computer-based travel behavior surveys. Washington D.C.: Transportation Research Board PEARSON, D. (2001): Global Positioning System (GPS) and travel surveys: Results from the 1997 Austin household survey, In: Eighth Conference on the Application of Transportation Planning Methods. Corpus Christi STOPHER, P., CLIFFORD, E., J. ZHANG, J. (2008) Determining trip information using GPS data. Sydney: University of Sydney. VERKEHRPLUS, EASYMOBIZ, X-SAMPLE (2010): MASI_activ. Konzeption eines mobilfunkgestützten Erhebungssystems für Mobilitätsbefragungen. Graz-Wien: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie WINTER, P.L., BARBEAU, S.J., GEORGGI, N.L. (2008): Smart Phone Application to Inluence Travel Behavior. Tampa: University of South Florida Europäische Bahnen '12 '13 Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und infrastrukturunternehmen 29 Länder 1.121 Unternehmen 2.300 Ansprechpartner 13.500 Triebfahrzeuge Die Marktübersicht Europäische Bahnen liefert Ihnen zum Bahnmarkt in Europa einen aktuellen Überblick. In der 6. Aulage inden Sie: Einleitungskapitel zu jedem Land mit Informationen zum aktuellen Stand des Bahnmarkts, zur Marktstruktur sowie Adressen zu Aufsichtsbehörden Übersichts-Streckenkarten zu den behandelten Ländern Und ganz neu, Streckenkarten und Organigramme ausgewählter Unternehmen In Zahlen bedeutet dies: rund 1.121 Unternehmen mit allen Daten zu Gesellschaftern, Management, Historie und Verkehren ein Personenindex mit mehr als 2.300 Einträgen 29 Länder und mehr als 13.500 Triebfahrzeuge der privaten Bahngesellschaften mit ihren Herstellerdaten Diese Datenfülle mit ihrem hohen Qualitätsstandard ist einzigartig in Europa. Mit dem Buch erhalten Sie eine CD-ROM. Diese enthält detaillierte Fahrzeuglisten sowie alle Inhalte des Buches als PDF (Volltextsuche möglich). Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ eb NEU Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0437-9 Format 148 x 215mm Preis: EUR 128,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) rabattierter Preis (für Rail.Business Abonnenten): EUR 96,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress Telefon: +49/ 40/ 2 37 14-440 · Fax +49/ 40/ 2 37 14-450 E-Mail: buch@dvvmedia.com 4887_anz_erp_eb_rbs_210x297.indd 1 13.09.2012 12: 23: 07
