Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0008
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2013
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Druckbetankung für die EU
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Werner Balsen
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Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 23 Druckbetankung für die EU V om Teufelskreis war die Rede und von der Henne und dem Ei: Die EU- Experten gaben sich volkstümlich, um zu erläutern, warum die Brüsseler Behörde den Mitgliedstaaten in einem Gesetzentwurf verbindliche Vorgaben machen will für eine Mindestversorgung mit Ladestationen und Tankstellen, die umweltfreundliche Kraftstofe vorhalten. Den Fachleuten zufolge sind es vor allem drei Hindernisse, die „grünen“ Treibstofen im Weg stehen. Zum ersten die hohen Kosten der Fahrzeuge, die etwas anderes schlucken als Benzin oder Diesel. Zum zweiten die damit zusammenhängende Unlust der Käufer, sich solche Autos anzuschafen. Wer es trotzdem tut, steht - zum dritten - vor dem Problem, dass die Zahl der Zapfstellen für „Alternative“ gering ist - und der Weg dahin meistens weit. Also: Tankstellen werden nicht gebaut, weil es nicht genügend Fahrzeuge gibt. Die werden nicht zu konkurrenzfähigen Preisen verkauft, weil die Nachfrage nicht groß genug ist. Und die ist zu gering, weil die Fahrzeuge zu teuer sind und keine Tankstellen vorhanden. Diesen Teufelskreis muss die EU durchbrechen, wenn sie die Abhängigkeit der Unionsstaaten vom Öl tatsächlich mindern und die klimaschädlichen CO 2 -Emissionen zwischen dem Schwarzen Meer und dem Atlantik bis 2050 wirklich um 60 Prozent gegenüber 1990 senken will. Beide Ziele sind festgehalten im „Weißbuch zum Verkehr“, der Bibel für die EU-Transportpolitik aus dem Jahr 2011. Sie lassen sich nur mit einem großen Anteil umweltfreundlicher Kraftstofe durchsetzen. City-Logistik will Brüssel deshalb von 2030 an CO 2 -frei haben. Im selben Jahr soll in den Städten die Zahl der konventionell angetriebenen Fahrzeuge halbiert sein, 20 Jahre später soll es sie dort gar nicht mehr geben. Der Kohlendioxid-Ausstoß von Schifen soll bis 2050 um 40 % reduziert werden. Flugzeuge sollen dann nur noch mit Treibstof liegen, dessen CO 2 -Anteil ebenfalls 40 % unter dem aktuellen Wert liegt. Der Brüsseler Schlag gegen den Teufelskreis, die neue Strategie für umweltfreundliche Kraftstofe, setzt bei der Infrastruktur an. Das ist ein Novum, denn bislang konzentrierten sich EU-Bemühungen, einen größeren Anteil von nicht fossilen Kraftstofen durchzusetzen, zumeist auf die Antriebsmittel und die Fahrzeuge. Der Vertrieb blieb weitgehend unberücksichtigt. Werner Balsen eU-Korrespondent der DVV Media Group B e R I C H T A U S B R Ü S S e L VON WeRNeR BALSeN Die EU-Kommission fordert nun überall in Europa ausreichend Zapfstellen und Ladestationen, die überdies gemeinsame technische Standards erfüllen und somit Interoperabilität gewährleisten. Bis 2020 schreibt die EU jedem Mitgliedstaat genau vor, wie viele Steckdosen für stromgetriebene Fahrzeuge er vorhalten muss, wie viele Tankstellen für lüssiges Erdgas (LNG), das Lkw aber auch Binnen- und Seeschiffe verwenden, und wie viele für komprimiertes Erdgas (CNG). Und dass ab 2015 für die Elektro- Ladestationen nur noch ein einziger Stecker gilt: Der in Deutschland und 25 anderen EU-Staaten bereits verwendete „Typ 2“ wird zur EU-Norm. Auch Frankreich wird ihn akzeptieren müssen. Die jedem Land vorgeschriebene Zahl der Ladestationen richtet sich nach den nationalen Plänen für die voraussichtliche Zahl von Elektro-Pkw und -Lieferwagen im Jahr 2020. Da in Deutschland bis dahin eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs sein sollen, schreibt die Kommission 150 000 Ladestationen zwischen Flensburg und Füssen vor. Derzeit zählt Brüssel exakt 1937 Stromtankstellen. Enormer Nachholbedarf besteht auch bei den LNG-Tankstellen für Lkw - derzeit gibt es derer nur 38 in der EU. Brüssel schlägt deshalb vor, bis 2020 auf den Kernrouten des transeuropäischen Verkehrsnetzes alle 400 Kilometer eine solche Zapfstelle einzurichten. LNG ist auch für Schiffahrt eine attraktive Alternative, um ab 2015 die Schwefel-Ausstoßziele in Ost-, Nordsee und dem Ärmelkanal zu erfüllen. Deshalb pocht die Kommission auf Tankmöglichkeiten in allen 139 See- und Binnenhäfen im transeuropäischen Kernnetz. Die Aufgabe können auch Feederschife übernehmen. In den Seehäfen müssen die Aufüll-Kapazitäten bis 2020, in Binnen-Ports bis 2025 vorhanden sein. All das ist nicht billig zu haben. Für die Elektroauladepunkte rechnet die Kommission mit Investitionskosten von 8 Mrd. EUR. Die LNG-Tankstellen im Straßennetz werden voraussichtlich 58 Mio. EUR kosten, die Installationen in den Häfen 2,1 Mrd. EUR. Hohe Summen, ohne Zweifel. Dennoch muss man sie ins Verhältnis setzen zu den Kosten der enormen Abhängigkeit des europäischen Transportsektors vom Erdöl. Für den Import des „schwarzen Goldes“ entstand 2011 in der EU ein Aufwand von rund 1 Mrd. EUR - täglich. ■
