eJournals Internationales Verkehrswesen 65/1

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0010
31
2013
651

Schnittstelle Rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze

31
2013
Paul Wittenbrink
Andreas Scheuer
Die hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH in Karlsruhe erarbeitet derzeit eine Studie zum Thema „Schnittstelle Rampe – Lösungen zur Vermeidung von Wartezeiten“. Teil dieser Studie ist eine internetbasierte Umfrage bei Akteuren aus Handel, Industrie, Transport und Logistik, deren Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden.
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LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 28 Die hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH in Karlsruhe erarbeitet derzeit eine Studie zum Thema „Schnittstelle Rampe - Lösungen zur Vermeidung von Wartezeiten“. Teil dieser Studie ist eine internetbasierte Umfrage bei Akteuren aus Handel, Industrie, Transport und Logistik, deren ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. D ie Studie wird im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erstellt. Sie dient der Umsetzung der Maßnahme „Optimierung der Abläufe an Verladerampen“ im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik. 1 Die Maßnahme zielt auf die Reduzierung der Wartezeiten bei der Be- und Entladung an den Rampen der Verlader, die insbesondere in der Transportbranche immer stärker als Hindernis für die Transportabläufe wahrgenommen werden. Sie soll dazu beitragen, dass die Abläufe im Güterverkehr optimiert, eine eizientere Nutzung der Infrastruktur ermöglicht sowie durch pünktliche Abfertigungen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Die Teilnehmer der Umfrage wurden gebeten, für verschiedene Lagerarten ihre Einschätzung über Wartezeiten an Laderampen und deren Auswirkungen, auftretende Probleme an Laderampen sowie über Lösungsansätze abzugeben. Dabei zeigt die mit 1002 Rückmeldungen und 793 auswertbaren Fragebögen große Resonanz auf die Umfrage die hohe Bedeutung des Themas „Schnittstelle Rampe“ sowohl für Transport- und Logistikunternehmen (552 teilnehmende Unternehmen) als auch für Handel (119 Unternehmen) und Industrie (122 Unternehmen). 2 Wartezeiten insbesondere bei Handelslagern Insgesamt bestätigen die Studienergebnisse, dass es vor allem bei Handelslagern vergleichsweise lange Wartezeiten 3 an der Rampe gibt. Aber auch Industrie- und Speditionslagern ist das Thema „Wartezeiten“ nicht unbekannt. So geben 69 % der Transportunternehmen und 56 % der Industrieunternehmen durchschnittliche Wartezeiten von mehr als einer Stunde bei Handelslagern an. Aber auch bei Industrielagern sehen 51 % der Transportunternehmen und 14 % der Industrieunternehmen durchschnittliche Wartezeiten von mehr als einer Stunde (vgl. Bild 1). 4 Bewertung der Probleme Um die Bedeutung der Schwierigkeiten an der Schnittstelle Rampe zu ermitteln, wurden die Teilnehmer gebeten, insgesamt 30 Thesen zu den verschiedenen potenziellen Problemfeldern an der Schnittstelle Rampe zu bewerten. Bild 2 zeigt das Ergebnis in Form eines Portfolios, bei dem neben der Bedeutung der Probleme auch die Unterschiede in der Bewertung durch die Branchen aufgezeigt werden. einigkeit über Informationsdeizite Zu den überraschenden Ergebnissen der Umfrage gehört, dass viele Thesen branchenübergreifend ähnlich bewertet wurden - eine gute Basis, um Lösungen zu inden. So werden z. B. branchenübergreifend Informationsdeizite über Schnittstelle Rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze Die Autoren: Paul Wittenbrink, andreas Scheuer Bild 1: einschätzung durchschnittlicher Wartezeiten je Lagerart aus Sicht der Branchen (Graik: hwh) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 29 LOGISTIK Wissenschaft gung von eigenen Fahrzeugen an den Laderampen“ sowie den „Palettentausch bei externen Dienstleistern“ als weniger bedeutend an als Transportunternehmen, was schätzungsweise auch mit der speziischen Betrofenheit zusammenhängt. Schließlich wird auch der Zugang für Lkw-Fahrer zu sanitären Anlagen hauptsächlich seitens der Transportunternehmen bemängelt, während die Mehrzahl der Industrie- und Handelsunternehmen hier keinen großen Handlungsbedarf sieht. Themen mit eher geringer Bedeutung Die Umfrage zeigt auch, was heute schon gut funktioniert. So bestehen kaum Probleme mit unvollständiger Ware oder unvollständigen Begleitpapieren. Auch verfügen die Lkw-Fahrer mehrheitlich über ausreichende Sprachkenntnisse sowie über Kenntnisse über örtliche Abläufe. Weiterhin sehen die Teilnehmer in der Termintreue der Lkw keine größeren Hemmnisse für die Rampenabläufe. Auch die Dauer der Papierabfertigung an den Laderampen wird weitgehend als wenig relevant eingeschätzt. Diese im Vorfeld als mögliche Problemfelder deinierten Themen werden somit bei den weiteren Analysen nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Bewertung von Lösungsansätzen Neben der diferenzierten Analyse der Probleme an der Schnittstelle Rampe waren insbesondere die möglichen Lösungsansätze ein weiterer Schwerpunkt der Umfrage. Zu diesem Zweck haben die Teilnehmer dreizehn mögliche Lösungs- Verzögerungen sowohl bei Lkw-Fahrern als auch bei den Rampenbetreibern kritisiert. Weiterhin schätzen nahezu alle Teilnehmer den teilweise fehlenden Zugang zu Aufenthaltsräumen für die Lkw-Fahrer als kritisch ein. Auch besteht eine hohe Einigkeit darin, dass eine ausreichende Anzahl an Lkw-Stellplätzen auf dem Werksgelände und/ oder im Umkreis der Be- oder Entladestelle vorhanden sein sollte. Darüber hinaus werden unzureichende Lagerlächen an Laderampen bemängelt. Kapazitätsengpässe in Feiertagswochen Überwiegende Übereinstimmung besteht auch bei einem weiteren Kapazitätsengpass - den Rampenöfnungszeiten zu Stoßzeiten. Insbesondere in Feiertagswochen mit einer geringeren Anzahl an Werktagen kann es zu Engpässen kommen, wenn die übliche Liefermenge in den Lagern eintrift. unterschiedliche Bewertung von Problemfeldern Die Umfrage zeigt auch Problemfelder auf, die von den Branchen sehr unterschiedlich bewertet werden. Hierzu zählen die Personalkapazitäten an den Laderampen, die insbesondere von Transportunternehmen als nicht ausreichend bewertet werden. Ebenso bemängeln insbesondere Transportunternehmen den „rauen“ Umgangston an den Laderampen, während Handels- und Industrieunternehmen das Problem als weniger gravierend einschätzen. Auch schätzt die Mehrheit dieser Unternehmen die Themen „Bevorzu- Bild 2: Bedeutung der Probleme an der Schnittstelle Rampe (Graik: hwh) LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 30 Optimierung der Rampenkapazitäten das Ziel sein, so dass eine richtige Balance zwischen der Anzahl bzw. den Öfnungszeiten der Tore und dem anstehenden Wareneingang zu inden ist. Beschafungslogistik Für die Mehrheit der Befragten ist die Umstellung der Beschafungslogistik auf Selbstabholung durch den Handel wenig zielführend, was erstaunt, resultieren doch durch die Veränderung mehr Anreize zur Optimierung von Eingangsprozessen. Die im Rahmen der Gesamtstudie durchgeführten Gespräche zeigen jedoch, dass Industrieunternehmen befürchten, eigene Bündelungsvorteile zu verlieren, während viele Transportunternehmen die Gefahr einer Marktkonzentration auf wenige Beschafungslogistiker sehen. Zeitfenstermanagementsysteme (ZMS) Im Rahmen der Befragung wurde der Nutzen von Zeitfenstermanagementsystemen (ZMS) besonders beleuchtet. Hier gibt die Mehrzahl der teilnehmenden Handels- und Industrieunternehmen an, dass durch den Einsatz von ZMS Wartezeiten um bis zu eine Stunde reduziert werden konnten. Über die Hälfte der Transportunternehmen sehen hingegen keine Wartezeitverkürzungen nach der Einführung eines ZMS. Die Mehrheit der Teilnehmer sieht durch den zunehmenden Einsatz von ZMS weitere zeitliche Restriktionen in der Tourenplanung der Transportunternehmen, wodurch die Disposition und der eiziente Fahrzeugeinsatz immer schwieriger werden. Daher plädieren viele Teilnehmer für eine Flexibilisierung der ZMS. Schließlich sehen nahezu alle Teilnehmer eine gute Eignung einer Zeitfenstersteuerung bei Komplettladungsverkehren, während diese bei Stückgutverkehren eher als ungeeignet bewertet wird. Fahrer nicht vergessen Bei der Optimierung der Prozesse darf die Situation der Lkw-Fahrer nicht unberücksichtigt bleiben. Die Fahrer stehen am Ende der Prozesskette und sind oftmals am stärksten von den Problemen an der Schnittstelle Rampe betrofen. Angesichts des zunehmenden Fahrermangels wird es in Zukunft immer wichtiger werden, die Fahrer eizient einzusetzen und respektvoll zu behandeln. Auch dieses Thema ist im Bewusstsein der Akteure angekommen und das branchenübergreifende Interesse an der Erarbeitung gemeinsamer Lösungen der Rampenprobleme steigt. Positive Beispiele weitertragen Es gilt insgesamt zu berücksichtigen, dass eine Umfrage zwar ein Gesamtbild der Situation beschreiben kann, in einzelnen Fällen die Situation davon jedoch erheblich abweichen kann, d.-h. es kann bei einzelnen Lagern inakzeptable Zustände geben, während sich andere Lager als Vorzeiansätze bewertet (Bild 3). Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer aus allen Branchen bei vielen Lösungsansätzen übereinstimmend einen hohen Lösungsbeitrag sehen. Optimierung der Supply Chain Weit oben auf der Agenda steht die Prozessoptimierung über die gesamte Lieferkette, was zeigt, dass sich das Rampenthema nicht auf die physischen Prozesse an der Rampe reduzieren lässt. Vielmehr ist der gesamte Prozess von der Bestellung bis zum Eingang im Lager einzubeziehen. Die Unternehmen empfehlen auch beleglose Wareneingänge, die zu einer deutlichen Reduzierung der Bearbeitungsdauern bei der Lkw-Entladung führen können, wenn erforderliche Arbeiten bereits im Vorfeld der Lkw-Ankunft erledigt werden. Auch sind sich die Teilnehmer darin einig, dass die Avisierung der Lkw-Ankunft sowie der Informationsaustausch über Verzögerungen optimiert werden sollte. Weitere Ansätze mit großem Lösungspotenzial bestehen aus Sicht der Teilnehmer in der Optimierung der Infrastruktur sowie der Verbesserung des Zugangs zu sozialen Einrichtungen vor Ort für Lkw-Fahrer. Erwartungsgemäß sehen hier Transportunternehmen insgesamt einen höheren Lösungsbeitrag als Handels- oder Industrieunternehmen. Optimierung statt Maximierung Es gibt aber auch Lösungsansätze, die von den Teilnehmern der Umfrage sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. So ist insbesondere für Transportunternehmen eine Ausweitung der Rampenöfnungszeiten eine sehr wichtige Lösung, während die meisten Handelsunternehmen hierin nur einen deutlich geringeren Lösungsbeitrag sehen, was auch nachvollziehbar ist, müssten sie doch die Kosten tragen. Insofern kann auch nicht die Maximierung sondern die Bild 3: Bewertung von Lösungsansätzen (Graik: hwh) geprojekte im Sinne von „Best Practice“ eignen. Gerade über diese sollte viel mehr gesprochen werden, um hier weitere Nachahmer zu inden. diferenzierte analyse der Situation Zusammenfassend bestätigt die Umfrage, dass die Wartezeiten an den Rampen insbesondere, aber nicht nur für Transportunternehmen ein Problem darstellen. Mit der Umfrage liegt nun eine diferenzierte und von den Beteiligten weitgehend akzeptierte Analyse der Rampenprobleme vor. Darüber hinaus gibt es sowohl bei den speziischen Problemfeldern als auch bei den Lösungsansätzen teilweise eine branchenübergreifend ähnliche Bewertung der Situation. Diese gemeinsamen Einschätzungen der Handels-, Industrie- und Transportbranche bieten einen erfolgversprechenden Ansatz zur Optimierung der Situation an der Rampe. Im nächsten Schritt plant das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ergänzend zu der Studie, durch Vor-Ort-Erhebungen bei unterschiedlichen Lägern eine Feinanalyse der Gesamtprozesse vorzunehmen. Auf dieser Basis sollen unterschiedliche Best-Practice-Empfehlungen für Unternehmen erarbeitet werden. Der Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik wird also weiter daran arbeiten, gemeinsam mit den beteiligten Branchen, die Lieferkette mit besonderem Blick auf die konkrete Verbesserung der Rampenabläufe zu optimieren. ■ 1 Vgl. www.bmvbs.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ UI/ rampenoptimierung.html, abgerufen am 14.02.2013. 2 Bei den folgenden Bewertungen wurden die Aussagen wie folgt gewichtet: 1/ 3 Logistik- und Transportunternehmen, 1/ 3 Industrieunternehmen, 1/ 3 Handelsunternehmen. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl sowie der Teilnahme von Unternehmen verschiedener Größenklassen und aus verschiedenen Branchen kann von einer hohen Aussagekraft der Umfrage ausgegangen werden. 3 Als Wartezeit wurde in der Umfrage der Zeitraum von der Anmeldung Lkw am Empfang bis zum Beginn der Be- oder Entladung an der Laderampe deiniert. 4 Bei den Speditionslagern liegen von Seiten der Industrie und des Handels zu wenig Aussagen für eine statistische Auswertung vor. Ebenso trift dies bei den Industrielagern für die Antworten des Handels zu. andreas Scheuer, Dr. Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik und Mitglied des Deutschen Bundestages PStS-S@bmvbs.bund.de Paul Wittenbrink, Prof. Dr. Professor für Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH, Karlsruhe www.hwh-transport.de wittenbrink@dhbw-loerrach.de Komplettlösungen für-mehr Effizienz • Industrietorsysteme und Ladebrücken • Torabdichtungen und Vorsatzschleusen • NEU: Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik