eJournals Internationales Verkehrswesen 65/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0015
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2013
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Klingt weiß leise? Von Farben und Geräuschen

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2013
Ferdinand Dudenhöffer
Henrike Koczwara
In einer experimentstudie am CAR-Institut der Universität Duisburg-essen wurde überprüft, inwieweit Farben die menschliche Geräuschwahrnehmung von Autos beeinlussen. Das verblüfende ergebnis: eine weiße Lackierung lässt Autos leiser erscheinen.
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Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 45 MOBILITÄT Psychologie Klingt weiß leise? Von Farben und Geräuschen In einer experimentstudie am CAR-Institut der Universität Duisburg-essen wurde überprüft, inwieweit Farben die menschliche Geräuschwahrnehmung von Autos beeinlussen. Das verblüfende ergebnis: eine weiße Lackierung lässt Autos leiser erscheinen. D as menschliche Gehirn ist komplex und kann uns einen Streich spielen, wenn es darum geht, Reize zu verarbeiten. Ein real erlebter Reiz kann eine weitere Sinneswahrnehmung hervorrufen oder verzerren. Dieses Phänomen, auch als Synästhesie bezeichnet, wird durch kognitive Prozesse unseres Gehirns hervorgerufen. Ein Beispiel hierfür ist die Verknüpfung der Reize „Klang“ und „Farbe“. Wer Klänge hört, kann diese gedanklich automatisch mit Farben in Verbindung bringen oder auch umgekehrt, hervorgerufen durch Assoziationen zu bereits Erlebtem und Erlerntem. Eine spannende Frage vor diesem Hintergrund ist: Wie wirken farbige Autolackierungen auf Straßenverkehrsteilnehmer? Das CAR-Institut forscht seit mehreren Jahren experimentell zu verschiedenen Themen rund um Mobilität. Im Juli 2012 wurde ein außergewöhnliches Experiment zum Thema Farb- und Geräuschwahrnehmung von Autos durchgeführt. Unterstützt wurde die Studie vom Automobilhersteller Ford, welcher sieben bunte Fiesta Titanium für die Studie zur Verfügung stellte (Bild 1). Dass visuelle Reize Fahrzeuggeräuscheinschätzungen beeinlussen können, ist in der Wissenschaft kein völlig abstraktes Thema. So wurde bereits festgestellt, dass große LKW auf den Betrachter subjektiv lauter wirken, auch wenn es sich tatsächlich um leisere Modelle handelt [1]. Auch Studien zum Einluss von Farben auf die wahrgenommene Lautheit verschiedener Gegenstände, wie etwa Radios, Personenzüge und Pkw zeigen, dass Farben die Geräuschwahrnehmung beeinlussen können (beispielsweise [2], [3], [4]). Bisher wurden derlei Studien jedoch nur in künstlichen Laborsituationen erhoben, d. h. den Probanden wurden vertonte Standbilder und bewegte Sequenzen vorgeführt. Laborexperimente bieten zwar die Möglichkeit Einlussgrößen isoliert zu bewerten, jedoch bilden sie damit nicht immer die Realität ab. Für das CAR war es von Interesse herauszuinden, inwieweit Autos in einer alltäglichen Verkehrssituation aufgrund ihrer Lackierung unterschiedlich wahrgenommen werden. das experiment Unter dem Vorwand, dass es sich um die Geräuschbewertung unterschiedlicher Motoren handle, ließ das CAR sieben Ford Fiesta in den Farben Schwarz, Weiß, Silber, Grell- Grün, Rot, Orange, und Blau an 162 Probanden (ohne Seh- oder Hörschwächen) im Al- Die Autoren: Ferdinand dudenhöfer, Henrike Koczwara Alle Fotos: CAR - Universität Duisburg Bild 1: Sieben verschiedenfarbige Ford Fiesta dienten als Testfahrzeuge für die experimentstudie. MOBILITÄT Psychologie Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 46 ter von acht bis 88 Jahren vorbeifahren und die Geräusche bewerten. Die fabrikneuen Fahrzeuge waren bis auf die farbige Außenlackierung völlig baugleich, mit gleichem Motor und gleicher Bereifung. Die Wahrnehmung der Fahrzeuggeräusche wurde via Fragebogen ermittelt. Die Probanden konnten die Geräusche anhand von Wortpaaren wie etwa „leise-laut“, „sportlich-träge“, „angenehm-unangenehm“ oder „aggressiv-sanftmütig“ auf einer fünfstuigen Skala beurteilen (Bild 2). Als Versuchsort diente eine verkehrsberuhigte Seitenstraße (Einbahnstraße ohne Erhaltungsmaßnahmen) in einem Wohngebiet in Duisburg. Alle Fahrzeuge fuhren mit konstant 30 km/ h, im dritten Gang, an den Probanden vorbei. Es wurde darauf geachtet, dass weder Anfahrtsnoch Bremsgeräusche entstanden. Die Fahrzeuge wurden nach jeder Vorbeifahrt bewertet. Die Reihenfolge der bunten Fahrzeuge variierte je Versuchsgruppe, um Abstrahlungsefekte der zuvor gesehenen Lackierung zu vermeiden. das Phänomen der leisen Lackierung Bild 3 zeigt das Polaritätsproil einiger ausgewählter Geräuschbewertungen die sich als signiikant unterschiedlich herausgestellt haben. Es ist zu erkennen, wie die Probanden im Mittel auf die Frage „Wie empfanden Sie die Geräusche des vorbeifahrenden Fahrzeugs? “ geantwortet haben. Dargestellt ist jeweils der Mittelwert je Bild 3: Polaritätsproil ausgewählter Geräuschbewertungen. Bild 2: Auszug aus dem Fragebogen der experimentstudie. Fahrzeugfarbe. Die Ergebnisse zeigen, dass es zu unterschiedlichen Bewertungen der geräuschidentischen Fahrzeuge kommt. Die Bewertungsunterschiede können dem Farbeinluss zugeordnet werden. Die Lackierung Weiß lässt Fahrzeuge weniger laut erscheinen als grelle Lackierungen, wie etwa Grell-Grün, Rot oder Orange. 78% der Befragten hielten z.B. das weiße Fahrzeug für leise bis sehr leise. Zum Vergleich: nur 58 % halten das grüne Fahrzeug für leise, 23 % sogar für laut. Die Unterschiede sind signiikant. Das metallic-silber lackierte Auto wurde ebenfalls im Durchschnitt leicht leiser als die anderen Fahrzeugfarben bewertet. Jedoch ist dieser Unterschied nicht statistisch signiikant. Die weiße Lackierung scheint zudem für eine „angenehmere“ Geräuschkulisse zu sorgen. 71 % der Befragten gaben an, dass das weiße Auto ein „eher angenehmes“ bis „extrem angenehmes“ Geräusch mache. Auch hier lässt sich wieder ein signiikanter Kontrast zur Geräuschbewertung des grünen Fahrzeugs nachweisen. Grün wurde im Durchschnitt als weniger angenehm im Geräusch bewertet. Weißer Lack „klingt“ ebenfalls „sanftmütiger“, ein rotes oder grünes Auto dagegen weniger sanftmütig. Rote Fahrzeuge wirken vergleichsweise „sportlich“ im Geräusch. 50 % der Testpersonen empfanden dies so, dicht gefolgt vom schwarzen Fahrzeug mit 43 % Zustimmung zur „Sportlichkeit“. Ein schwarzes Auto erzeugt nach Angaben der Probanden „kraftvollere“ Geräusche (29 % Zustimmung). Diese Bewertungen unterscheiden sich insbesondere zum silbern lackierten Fahrzeug, welches auf die Probanden im Sound vermehrt „träge“ (56 % Zustimmung) und „schwach“ (40 % Zustimmung) wirkt. Das subjektiv „schönste“ Geräusch bewirkt hingegen scheinbar das rote Auto. Relativ ähnlich über die Farben hinweg waren die Geräuschbewertungen in den Punkten „leichtgängig-schwergängig“, „gedämpft-dröhnend“, „hoch-tief“ und „lästig-beruhigend“, „natürlich-unnatürlich“ und „gewöhnlich-einzigartig“. Fazit: Farben prägen Wahrnehmung In dem Experiment konnte nachgewiesen werden, dass die farbige Lackierung eines Autos Einluss auf die subjektive Geräuschwahrnehmung ausübt. Die audio-visuelle Interaktion scheint insbesondere bei einem weißen Fahrzeug ausgeprägt zu sein. Hier ergaben sich die meisten Unterscheide in den Geräuschbeurteilungen zu anderen Lackierungen. Dabei spielt es sicherlich eine Rolle, dass „Weiß“ in europäischen Breitengraden als „rein“ und „unschuldig“ gilt. Es ist zu vermuten, dass diese Attribute einem weißen Fahrzeug auto- QueLLen [1] HÖGER, R., GREIFENSTEIN, P.: Zum Einluss der Größe von Lastkraftwagen auf deren wahrgenommene Lautheit. Zeitschrift für Lärmbekämpfung 35, 128-131(1988) [2] MENZEL, D., DAUENHAUER, T., FASTL, H.: Crying colours and their inluence on loudness judgments. NAG/ DAGA, (2009, Rotterdam) [3] MENZEL, D., FASTL, H., GRAF, R., HELLBRÜCK, J.: Inluence of vehicle color on their loudness judgements. Acoustical Society of America 123 (2008) [4] FASTL, H.: Audio-visual interactions in loudness evaluation. Intern. Commision on Acoustics, (2004, Kyoto) [5] KBA, Zulassungsstatistik 2011 [6] DuPont, 2011 DuPont Global Automotive Color Popularity Report Insights matisch zugeschrieben werden. Die Ergebnisse der Studie liefern einen interessanten Anhaltpunkt zur Beeinlussung von externen Efekten des Straßenverkehrs mittels gezielter Farbgebung von Fahrzeugen. Sollen Fahrzeuge als extra leise empfunden werden, kann dies eine weiße Lackierung verstärken. Dieses Phänomen könnte zum Beispiel dafür genutzt werden, dass Lieferfahrzeuge in einer hellen Lackierung als leiser wahrgenommen werden. Will ein Hersteller ein Fahrzeug besonders sportlich und kraftvoll wirken lassen, so empiehlt sich ein schwarzes oder rotes Fahrzeug in der Werbung. Natürlich ist die Farbe nicht der einzige Faktor der für subjektiv unterschiedliche Geräuschwahrnehmung verantwortlich ist. Die Größe des Fahrzeugs, das Design und die Marke sind durchaus Komponenten, die ebenfalls die Wahrnehmung - und damit auch die Geräuschbewertung beeinlussen könnten. In dieser Untersuchung wurde mit dem Ford Fiesta ausschließlich das Kleinwagensegment getestet. Farben sind Geschmackssache und beeinlussen die Gesamtbeurteilung eines Autos. Neben der Beurteilung der Geräusche wurden den Probanden auch Fragen zur allgemeinen Beurteilung der Autos gestellt. Schwarz und Weiß wurden mit Abstand als „schöner“ beurteilt, vor allem als das klassische Silber und die aufälligen Farben Grün und Orange. Silber ist unter allen Bewertungen die am negativsten bewertete Fahrzeuglackierung. Sie gilt als „langweilig“, „schwach“ und „altmodisch“, vor allem unter den jungen Teilnehmern. Das schwarze Fahrzeug nahmen die Probanden hingegen als „kraftvoll“, „elegant“ und „männlich“ wahr. Weiß international gefragter Weiße Autos könnten also ein kleiner Anfang sein, den Straßenverkehr mit psychologischen Tricks „leiser“ und „schöner“ zu gestalten. Trotzdem bleibt die Farbwahl des Autos natürlich Geschmackssache. Die deutschen Autofahrer bevorzugen bei den Neuzulassungen derzeit weiterhin eher die klassischen Farben wie Schwarz (31 %) und Grau/ Silber (27 %). Weiß (13 %) verzeichnete jedoch von 2008 bis 2011 einen Anstieg um 6,7 % [5]. Weltweit ist die „leise“ weiße Lackierung mit 22 % noch weitaus populärer [6]. ■ Ferdinand dudenhöfer, Prof. Dr. Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft, Fakultät Ingenieurswissenschaften, Universität Duisburg-essen CAR - Center Automotive Research, Duisburg ferdinand.dudenhoefer@uni-due.de Henrike Koczwara, Dipl.-Kfr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft, Universität Duisburg-essen henrike.koczwara@uni-due.de Fachausstellung und Fachtagung für Planung, Bau und Betrieb von Einrichtungen des ruhenden Verkehrs Wiesbaden, 19. - 20.06.2013 Weitere Informationen unter +49 711 61946 16 oder parken@mesago.com Jetzt Aussteller werden! www.parken-messe.de/ aussteller