eJournals Internationales Verkehrswesen 65/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0019
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2013
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Elektromobilität für den Alltag

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Stefan Spychalski
BOmobil heißt der Elektro-Kleintransporter, den die Hochschule Bochum zusammen mit Partnern bis zur Serienreife entwickelt. Das Konzept bestimmen die Anforderungen klein- und mittelständiger Unternehmen für den Regionalverkehr der Zukunft.r Nachhaltigkeit aus verkehrslogistischer Perspektive.
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TeCHNOLOGIe Fahrzeugkonzepte Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 58 Elektromobilität für den Alltag BOmobil heißt der elektro-Kleintransporter, den die Hochschule Bochum zusammen mit Partnern bis zur-Serienreife entwickelt. Das Konzept bestimmen die Anforderungen klein- und mittelständiger Unternehmen für den Regionalverkehr der Zukunft. E lektromobilität und ansprechendes Design müssen sich nicht ausschließen, wie das BOmobil zeigt: Der Elektro-Kleintransporter wird von der Hochschule Bochum sowie den Partnern Composite Impulse GmbH & Co. aus Gevelsberg, Delphi Deutschland GmbH aus Wuppertal und Scienlab electronics systems GmbH aus Bochum, den Stadtwerken Bochum und TÜV NORD Mobilität GmbH & Co. KG aus Essen serienreif entwickelt. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Wettbewerbs „ElektroMobil. NRW“. Die Hochschule Bochum beschäftigt sich seit über 10 Jahren mit der Thematik Elektromobilität, zunächst durch den Bau international erfolgreicher Solarcars. Zahlreiche Design-Awards und Innovationpreise - u.a. bei der Weltmeisterschaft dieser energieautark betriebenen Elektrofahrzeuge in Australien - und eine Weltumrundung mit knapp 30 000 gefahrenen Kilometern belegen das hohe Niveau der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten von Studenten, Ingenieuren und Professoren. Das Institut für Elektromobilität bündelt mit drei Professoren seit 2009 alle Aktivitäten und beschäftigt dazu ca. 30 Ingenieure und zahlreiche Studierende. Die Entwicklung des BOmobils stellt derzeit das Kernprojekt der Forschungseinrichtung dar. Technologisch zeigt der Prototyp eine bewusste Abwendung von herkömmlichen Automobilkonzepten: Statt einer zentralen Antriebseinheit werden Radnabenmotoren verwendet. So entsteht Raum für die Neugestaltung des Innenraums. Zwei Sitzplätze, Platz für eine Normgitterbox, V max über 130- km/ h und mehr als 150 Kilometer Reichweite stehen für alltagstaugliche Elektromobilität. Die meisten erhältlichen Elektrofahrzeuge basieren auf konventionellen Verbrennungsfahrzeugen, die erst nachträglich auf einen Elektroantrieb umgerüstet wurden. Die Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs ersetzen in Lage und Funktion die Komponenten des verbrennungsmotorischen Antriebs. Dadurch werden jedoch neugewonnene Freiheitsgrade eines Elektroantriebs nicht genutzt. Hier gehen die Designer des BOmobils andere Wege. Alle Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs werden im sogenannten Skateboard untergebracht, der tragenden Struktur (Bild 1). Die Batterie, die Traktionswechselrichter und die Motoren sind „organisch“ zueinander angeordnet, dadurch lassen sich kurze Leitungswege und ein niedriger Schwerpunkt realisieren. Durch die selbst entwickelten Radnabenmotoren in den Hinterrädern wird das Antriebsmoment dort generiert, wo es benötigt wird, und die eingesparte Antriebseinheit im Aufbau vergrößert das Ladevolumen des Fahrzeugs. Das Skateboard besteht aus Aluminium- Leichtbau-Proilen, die bei der Montage genietet und verklebt werden. Diese Variante des Aubaus ermöglicht eine hochfeste Struktur, die sowohl die Tragfähigkeit für einen Kleintransporter als auch die nötige Crash-Sicherheit für ein modernes Fahrzeug bietet. Der Aubau aus geklebten und genieteten Elementen ermöglicht eine kostengünstige und einfache Produktion in einem manufaktur-ähnlichen Prozess. Zur Kostenreduktion werden unter anderem für das Fahrwerk Standardkomponenten des Opel Zaira verwendet. Dabei werden die komplette Bremsanlage einschließlich der Assistenzsysteme wie ABS, ESP und EBV, die Dreieckslenker und Stabilisatoren sowie die Federbeine übernommen. Zur Kompensation der durch die Radnabenmotoren erhöhten ungefederten Massen erhalten die Dämpferelemente eine neue Abstimmung. Die Karosserie wird aus ABS- Kunststof und Faserverbund-Kunststof Der Autor: Stefan Spychalski Bild 1: In der Skateboard genannten tragenden Struktur sind die Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs untergebracht. Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 59 gefertigt. Die Kunststobauteile haben sowohl strukturelle als auch wärme- und geräuschdämmende Funktion. Während in konventionellen Fahrzeugen Einscheiben- Sicherheits- und Verbundglas eingesetzt wird, erhält das BOmobil so weit möglich Kunststofscheiben. Die Auswahl geeigneter thermisch isolierender Karosserie- und Scheibenwerkstofe ist dabei von zentraler Bedeutung, um eine aktive Kühlung bzw. Heizung in deutlich geringerem Maße als in konventionellen Fahrzeugen erforderlich zu machen. In Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren steht Wärme infolge des schlechten Wirkungsgrads des Antriebs mehr als genug zur Verfügung. In Elektrofahrzeugen kann besonders die im Winter nötige Wärmeenergie die Reichweite drastisch reduzieren. Im BOmobil muss die Erzeugung und Verteilung von Wärme und Kälte mit Hilfe einer Wärmepumpe und entsprechenden Kondensatoren im Rahmen des sogenannten Thermomanagements sorgfältig konzipiert werden, um einen optimalen Mix aus Reichweite, Behaglichkeit für die Fahrzeuginsassen und Betriebssicherheit und Langlebigkeit der thermisch empindlichen Bauteile zu erreichen. Verbrauchsgünstige Lenkrad- und Sitzheizungen können den Heizenergiebedarf reduzieren und damit die Fahrreichweite vergrößern, ohne den Komfort zu schmälern (Bild 2). Die verwendete Batterie in Lithium-Eisen- Phosphat-Technologie nimmt in ihrer Leistungsfähigkeit bei Temperaturen unter 0°C stark ab. Eine Vorwärmung durch entsprechende Heizelemente im Winter ist aber nur beim Laden notwendig. Hochvolt-Komponenten wie die Leistungselektronik und die Radnabenmotoren sind mit Flüssigkeitskühlung ausgestattet, die einen stabilen Langzeitbetrieb gestattet. Das modulare Konzept der Entwicklungsarbeit macht unterschiedliche Karosserievarianten und Fahrzeugkonzepte möglich. Die Batterie als wesentlich preisbestimmende Komponente eines Elektrofahrzeuges lässt sich passend zur gewünschten Reichweite und den möglichen Ladezyklen skalieren. Hier ergeben sich durch klar vorgegebene Kilometerleistungen von professionellen Fahrzeuglottenbetreibern Einsparungspotentiale bei der Beschafung und realistische Einsatzszenarien. Diese fehlenden Rahmenbedingungen verhindern momentan den Durchbruch der Elektromobilität im privaten Umfeld. Das B-Muster des Kleintransporters ist mit Pritschenaubau realisiert (Bild 3), eine Pickup-Version ist in Arbeit. Derzeit suchen die Autobauer der Hochschule Bochum Investoren für die Produktion einer Kleinserie. Bochum ist dabei der bevorzugte Produktionsort, nicht nur wegen der Nähe zur Hochschule mit gut in Sachen Elektromobilität ausgebildeten Ingenieuren. Mit den Firmen Scienlab und Voltavision inden sich zwei weitere Hauptdarsteller der Branche in Bochum, mit denen man jetzt schon intensiv an einer elektromobilen Perspektive für die Ruhrgebietsstadt tief im Westen arbeitet. ■ Technische daten BOmobil abmessungen Länge ca. 4,3 m Breite 1,80 m Höhe 1,80 m Bodenfreiheit 20 cm Radstand 2637 mm variabel ± 0,5 m Spurweite vorn 1554 mm Spurweite hinten 1575 mm Angestrebter cw Wert 0,3 Leergewicht 1200 kg Zul. Gesamtgewicht 1700 kg antrieb Hinterradantrieb 2 Radnabenmotoren Gesamtantriebsmoment 1200 Nm Fzg.-Nennleistung 44 kW Höchstgeschwindigkeit < 130km/ h Reichweite bis zu 180 km ausstattung 2-Sitzer diverse Aufbauten und Karosserievarianten möglich, z.B. Pritsche oder geschlossener Laderaum, Laderaumvolumen ca. 2,5 m³ Leichtbaukarosserie Bild 3: Version des Kleintransporters mit Pritschenaufbau Bild 2: Verbrauchsgünstige Heizungen erwärmen Lenkrad und Sitz. Stefan Spychalski, Dipl.-Ing. Institut für elektromobilität Hochschule Bochum stefan.spychalski@hs-bochum.de