eJournals Internationales Verkehrswesen 65/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0024
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IM FOKuS Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 6 Treibhausgasziel ist zu erreichen Das europäische Weißbuch für den Verkehr gibt als Ziel bis 2050 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 60 % gegenüber 1990 vor. Diese Reduktion kann auch tatsächlich erreicht werden, zeigt das vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI koordinierte europäische Forschungsprojekt „GHG-TransPoRD“. Notwendig ist dafür eine Kombination aus technischen Verbesserungen und geändertem Verhalten, die beide durch Anreize in Form von preispolitischen Instrumenten unter Berücksichtigung von sozial- und haushaltspolitischen Rahmenbedingungen erreicht werden könnten. Im Straßenverkehr können laut Studie die größten Mengen an Treibhausgasen eingespart und auch am schnellsten Erfolge erzielt werden. Erforderlich seien ambitionierte CO 2 -Flottengrenzwerte für Neufahrzeuge. Wichtig dabei sei vor allem, die richtige Balance zwischen Fortschritten bei der Eizienz fossil betriebener Fahrzeuge und dem Umstieg auf alternative Energieträger wie Strom und Wasserstof aus erneuerbaren Energien zu wahren. Dies gelte für PKW ebenso wie für Nutzfahrzeuge. Hier sind nach Angaben der Forscher durch Eizienztechnologien bis 2025 bis zu 40 % Einsparungen zu erzielen. Die übrigen Verkehrsträger Luft, Wasser und Schiene weisen alle lange Erneuerungszyklen ihrer Flotten auf, so dass kurzbis mittelfristig vor allem operative Maßnahmen relevante Einsparungen leisten könnten. Mittelbis langfristig dürfte für den Luftverkehr die breite Einführung von nachhaltig erzeugtem Biokerosin den größten Beitrag liefern. Darüber hinaus sollte hier die Einführung marktwirtschaftlicher Instrumente wie etwa Energiesteuern vorbereitet werden, meinen die Forscher.. Im Schifsverkehr ist laut Studie kurzfristig die Absenkung der Fahrgeschwindigkeit am efektivsten. Mittel- und langfristig seien Verbesserungen am Antrieb und bei der Einführung erneuerbarer Energien wie Wind sowie neue Designs der Schifshüllen und -strukturen notwendig. Der Bahnverkehr muss nach Ansicht der Wissenschaftler in die Lage versetzt werden, zusätzlichen Verkehr aufzunehmen. Im Güterverkehr bedeute dies eine Erweiterung der Infrastrukturen durch weitere Gleisanschlüsse und Umschlagterminals sowie spezielle Gütergleise zur Beseitigung von Engpässen und Konliktstellen mit dem Personenverkehr. (zp) Die komplette Studie sowie weitere Informationen unter: www.ghg-transpord.eu www.isi.fraunhofer.de Citylogistik muss sich durchsetzen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum auf der ganzen Welt sorgen für immer höheres Frachtaukommen. Vielerorts droht in den Ballungsräumen der Verkehrsinfarkt. Gleichzeitig stehen Stadtverwaltungen unter Druck, die innerstädtische CO 2 -, Feinstaub- und Lärmbelastung drastisch zu reduzieren. Nach einer aktuellen Analyse des Beratungshauses Oliver Wyman zur Zukunft des städtischen Güterverkehrs („B2City: Zur Zukunft des städtischen Güterverkehrs“) inden allein in deutschen Innenstädten bereits heute täglich etwa 160 000 Auslieferungstouren statt. Die Trucks machten zwar häuig nur 20 bis 30 % des Stadtverkehrs aus, sorgten aber zu Stoßzeiten in vielen Städten für etwa 80 % der Staus. Hinzu komme, dass die meisten LKW im Schnitt nur zur Hälfte beladen seien, wenn sie in die Städte einführen. Hotels, Krankenhäuser oder Einkaufszentren würden so jeden Tag von mehreren, teils halbleeren Transportern angefahren, was neben Staus zu Wartezeiten an Laderampen führe. Aus Platz- und Kostengründen lassen sich aber die innerstädtischen Verkehrswege häuig nicht ausbauen. Für die Analysten ist deshalb moderne Citylogistik das Gebot der Stunde. Komplettlösungen rund um die Vorkonsolidierung der Waren außerhalb der Stadtgrenzen versprechen eiziente Möglichkeiten zur Organisation des Güterverkehrs in Innenstädten, geht aus der Oliver-Wyman-Analyse hervor. Sie eröfneten zudem Logistikdienstleistern neue Marktchancen. Wem es gelinge, die Herausforderungen der Stadtverwaltungen, aber auch ihre Arbeitsweisen zu verstehen und entsprechend maßgeschneiderte Lösungen anzubieten, könne zusätzliche Einnahmen generieren. Die Studie geht davon aus, dass der Erfolg der Konzepte sicherzustellen ist, wenn die Städte die Rahmenbedingungen schafen. Dazu gehöre die Einrichtung interner Planungsstellen und Kontrollinstanzen sowie die Bereitstellung von Flächen für die Konsolidierungszentren. Die Logistikdienstleister wiederum müssten aktiv an die Städte herantreten und in enger Zusammenarbeit mit Stadtverwaltung, IT-Dienstleistern und Automobilherstellern passgenaue Lösungen für eine eiziente und klimaschonende innerstädtische Güterauslieferung entwickeln, meinen die Berater von Oliver Wyman. Sie gehen davon aus, dass entsprechende Konzepte den Verkehrsluss in vielen Städten optimieren und die CO 2 -Belastung durch den Güterverkehr um 30 bis 40 % reduzieren werden. Dies sei aber nur möglich, wenn nicht nur die Fracht zur besseren Auslastung von Fahrzeugen konsolidiert werde, sondern auch passende Fahrzeuge eingesetzt würden, etwa kleinere Einheiten oder Elektrofahrzeuge in engen Altstädten. Nach den Vorgaben der EU-Kommission hat der innerstädtische Verkehr in Europa 2050 komplett CO 2 -neutral zu sein. (zp) www.oliverwyman.de Quelle: Oliver-Wyman Analyse Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 7 Binnenhäfen: Logistikparks statt Wohnraum Binnenhäfen können als trimodale Verkehrsknoten die zunehmend komplexer werdende Logistikkette optimieren. Das ist eine der Kernaussagen der Dissertation von Sandra Stein, die sie im Februar auf einer Veranstaltung des Vereins für europäische Binnenschiffahrt und Wasserstraßen e.V. (VBW) vorgestellt hat. Stein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fraunhofer Research GmbH Austria und des Instituts für Managementwissenschaften an der TU Wien. Sie untersuchte in ihrer Forschungsarbeit am Institut für Verkehrsgeographie und Logistik der Universität Duisburg- Essen, welche Faktoren und Potenziale entscheidend sind, um Häfen im Inland erfolgreich zu Logistikparks weiterentwickeln zu können, die positive wirtschaftliche Efekte für den Standort und die Region ausstrahlen. Sie entwickelte ein Steuerungsmodell mit Maßnahmen und Handlungsempfehlungen für Hafenbetreiber, die öfentliche Hand und weitere Akteure zur Einrichtung von trimodalen Logistikparks. Laut Studie sind das Umschlagpotenzial im Hinterland, das Rohstofvorkommen oder der Rohstofverbrauch, das Arbeitskräftepotenzial, die Kapitalverfügbarkeit des Betreibers und Erweiterungslächen entscheidende Faktoren für die Hafenentwicklung. Mit Blick auf die Flächenproblematik - etwa die Konkurrenz zum Wohnungsbau - sei ein funktionierendes Akteursnetzwerk ein maßgebliches Kriterium für die Entwicklung eines Binnenhafens zum trimodalen Logistikpark. Die Studie bietet den Kommunen zahlreiche Argumente, die eine Nutzung freier Flächen für einen trimodalen Logistikpark-Binnenhafen rechtfertigen: • Durch eine branchenübergreifende Ansiedlung von Unternehmen sowie die Förderung von Verlechtungen zwischen Unternehmen im Hafen und in der Region entstehen erhebliche Beschäftigungsefekte für den Standort und das Hinterland. • Die Bündelung von Dienstleistungen im Logistikpark kann zur Verlagerung und Vermeidung von Verkehren und damit zu einer Entlastung der kommunalen und regionalen Infrastruktur führen. • Die Ansiedlung von mehrwertsteigernden Dienstleistungen (Value-Added-Services) und die Aufwertung des Binnenhafens zu einem diversiizierten lokalen Produktionsstandort macht Hafenstandorte unabhängiger von konjunkturellen Schwankungen und Verkehrsentgelten. Gleichzeitig werden dadurch Anreize für Seehäfen geschafen, Dienstleistungen ins Hinterland zu verlagern. (zp) Langfassung des Vortrags im Newsletter VBW kompakt 1/ 2013, S. 6: http: / / www.vbw-ev.de/ downloads/ newsletter_0113.pdf Schiffahrtskrise hält an - Fusionen als Lösung? Die deutsche Handelslotte ist im vergangenen Jahr erstmals seit Beginn der 1990er Jahre geschrumpft. Infolge der weltweiten Finanzmarktkrise 2008 steht die internationale Schiffahrt noch immer unter hohem Druck. Die Branche hoft darauf, dass die stark rückläuigen Bestellungen für neue Schife den Markt in absehbarer Zeit entlasten. Das teilte der Verband Deutscher Reeder (VDR) Anfang April in Hamburg mit. In den Orderbüchern der deutschen Reedereien stehen derzeit noch 120 Seeschife gegenüber 1300 Einheiten im Jahr 2008. Der VDR geht allerdings davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Ablieferungen bedeutend niedriger liegen wird. Viele Verbindlichkeiten für Schibauprojekte seien in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben und von den Instituten überbrückt worden, weil den Reedern aufgrund der Ertragskrise am Frachtenmarkt und dem Zusammenbruch der Eigenkapitalplatzierungen das Geld ausgegangen sei. Neue Schibauprojekte ließen sich darüber hinaus derzeit kaum realisieren, da die Finanzierung immer schwieriger werde. Zudem seien langfristige Finanzierungen nicht mehr verfügbar. Fraglich ist für den VDR-Präsidenten Michael Behrendt, ob die mittelständischen Reedereien mit nur wenigen Schifen - die große Mehrheit der Mitglieder - die anhaltende Krise weiterhin überbrücken können. Für mehr als 100 Schife haben deren Eigner - zumeist Schifsfonds - seit Beginn der Krise bereits Insolvenz angemeldet. Intensiver als früher wracken die deutschen Reedereien ältere Einheiten ab. Besonders schwierig sei die Lage der deutschen Charterreeder, die ihre Containerschife an Linienreedereien vermieten. „Insolvenzen von deutschen Schifsgesellschaften sind mittlerweile an der Tagesordnung“, sagte Behrendt. „Wir sollten nicht in neue Schife investieren, sondern in größere Unternehmenseinheiten“, betonte Sören Skou, CEO der Maersk Line, Mitte April auf der Global Liner Shipping Conference von Containerisation International in London. Nur so ließen sich die Größenvorteile (Economies of Scale) der Großcontainerschife nutzen, ohne dass gleichzeitig eine massive Überkapazität entstehe. Zu Übernahmen im großen Stil werde es indes wohl nicht kommen, glaubt der Maersk-Line-Chef. „Dazu fehlt das Geld“, sagte er. Für wahrscheinlicher hält er Fusionen, wie sie vorerst zwischen Hapag- Lloyd und Hamburg Süd gescheitert ist. Ende 2012 fuhren unter deutscher Flagge 3671 Frachter, Tanker und andere Schifstypen. Ende 2011 waren es noch 3784 Einheiten, so der VDR. Seit der deutschen Einheit war die deutsche Handelslotte zur drittgrößten der Welt herangewachsen, in der Containerschiffahrt belegt sie mit großem Abstand vor Japan Rang eins. (zp) Foto: Marco barnebeck (telemarco)/ pixelio.de IM FOKuS Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 8 KV-Rückgang 2012, aber positive Erwartungen an 2013 Kombiverkehr, der europäische Marktführer im kombinierten Verkehr Straße/ Schiene, büßte 2012 im Gegensatz zu den Vorjahren deutlich an Volumen ein. Um 4,7 % sei die Zahl der transportierten Container, Wechselbehälter und Sattelanhänger auf 927 200 Sendungen zurückgegangen, meldete der Operateur Mitte Januar. Im internationalen Verkehr (707 500 Sendungen) iel das Minus mit 5 % stärker aus als im nationalen Verkehr. Hier brachte der Operateur mit 219 700 Sendungen 3,7 % weniger auf die Schiene. Robert Breuhahn, Geschäftsführer von Kombiverkehr, verweist vor allem auf die nachlassende Konjunktur sowie umfangreiche Sperrungen im Alpentransit. Monatelange Bauarbeiten auf der Brennerstrecke sowie Unterbrechungen durch Felsstürze in der Schweiz hätten sich deutlich auf das Sendungsvolumen 2012 ausgewirkt. Zum Vergleich: Bei der schweizerischen Kombiverkehrsgesellschaft Hupac iel der Sendungsrückgang 2012 noch deutlicher aus: Der Operateur beförderte 646 200 Straßensendungen auf der Schiene. Das entspricht einem Minus von 10,7 %. Zentrale Ursachen auch hier: die Konjunktur und die Streckensperrungen in der Schweiz. Knapp 40 Tage sei die Gotthardstrecke komplett dicht gewesen, heißt es bei Hupac. Trotz Umleitungen via Lötschberg/ Simplon habe allein das schon 6 % des Jahresvolumens gekostet. Zudem sei ein Teil der Kunden, die in dieser Zeit auf die Straße auswichen, nicht wieder zurückgekommen. Das Segment „transalpin via Schweiz“ verlor 12,4 %. Rückläuig entwickelte sich auch der nicht-transalpine Verkehr mit einem Minus von 9,9 %. Eine große Herausforderung sehen Hupac und Kombiverkehr in den steigenden Kosten für Bahninfrastruktur, Energie und Wagenunterhalt. Das könne die Entwicklung des Kombinierten Verkehrs bremsen. Beide Gesellschaften haben Anfang 2013 ihre Preise angehoben, weil sie nach eigenen Angaben einen Teil der gestiegenen Kosten nicht anders aufangen können. Während die Hupac-Vertreter sich verhalten äußern, ist Breuhahn für 2013 trotzdem optimistisch: Kombiverkehr soll die Sendungsmillion schafen. Diverse neue Produkte wurden bereits eingeführt, im ersten Quartal 2013 starteten allein 32 weitere wöchentliche Zugabfahrten. (zp) Weitere Informationen: www.kombiverkehr.de; www.hupac.ch Alternative zum Bekannten Versender Am 28. April 2013 endete die Übergangsfrist. Seitdem müssen Unternehmen, die Luftfracht versenden, vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) als „Bekannte Versender“ (BV) gemäß EU-Verordnung 185/ 2010 zugelassen sein - oder jede einzelne ihrer Sendungen wird kontrolliert. Das bedeutet, dass jedes Packstück im Rahmen der sicheren Lieferkette geröntgt oder auf andere Weise untersucht wird, bevor es an Bord einer Maschine gelangen kann. Die früher gegenüber einem Spediteur/ Reglementierten Beauftragten (RegB) gezeichneten Sicherheitserklärungen haben ihre Gültigkeit verloren. Von den schätzungsweise rund 60 000 in Deutschland ansässigen Exporteuren von Luftfracht hatten sich bis Mitte April lediglich gut 1000 Unternehmen beim LBA als BV zertiizieren lassen. Wie viele Anträge noch nicht abgearbeitet sind, ist der Redaktion nicht bekannt. Die Prüfung der Zertiizierungsanträge dauert bis zu ein Jahr. Für Verlader, die ihre Sendungen ausschließlich per Frachtlugzeug verschicken, gibt es jedoch eine Alternative. Sie können den ursprünglich auf Integrators ausgerichteten Sicherheitsstatus SCO (Secured for Cargo-Aircraft Only) nutzen. Dieser erfordert im Gegensatz zum BV keine aufwändige Zertiizierung durch das LBA. Mit dem Start schärferer Sicherheitsaulagen für Luftfrachtverlader akzeptiert nun auch Lufthansa Cargo Sendungen mit dem Status SCO. Bisher hatte das Frachtlugunternehmen es abgelehnt, SCO-Sendungen anzunehmen und zu befördern. Grund für den Sinneswandel bei Lufthansa Cargo: Der Kranich will „auch in Zukunft ein den Marktbedürfnissen gerecht werdendes Produktangebot“ anbieten können, heißt es in einem Schreiben an die Vertriebspartner. Würde Lufthansa Cargo am bisherigen Kurs festhalten, wären Aukommensverluste die Folge. Konkurrenten wie Emirates und Air France/ KLM hatten schon vorher angekündigt, SCO-Sendungen anzunehmen. Wer seine SCO-Fracht künftig Lufthansa Cargo anvertrauen will, muss sich vorab in puncto Sicherheit bewerten lassen. Zu diesem Zweck gibt das Unternehmen ein vom Urversender auszufüllendes Formblatt aus. Die Frachtluggesellschaft behält sich die Prüfung der Angaben in der Betriebsstätte des Urversenders vor, steht im Schreiben an die Vertriebspartner. Große Hofnung setzt Lufthansa Cargo auf die Zulassung alternativer Methoden zur Beschleunigung der Überprüfung der Sendungen. Das gilt insbesondere für den Einsatz von Sprengstofspürhunden. Die ersten Hundestafeln sind Ende April zugelassen worden. (zp) Weitere Informationen: http: / / planet.lufthansa-cargo.com/ EN Foto: Fototeam stefan rebscher, Fraport Ag Foto: Kombiverkehr