eJournals Internationales Verkehrswesen 65/2

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0028
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2013
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Ist größer wirklich besser?

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2013
Werner Balsen
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Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 17 Ist größer wirklich besser? D ie Wirtschaft wird gelegentlich mit einem Zweirad verglichen: Bleibt es stehen, fällt es um. Das Bild dient als eingängige Erklärung dafür, warum die Ökonomie in Bewegung bleiben, sprich: wachsen muss. Das gilt für die Volkswirtschaft ebenso wie für Unternehmen. Auch Transport- und Logistikirmen stehen deshalb unter dem Zwang zum stetigen Wachstum - zum „Immer größer, länger und schwerer“. Darum ging es in diesem Frühjahr gleich bei zwei Konferenzen in Brüssel. Die eine beschäftigte sich mit immer größeren Containerschifen. Solchen, die mehr als 18.000 Twenty-foot-equivalent-Units (TEU) über die Meere bringen können und dadurch die Transportkapazität eines einzigen Ozeanriesen deutlich steigern. Das Gros der Containerschife bringt es derzeit auf klar weniger als 15.000 TEU. Bei der anderen Konferenz diskutierten die Teilnehmer die Forderung, auf der Schiene 1500 m lange Güterzüge einzusetzen. Die wären mehr als doppelt so lang wie die meisten, die heute in Europa unterwegs sind. Ein verblüfendes Element beider Veranstaltungen war, dass sich jeweils mehr Skeptiker als Befürworter des „Größer, länger, schwerer“ zu Wort meldeten. Das ist umso bemerkenswerter, als die Bedenkenträger keineswegs der romantischen „Small is beautiful“-Fraktion angehören, sondern als Logistiker durchgehen oder als Wissenschaftler der Transportbranche nahestehen. Die 18.000-TEU-Schife bescheren ihren Reedern eine ganze Reihe von Vorteilen, und sie können die (See-)Transportkosten eines Containers deutlich senken. Bedenken müssen beim Blick auf Häfen und Terminals kommen. In vielen Ports muss eine Menge Geld in die Hand genommen werden, um sie für die neue Generation von Schifen tauglich zu machen. Die Spanne möglicher Aufgaben reicht von der Vergrößerung der Hafenbecken über die Anschafung stärkerer Schleppboote bis zum Kauf weiterer Containerbrücken und Lagerlächen, um der größeren Umschlagmenge Herr zu werden. Denn die Reeder werden wenig Lust haben, die Kostenvorteile, die ihnen ihre Großschife auf See bescheren, im Hafen wieder einzubüßen, nur weil ihre Riesen dort beim Manövrieren und beim Umschlag der Containerboxen viel Zeit verlieren. Die Investitionen kosten Geld, und das werden sich die Hafengesellschaften über höhere Gebühren zurückholen wollen. Die aber Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN werden sich beim Weitertransport in steigenden Frachtraten niederschlagen. Deshalb wird der Containertransport über die gesamte Logistikkette nicht - oder etwas vorsichtiger: nicht nennenswert - preisgünstiger. Mit anderen Worten: Der Endkunde hat von den 18.000 TEU-Schifen nichts oder zumindest nicht viel. Das größte Problem der Riesenschife besteht im Weitertransport der Containermengen ins Hinterland. An diesem Punkt geben die Ausrichter der zweiten Konferenz vor, das Patentrezept zu haben: die 1500-m-Güterzüge. Man muss kein notorischer Pessimist sein, um auch hierbei sofort auf eine Menge Probleme zu stoßen: Reichen für diese Langzüge die gängigen Waggonkupplungen? Schafen sie alle bestehenden Steigungen ohne teure Zusatztraktion? Auf den meisten Strecken dürften die Überholungsgleise nicht lang genug sein. Zu kurz sind in aller Regel auch die Blockabstände zwischen Signalen, zu kurz die Gleise in Terminals und Rangierbahnhöfen. Die Hinweise lassen die Höhe der Investitionen bereits erahnen, die notwendig sein werden, bevor die Langen zu Regelzügen auf europäischen Schienen werden. Optimisten werden diesen Bedenken entgegenhalten, dass sich Größe schon durchsetzen werde. Sie könnten auf den Flugzeugriesen A 380 verweisen, für den die erforderliche Infrastruktur schnell geschafen war, nachdem die Fluggesellschaften dessen Wirtschaftlichkeit (für sie! ) eindringlich betont hatten. Hier aber geht es um die Eisenbahn. Um ein System, das immer wieder zeigt, wie resistent es ist gegen rasche Änderungen. So will die EU-Kommission seit langem 750-m-Güterzüge auf den wichtigsten Verbindungen in Europa zum Standard erheben. Sie scheitert damit bis heute. Die Containermengen, die 18.000 TEU-Schife in die Häfen schafen werden, sind via Schiene kaum mehr zeitnah und eizient ins Hinterland zu schafen. Folge wird eine - politisch nicht erwünschte und gesellschaftlich teure - Verlagerung der Transporte auf die Straße sein, ohne dass deren Ausbau Schritt hält mit dem Verkehrsaukommen. „Größer, länger, schwerer“ - vorläuig spricht viel dafür, dem Trend zurückhaltend zu begegnen. Das belegt im Übrigen eine Studie der Universität Antwerpen. Sie deiniert mit Blick auf die gesamte Logistikkette die optimale Größe von Containerschifen bei maximal 12.500 TEU. ■