eJournals Internationales Verkehrswesen 65/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0029
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»Die maritime Logistik wird anspruchsvoller – und effizienter«

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Sebastian Doderer
Die deutschen Seehäfen spüren die Marktschwäche weltweit und in Europa mehr oder weniger stark. Vielfach gab es Überkapazitäten, Fracht- und Containerraten brachen ein und auch in Hamburg als größtem Seehafen Deutschlands wurden 2012 weniger Güter umgeschlagen als im Vorjahr. Wie steuert der Hafen dagegen? Welche Rolle spielen die aktuellen Infrastrukturprojekte dabei? Und wie wirken sich die politischen Rahmenbedingungen aus? Ein Gespräch über Entwicklung und Zukunftsperspektiven mit Sebastian Doderer, Leiter Projektentwicklung bei Hamburg Hafen Marketing.
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Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 18 »Die maritime Logistik wird anspruchsvoller - und effizienter« Die deutschen Seehäfen spüren die Marktschwäche weltweit und in Europa mehr oder weniger stark. Vielfach gab es Überkapazitäten, Fracht- und Containerraten brachen ein und auch in Hamburg als größtem Seehafen Deutschlands wurden 2012 weniger Güter umgeschlagen als im Vorjahr. Wie steuert der Hafen dagegen? Welche Rolle spielen die aktuellen Infrastrukturprojekte dabei? Und wie wirken sich die politischen Rahmenbedingungen aus? Ein Gespräch über Entwicklung und Zukunftsperspektiven mit Sebastian Doderer, Leiter Projektentwicklung bei Hamburg Hafen Marketing. Herr Doderer, die Flaute beim seeverkehr scheint noch eine weile anzuhalten. wie stellt sich die situation gerade für den Hamburger Hafen dar? Wir sprechen aktuell von einer Seitwärtsbewegung des Marktes, womit wir ein stabiles Geschäft auf relativ hohem Niveau meinen. Im vergangenen Jahr haben wir 131 Mio. Tonnen Ladung umgeschlagen, immer noch doppelt so viel wie in den Neunzigerjahren, das sollte man nicht vergessen. Unsere Anlagen und Verkehrswege sind damit gut ausgelastet, ohne aber in die Gefahr von Engpässen zu kommen. Die Rahmenbedingungen sind zurzeit nicht einfach: Auf der einen Seite wurde durch massive Investitionen in verschiedene Standorte an der Nordseeküste eine Hafen-Überkapazität geschafen. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Transporten langsamer, als man es bei der Planung dieser Investitionen erwartet hatte. Die Gründe dafür sind vielschichtig, das hat nicht nur mit der aktuellen volkswirtschaftlichen Situation in Europa zu tun. Unterm Strich kann man glaube ich sagen, dass unsere Strategie des behutsamen Ausbaus bisher aufgegangen ist. Für die Zukunft richten wir den Hafen Hamburg als „Smart Port“ nach den strategischen Leitlinien Wertschöpfung, Umschlag, Qualitätsführerschaft und Umwelt aus. wirkt sich in dieser Lage für sie aus, dass zum beispiel mit Fernost Hafenkapazitäten ofenbar weiterhin massiv ausgebaut werden sollen? Mit den Häfen in Fernost stehen wir ja in keinem echten Wettbewerb, weil wir ganz unterschiedliche Einzugsbereiche haben. Foto: HHM LOGISTIK Interview Sebastian Doderer Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 19 Vielmehr sind sie wichtige Partner in der Logistikkette, mit denen wir in vielen Bereichen eng kooperieren. Nicht zuletzt aufgrund des starken Wachstums im innerasiatischen Handel müssen die dortigen Häfen natürlich auch kapazitiv angepasst werden. Für uns heißt das, dass in Asien die Voraussetzungen für wachsende Transportmengen - auch im Verkehr mit Europa - geschafen werden. einige reeder setzen auf größere unternehmenseinheiten durch Übernahmen oder Fusionen, andere auf weniger, dafür größere schife. Hat also die elbvertiefung weiterhin hohe Priorität? Für die Reeder geht es darum, den Kunden ein attraktives Produkt zu bieten. Dabei sind unterschiedliche Geschäftsmodelle möglich, die ich nicht bewerten kann und will. Die Schifsgrößenentwicklung ist aber eine Tatsache, die unabhängig von Bewegungen auf dem Schiffahrtsmarkt stattindet. 2007 hatten wir die ersten Schife mit 10 000 TEU Tragfähigkeit im Hafen, vor kurzem haben wir bereits eines mit 16 000 TEU in Hamburg getauft. Und die Schife werden nicht nur bei einigen wenigen Reedern größer, sondern das ist eine allgemeine Entwicklung. Hamburg will für seine Kunden ein attraktiver Standort bleiben. Dafür ist die Fahrrinnenanpassung notwendig. Im Hafen selbst wurden die Voraussetzungen zum Abfertigen der größten Schife bereits geschafen. was kann und will der Hamburger Hafenin dieser situation tun, um die maritime wirtschaft weiter zu unterstützen? Wir werden als Premium-Standort wahrgenommen und wollen das auch langfristig sicherstellen. Dazu gehört, dass alle benötigten logistischen Dienstleistungen hochwertig und zuverlässig verfügbar sind. Eine leistungsfähige Infrastruktur bildet dafür die Grundlage: Die Hamburg Port Authority investiert mehrere hundert Millionen Euro, um neue Brücken, Schleusen und Schienen zu bauen. Diese ganzen Maßnahmen inden bei laufendem Betrieb statt, und ich inde es schon bemerkenswert, dass es dabei zu keinen nennenswerten Beeinträchtigungen kommt. Zu Beginn des Jahres haben wir unseren Freihafen abgeschaft und damit an den ehemaligen Kontrollstellen Nadelöhre für den Straßengüterverkehr beseitigt. Ein modernes Management der Informations- und Güterlüsse verbessert die Planbarkeit und Eizienz der Transporte. Kunden können z.B. online überprüfen, ob ihre Waren per Bahn pünktlich im Hafen angekommen bzw. abgefahren sind. Unsere Hafenarbeiter sind qualiiziert und motiviert: Das erwähnte 16 000-TEU-Schif kann in nur 16 Stunden abgefertigt werden! ein wichtiger Punkt ist auch die enge Zusammenarbeit mit anderen seehäfen und mit binnenhäfen... Wir vernetzen unsere Standorte, um lexibel und unbürokratisch auf die Wünsche der Kunden reagieren zu können. Die Hafenkooperation an der Unterelbe ist hierfür ein gutes Beispiel. Aber auch mit dem weiteren Einzugsbereich arbeiten wir inhaltlich zusammen: Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise mit Partnern aus Bayern Maßnahmen entwickelt, wie der Bahnanteil im Hinterlandverkehr gesteigert werden kann. In diesem Projekt „Hafen Hamburg 62+“ ist es gelungen, Kunden, Politik und Transportwirtschaft an einen Tisch zu bringen und gezielt Optimierungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Das lief richtig gut, mittlerweile fahren fünf zusätzliche Containerzüge zwischen Nürnberg, München und Hamburg. Von attraktiven Bahnverbindungen proitieren ja alle Seiten: die Kunden, die eine schnelle und preisgünstige Anbindung an den Hafen haben, die Inlandterminals, die sich zu modernen Logistikstandorten entwickeln, und der Hafen, weil man mit Blockzügen ein 16 000-TEU-Schif einfach eizienter abfertigen kann. Deswegen wollen wir dieses Konzept auch mit weiteren Partnerregionen fortsetzen. Der bund stellt in den nächsten Jahren rund 60 Mio. eur für die Förderung der schiffahrt bereit. was erhofen und erwarten sie sich konkret? Die Investitionen in den Hamburger Hafen tätigen wir ja größtenteils mit Landesmitteln, da muss sich der Bund gar nicht beteiligen. Ansonsten sind der Nord-Ostseekanal mit den Schleusen Brunsbüttel und Kiel sowie die Fahrrinnenanpassung der Unterelbe seeseitig sicherlich die wichtigsten Maßnahmen. Landseitig bekommen wir mit dem dritten Gleis zwischen Lüneburg und Stelle gerade die dringend benötigte Kapazitätserweiterung für die Bahn gebaut. Der Ausbau des Ostkorridors über Stendal, Magdeburg, Reichenbach und Hof nach Regensburg ist auch teilweise schon im Bau. Wenn nun noch die Mittel- und Oberelbe für die Binnenschiffahrt instand gesetzt würde, würden wir, glaube ich sehr gut dastehen und könnten unseren angestrebten Modal Split von 5 % Binnenschif und jeweils 47,5 % Bahn und LKW im Container-Hinterlandverkehr verwirklichen. sehen sie da die Politik auf Ihrer seite? Ich muss sagen, dass den meisten Politikern, die ich getrofen habe, die Bedeutung der Seehäfen durchaus bewusst ist. Wir wickeln den Handel ja nicht nur für Hamburg ab, sondern für Kunden aus halb Europa. Manchmal würde ich mir wünschen, dass die getätigten Anstrengungen zur Steigerung der Eizienz und Umweltverträglichkeit noch etwas mehr Beachtung fänden. Und dass in einigen Diskussionen mehr Sachlichkeit Einzug indet, z.B. wenn es um die dirigistische Beeinlussung der Standortwahl geht. Logistik ist doch Teil der freien Wirtschaft, hier entscheiden Angebot und Nachfrage. Stellen Sie sich einmal vor, die Rheinland-Pfälzer würden gezwungen, zweimal im Jahr den Vergnügungspark Nürburgring zu besuchen, nur weil ihre Landesregierung dort viel Geld verbaut hat. Genauso sollten wir uns hüten, der Transportwirtschaft die Nutzung bestimmter Häfen vorzuschreiben. Ein gesunder Wettbewerb ist meiner Meinung nach die beste Voraussetzung für die Attraktivität des Logistik-Standortes Deutschland. und welche entwicklung sehen sie mittelfristig für die maritime wirtschaft? Schwer zu sagen, da steckt zurzeit viel Unsicherheit drin. Vieles hängt von der Entwicklung in Fernost ab, für uns in Hamburg natürlich auch von Osteuropa. Insgesamt bin ich zuversichtlich, dass der Welthandel sich positiv entwickelt. Allein die BRICS- Staaten haben ein ungeheures Potenzial, das sehen wir gerade in Brasilien, wo wir unser Engagement vergrößern wollen. Natürlich wird sich die Logistik verändern, sie wird noch anspruchsvoller und eizienter werden. Ich glaube, dass die maritime Wirtschaft mit den Seehäfen hier eine wichtige Funktion haben wird. Das wird eine interessante und sicherlich auch faszinierende Entwicklung, auf die ich mich freue! ■ Sebastian doderer ist Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Logistik. Er kam 2007 zum Hafen Hamburg Marketing e.V.und war zunächst für die Analyse des Hinterlandverkehrs zuständig. Seit 2008 betreut er die internationalen Kooperationsprojekte des Vereins, seit Anfang 2011 leitet er die Abteilung Projektentwicklung. doderer@hafen-hamburg.de Zur PerSON Der Verein für Hafenmarketing wurde im Februar 1985 unter dem Namen Hafen Hamburg Verkaufsförderung und Werbung e.V. gegründet und übernahm die Aufgaben der früheren Hauptabteilung II des Unternehmensverbands Hafen Hamburg - Der Generalvertreter. Aktuell gehören dem Verein Hafen Hamburg Marketing e.V. rund 290 Unternehmen der Seeverkehrs-und Hafenwirtschaft, der Industrie- und Logistikbranche sowie weitere Dienstleister, Institutionen und Verbände als Mitglieder an. Zu HAFeN HAMBurG MArKeTING