eJournals Internationales Verkehrswesen 65/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0037
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Feste Fehmarnbeltquerung nimmt Gestalt an

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Steen Lykke
Eine feste Direktverbindung zwischen Deutschland und Dänemark entlang der kürzesten Strecke, der „Vogelfluglinie“ zwischen der Ostseeinsel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland, zählt zu einer lang gehegten europäischen Vision.
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Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 40 Feste Fehmarnbeltquerung nimmt Gestalt an Eine feste Direktverbindung zwischen Deutschland und Dänemark entlang der kürzesten Strecke, der „Vogelluglinie“ zwischen der Ostseeinsel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland, zählt zu einer lang gehegten europäischen Vision. Der Autor: Steen Lykke A ls größtes Infrastrukturprojekt Nordeuropas soll die Feste Fehmarnbeltquerung neue Wege zwischen den europäischen Nachbarn entlang dieser Route eröfnen. Geplant ist ein 17,6 km langer Absenktunnel für den kombinierten Schienen- und Straßenverkehr, der ab 2021 Skandinavien und Kontinentaleuropa miteinander verbinden wird. Bereits am 3. September 2008 haben das Königreich Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland in einem Staatsvertrag die Rahmenbedingungen für den Bau einer Festen Querung über den Fehmarnbelt festgelegt. Die Entscheidung über die Form des Bauwerks iel jedoch erst im Februar 2011. Zu diesem Zeitpunkt sprach sich der dänische Verkehrsminister auf Empfehlung von Femern A/ S, dem federführenden dänischen Planungs- und Bauunternehmen, für einen Absenktunnel als bevorzugte technische Lösung aus. Vorherige umfangreiche Umwelt- und geotechnische Untersuchungen an Land und zu Wasser hatten ergeben, dass ein Absenktunnel während der Bau- und Betriebsphase die beste und sicherste Lösung darstellt. Kurz nach dem Beschluss zugunsten des Absenktunnels wurde im Mai 2011 auch die Entscheidung über den Standort der Produktionsstätte für die Tunnelelemente gefällt. Diese sollen in unmittelbarer Nähe der Tunnelmündung auf dänischer Seite (Bild 1) in Rødbyhavn hergestellt werden. Bauwirtschaft zeigt großes Interesse Mit der detaillierten Ausarbeitung der technischen Planung konnte Femern A/ S auch die Vorbereitung der internationalen Ausschreibung der großen Bauaufträge für den Absenktunnel in Angrif nehmen. INFrASTruKTur Fehmarnbelttunnel Bild 1: Illustration des Fehmarnbelttunnels auf dänischer Seite. (Alle Graiken: Femern A/ S) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 41 Nachdem sich bis Januar 2013 verschiedene Bauunternehmen aus aller Welt zuerst einmal um die Präqualiikation für den Tunnelbau bewerben konnten, steht die damit verbundene Evaluation ihrer fachlichen und inanziellen Leistungsfähigkeit kurz vor dem Abschluss. Bereits jetzt ist klar, dass innerhalb der internationalen Bauwirtschaft großes Interesse an den vier Bauaufträgen für den Fehmarnbelttunnel besteht. Insgesamt haben 24 verschiedene Unternehmen - aufgeteilt in neun unterschiedlichen Konsortien - die Gelegenheit genutzt und sich zur Präqualiikation für das Tunnelprojekt angemeldet. Die Unternehmen der neun Konsortien kommen aus Dänemark, Deutschland, Italien, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Südkorea. Darüber hinaus arbeiten Firmen aus Großbritannien und den USA mit einigen der Unternehmen in den Konsortien zusammen. Die Bewerbungen werden derzeit eingehend von Femern A/ S geprüft und voraussichtlich Ende Mai fällt die Entscheidung, welche Unternehmen präqualiiziert sind und somit die fachlich-technischen und wirtschaftlichen Anforderungen erfüllen. Alle präqualiizierten Unternehmen werden eingeladen, sich mit einem konkreten Angebot an der im Laufe des Jahres 2013 erfolgenden Ausschreibung der vier Bauaufträge zu beteiligen. Diese teilen sich auf in • Vertiefung des Meeresbodens und Landgewinnung, • Bau des nördlichen Teils des Tunnels, • Bau des südlichen Teils des Tunnels und • Bau von Portalbauten, Rampen und Hinterlandanbindungen. Eine Unterzeichnung der entsprechenden Verträge wird für Frühjahr 2015 erwartet. Zwei Länder, zwei Genehmigungsverfahren Vor Beginn der Bauarbeiten muss das Projekt in Deutschland und Dänemark die jeweiligen nationalen Genehmigungsverfahren durchlaufen. Nach Abschluss aller Untersuchungen steht die Ausarbeitung der Planungsunterlagen nun kurz vor dem Abschluss. Auf deutscher Seite sollen die entsprechenden Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren im Sommer 2013 den Planungsbehörden übergeben werden, deren Planfeststellungsbeschluss Anfang 2015 erwartet wird. Parallel dazu wird in Dänemark die Umweltverträglichkeitsstudie veröfentlicht. Nach der anschließenden öffentlichen Anhörungsphase ließen alle Unterlagen und Stellungnahmen in ein Weißbuch ein und werden dem dänischen Parlament (Folketinget) übergeben. Dieses wird, als letzten Schritt im dänischen Genehmigungsverfahren, voraussichtlich um den Jahreswechsel 2014/ 2015 ein Baugesetz beschließen. Nach derzeitigem Stand kann dann - nach Projektgenehmigung und Unterzeichnung der Bauverträge - bereits Mitte 2015 der erste Spatenstich erfolgen. Die Eröfnung der Festen Fehmarnbeltquerung ist für Ende 2021 vorgesehen. Bauphase mit geringen umweltauswirkungen Der Bau eines Absenktunnels unter dem Fehmarnbelt stellt einen Weltrekord dar: Konstruktion und Bauverfahren sind bekannt, der Umfang des Tunnels und die Tiefe des Belts stellen anspruchsvolle aber beherrschbare Herausforderungen dar. Der Tunnel besteht aus 79 ungefähr 200 Meter langen Standard- und etwa 10 Spezialelementen, die ca. alle 1,8 Kilometer eingesetzt werden. Die Tunnelelemente werden in großen Produktionsstätten an Land unter kontrollierten Bedingungen gefertigt, wiegen jeweils etwa 70.000 Tonnen und sind damit gerade noch schwimmfähig. Sie werden zur Tunnellinie transportiert und dort nacheinander in einem zuvor ausgehobenen Graben versenkt und miteinander verbunden. Wenn die Elemente platziert sind, werden sie mit einer etwa 1,2 Meter starken Gesteinsschicht abgedeckt, um sie vor Schäden durch sinkende Schife oder Schifsanker zu schützen (Bild 2). Nach einigen Jahren hat sich dann wieder ein natürlicher Meeresboden gebildet. Das Konzept der Spezialelemente ist neu in der Absenktunneltechnik. Das Verfahren hat mehrere Vorzüge: Die gesamte mechanische und elektrische Ausrüstung, die Platz und Wartung erfordert, ist in den Spezialelementen untergebracht. Auf diese Weise können die Standardelemente (Bild 3) technisch einfacher gestaltet werden und eignen sich somit besser für die Serienfertigung. Die Spezialelemente sind breiter als die Standardelemente, da sie neben dem Standstreifen auch Platz für Nischen bieten, in denen Service- und Rettungsfahrzeuge parken können, ohne dass der Straßenverkehr gestört wird. Die Bodenverhältnisse im Fehmarnbelt sind sehr komplex. Das macht das Ausheben des Tunnelgrabens zu einer Herausforderung, da für verschiedene Bodenarten unterschiedliche Ausrüstung - so etwa Löfel-, Greif- und Saugbagger - eingesetzt werden muss. Um Platz für den Tunnel zu schafen, müssen große Mengen Bodens ausgehoben werden. Die vorläuigen Prognosen belaufen sich auf etwa 15,5 Millionen Kubikmeter. Das Aushubmaterial kann beim Bau wiederverwendet werden, beispielsweise zum Auf- • Mit fast 17,6 km ist der Fehmarnbelttunnel der weltweit längste kombinierte Auto- und Eisenbahntunnel • Bei der Geschwindigkeit von 110 km/ h für die Autofahrer, 140 km/ h Güterzüge bzw. 200-km/ h Personenzüge wird die Passage des Tunnels auf nur wenige Minuten verkürzt • In getrennten Röhren besteht der Tunnel aus einer vierspurigen Autobahn mit Standstreifen und einer zweigleisigen elektriizierten Eisenbahnstrecke • Durch die FFBQ werden rund 160 km auf der Strecke von Hamburg nach Kopenhagen anstatt wie bisher über den Großen Belt eingespart • Die Überfahrt soll durch einen einzigartiges Design, Beleuchtung und Animationen zum Erlebnis werden • Die Sicherheit wird durch Standspuren im gesamten Tunnel, Notausgänge alle 108 Meter sowie durchgehende Feuerisolierung und Brandschutzanlagen gewährleistet. Zusätzlich sollen die automatischen Lüftungsanlagen für gute Luftqualität sorgen • Die Nutzungsdauer des Tunnels wird auf über 120 Jahre ausgelegt, wobei die Rückzahlungsdauer für den Abschnitt von Tunnelmündung zu Tunnelmündung 33 Jahre betragen wird stIcHworte ZuM FeHMArnbeLttunneL gesamtlänge 17,6 km Anzahl standardelemente 79 Anzahl spezialelemente etwa 10 Maximales elementgewicht 73.500 t tunnelelementlänge (Standard und Spezial) 217 m tunnelquerschnitt - Standardelement (Höhe × Breite) 8,9 m × 42,2 m tunnelquerschnitt - Spezialelement (Höhe × Breite) 45,0 × 13,1 m Aushubmenge 15,5 Mio. m 3 ZAHLen unD FAKten ZuM AbsenKtunneL INFrASTruKTur Fehmarnbelttunnel Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 42 schütten künstlicher Halbinseln oder Deiche. Der Aushub erfolgt voraussichtlich mit Baggern, die das Aushubmaterial auf Kähne verladen. Die Kähne befördern das Material zu den Stellen, an denen es gelöscht und verbaut werden soll. In jedem Fall werden die Bauarbeiten am Absenktunnel nur zu einer temporären Umweltbeeinträchtigung führen, da dieser anschließend vollständig unter dem Meeresboden verläuft. Kosten & Finanzierung Die gesamten Baukosten für den geplanten Tunnel belaufen sich auf 5,5 Mrd. EUR. Im Staatsvertrag hat sich Dänemark dazu verplichtet, die alleinige Verantwortung für die Finanzierung des Projekts zu übernehmen. Dies geschieht durch die Aufnahme von Krediten, die durch dänische Staatsbürgschaften abgesichert sind. Die Reinanzierung erfolgt durch die Einnahmen aus den Mautgebühren. Die Feste Fehmarnbeltquerung ist somit ein rein durch die Nutzer und nicht durch Steuergelder inanziertes Projekt. Hiervon ausgenommen sind nur die Hinterlandanbindungen beider Länder, die als eigenständige Projekte direkt der Verantwortung des jeweiligen Staates unterliegen, wobei die dänische Hinterlandanbindung ebenfalls über die Mauteinnahmen der Festen Fehmarnbeltquerung inanziert wird. die Perspektive: Stärkere Anbindung Skandinaviens an Kontinentaleuropa Zusammengenommen werden die Anstrengungen Dänemarks sowie Deutschlands helfen, die strategischen verkehrspolitischen Ziele der Europäischen Union zu erreichen. Eines dieser Ziele ist die Umwandlung des vorhandenen Stückwerkes europäischer Verkehrswege in ein vereintes, qualitativ hochwertiges Kernverkehrsnetz, das dem erwarteten kontinuierlich ansteigenden Verkehrsaukommen gerecht wird. Daher ist die Feste Fehmarnbeltquerung auch Teil des transeuropäischen Verkehrsprogramms (TEN-V) und, laut Einschätzung der Experten, für nachhaltiges Wachstum, Wettbewerb und vielfältiges Marktpotenzial sowohl in als auch zwischen den großen Metropolregionen Hamburg und Kopenhagen-Malmö mitentscheidend. Während heute die Querung über den Großen Belt im Westen und die Querung über den Öresund im Osten die wichtigsten Verkehrskorridore bilden, wird nicht nur Dänemark sondern ganz Skandinavien durch die Feste Fehmarnbeltquerung im Süden stärker an Deutschland und somit in den europäischen Binnenmarkt eingebunden. Im Hinblick auf die Fahrtzeiten werden Reisende auf der Strecke von Hamburg nach Kopenhagen mindestens eine Stunde gegenüber der derzeitigen Fährverbindung sparen. Auch für den Güterverkehr an Land wird sich der bisherige Umweg über Jütland und den Großen Belt um rund 160 Kilometer bzw. ganze zwei Stunden verringern. Durch die Querung werden sich viele neue Möglichkeiten für grenzüberschreitenden Handel, Tourismus und Forschung bieten. Nach aktuellem Zeitplan können die über neun Millionen Menschen in der Fehmarnbeltregion, sowie ganz Europa, bereits ab 2021 vom Zusammenschluss der skandinavischen Halbinsel und Kontinentaleuropa proitieren. ■ Steen Lykke ist Technischer Direktor bei Femern A/ S, Kopenhagen sly@femern.dk Bild 3: Standard-Tunnelelement im Detail. Bild 2: Der Absenktunnel der Fehmarnbeltquerung im Querschnitt.