Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0045
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Innovativer Eisenbahngüterwagen 2030
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Markus Hecht
Der technische Innovationskreis Schienengüterverkehr stellt sich der Aufgabe, den Schienengüterverkehr
zu stärken und den Modal Split in tkm europaweit von heute 17% auf 25% in 2030 zu erhöhen, dies trotz
des Güterstruktureffektes. Kernthema ist der innovative Eisenbahngüterwagen. Ein Weißbuch dazu wurde
auf der Innotrans 2012 vorgestellt. Die Arbeiten entwickeln sich entsprechend dem dort aufgeführten
Terminplan weiter.
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Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 64 Innovativer Eisenbahngüterwagen 2030 Der technische Innovationskreis Schienengüterverkehr stellt sich der Aufgabe, den Schienengüterverkehr zu stärken und den Modal Split in tkm europaweit von heute 17% auf 25% in 2030 zu erhöhen, dies trotz des Güterstrukturefektes. Kernthema ist der innovative Eisenbahngüterwagen. Ein Weißbuch dazu wurde auf der Innotrans 2012 vorgestellt. Die Arbeiten entwickeln sich entsprechend dem dort aufgeführten Terminplan weiter. Der Autor: Markus Hecht D ie Vorteile des Schienengüterverkehrs wie Zero Emission bei Bahnen mit ausschließlicher Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen wie Finnland, Norwegen und Schweden [1] oder geringe Treibhausgasemission selbst in Ländern mit vorwiegender Verstromung fossiler Brennstofe, z. B. Deutschland mit 22 g CO 2 / tkm [2] oder Tschechien mit 31 g CO 2 / tkm [3] gegenüber rund 100 g CO 2 / tkm beim LKW [3] sind bekannt. Sie genügen bei weitem nicht, um seine Nachteile zu kompensieren und die schon oft geforderte Renaissance der Schiene einzuleiten. Auch die gegenüber dem LKW deutlich geringeren Treibstokosten sind nicht ausreichend. Der Güterstrukturefekt mit dem Wegfall bahnainer Massengüter wird ohne Gegenmaßnahmen die Konkurrenzfähigkeit weiter verschlechtern. In dieser Situation setzt der Technische Innovationskreis Schienengüterverkehr an. Er besteht europaweit aus Mitgliedern der relevanten Partner: versendende Industrie, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Wagenhalter, Waggonbauer, Zulieferer und der Wissenschaft. Der Güterwagen ist als Kernelement des Innovationsbedarfes identiiziert. Durch die bisherige Fixierung allein auf einen tiefen Beschafungspreis konnte der Güterwagen an der notwendigen technischen Weiterentwicklung bisher nicht teilhaben und bremst den Güterverkehr als Ganzes. Der innovative Güterwagen ermöglicht und initiiert die Optimierung des Gesamtprozesses. Die 5 L: Leise, Leicht, Laufstark, Logistikfähig und LCC-orientiert zeigen die Entwicklungsrichtung auf (Bild 1). Wachstumsfaktoren Leise bedeutet eine signiikante weitere Lärmminderung, nach der K-Sohle, die ähnlich der Methoden im Flugzeugbau weitgehend kostenneutral erfolgen muss. Um eine genügende Situation zu erhalten, muss zukünftig natürlich auch an den Triebfahrzeugen und vor allem am Gleis eine signiikante Lärmminderung erfolgen. Der Wagen soll bis 2030 um weitere 7 dB Foto: ? ? ? ? ? TeCHNOLOGIe Güterverkehr Foto: Jochen Schmidt/ Deutsche Bahn Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 65 Arbeitsfortgang Fünf Arbeitsgruppen bereiten die Umsetzung der Ziele vor. Es sind dies die Arbeitsgruppen Informationstechnik, Drehgestelle, Kosten-Nutzenrechnung, Kupplung, Logistik und Leichtbau. Ziel ist durch Modularität sowohl größtmögliche Individualität an spezielle Bedürfnisse zu erzielen, aber auch größtmögliche Stückzahlnutzenefekte sowohl in der Beschafung als auch im Betrieb zu vereinbaren. Nach den bisherigen vier Jahren Arbeit sind ab 2014 die ersten Umsetzungsprojekte vorgesehen. ■ LIterAtur [1] Railway Handbook 2012, Energy Consumption and CO2 Emissions, UIC, Paris, 2012 [2] http: / / www.deutschebahn.com/ contentblob/ 2179494/ nachhaltigkeitskennzahlen_2010/ data.pdf [3] Bretzke, W.-R.; Barkawi, K.; Sustainable Logistics, Springer Verlag, 2013 [4] König, R; Hecht, M.; Hüllen, Redecker, M; Obrenovic, M.; Fricke, E.; Mues, J.; Häusermann, M.; Heyder, B.; Haas, S.; Walter, M.; Runkel, G.H.; Theis, M.; Helm, A. Otto, M.; Weissbuch Innovativer Eisenbahngüterwagen 2030, „Die Zukunftsinitiative 5 L als Grundlage für Wachstum im Schienengüterverkehr“, TU Dresden 2012, http: / / tu-dresden.de/ die_tu_dresden/ fakultaeten/ vkw/ ibv/ bsr/ eisenbahngueterwagen2030 gegenüber heutigen Grenzwerten leiser werden. Leicht heißt zum einen eine Erhöhung der Tragfähigkeit des Wagen, aber auch eine Verbesserung des Nutzlastverhältnisses vor allem bei leichten Gütern wie Halbfertigprodukten und Konsumgütern (Bild 2). Insbesondere soll den immer leichteren Gütern durch bessere Ausnutzung des Lichtraumproils mehr Laderaum geboten werden. Durch Streckenausbauten vergrößern sich die verfügbaren Lichtraumproile kontinuierlich. Beispielsweise weisen GC-Wagen einen doppelten Ladequerschnitt gegenüber Standardcontainern auf, während die heute vorhandenen Wagen sich weitgehend nur am G1-Proil orientieren und nur etwa 25 % Querschnittsgewinn zum ISO- Container aufweisen. Ein Zug mit GC-Wagen kann so doppelt so produktiv sein wie ein gleichlanger Containerzug mit Standard ISO-Containern. Laufstark bedeutet eine Erhöhung der jährlichen Lauleistung, Erhöhung der Zuverlässigkeit und Verringerung der Stillstandszeiten und damit eine erhebliche Produktivitätssteigerung je Wagen. Es geht nicht um eine Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit. Auch die betrieblichen Prozesse wie Zugbildung einschließlich Bremsprobe müssen erheblich beschleunigt werden. Diagnose für Güterwagen muss zielführend eingesetzt werden. Nicht abschließend geklärt ist heute, ob die automatische Kupplung einen substantiellen Nutzen bringen kann und wie die Migration erfolgen muss. Da die Kosten des Wagens zeitabhängig sind, die Erträge jedoch entfernungsabhängig, wird eine mittlere Erhöhung der jährlichen Transportleistung um 30 % bis 2030 für notwendig erachtet. Logistikfähig betrift die Verknüpfung von Industrie- und Transportlogistik vor allem durch vereinfachte und beschleunigte Ladevorgänge. Der Güterwagen bedient die Schnittstelle dieser beiden Prozesse (Bild 3). LCC orientiert bedeutet, den Fokus nicht allein auf die Beschafungs- und Instandhaltungskosten des Wagens zu legen, sondern auch den Nutzen von Innovationen zu berücksichtigen (Bild 4). Eine höhere Funktionalität des Wagens führt unvermeidbar zu höheren Beschaffungskosten, z. B. für eine Einrichtung zur Durchführung einer automatischen Bremsprobe. Diese Kosten müssen dann aber zur betrieblichen Beschleunigung, z. B. dem Verkürzen der Dauer der Bremsprobe führen. Die Stromversorgung für Informationstechnik ist ein bisher ungenügend gelöstes Problem. Bild 3: Der Eisenbahngüterwagen als Element der Logistik [4] Bild 4: Höhere Beschafungskosten bei niedrigeren Betriebskosten müssen insgesamt nach kurzer Vorlaufzeit zu einer wirtschaftlich günstigeren Situation führen [4] Markus Hecht, Prof. Dr.-Ing. Geschäftsführender Direktor, Institut für Land- und Seeverkehr, TU-Berlin markus.hecht@tu-berlin.de Bild 1: Wachstumsfaktoren für den Schienengüterverkehr [4] Bild 2: Die auf dem Europäischen Festland heute weit verbreiteten Fahrzeugproile [4]
