eJournals Internationales Verkehrswesen 65/2

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0046
61
2013
652

Parken via Satellit

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2013
Elmar Pfannerstill
Andy  Apfelstädt
Die Überbelegung von LKW-Parkplätzen an Bundesautobahnen stellt trotz fortschreitenden Ausbaus weiterhin ein Problem dar. Unter erheblichem finanziellem Aufwand werden derzeit Kapazitäten erweitert, gleichzeitig könnten durchaus vorhandene, freie Kapazitäten besser genutzt werden, wenn die LKW- Fahrer davon zuverlässig Kenntnis hätten. Ein zentrales Problem stellt die Ungenauigkeit derzeitiger Fahrzeugdetektions- und Zählsysteme dar, sodass der Fokus im Bereich des sogenannten telematischen LKW-Parkens in der Verbesserung infrastrukturbasierter Erfassungssysteme liegt. Demgegenüber ist es grundsätzlich möglich, das in Deutschland verwendete, satellitengestützte Mautsystem, das die Positionsdaten eines jeden LKW zur Erhebung der Maut benötigt, auch zur Ermittlung der Auslastung von LKW- Parkplätzen zu nutzen.
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Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 66 TeCHNOLOGIe LKW-Logistik Parken via Satellit Nutzung des satellitengestützten LKW-Mautsystems zur Ermittlung des Belegungsgrades von Parkplätzen Die Überbelegung von LKW-Parkplätzen an Bundesautobahnen stellt trotz fortschreitenden Ausbaus weiterhin ein Problem dar. Unter erheblichem inanziellem Aufwand werden derzeit Kapazitäten erweitert, gleichzeitig könnten durchaus vorhandene, freie Kapazitäten besser genutzt werden, wenn die LKW- Fahrer davon zuverlässig Kenntnis hätten. Ein zentrales Problem stellt die Ungenauigkeit derzeitiger Fahrzeugdetektions- und Zählsysteme dar, sodass der Fokus im Bereich des sogenannten telematischen LKW-Parkens in der Verbesserung infrastrukturbasierter Erfassungssysteme liegt. Demgegenüber ist es grundsätzlich möglich, das in Deutschland verwendete, satellitengestützte Mautsystem, das die Positionsdaten eines jeden LKW zur Erhebung der Maut benötigt, auch zur Ermittlung der Auslastung von LKW- Parkplätzen zu nutzen. Die Autoren: Elmar Pfannerstill, Andy Apfelstädt A ls Resultat der Einführung der sog. „streckenbezogenen Schwerverkehrsabgabe“ in Deutschland (satellitengestützte LKW-Maut) ist der größte Teil der Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 12 t mit einer sog. On-board-Unit (OBU) ausgestattet. Zentrale Komponente der OBU ist ein GPS- Empfänger, mit dessen Hilfe eine Fahrzeug- Ortung mit einer Genauigkeit von meist besser als 10m durchgeführt werden kann. Weiterhin verfügt die OBU über Kommunikations-Schnittstellen, insbesondere ins Mobilfunknetz, um die für die Gebührenerhebung benötigten Daten zu übermitteln. Technisch kann diese Kommunikationsinfrastruktur also als Wegbereiter für Mehrwertdienste, die vom Transportgewerbe nachgefragt und von Serviceprovidern angeboten werden, genutzt werden. Das auf die Mauterhebung ausgerichtete Systemkonzept sieht derzeit derartige Aufgaben zunächst nicht vor; durch das Bundesfernstraßenmautgesetz (BF- StrMG) und dessen praktizierte Auslegung existieren rechtliche Hürden. Allerdings ist im „Masterplan Güterverkehr und Logistik“ der Bundesregierung vom Juli 2008 [1] und fortgeführt im aktuellen „Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“ vom November 2010 [2] die Einführung sog. „Verkehrsinformations- und Kommunikationsdienste für den LKW auf dem Autobahnnetz durch Nutzung der Mautinformationen (Mautmehrwertdienste)“ vorgesehen. Dabei wird explizit ausgeführt: „Dem Bund obliegt die Schafung der rechtlichen Rahmenbedingungen“ [1] und „Die Nutzung von Mautmehrwertdiensten soll unter Beachtung der Aulagen der EU-Kommission und des Autobahnmautgesetzes ermöglicht werden“ [2]. Zudem wird im aktuellen „Bericht zum Stand der Umsetzung des Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“ vom November 2011 darüber berichtet, dass „(…) Basisfunktionen wie die satellitengestützte Standortbestimmung oder der vorhandene Mobilfunk-Kommunikationskanal von Telematikanbietern für geeignete Dienste genutzt werden könnten“ [3]. So „steht das BMVBS einer solchen Nutzung der Mautsystem-Basisfunktionen positiv gegenüber und würde entsprechende Initiativen der Wirtschaft begrüßen“ [3]. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten zur Nutzung des Mautsystems, wie z. B. die Ermittlung der „LKW-Dichte“ in speziischen Bereichen wie Autobahn-Parkanlagen. Darauf aubauende Systemkonzepte mit allen Implikationen sind naturgemäß erst zu entwickeln. Bild 1 stellt die Struktur und das Zusammenwirken dieser Systemkomponenten dar. Im interdisziplinären Forschungsbereich „Innovative Verkehrssysteme und eiziente Logistiklösungen“ der Fachhochschule Erfurt wird derzeit das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt „TeleLaB - Telematische Lösungen zur Überbelegung von LKW-Parkplätzen an Bundesautobahnen“ bearbeitet. Dabei werden u. a. Konzepte zur sogenannten“ virtuellen Belegungsermittlung“ unter Nutzung der vorhandenen Systemkomponenten für die automatische LKW-Mauterhebung in Deutschland erarbeitet, von denen nachfolgend zwei Varianten vorgestellt werden. Foto: ? ? ? ? ? Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 67 Konzepte zur Nutzung des Mautsystems durch Mehrwertdienst Erweiterung der „Event-Detection“ und Anpassung der OBU-Arbeitsabläufe Grundsätzlich bietet die OBU mit der satellitengestützen Positionsbestimmung und der Kommunikation zwischen Zentrale und Fahrzeug (GSM/ GPRS) sowie im Nahbereich (DSRC IR, DSRC µ W) grundlegende Komponenten und Funktionalitäten, die zum Zweck einer Belegungsgrad-Ermittlung verwendbar sind Da Positionsdaten im Rahmen des Mauterhebungsverfahrens allerdings bereits auf der OBU weiterverarbeitet werden, ist derzeit eine Zugänglichkeit auch zur Nutzung für Mehrwertdienste nicht gegeben [6]. Aktuell errechnen OBU-eigene Algorithmen die korrekte Position des Fahrzeugs. Die Grundlage zur sog. „Toll-Event-Detection“ liefern sogenannte Entscheidungskreise einer abstrakten systemspeziischen Karte (keine geodatenbasierte Straßenkarte) und das Abarbeiten von deinierten Regeln. Die Einfahrt in einen Entscheidungskreis wird mittels einer Wegmessung durch Impulse des Tachos und des Gyrosensors festgestellt und eine entsprechende Transaktion (Befahrung eines Autobahnabschnittes) erzeugt. Zur Ermittlung des Belegungsgrades einer Rastanlage muss eine Referenzierung der GPS-Position stattinden, welche die aktuelle Position des Fahrzeugs einer deinierten Rastanlage zuordnet. Eine permanente Positionsdatenübertragung und entsprechende Weiterverarbeitung in der Zentrale wird auch für diesen Fall nicht benötigt. Vielmehr ist die Modellierung von weiteren Entscheidungskreisen notwendig. Diese kennzeichnen modellhaft entweder die Ein- und Ausfahrten der jeweiligen T+R-Anlagen oder aber die Gesamtläche einer kleinen Anlage (PWC). Aus jetziger Sicht werden nach Angaben von Toll Collect auch bei dicht an der Haupt-Richtungsfahrbahn gelegenen PWC- Anlagen keine Stabilisierungsmaßnahmen - wie unterstützende dezentrale Infrastruktur (Stützbaken) - benötigt. Im Vergleich zum Event „Mautrelevanter Streckenabschnitt“ kann der zu erzeugende Event als „Fahrzeug beindet sich auf Rastanlage“ bezeichnet werden. Eine Meldung des Events sollte nur dann übertragen werden, wenn ein weiteres Zustandskriterium (Trigger) erfüllt ist, z. B. „Zündung des Fahrzeuges = aus“. Analog zur beschriebenen „Anmeldung“ muss auch eine Abmeldung erfolgen. Hierzu sollte die OBU eine weitere Meldung genau dann erzeugen, wenn die Zündung des Fahrzeuges erneut gestartet wird und/ oder erneut Signale des Tachometers verarbeitet werden. Diese Meldung sollte möglichst zeitnah an die Zentrale erfolgen. Diese „Echtzeit-Verarbeitung“ stellt allerdings eine wesentliche Abweichung vom praktizierten Prozessablauf dar: Die zur Mautberechnung benötigten Daten werden derzeit in Datenpaketen gesammelt und nach ixierten Versandregeln teilweise mit erheblichem Zeitversatz verschickt. Zur Minimierung der Kommunikationskosten ist jedoch denkbar, die Übertragung und Verarbeitung der „Parklächen-Events“ zeitlich auf die für Parksuchverkehre relevanten Zeiträume zu beschränken, z. B. zwischen 16: 00 und 04: 00 Uhr. Bild 2 stellt das Grundprinzip des aktuellen und des erweiterten Prozesses graisch dar. Gemäß Expertenschätzung [6] ist bei insgesamt ca. 2180 Anlagen in Deutschland (431 T+R-Anlagen, 1550 PWC-Anlagen und ca. 200 Autohöfen) mit einem Implementierungsaufwand in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionen Euro Betrages zu rechnen. Zu berücksichtigen ist, dass erst ein Teil der Flotte an OBU sowie die in Entwicklung beindliche Nachfolgegeneration über die notwendige Kapazität zur Erweiterung der Entscheidungskreise verfügt. Der Erneuerungsprozess der Gesamtpopulation der OBUs wird dabei geschätzte 5 Jahre dauern [6]. Bild 3 stellt die Umsetzung des besprochenen Konzeptes noch einmal graphisch dar. Nutzung des vorhandenen dSrC/ Ir-Kommunikationskanals In Analogie zum technischen Prinzip von Maut-Kontrollbrücken bzw. Kontrollfahrzeugen des BAG kann die Ermittlung des Belegungsgrades von Parkplätzen außerdem mittels „OBU-Abfragestationen“ realisiert werden, die an Ein- und Ausfahrten platziert werden. Kern des Konzeptes ist ein Bilanzierungssystem, das analog zu allen Bild 1: Systematik der Fahrzeug-Detektion für zutrefende Stellplatz-Belegung. (Quelle: Eigene Darstellung) Bild 2: Grundprinzip (unten) und Erweiterung (oben) des deutschen Mautsystems. (Quelle: Eigene Darstellung) TeCHNOLOGIe LKW-Logistik Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 68 bisherigen Bilanzierungssystemen den Belegungsgrad eines Parkplatzes aus der Differenz der einfahrenden (N 1 ) und ausfahrenden Fahrzeuge (N 2 ) zuzüglich eines als bekannt vorausgesetzten Anfangsanfangszustands (N 0 ) ermittelt. Die Anzahl der ein- und ausfahrenden (relevanten) Fahrzeuge soll hierbei über das lokale Auslesen der OBU mittels DSRC/ IR-Kommunikation zwischen OBU und einer Basisstation, jeweils an Ein- und Ausfahrt des Parkplatzes erfolgen (siehe Bild 4). Auf diese Weise werden die bisher für Bilanzierungssysteme verwendeten infrastrukturseitigen Sensorsysteme (Erdmagnetfeldsenoren, Induktionsschleifen …) durch ein wesentlich genaueres Zählsystem ersetzt. Jegliche Art von Fahr(fehl)verhalten ist dabei ohne Beeinträchtigung des Detektionsergebnisses möglich (Beschleunigung, ungünstige Position des Fahrzeugs zum Sensor, Zwei-Richtungs-Verkehr ...). Auf eine Positionsbestimmung bzw. die Nutzung von Positionsdaten und die Erweiterung der Arbeitsprozesse der OBU kann im Rahmen dieses Konzepts verzichtet werden. Alle für dieses Konzept notwendigen Komponenten sind bereits in hinreichender technischer Ausstattung verfügbar. Eine kurzfristige Realisierbarkeit ist denkbar, mit dem Vorteil, dass ein schrittweiser „Roll-out“ zunächst für hochbelastete Parkplätze möglich ist. Der Investitionsaufwand für dieses „virtuelle Bilanzierungssystem“ wird überschlägig mit ca. 20 000 € je Zählstation angesetzt, was einen Bruchteil der Aufwendungen für Parklächen-Erweiterungen (bis zu 30 000-€ je Einzel-Parkstand) darstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine regelmäßige, manuelle Nachkalibrierung, wie sie derzeit für infrastruktur-basierte Systeme erforderlich ist [4, 5], entfällt. Zusammenfassung Unter Nutzung und teilweiser Erweiterung des Systemkonzeptes „virtuelle Mautstationen“ aus der satellitengestützten Mauterhebung wurden erstmals zwei Konzepte vorgestellt, die zukunftsorientiert die „virtuelle Stellplatz-Erhebung“ ermöglichen. Im Vergleich mit konventionellen infrastrukturbasierten Systemen zur Stellplatzerhebung bietet eine mittelbis langfristige Fokussierung und Implementierung des “virtuellen Ansatzes“ Vorteile. Die „Event-Detektion“ auf der OBU und die dazugehörige Meldung der Events an eine Zentrale erscheinen, auch wenn erst mittelfristig umsetzbar, im direkten Vergleich der vorgestellten Konzepte als das zielführendere und zukunftsorientiertere System. Als kurzfristige bzw. Übergangslösung kann das zuletzt beschriebene Konzept der Nutzung des vorhandenen DSRC/ IR-Kommunikationskanals sinnvoll eingesetzt werden. Vorteil ist hierbei eine schrittweise Implementierung mit Bevorrangung von hochbelasteten BAB-Abschnitten, so dass auch mit begrenzten Mitteln ein spürbarer Efekt erzielt werden kann. Unter Wirtschaftlichkeits-Aspekten ist zu berücksichtigen, dass alle bisher bekannten infrastruktur-basierten Systeme teilweise erhebliche Fehlerraten aufweisen, die regelmäßige manuelle Kalibrierungen und damit hohen Personaleinsatz bedingen, der bei Realisierung der hier vorgestellten Konzepte entfällt . Die technische Realisierbarkeit unter einer ersten Abschätzung der anfallenden Kosten für eine Systemerweiterung wurde im Rahmen einer Forschungskooperation seitens Toll Collect geprüft und bestätigt. Bisher nicht angesprochen und derzeit noch nicht abschließend untersucht bleibt die sogenannte natürliche Unschärfe der vorgestellten Systeme aufgrund von derzeit noch mautfreien (Busse, LKW < 12 t), mautbefreiten (beispielsweise Bundeswehr) und manuell gebuchten Fahrzeugen, die ebenfalls LKW-Parkstände bedingt durch ähnliche oder gar gleiche Dimensionen belegen und von den vorgestellten Systemen nicht erfasst werden. Experten aus Bund und Ländern sind jedoch übereinstimmend der Meinung, dass eine gewisse Unschärfe in der Datenerfassung tolerierbar ist, solange es nicht durch Messfehler und Efekte der Fehlerakkumulation, wie dies bei herkömmlichen Technologien der Fall ist, zu einem völligen „Wegdriften“ der Belegungsdaten kommt [4]. ■ Bild 4: Bilanzierung über OBU-Abfragestationen. (Quelle: Eigene Darstellung) Bild 3: Virtuelle Detektion im Entscheidungskreis. (Quelle: Eigene Darstellung) QueLLen [1] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Masterplan Güterverkehr und Logistik, Berlin,2008 [2] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Aktionsplan Güterverkehr und Logistik, Berlin,2010 [3] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Zwischenbericht zum Aktionsplan Güterverkehr und Logistik, Berlin,2012 [4] DOBSCHÜTZ, A./ PARTZSCH, I./ MAURER, M./ NIECHOJ, B.: LKW- Parkmanagement auf BAB in Bayern am Beispiel der Park- und Rastanlage Ofenbau. In: Straßenverkehrstechnik, Heft 3, S. 152-160. Bonn 2012 [5] PFANNERSTILL, E./ APFELSTÄDT, A./ KREMTZ, L./ FUCHS, J.: Pilotanlagen zur automatisierten Detektion der LKW- Parkplatzbelegung an Autobahnen. In: Straßenverkehrstechnik, Heft 12, S. 772-778. Bonn 2012 [6] Toll Collect, Berlin, 2012 elmar Pfannerstill, Prof. Dr.-Ing. Fachgebiet Verkehrstelematik, Fachrichtung Verkehrs- und Transportwesen, Fakultät Wirtschaft-Logistik- Verkehr, Fachhochschule Erfurt, Erfurt pfannerstill@fh-erfurt.de Andy Apfelstädt, Dipl.-Wirt.Ing.(FH), M.A. Projektleiter, Institut Verkehr und Raum, Fachhochschule Erfurt, Erfurt andy.apfelstaedt@fh-erfurt.de