Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0050
61
2013
652
Globale Ströme und politisches Interesse
61
2013
Heinz Schulte
iv6520086
GASTKOMMeNTAr Heinz Schulte Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 86 Globale Ströme und politisches Interesse J ede Zeit braucht ihre politische Erzählung. Zweifelsohne handelt die große Erzählung am Anfang des 21.- Jahrhundert von der Globalisierung - konkret von den weltweiten Strömen (global lows) an Gütern, Rohstofen, Menschen, Informationen und Finanzen. Die Sicherung dieser Ströme ist von grundsätzlicher Bedeutung und sie verursacht Kosten: Schutz der kritischen Infrastruktur (Flug- und Seehäfen) und der (maritimen) Transportwege. Die Sicherung der globalen Ströme bedarf international anerkannter Standards; und die werden politisch deiniert. Es ist eine Binse, dass der, der Standards setzt, auch Märkte schaft. Im Augenblick setzen zwei politische Kraftzentren diese Standards: Washington und Brüssel als europäischer Deinitionsmuskel. Weitere kommen hinzu (China und Singapur). Der Begrif „Supply chain management“ wird primär technisch deiniert; er hat aber auch eine politische Dimension: Sicherheit der logistischen Ketten beruht auf stabiler Infrastruktur und diese wiederum stützt sich auf politisch und gesellschaftlich feste Fundamente. Die Premiumklasse der Globalisierung - und damit besonders anfällig - ist „Just in time logistics“. Sie setzt ein außergewöhnlich hohes Maß an Zuverlässigkeit der logistischen Ketten voraus. Man kann das Thema einer transatlantischen Freihandelszone, die der amerikanische Präsident jüngst den Europäern angeboten hat, auf die Kennzeichnungsplicht genmanipulierter Lebensmittel reduzieren; man kann aber auch eine neue transatlantische Erzählung wagen. Die Vorteile einer transatlantischen Freihandelszone sind geopolitischer Natur! Von erweiterten transatlantischen Strömen, vom Setzen internationaler Standards bei der Sicherung der logistischen Ketten proitiert besonders Deutschland. In Europa sind Frankreich und Großbritannien etablierte Mächte auf dem Gebiet der klassischen Verteidigung. Berlin sollte sich der Herausforderung stellen, europäische Gestaltungsmacht auf dem Gebiet der Sicherung globaler Ströme zu sein - im Dialog mit Singapur, dem diese Aufgabe in Asien zuvörderst zufällt. Deutschland ist unter den Top Five der globalen Logistik-Standorte. Unter den zehn größten Logistikkonzernen der Welt sind fünf europäisch. Davon belegt Deutschland die Plätze 1 (DHL) und 5 (DB Schenker). Vor diesem Hintergrund steht das maritime Transportgeschäft vor neuen Herausforderungen. Detailliert hat sich jüngst Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne zu einer möglichen Fusion der Reedereien Hapag-Lloyd und Hamburg geäußert. Es entstünde die viertgrößte Reederei mit mehr als 260 Containerschife. Auf die Frage, warum Hapag-Lloyd überhaupt mit einer anderen Reederei zusammengehen müsse, argumentierte Kühne (Die Welt, 08.03.2013), die Reederei sei einfach zu klein, um auf Dauer gegenüber den drei großen - Maersk (Dänemark), CMA- CGM (Frankreich) und MSC (Schweiz) - bestehen zu können. Hapag-Lloyd sei in besonderer Weise dem ruinösen Wettbewerb in der Fernostfahrt ausgesetzt, da chinesische Staatsreedereien den Verdrängungswettbewerb anheizten. Er regte an, eine Reederei aus Fernost - vorrangig NOL aus Singapur - in die Fusion einzubringen. Mit anderen Worten: Der wirtschaftliche Druck auf Transportunternehmen und logistische Ketten hat auch eine politische Dimension (chinesische Regierungsstrategie, konsequent auf die Weltmärkte zu drängen), der sich Berlin als europäische Gestaltungsmacht stellen muss. Dies hat die Bundesregierung im aktuellen „Bericht über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland“ im Prinzip anerkannt: „Für ein außenhandelsorientiertes Land wie Deutschland ist eine leistungsstarke, international wettbewerbsfähige, prosperierende maritime Wirtschaft von hoher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung.“ Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche der logistischen Ketten und globalen Handelsströme. Und darum muss sich Berlin energisch um eine transatlantische Freihandelszone bemühen. ■ Heinz Schulte, M.A., MCIL ist Chefredakteur der Griephan Briefe zum Geschäftsfeld äußere und innere Sicherheit. Er ist Mitglied des Vorstandes des Deutschen Maritimen Instituts (DMI). Zur PerSON Foto: Privat
