Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0054
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»CO2-neutrale Mobilität ist unsere einzige Möglichkeit«
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Christian Heep
Begriffe wie Energiewende, Neue Mobilität oder nachhaltiger Verkehr sind im alltäglichen Gebrauch angekommen – doch was bedeuten sie wirklich? Wie lässt sich eine Mobilitätswende zum Vorteil aller beteiligten schaffen? Internationales Verkehrswesen fragte Christian Heep, Marketingvorstand beim Bundesverband eMobilität.
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Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 10 POLITIK Interview Christian Heep »CO 2 -neutrale Mobilität ist unsere einzige Möglichkeit« Begrife wie Energiewende, Neue Mobilität oder nachhaltiger Verkehr sind im alltäglichen Gebrauch angekommen - doch was bedeuten sie wirklich? Wie lässt sich eine Mobilitätswende zum Vorteil aller beteiligten schafen? Internationales Verkehrswesen fragte Christian Heep, Marketingvorstand beim Bundesverband eMobilität. Herr Heep, der bundesverband eMobilität engagiert sich für eine neue Mobilität auf der basis erneuerbarer energie. was verstehen sie drunter? Als prozessuales Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit den Themenkomplexen Erneuerbare Energien, Energieeizienz, EEG, SmartGrid und Elektromobilität habe ich eine klare Vorstellung davon, wie der Umgang mit fossilen Ressourcen auf diesem Planeten auf lange Sicht sein sollte. Daher rücke ich die Verantwortung für den Menschen, die Umwelt und nachfolgende Generationen in den Mittelpunkt meines berulichen Engagements. Eine CO 2 -neutrale Mobilität ist keine Option, sondern aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, globale Mobilitätsbedürfnisse langfristig überhaupt noch zu gewährleisten - eine Ingenieursleistung mit dem Potenzial, den Verbrennungsmotor nachhaltig und sinnvoll zu substituieren. wie wollen sie das innerhalb Ihres bundesverbandes erreichen? Als Gründungsmitglied und Marketingvorstand im Bundesverband eMobilität setze ich mich dafür ein, die Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien miteinander zu vernetzen, die öfentliche Wahrnehmung für eMobilität zu fördern und die notwendigen infrastrukturellen Veränderungen zu begleiten. Die Neue Mobilität wird in den nächsten Jahren nicht nur eine neue Form der Fortbewegung beschreiben, sondern vielmehr ein neues Lebensgefühl. Ein Lifestyle, der die Mobilität der Zukunft mit Faszination und Umweltbewusstsein verbindet und dies als Selbstverständlichkeit wahrnimmt. Die strategie der bundesregierung, bis 2020 eine Million elektrofahrzeuge auf Foto: BEM Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 11 deutsche straßen zu bringen, könnte dazu beitragen, die Idee scheint aber nicht recht zu greifen. woran liegt es? Um eine Neue Mobilität langfristig erfolgreich zu etablieren, gilt es, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln, neue Geschäftspartner zu identiizieren, branchen- und länderübergreifende Kooperationen zu initiieren und letztendlich eine repräsentative Anzahl elektrischer Fahrzeuge auf unsere Straßen zu bringen, um die elektromobile Sichtbarkeit innerhalb der Gesellschaft deutlich zu erhöhen. Denn Erfahrbarkeit und Sichtbarkeit sind die Schlüsselelemente, mit denen wir die Bevölkerung für emissionsarme Antriebsarten begeistern können. Nur so kann sich ein entsprechender Markt für Elektrofahrzeuge aller Art etablieren. was erklären sie den gegnern von energie- und Mobilitätswende, die mit zu hohen Kosten argumentieren? Der hohe CO 2 -Ausstoß im Industrie- und Verkehrssektor, die katastrophale Luftverschmutzung und Lärmbelästigung insbesondere in urbanen Räumen und der zunehmende Ressourcen-Verbrauch müssen in Total Costs of Ownership, Life Cycle Costs, Rentabilitäts-Analysen und ökonomischen Bilanzierungen sauber kalkuliert werden. Dann müssen nämlich auch externe Kosten bei Atom-, Öl- und Kohlekraftwerken, beim Fracking, durch Verluste der Biodiversität sowie Ökosystemschäden beim Abbau von Uranerz, Ölschiefer und anderen Rohstoffen adäquat berücksichtigt werden. Darüber hinaus sehe ich überhaupt keinen Nutzen in der weiteren Erschließung konventioneller beziehungsweise allgemein fossiler Brennstofe. Insbesondere, da wir mit den Erneuerbaren Energien über eine fortschrittliche und nachhaltige Technologie verfügen, die künftig ohne Umweltrisiken 100 Prozent der Energieversorgung gewährleisten kann. was müsste also Ihrer Meinung nach geschehen? Hinsichtlich drastisch zunehmender und ökologisch bedenklicher Entwicklungen ist es an der Zeit, die vorherrschende Betrachtungsweise im Bereich Energie und Mobilität über reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen hinaus zu erweitern. Die Umwelt- Folgeschäden übersteigen bei weitem die Investitionen in nachhaltige Maßnahmen. Dieser übergeordnete Kausalrahmen eröfnet Potenziale für eine Green Economy, die sich sichtbar immer erfolgreicher aufstellt. Je schneller diese nachhaltigen Technologien Marktpotenziale erobern, desto schneller wächst auch die Bereitschaft, sich dem anzuschließen und eine neue Wirtschaftlichkeit zu entdecken, die in Einklang mit den Bedürfnissen nachfolgender Generationen steht. welche rolle kann oder soll die Politik dabei spielen? Die Legislative hat über ihre Möglichkeit der Gesetzgebung und der Schafung politischer Rahmenbedingungen eine wichtige Steuerungsfunktion. Sie hat gleichzeitig aber auch die Aufgabe, sich auf ethische und moralische Werte zu verplichten, die grundsätzlich dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgen. Politisches Durchsetzungsinteresse vorausgesetzt. Mangelnde Akzeptanz in der gesellschaft könnte genau dieses Durchsetzungsinteresse mindern - widerspruch und skepsis hört man ja von verschiedenen seiten. wie gehen sie damit um? Immer wieder, wenn konstruktive Theorien, neue Entwicklung und technologischer Fortschritt auf tradierte Strukturen trefen, formiert sich protektionistischer Widerstand. Das ist einerseits durchaus verständlich und nachvollziehbar, gleichzeitig wirkt es sich aber durch den Verzögerungsefekt bremsend aus. Aus diesem Dilemma einen Ausweg zu inden, ist Grundlage von Träumen, Protesten, Demonstrationen und Bewegungen, die einen Kontrapunkt setzen wollen, um diesen Ideen einen Raum zu geben. Im besten Fall agieren solche Lobbyorganisationen so intelligent, dass sie es schafen, die vermeintlichen Gegenspieler mitzunehmen und durch Synergie, Erkenntnis und Notwendigkeit einen Schulterschluss zu ermöglichen. Hilfreich ist dabei die Erkenntnis, dass eine Idee, deren Zeit gekommen ist, sich nicht dauerhaft auhalten lässt. Sie lässt sich allerdings erheblich beschleunigen. Und das ist genau das, was unsere Arbeit trefend beschreibt. Eine Überzeugungsarbeit, die lediglich Zeit, Vorreiter und vor allem eine wachsende Begeisterung durch eine breite gesellschaftspolitische Unterstützung voraussetzt. und wie lassen sich diese Ziele Ihrer Überzeugung nach erreichen? Das Ziel einer emissionsarmen, CO 2 -neutralen Mobilität auf Basis Erneuerbarer Energien - ressourcenschonend, nachhaltig, sauber und leise - erfährt nur dann zeitnah eine Umsetzung, wenn wir es gemeinsam schafen, einerseits industriepolitische Interessen zu synchronisieren und andererseits uns mit medialer und politischer Sichtbarkeit als umsetzungsfähiger Pate dieser Neuen Mobilität aufzustellen. Neben der Aufgabe, die Renaissance der Elektromobilität zu dynamisieren, ist es wichtig, sie in einen Gesamtkontext einzuordnen und die damit verbundene Komplexität greibar zu machen, Chancen und Vorteile beispielhaft und verständlich aufzuzeigen und Herausforderungen lösungsorientiert zu beleuchten. Es gilt, die Idee einer Neuen Mobilität im Kontext der Erneuerbaren Energien, der Energiewende und dem SmartGrid zu betrachten und die Möglichkeiten für Nachhaltigkeit, Ressourceneizienz, Wertschöpfung sowie Klima- und Umweltschutz zu erkennen. ganz konkret: was müsste jeder einzelne in der gesellschaft dafür tun? Es wird Zeit, dass wir uns selbst als entscheidenden und ausschlaggebenden geologischen Faktor im Anthropozän wahrnehmen. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, fortschrittliche Technologien und unsere Vernunftbegabung sollten sich weiter durchsetzen, insbesondere gegen die menschliche Systemeigenschaft grenzenlosen Wachstums auf Kosten anderer oder nachfolgender Generationen. Idee, Intention und Bereitschaft dazu sind bereits voll in unserer Gesellschaft verankert. Die technischen Konzepte stehen ebenfalls zur Verfügung. Um weiterer Ignoranz vorzubeugen, fehlt eine neue Positionierung und Wertung unseres ökonomischen und ökologischen Handelns, ein generelles Umdenken sowie globalpolitische Entscheidungsindungs-Prozesse, die ausschließlich dem Prinzip der Nachhaltigkeit und intergenerativen Gerechtigkeit folgen. ■ Christian Heep betreut und organisiert beim Bundesverband eMobilität (BEM) die Bereiche Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Messen und Events. Unter seiner Leitung entstehen auch die verschiedenen BEM-Medien: von der Broschüre und der Internetseite über den Newsletter und den „BEM eMobile Ticker“ als iPhone App bis hin zum Fachmagazin NEUE MOBILITÄT, das er als Chefredakteur verantwortet. ZUR PERSON Der Bundesverband eMobilität setzt sich dafür ein, die Mobilität in Deutschland mit dem Einsatz Erneuerbarer Energien auf Elektromobilität umzustellen. Zu den Aufgaben des BEM gehört die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Ausbau der eMobilität als nachhaltiges und zukunftsweisendes Mobilitätskonzept und die Durchsetzung einer Chancengleichheit bei der Umstellung auf Elektromobilität. Um diese Ziele zu erreichen, vernetzt der BEM die Akteure aus Wirtschaft, Politik und Medien miteinander, fördert die öfentliche Wahrnehmung für Elektromobilität und setzt sich für die nötigen infrastrukturellen Veränderungen ein. www.bem-ev.de dER BUNdESVERBANd EMOBILTITäT E.V. (BEM)
