eJournals Internationales Verkehrswesen 65/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0055
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2013
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Geschlossener Finanzierungskreislauf für die Luftverkehrsinfrastruktur

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Frank Fichert
Ein „geschlossener Finanzierungskreislauf“ wird insbesondere für die Straßenverkehrsinfrastruktur als geeignetes Grundmodell im Rahmen einer Nutzerfinanzierung angesehen. Der Luftverkehr ist derzeit in Deutschland der einzige Verkehrsträger, bei dem dieses Konzept weitestgehend verwirklicht ist. In diesem Beitrag geht es um aktuelle Entwicklungen bei der Finanzierung der Luftverkehrsinfrastruktur, Fragen der Belastungsverteilung sowie um verbleibende Lücken im ansonsten geschlossenen Finanzierungskreislauf.
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POLITIK Infrastruktur-Finanzierung Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 13 Geschlossener Finanzierungskreislauf für die Luftverkehrsinfrastruktur Eine Bestandsaufnahme Ein „geschlossener Finanzierungskreislauf“ wird insbesondere für die Straßenverkehrsinfrastruktur als geeignetes Grundmodell im Rahmen einer Nutzerinanzierung angesehen. Der Luftverkehr ist derzeit in Deutschland der einzige Verkehrsträger, bei dem dieses Konzept weitestgehend verwirklicht ist. In diesem Beitrag geht es um aktuelle Entwicklungen bei der Finanzierung der Luftverkehrsinfrastruktur, Fragen der Belastungsverteilung sowie um verbleibende Lücken im ansonsten geschlossenen Finanzierungskreislauf. Der Autor: Frank Fichert F ür beide Hauptbestandteile der Luftverkehrsinfrastruktur, die Flugsicherung und die Flughäfen, ist das Ausschlussprinzip anwendbar, sodass eine Nutzerinanzierung über Gebühren bzw. Entgelte sowohl möglich als auch international weit verbreitet ist. Angesichts von Tendenzen zum ‚natürlichen Monopol‘ genießt jedoch die Frage einer eizienten Mittelverwendung besondere Bedeutung. Zudem ist darüber zu entscheiden, nach welchen Kriterien die Gesamtkosten auf die einzelnen Nutzer verteilt werden. Abweichend vom Grundsatz der Nutzerinanzierung erfolgt im Bereich der Flughäfen teilweise eine ergänzende Finanzierung aus Steuermitteln, die in der Verkehrspolitik kontrovers diskutiert wird. Gebühreninanzierung der Flugsicherung und Veränderungen im Regulierungsregime Die Flugsicherung ist in Deutschland eine hoheitliche Aufgabe, die von der bundeseigenen DFS Deutsche Flugsicherung GmbH erbracht wird. Die Dienste der Streckenkontrolle werden pro Jahr von rund drei Millionen Flugzeugen genutzt, die nach Instrumentenlugregeln (IFR) unterwegs sind. Die von der DFS erhobenen Gebühren basieren auf der Streckenlänge und dem maximalen Startgewicht eines Flugzeuges (Maximum Take-Of Weight - MTOW), wobei für die Strecke ein linearer und für das Gewicht ein degressiver Tarif zugrundegelegt wird. Die Gebührenstruktur folgt damit Bild 1: Klassiizierung der Flughäfen in Deutschland. (Graik: Lencer/ Wikipedia) POLITIK Infrastruktur-Finanzierung Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 14 teilweise dem Tragfähigkeitsprinzip, da das maximale Startgewicht für die Kosten der Flugsicherung unerheblich ist, der wirtschaftliche Wert eines Fluges jedoch tendenziell mit der Größe des Flugzeuges steigt. Die An- und Ablugkontrolle wird von der DFS an 16 vom Bundesverkehrsministerium festgelegten internationalen Verkehrslughäfen erbracht (Bild 1). Hierfür ist in der „Verordnung über die Erhebung von Kosten für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung beim An- und Ablug - FSAAKV“ ebenfalls ein degressiver Tarif auf der Grundlage des maximalen Startgewichts vorgeschrieben. Die Einheitlichkeit des Gebührensatzes an den 16 Flughäfen führt angesichts von Fixkostendegression und Größenvorteilen zu einer relativen Bevorzugung kleinerer Flughäfen, die zwar vom Bundesverwaltungsgericht als rechtmäßig eingestuft wurde, aus ökonomischer Perspektive dennoch als Quersubventionierung zu werten ist. An den anderen deutschen Flughäfen wird die An- und Ablugkontrolle teilweise von den Flughafenbetreibern durchgeführt, teilweise sind in- oder ausländische Flugsicherungsdienstleister hiermit beauftragt (Wettbewerb um den Markt). Im Jahr 2012 zahlten die Fluggesellschaften für Streckensowie An- und Ablugkontrolle auf den 16 Flughäfen rund 1.148 Mio. EUR. 1 Davon entielen rund 84 % auf die Leistungen der DFS, die restlichen Gebühren decken die Kosten von Eurocontrol, des Deutschen Wetterdienstes sowie der Aufsichtsbehörde und des Flugsicherungsreferats im Bundesverkehrsministerium. Für die Kosten militärischer und sonstiger gebührenbefreiter Flüge erhält die DFS Ausgleichsleistungen durch den Bund. Die Flugsicherung orientierte sich traditionell am Prinzip der Gesamtkostendeckung. Wenn es hierbei aufgrund von Kostenund/ oder Aukommensveränderungen zu Überbzw. Unterdeckungen kommt, so werden diese in ein Folgejahr übertragen. Damit ist dieses System für den Bereitsteller der Infrastruktur risikofrei, die Anreize für einen eizienten Mitteleinsatz fallen jedoch gering aus. Seit dem Jahr 2012 unterliegt die DFS im Bereich der Streckenkontrolle einer Anreizregulierung; für die An- und Ablugkontrolle wird diese Regulierungsform ab dem Jahr 2015 angewendet. Die Festlegung des Gebührensatzes erfolgt bei der Anreizregulierung durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung - BAF. Dabei verbleibt das Kostenrisiko allein bei der DFS. Bei unvorhergesehenen Schwankungen im Verkehrsaukommen werden die Nutzer bei größeren Veränderungen beteiligt, bei kleineren Änderungen ergeben sich Einnahmerisiken bzw. -chancen für die DFS. Da die Flugsicherung einer detaillierten Qualitätsregulierung unterliegt, ist die ansonsten bei der Anreizregulierung bestehende Gefahr einer Qualitätsabsenkung äußerst gering. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die konzeptionell für Privatunternehmen entwickelte Anreizregulierung auf die Entscheidungen eines nicht gewinnorientierten Anbieters auswirken wird. Entgeltinanzierung der Flughäfen und ergänzende Finanzierungsmittel Zu den Besonderheiten von Flughäfen zählt, dass diese zumindest partiell zueinander im Wettbewerb stehen und neben der eigentlichen Infrastruktur in der Regel auch luftverkehrsbezogene sowie sonstige Dienstleistungen anbieten. Alle deutschen Verkehrslughäfen werden in privatwirtschaftlicher Rechtsform geführt; allerdings sind aus der Gruppe der 27 größten Flughäfen nur vier kleinere Airports mehrheitlich oder sogar vollständig in privater Hand (siehe Bild 2). Die Kosten der Infrastrukturbereitstellung werden auf der Basis unterschiedlich komplexer Entgeltordnungen an die Fluggesellschaften weitergegeben, wobei üblicherweise ökologische Anreize sowie des Öfteren wettbewerbliche Entgeltdiferenzierungen integriert sind. Auch die Flughäfen unterliegen einer - zumeist kostenbezogenen - Regulierung der Infrastrukturentgelte, wobei unterschiedliche Ausgestaltungen bzgl. der Einbeziehung der Non-Aviation-Erlöse existieren. Angesichts der häuigen Doppelfunktion der Länder als Eigentümer und Regulierer wird vielfach eine stärkere Unabhängigkeit der Regulierung gefordert. Die zwölf größten deutschen Flughafengesellschaften, 2 die in Deutschland über 90 % der Passagiere abfertigen, erzielten im Jahr 2011 Umsatzerlöse von rund 4,9 Mrd. EUR. Davon entfallen über 3,2 Mrd. EUR (rund 65 %) auf Aviation-Erlöse, d. h. die Summe der Umsätze aus Infrastrukturbereitstellung und Bodenverkehrsdiensten. Die meisten der größten zwölf deutschen Flughafengesellschaften sind proitabel. Ausnahmen bilden in dieser Gruppe lediglich die Flughäfen Hannover und Hahn sowie die Berliner Flughafengesellschaft. Während in Hannover der Quotient aus operativem Verlust und Umsatzerlösen im Jahr 2011 bei rund 2 % liegt, beträgt das Deizit des Flughafens Hahn bereits rund ein Viertel des Umsatzes. Berücksichtigt man zudem die Erträge aus der Übernahme der Flugsicherheitskosten durch das Land Rheinland-Pfalz, so entsprechen die nicht durch Markterlöse gedeckten Infrastruk- 100,0% 0,1 RLG 100,0% 0,2 GWT 95,0% 5,0% 0,2 ERF 50,0% 50,0% 0,2 ZQW 100,0% 0,3 LBC 100,0% 0,4 SCN 58,8% 12,4% 28,8% 0,5 FDH 100,0% 0,9 FMM 100,0% 0,9 PAD 100,0% 1,0 FMO 42,9% 57,1% 1,3 FKB 100,0% 1,9 DTM 98,8% 1,2% 1,9 DRS 99,9% 0,1% 2,2 NRN 99,5% 0,5% 2,3 LEJ 100,0% 2,4 BRE 100,0% 2,8 HHN 50,0% 50,0% 3,6 NUE 30,0% 35,0% 35,0% 5,3 HAJ 38,0% 31,0% 31,0% 9,3 CGN 35,0% 65,0% 9,7 STR 49,0% 51,0% 13,7 HAM 50,0% 50,0% 20,8 DUS 74,0% 26,0% 25,3 BER 51,0% 23,0% 26,0% 38,3 MUC 48,5% 31,4% 20,1% 57,5 FRA Privat/ Ausland Länder Kommunen Bund PAX (2012) Eigene Abbildung. Datenquelle: Statistisches Bundesamt (PAX), ADV, Flughafengesellschaften. In Hannover und Friedrichshafen sind jeweils teilprivatisierte Flughafengesellschaften Anteilseigner. Bild 2: Eigentümerstruktur deutscher Flughäfen. Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 15 turkosten mehr als einem Drittel der Umsätze. Damit berechnet sich ein durchschnittliches Deizit von rund 2,80 EUR je Passagier und 28 EUR je Tonne Fracht. In Berlin fallen die entsprechenden Werte aufgrund der Kapitalkosten und der Abschreibungen auf den neuen Flughafen sogar deutlich größer aus. Angesichts der Dimension der bereits bestehenden und zukünftig hinzukommenden ixen Kosten erscheint es überaus fraglich, ob der neue Berliner Flughafen in absehbarer Zeit schwarze Zahlen schreiben wird. Besonders hohe relative Deizite weisen in aller Regel die kleineren Flughäfen aus. Der Quotient aus operativem Deizit und Umsatzerlösen beträgt in Dortmund rund 0,9, in Saarbrücken über 1,25 und in Zweibrücken sogar 2,3. Mit anderen Worten, der Flughafen Zweibrücken müsste - bei als konstant unterstellten Kosten - seine Umsatzerlöse mehr als verdoppeln, um ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. Das Deizit pro Passagier betrug dort im Jahr 2011 über 20 EUR, wobei auch hier staatliche Zuschüsse bereits von den Kosten abgezogen sind. Zu einem großen Teil sind die negativen Betriebsergebnisse durch die Belastungen aus Abschreibungen und Kapitalkosten begründet, die selbst bei einer Schließung der Flughäfen weiter anfallen würden. Allerdings waren im Jahr 2011 beispielsweise in Erfurt, Saarbrücken und Zweibrücken die Umsatzerlöse noch nicht einmal ausreichend, um die laufenden Kosten des Flughafenbetriebes zu decken. Fazit und Ausblick Insgesamt nehmen die Anbieter der deutschen Luftverkehrsinfrastruktur pro Jahr über 6 Mrd. EUR aus Gebühren und Entgelten ein, die in der Summe die Infrastrukturkosten übersteigen. Dabei liegen die eigentlichen Infrastrukturkosten deutlich unter diesem Betrag, da hier sowohl ein erheblicher Teil der Bodenverkehrsdienstleistungen 3 als auch die Kosten für reine Non-Aviation-Einrichtungen (z. B. Parkhäuser) enthalten sind. Während die Gesamtkosten des Luftverkehrs durch Gebühren und Markterlöse gedeckt werden (und der Staat zudem rund eine Mrd. EUR aus der Luftverkehrsteuer einnimmt), sind bei diferenzierter Betrachtung Kostenüber- und unterdeckungen zu konstatieren, die generell zu Lasten der Nutzer größerer Flughäfen bzw. zu Gunsten der Nutzer kleinerer Flughäfen gehen. Inwieweit die von Ländern und Kommunen gewährten Deizitausgleiche und Investitionszuschüsse, die auch für private Flughäfen wie Memmingen gezahlt werden, durch positive regionalwirtschaftliche Effekte ausgeglichen werden und inwieweit der Wettbewerb auf dem Luftverkehrsmarkt durch diese Form der Infrastrukturinanzierung verzerrt wird, kann jeweils nur im Einzelfall analysiert werden. Insbesondere bei Neu- und Erweiterungsinvestitionen ist jedoch eine äußerst kritische Prüfung unabdingbar. ■ 1 Eigene Berechnungen auf der Basis des DFS Geschäftsberichts 2012. 2 Alle folgenden Daten sind eigene Berechnungen auf der Basis der Geschäftsberichte der Flughafengesellschaften für das Jahr 2011 (Daten für Fraport ohne externe Beteiligungen). 3 Nicht berücksichtigt sind die Erlöse unabhängiger Anbieter von Bodenverkehrsdiensten. Frank Fichert, Prof. Dr. Fachbereich Touristik/ Verkehrswesen, Fachhochschule Worms ichert@fh-worms.de Tätigkeitsbereich / Städte vor dem Verkehrskollaps, steigende Treibhausgasemissionen und tausende Unfallopfer jeden Tag: Schwellen- und Entwicklungsländer stehen im Verkehrssektor vor großen Herausforderungen. Gleichzeitig fehlt insbesondere der ländlichen Bevölkerung immer noch der Zugang zu Verkehrswegen und -dienstleistungen, um zum nächsten Markt, zur Schule oder in eine Klinik zu gelangen. Im Sektor Verkehr und Mobilität arbeitet die GIZ vorrangig zu den hemen: Nachhaltige Städtische Mobilität, Finanzierung von Infrastruktur, Armutsbekämpfung und Transport, Verkehr und Klima sowie Energieeizienz im Verkehrssektor. Ihre Aufgaben / Schwerpunkt Ihrer Aufgaben als Berater/ in ist die sektorfachliche Betreuung unserer Vorhaben. Im Detail umfasst Ihr interessantes Tätigkeitsfeld diese Aufgaben: Beratung von bi- und multilateralen Vorhaben in unseren Partnerländern mit den fachlichen Schwerpunkten Verkehr, Mobilität und Logistik; Konzeptionelle Weiterentwicklung der hemen Verkehr, Mobilität und Logistik; Vorbereitung und Durchführung von Prüf- und Planungsmissionen bzw. Projektfortschrittskontrollen weltweit; Entwicklung innovativer Projektansätze in Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen der GIZ; Beratung von Ministerien (BMZ, BMU und andere Bundesressorts) sowie Erstellung von Angeboten für unsere Auftraggeber, z.B. BMZ und BMU; Erstellung von Leistungspaketen für Gutachter, fachliche Unterstützung bei der Ausschreibung und Auswertung von Angeboten; Akquisition von internen Arbeitsaufträgen; Aufbereitung von Lernerfahrungen und Best Practices sowie des Wissensmanagements; Vernetzung und Kooperationsplege im Sektor Verkehr und Mobilität. Ihre Qualifikation / Basierend auf einem relevanten Hochschulabschluss verfügen Sie über mehrjährige Berufserfahrung im Verkehrssektor. Neben einem breiten internationalen Überblickswissen über aktuelle verkehrspolitische Konzepte haben Sie profunde Kenntnisse an Schnittstellen zu anderen Fachbereichen wie z. B. Klima, Stadt- und Regionalentwicklung, Handel, Armutsbekämpfung und Good Governance. Ihre gute Kommunikationsfähigkeit bringen Sie in verhandlungssicherem Deutsch und Englisch gleichermaßen zum Ausdruck. Ihre Bewerbung / Bitte bewerben Sie sich grundsätzlich nur über unser E-Recruiting-System unter www.giz.de. Geben Sie unter „Jobs und Karriere“, „Stellenmarkt GIZ“ die JOB ID 15072 ein. Bewerbungsfrist ist der 15.09.2013. Die Position ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt bis 31.03.2016 zu besetzen. Wir freuen uns auch über Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen. www.giz.de/ jobs Berater (m/ w) Verkehr und Mobilität - Deutschland, Eschborn