eJournals Internationales Verkehrswesen 65/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0061
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Flächeneinsparung durch kompakte Cross-Docking Center

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Karl-Georg Steffens
Alexander Zarle
Hoher Flächenbedarf ist eines der typischen Merkmale von Cross-Docking-Zentren. Aufbauend auf einem Konzept von Ulrich Franke werden Möglichkeiten zur Flächeneinsparung diskutiert.
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Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 28 LOGISTIK Wissenschaft C ross-Docking-Zentren sind bestandlose Umschlagsanlagen, die einen sehr hohen Flächenbedarf haben und daher in der Regel weit außerhalb von Ballungszentren errichtet werden. Dies hat zur Folge, dass Verkehrsträger, die im Vor- oder Nachlauf über derartige Umschlagspunkte geleitet werden, längere Wege zurücklegen müssen. Außerdem wird hierdurch eine intermodale Anbindung erschwert. Ein Konzept, welches diese beiden Nachteile auszugleichen verspricht, wurde 2010 von Franke vorgestellt (Franke, 2010-I und 2010-II). Aubauend auf diesem Konzept werden wir hier anhand plausibler Annahmen Abschätzungen für die mögliche Flächeneinsparung machen. Konzept des kompakten Cross-docking-Centers Kompakte Cross-Docking-Center (CCD) sind Cross-Docking-Center, die auf mehreren Ebenen Ladetore besitzen und von einem oder mehreren Portalkränen überspannt werden. Sie können von verschiedenen Verkehrsträgern, zum Beispiel LKW, Kleintransportern, Schienenfahrzeugen oder Binnenschifen angefahren werden. Deren Ladungsträger, etwa Container oder Wechselbrücken, werden vom Portalkran vor ein freies Ladetor gesetzt. Die Ladung wird dann innerhalb des Gebäudes bewegt, depalettiert, neu kommissioniert und einem neuen Zielladungsträger zugeordnet. Die Ladetore beinden sich ausschließlich an den Stirnseiten des CCD, an den Längsseiten werden Schienen, Straßen oder Wasserstraßen vorbeigeführt. Bild 1 deutet ein CCD auf vier Ebenen an. Der horizontale Materialluss erfolgt dann manuell über Gabelstapler oder automatisch über Förderstrecken. Der Transport über mehrere Ebenen wird ausschließlich automatisch durchgeführt. Analysen und Bewertungen der hierzu einsetzbaren automatischen und manuellen Materiallusstechnik wurden im Rahmen von drei Bachelor-Arbeiten an der Hochschule für Logistik und Wirtschaft in Hamm durchgeführt (Grünewald, 2012) (Hinkmann, 2011) und (Jost, 2012). Notwendiger Flächenverbrauch eines kompakten Cross-docking-Centers Es ist plausibel, davon auszugehen, dass ein CCD gegenüber einem herkömmlichen, nur in einer Ebene angeordneten Cross-Docking-Center über ein Flächeneinsparungspotenzial verfügt. Flächeneinsparung durch kompakte Cross-Docking Center Hoher Flächenbedarf ist eines der typischen Merkmale von Cross-Docking-Zentren. Aufbauend auf einem Konzept von Ulrich Franke werden Möglichkeiten zur Flächeneinsparung diskutiert. Die Autoren: Karl-Georg Stefens, Alexander Zarle Bild 1: Illustration eines kompakten Cross-Docking-Centers (CCD) Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 29 LOGISTIK Wissenschaft Wir wollen nun mit einer Modellrechnung verdeutlichen, wie groß diese Einsparungen sind und wie sie sich in Abhängigkeit von der Ebenenzahl entwickeln. Wir setzen k als die Anzahl der Ebenen des CCD. Um den Grundlächenbedarf eines CCD zu berechnen, beginnen wir mit grundlegenden Größendeinitionen anhand der oberen Ebene eines CCD. Zur Illustration der nun folgenden Bezeichnungen verweisen wir auf Bild 2. Mit c wollen wir den für die Handhabung eines Containers notwendigen Zwischenraum annehmen. Es handelt sich hierbei also nicht nur um die Länge eines Containers, sondern auch um notwendigen Pufer für das Ab- und Umsetzen des Containers vor dem Ladetor; d ist der Abstand zwischen zwei Tormitten (Torbreite plus Pufer), n die Anzahl der Tore an jeder Seite des CCD und m der notwendige Raum für Materiallusstechnik zwischen den beiden Seiten des CCD. Nun können wir den nötigen Flächenbedarf für die obere CCD-Ebene s i berechnen zu s i = n · d · (2c + m). Wenn wir von einem stuigen CCD ausgehen (k- > 1) so stellen wir fest, dass wir für jede Ebene unterhalb der oberen Ebene eine zusätzliche Breite von zwei Containerlängen ( jeweils plus Handhabungsraum) zu berücksichtigen haben, eine Containerlänge für die zusätzlichen Tore an der linken Seite und eine weitere an der rechten Seite. Für die i-te Ebene von oben bedeutet dies, dass die CCD-Breite dort um 2 · (i - 1) Containerlängen erhöht ist, also 2ic + m insgesamt beträgt (vgl. Bild 3). Daraus folgt, dass die benötigte Fläche s i für die I-te Ebene von oben berechnet werden kann als s i = n · d · (2ic + m). Beispielsweise kann die Grundläche (i = k) berechnet werden als s k = n · d · (2kc + m). Diese Größe gibt den Flächenbedarf des Gebäudes an und wird später für die Vergleichsrechnungen herangezogen. Um den Bedarf an versiegelter Fläche zu bestimmen, müssen noch Annahmen über die zu verwendeten Verkehrsträger getrofen werden, da diese unterschiedliche Rangierlächen benötigen. Um den Bruttorauminhalt (umbauter Raum, BRI) eines CCD zu berechnen, wird der gesamte Flächenbedarf aller Ebenen benötigt. Er ist die Summe aller dieser Einzellächen und wird berechnet zu s s n d ic m n d ic m i i k i k i k = = ⋅ ⋅ + ( ) = ⋅ ⋅ + ( ) = ⋅ = = = = ∑ ∑ ∑ ∑ 2 2 1 1 1 n d c i i k ( ) = ⋅ ⋅   = = ∑ ∑    + ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ n d k m 2 1 = ⋅ ⋅ + ( ) + ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ k m ndc k k n d k m k 2 2 1 = ⋅ + ( ) + ( ) m knd c k m 1 . Bild 2: Obere Ebene eines CCD Bild 3: Untere Ebene eines CCD (i-te Ebene von oben) Wenn mit h E die Höhe einer Ebene des CCD bezeichnet wird, ergibt sich somit der Bruttorauminhalt zu BRI = h E · knd (c · k +1) + m). Beispielszenario Eine befriedigende Untersuchung kann nur aufgrund von realistischen Szenarien erfolgen, hierfür reichen die eben ausgeführten theoretischen Untersuchungen nicht aus. Wir trefen folgende Annahmen: Der vertikale Materialluss sei über vier Lifte organisiert, die alle Ebenen des CCD versorgen. Wir wollen diese symmetrisch anordnen wie in Bild 4 gezeigt. Das heißt, dass der Abstand zwischen den Seitenwänden des CCD und den Liften ein Abstand von ⋅ n d 4 , zwischen den Liften von ⋅ n d 2 gesetzt wird. Vor den Aufzügen wird ein Handhabungsraum der Länge f für Materiallusstechnik (Stapler etc.) reserviert. LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 30 Daraus sehen wir, dass der notwendige Flächenbedarf für den Materialluss berechnet werden kann als mm f nd = + 2 2 . Wir setzen nun den freien Abstand zwischen Aufzug und Ladetor auf der oberen Ebene mit f- =- 5-m und den Abstand zwischen zwei Tormitten mit d = 4 m an. Die Länge eines 40‘ ISO-Containers beträgt 12,19 m. Mit einem Pufer vom 0,5 m können wir also c = 12,69 m setzen. Hiermit können wir nun den benötigten Flächenbedarf eines CCD berechnen. Tabelle 1 vergleicht vier CCD, wobei stets von 128 zu versorgenden Ladetoren ausgegangen wurde. Für Ebene 3 wurden 132 Tore angenommen, da 128 Tore nicht auf 3 Ebenen gleichmäßig verteilt werden können. Um den umbauten Raum zu berechnen, haben wir h E = 5 m gesetzt. Um aus diesen Werten Vergleichszahlen zu erhalten, wählen wir zum Vergleich ein quadratisches Cross-Docking-Center mit 32 Toren an jeder Seite, welches also ebenfalls 128 Ladetore umfasst. Dieses benötigte eine Grundläche von (32 · d + 2 · c) 2 - 4c 2 = 2.288.128 m 2 (vgl. Bild 5). Zusätzlich zum Flächenverbrauch des gesamten Gebäudes ist noch der nötige Bedarf an Park- und Rangierläche für die Verkehrsträger zu berücksichtigen. Wir nehmen hierfür an, dass in allen Fällen die Tore von LKW angefahren werden, die mit 40’ ISO-Containern beladen sind. Durch die Toranordnung sind beim klassischen Cross-Docking-Center vier, bei den CCD zwei Parklächen zu berücksichtigen. Das stuige Konzept bewirkt hier also schon eine Reduzierung des Flächenverbrauchs um 50%. Um den Bedarf an Parklächen zu berechnen, setzen wir die Länge eines LKWs mit 40‘-Container als 16,5 m an. Ein herkömmliches Cross- Docking-Center benötigt also eine Parkläche von (32 · 4 · 4 m) · 16,5 m = 8.448 m 2 . Wenn wir für jedes Tor noch eine Rangierläche von 100-m 2 ansetzen, können wir die benötigte Park- und Rangierläche mit 32 · 4 · 100-m 2 + 2.112 m 2 = 21.248 m 2 ansetzen. Die benötigte Gesamtläche inklusive des Gebäudes beträgt hier also 44.129,28 m 2 . Tabelle 2 zeigt entsprechende Werte für CCDs mit 1-4 Ebenen. Wir sehen, dass schon das 2-Ebenen-CCD die benötigte Fläche um fast 40 % reduziert. Ein CCD auf vier Ebenen würde weniger als ein Drittel der Fläche eines herkömmlichen Cross-Docking-Centers verbrauchen. Nicht berücksichtigt wurde hierbei allerdings, dass bei der Integration von intermodalen Verkehrsträgern wie Bahn und Binnenschif auch noch an den Seitenlächen des CCD Verkehrswege in die Flächenberechnung zu integrieren sind. Diese haben jedoch einen relativ geringen Platzbedarf, da Schienenwege und Wasserwege parallel zu den Längsseiten des CCD geführt würden. Ebenenzahl des CCd 1 2 3 4 Toranzahl auf jeder Seite und jeder Ebene des CCD 64 32 22 16 Benötigte Fläche für Materiallusstechnik in m 2 138 74 54 42 Benötigte Grundläche des CCD in m 2 41.825,28 15.969,28 11.452,32 9.185,28 BRI (umbauter Raum) des CCD in m 3 209.126,40 143.449,60 138.283,20 134.976,00 Tabelle 1: Gebäudedaten für kompakte CCDs mit 1-4 Ebenen Ebenenzahl des CCd 1 2 3 4 Toranzahl auf jeder Seite und jeder Ebene des CCD 64 32 22 16 Benötigte Parkläche für LKW in m² 8.448 4.224 2.904 2.112 Benötigte Rangierläche für LKW in m² 12.800 6.400 4.400 3.200 Benötigte Grundläche des CCD in m² 63.073,28 26.593,28 18.756,32 14.497,28 Reduzierung gegenüber klassischen Cross-Docking-Centern -42,93% (Erhöhung) 39,74% 57,50% 67,15% Tabelle 2: Vergleich kompakter CCDs mit herkömmlichen Cross-Docking-Centern Bild 4: Beispielszenario mit vier Aufzügen Bild 5: Quadratisches Cross-Docking-Center mit n Ladetoren LOGISTIK Wissenschaft Karl-Georg Stefens, Prof. Dr. Professur für Operations Research, Hochschule Neuss für Internationale Wirtschaft, Neuss k.stefens@hs-neuss.de Alexander Zarle, Dipl.-Ing. Geschäftsführer, Institut für Postfossile Logistik an der Hochschule Bochum, Münster alexander.zarle@institut-pl.de Auf der anderen Seite zeigen diese Ergebnisse, dass eine Aufstockung des CCD auf mehr als 4- Etagen keine deutlichen Flächeneinsparungen erbringen. Bild 6 zeigt den Funktionsverlauf der Flächeneinsparung bei steigender Ebenenzahl. Hierbei wurde für die Anzahl der Tore pro Ebene der theoretische Wert 128/ k für k Ebenen gesetzt. Dieser Wert ist in der Regel nicht ganzzahlig und dient nur der Sicherstellung eines konkaven Funktionsverlaufs. Zu bedenken ist, dass neben den steigenden Baukosten auch andere Kosten überproportional zur Ebenenzahl steigen, zum Beispiel die vertikale Materiallusstechnik. Es kann daher vermutet werden, dass sich nur 2-4-stuige CCDs für die praktische Anwendung lohnen. ■ LIterAtur FRANKE, U. (10 2010-I). Cross Docking stufenartig auf mehreren Ebenen. Logistik für Unternehmen. FRANKE, U. (10 2010-II). Cross-Docking-Center der nächsten Generation. Hebezeuge Fördermittel, S. 488-489. GRüNEWALD, N. (2012). Horizontale Materialflusstechnik in Compact Cross Docks (Bachelorarbeit). Hamm: SRH Hochschule für Logistik und Wirtschaft. HINKMANN, S. (2011). Einsatzmöglichkeiten integraler Informations- und Techniksysteme in multimodalen Cross-Docking-Centren (Bachelorarbeit). Hamm: SRH Hochschule für Logistik und Wirtschaft. JOST, J.-P. (2012). Vertikale Materialflusstechnik in Compact Cross Docks (Bachelorarbeit). Hamm: SRH Hochschule für Logistik und Wirtschaft. Bild 6: Flächenverbrauchsreduktion bei zunehmender Ebenenzahl des CCD Einfach wirtschaftlich: Rolltor / Rollgitter SB • handbetätigt oder optional mit Antrieb WA-300 • einfache manuelle Bedienung bzw. antriebsschonender Torlauf dank Zugfedertechnik 23/ 13