Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0068
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2013
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Mobilität auf neuen Wegen
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2013
Volker Schott
Barbara Hüttmann
Francesco Ciari
Barbara Lenz
Seit geraumer Zeit stellen die Statistiker fest, dass immer weniger junge Menschen in Deutschland private PKW zulassen. Darin sieht mancher Verkehrsexperte ein nachlassendes Interesse am Auto. Aber stimmt das wirklich? Ist dies ein typisch urbanes Phänomen? Wie ist der aktuelle Stand der Forschung dazu? Das Symposium „Junge Leute – Abwendung vom Auto?“ 2013 im Rahmen der 65. Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt will Antworten geben. Es wird vom Verband der Automobilindustrie (VDA), dem Jungen Forum der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG) und Internationales Verkehrswesen gemeinsam veranstaltet. Hier werden kompetente Referenten aus Wissenschaft und Wirtschaft über Argumente und Hintergründe berichten und mit Ihnen diskutieren. Wir laden Sie herzlich dazu ein – seien Sie dabei!
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Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 50 MOBILITäT IAA-Symposium Mobilitätswandel Mobilität auf neuen Wegen Warum junge Leute weniger Autos kaufen Seit geraumer Zeit stellen die Statistiker fest, dass immer weniger junge Menschen in Deutschland private PKW zulassen. Darin sieht mancher Verkehrsexperte ein nachlassendes Interesse am Auto. Aber stimmt das wirklich? Ist dies ein typisch urbanes Phänomen? Wie ist der aktuelle Stand der Forschung dazu? Das Symposium „Junge Leute - Abwendung vom Auto? “ 2013 im Rahmen der 65. Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt will Antworten geben. Es wird vom Verband der Automobilindustrie (VDA), dem Jungen Forum der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG) und Internationales Verkehrswesen gemeinsam veranstaltet. Hier werden kompetente Referenten aus Wissenschaft und Wirtschaft über Argumente und Hintergründe berichten und mit Ihnen diskutieren. Wir laden Sie herzlich dazu ein - seien Sie dabei! Avantgardistische Mobilitätskultur - ohne Auto? Volker Schott, Dr. Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) Abteilung Verkehrspolitik schott@vda.de Seit etwa 20 Jahren fällt auf, dass sich in Deutschland der Motorisierungsgrad bei 18bis 29-Jährigen und der übrigen Bevölkerung auseinander entwickeln. Während er in der Altersgruppe der 30bis 39-Jährigen weitgehend konstant bleibt und in den höheren Altersgruppen, insbesondere durch das „Auholen“ der Frauen, ansteigt, ist er in diesem Zeitraum bei den 20bis 29-Jährigen weiter zurückgegangen. Gleichzeitig gewinnt das Carsharing immer mehr an Zulauf - insbesondere bei den 25bis 30-Jährigen als der am stärksten wachsenden Nachfragegruppe bei Carsharing. Ofensichtlich vollzieht sich in dieser Altersgruppe ein Trend weg vom Besitz eines Autos hin zur reinen Nutzung eines Autos. Die Automobilhersteller haben auf diese Entwicklung mit dem Einstieg in den Carsharing- Markt reagiert und gehören heute in Deutschland zu den größten Anbietern in diesem Bereich. Nicht nur für die Gestaltung der künftigen Vertriebsmodelle und des Marketings der Automobilindustrie, sondern auch für Mobilitätsforscher, Zukunftsforscher und Soziologen ist es eine interessante Fra- Foto: Paul Golla/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 51 ge, den Ursachen für den sinkenden Motorisierungsgrad jüngerer Leute auf den Grund zu gehen. Woher kommt diese Entwicklung? Was sind ihre Ursachen? Hier stehen sich, zugespitzt formuliert, zwei Thesen gegenüber. Nach der einen These verliert die junge Generation das Interesse am Auto. Die „digital natives“ wüchsen mit weniger Autobezug auf, als das vor 20 oder 30 Jahren noch der Fall war. Sie neigten in späteren Lebensjahren dazu, Trefen mit Freunden durch virtuelle Trefen im Netz zu ersetzen. Das Auto werde dadurch überlüssig. Außerdem verliere es seinen Statuscharakter. Womöglich werde das Auto gar aus ökologischen Gründen abgelehnt. Es stellt sich die Frage, ob der Autoverzicht vielleicht sogar Ausdruck einer neuen, bewusst praktizierten avantgardistischen Mobilitätskultur sein könnte, also Teil eines neuen, aukommenden urbanen Lebensstils. Dem steht die These entgegen, dass das Auto auch bei jungen Erwachsenen nach wie vor beliebt ist. Veränderte sozio-demographische Rahmenbedingungen - wie ein höherer Anteil an Studenten und damit Semesterticketnutzern, ein höherer Urbanisierungsgrad, unsicherere Berufsanfänge („Generation Praktikum“, befristete Verträge) und spätere Familiengründungen - verändern allerdings in der individuellen Nutzen-Kosten-Analyse die Wirtschaftlichkeitsschwelle für den Kauf eines Autos, zumal sich die Autonutzung in den vergangenen 20 Jahren aufgrund höherer Kraftstofpreise erheblich verteuert hat. Hieße das, der Autokauf ist damit nicht aufgehoben, sondern nur auf eine spätere Lebensphase aufgeschoben? Es gibt kein geeigneteres Forum als die IAA, um dieses Thema umfassend zu diskutieren. Die 65. IAA PKW, die vom 12. bis 22. September in Frankfurt am Main stattindet, ist die weltweite Leitmesse für Mobilität. Damit versteht sich die IAA nicht nur als reine Fahrzeugausstellung, sondern hat seit jeher den Anspruch, darüber hinaus auch Diskussionsforum für alle aktuellen Mobilitätsfragen zu sein. Dazu gehören zahlreiche Fachveranstaltungen im Rahmenprogramm - sei es zur Infrastruktur, zur Weiterentwicklung der Fahrzeugtechnik im Interesse von Umwelt und Sicherheit, zur Rohstofsituation, zu Mobilitätskosten oder zur Mobilitätskultur. Im Namen unserer Mitveranstalter laden wir alle, die diese Fragen vertiefen und sich an der Diskussion beteiligen wollen, herzlich nach Frankfurt am Main zum 20.-September ein. Was sagen eigentlich die-Jungen dazu? Barbara Hüttmann, Dr. Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft Bundesvorsitzende des Jungen Forums b.huettmann @bsl-transportation.com Morgens mit dem Bus zur Uni oder ins Büro, nach der Arbeit mit dem (Leih-)Fahrrad weiter in die City und anschließend mit der U- Bahn zurück nach Hause. Und falls der Einkauf doch einmal etwas größer geworden ist, dann schnell einen Carsharing-Wagen gemietet … Zukunftsvision oder bereits heute verbreitet Alltag? Sieht so mittlerweile der typische Tagesablauf junger Menschen in Deutschland aus? Bleibt für das Automobil somit nur noch eine Statistenrolle in der Alltagsmobilität der jungen Generation? Und besteht dabei über- IAA-symposium „Junge Leute - Abwendung vom Auto? “ Termin Freitag, 20. September 2013, 10.00 - 13.00 Uhr Ort CongressCenter Messe Frankfurt (CMF), Saal Fantasie II Veranstalter Junges Forum der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG), Fachzeitschrift Internationales Verkehrswesen, Verband der Automobilindustrie (VDA) Programm 10.00 Uhr 10.10 Uhr 10.30 Uhr 10.50 Uhr 11.10 Uhr 11.30 Uhr begrüßung NN, VDA-Geschäftsführer Dr. Barbara Hüttmann, Bundesvorsitzende des Jungen Forums der DVWG, Mitglied des DVWG-Präsidiums statussymbol adé? Die ganze bandbreite der Diskussion zwischen ent-emotionalisierungsthese und wirtschaftlichkeitsthese Robert Schönduwe, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) Autokauf durch junge Leute - aufgehoben oder aufgeschoben? Der einluss sozio-demographischer efekte Dr. Irene Feige, Leiterin des Instituts für Mobilitätsforschung (ifmo) „Auto kaufen, mieten oder teilen? unterschiedliche Modelle der Autonutzung aus verbrauchersicht“ Dr. Ottmar Lell, Referent Nachhaltigkeit und Verkehr, Bundesverband der Verbraucherzentralen Das verhältnis der Jugend zum Automobil - exklusive vorstellung einer aktuellen studie Rainer Schubert, Associate Director, TNS Infratest Travel & Transport Podiumsdiskussion (unter Einbeziehung des Auditoriums) Dr. Irene Feige, Leiterin des Instituts für Mobilitätsforschung (ifmo) Dr. Ottmar Lell, Referent Nachhaltigkeit und Verkehr, Bundesverband der Verbraucherzentralen Rainer Schubert, Associate Director, TNS Infratest Travel & Transport Robert Schönduwe, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel N.N., Volkswagen Financial Services Moderation: Kerstin Zapp, Redaktion Internationales Verkehrswesen 13.00 Uhr Imbiss und Gelegenheit zum Besuch der IAA Die Veranstaltung ist kostenlos. Weitere Information und Anmeldung: www.iaa.de -> Veranstaltungen -> Fachveranstaltungen MOBILITäT IAA-Symposium Mobilitätswandel Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 52 haupt noch Bedarf, sich ein eigenes Fahrzeug anzuschafen oder wird - falls einmal die Notwendigkeit für eine Autofahrt besteht - lieber ein Wagen kurzfristig und bedarfsweise gemietet? Eine Kurzumfrage im Bundesvorstand des Jungen Forums der DVWG ergibt: Nur eines der fünf Vorstandsmitglieder besitzt derzeit ein eigenes Auto - und dies auch vielmehr, weil es ein liebgewonnenes Erbstück ist. Bei den weiteren vier dagegen ist auch kurzfristig keine Anschafung geplant. Die genannten Gründe für die geringe PKW-Nutzung gehen vorrangig in Richtung der Wirtschaftlichkeitsthese: ein ungünstiges, nicht ökonomisches Kosten- Nutzen-Verhältnis einer PKW-Anschafung in der Stadt, keine Lust auf Parkplatzsuche sowie gut ausgebaute ÖPNV-Anbindungen. Umweltbewusstsein, persönliche Einstellung und Carsharing-Nutzung werden jedoch ebenfalls als Motive angeführt. Auf den ersten Blick bestätigt die Kurzumfrage somit den sich zunehmend abzeichnenden Trend des rückläuigen PKW-Besitzes bei der jungen Generation - aber ist sie mehr als nur eine punktuelle, nicht repräsentative Momentaufnahme? Alle fünf Befragten leben und arbeiten in städtischen Ballungsräumen mit gut ausgebautem ÖPNV-Angebot. Würden die Antworten in anderen, ländlicher geprägten Regionen mit nicht so vorteilhaften ÖPNV-Verbindungen dagegen anders ausfallen? Diesen Fragestellungen mit verkehrsträgerübergreifender Relevanz wollen wir am 20.-September 2013 von 10 bis 13 Uhr im Rahmen einer ganz besonderen Fachveranstaltung nachgehen. Das Junge Forum bietet, gemeinsam mit dem Verband der Automobilindustrie und der Fachzeitschrift Internationales Verkehrswesen, im Rahmen der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) erstmals ein Symposium zum Thema „Junge Leute - Abwendung vom Auto? “ an. Wir laden Sie herzlich ein, gemeinsam mit hochkarätigen Referenten aus Wissenschaft und Wirtschaft zu diskutieren, warum junge Erwachsene zunehmend auf ein eigenes Auto verzichten. Die Teilnahme am Symposium ist kostenlos und berechtigt anschließend zum kostenfreien Besuch der IAA. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung! Hat die Nutzung des Autos auch in der Schweiz den-Höchststand erreicht? Francesco Ciari, Dr. IVT - Institute for Transport Planning and Systems, ETH Zürich ciari@ivt.baug.ethz.ch Jahrzehntelang war in industrialisierten Ländern ein steigendes Niveau der Anzahl Fahrzeugbesitzer und ein Wachstum der Autonutzung zu beobachten. Dies wurde weitgehend als „natürliche“ Konsequenz der wirtschaftlichen Entwicklung angesehen, das Bestreben von Individuen widerspiegelnd, Zugang zu einer größeren und vielfältigeren Auswahl an Aktivitäten zu erhalten. In den letzten Jahren konnte allerdings in mehreren industrialisierten Ländern eine Stagnation oder sogar ein Rückgang der Anzahl Fahrzeugbesitzer und der Autonutzung beobachtet werden. Einige Forscher schließen daraus, dass in diesen Ländern die Autonutzung einen Höchststand erreicht hat, und dass das Auto in Zukunft weiterhin eine wichtige, aber insbesondere für Stadtbewohner verkleinerte Rolle spielen wird. Untersuchungen in diesem Forschungsfeld konnten in der Tat aufzeigen, dass jüngere Generationen seltener Autos besitzen und weniger fahren als ältere. Unklar ist, weshalb die Autonutzung einen Höchststand erreicht hat. Die Situation bezüglich Autonutzung in der Schweiz wurde bisher nicht ausführlich untersucht, ist aber durchaus interessant, denn die Schweiz zeichnet sich durch ein hohes durchschnittliches Einkommen und eine für europäische Standards hohe Motorisierungsrate aus. Zudem konnte sie der wirtschaftlichen Krise vergleichsweise gut standhalten. Dennoch wurden Anzeichen abnehmender Fahrzeugnutzung und -besitzes beobachtet. Die Mikrozensus-Auswertung des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE gibt mehrere Hinweise auf die generellen Mobilitätstrends in der Schweiz. Im Vergleich zum Jahre 2005 stieg die durchschnittliche Tagesdistanz der Schweizer Bevölkerung im Jahre 2010 um 4,1 % an. Diese zusätzlichen Kilometer wurden größtenteils mit dem öfentlichen Verkehr zurückgelegt, welcher um satte 27 % zulegte, während der motorisierte Individualverkehr stagnierte. Das ist eine Umkehrung der vorangegangen Entwicklung, denn zwischen 1984 und 1994 nahm die Nutzung des Autos zu. Eine genauere Betrachtung der historischen Mikrozensus-Daten (1989 bis 2010) erlaubt, diese Vorgänge zu interpretieren. Eine Möglichkeit ist das Verhalten von Kohorten, also Gruppen von Individuen, welche in derselben Zeitspanne (beispielsweise 10 Jahre) geboren wurden, zu analysieren. Dies ergibt einen Einblick in die Verhaltensweise verschiedener Generationen. Interessanterweise weist die 1990er Kohorte - einzig repräsentiert im Mikrozensus 2010, da in allen vorherigen Erhebung niemand dieser Kohorte die Volljährigkeit erreicht hatte - unter allen Erhebungen zwischen 1989 und 2010 die tiefste Verfügbarkeit von Führerscheinen auf. In der Tat sank die Verfügbarkeit von Führerscheinen junger Personen zwischen 18 und 24 Jahren gemäß der Mikrozensus-Auswertung des ARE in diesem Zeitraum erheblich, namentlich von 71 % auf 59 %. Ähnliche Muster können für die Nutzung des Autos festgestellt werden. Auch wenn sich die Zahlen nicht dramatisch geändert haben - die Veränderungen liegen im Bereich von 10% - junge Personen reisten noch nie so wenig mit dem Auto. Analysiert man die individuellen Aktivitäten, wird klar, dass die verminderte Nutzung des Autos jüngerer Menschen nicht zwingend mit kürzeren Reisedistanzen, sondern mehr mit der zu Hause verbrachten Zeit zusammenhängt. Die Anzahl Aktivitäten außer Haus ist kleiner als bei vorherigen Generationen. Wenn dies darauf zurückzuführen ist, dass traditionell außer Haus durchgeführte Aktivitäten vermehrt nach Hause verlegt werden - beispielsweise Telearbeit, Einkaufen über das Internet oder Freizeitaktivitäten, welche mit der Verfügbarkeit von Internet und elektronischen Geräten zusammenhängen -, könnte es sich dabei um einen dauerhaften Trend handeln. Die verfügbaren Informationen über aktuelle Mobilitätsmuster lassen nicht darauf schließen, dass eine wesentliche Veränderung be- Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 53 reits stattgefunden hat. Die Zahlen sind relativ konstant über die letzten 20 Jahre. Halten die in den letzten Jahren beobachteten Entwicklungen jedoch an, wenn also jüngere Generationen die Anzeichen der zunehmenden Abkehr vom Auto bestätigen oder gar weiter akzentuieren, könnten die Dinge rasch ändern. Es scheint, dass sich unsere Gesellschaft langsam aber stetig von einer autozentrierten Mobilität zu einer variableren und möglicherweise komplexeren Mobilität bewegt. Dies erweckt nicht gleich den Eindruck einer Revolution, sondern eher einer Entwicklung, die jederzeit eine andere Gangart anschlagen könnte. Zukunftsperspektiven individueller Mobilität Barbara Lenz, Prof. Dr. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Leiterin Institut für Verkehrsforschung, Berlin barbara.lenz@dlr.de Mobilität ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit, die den Alltag organisierbar macht und gesellschaftliche Teilhabe erlaubt. Eine zentrale Rolle zur Umsetzung der Mobilitätsbedürfnisse hat seit Jahren der PKW: Über die Hälfte aller Alltagswege und mehr als drei Viertel der Wegstrecken werden in Deutschland mit dem PKW absolviert (MiD 2008: infas, DLR 2010). Aktuelle Treiber der nach wie vor hohen PKW-Nutzung sind die mittleren Altersgruppen in der Erwerbstätigkeitsphase sowie vor allem die „jungen Alten“ (65bis 75-Jährige), also Personengruppen mit vergleichsweise hohen Haushaltseinkommen und ohne wesentliche körperliche Mobilitätseinschränkungen. Das Auto war und ist ein wesentliches Element im Lebensstil dieser Menschen. Es wird als Gegenstand wahrgenommen, der individuelle Entfaltungschancen vergrößert, einen lexiblen und spontanen Alltag ermöglicht und damit ein hohes Maß an Autonomie sicherstellt (Bittlingmayer, Steding 2004). Wie sieht das bei jungen Menschen aus, deren Lebenswelt maßgeblich durch neue technische Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion geprägt ist? Viel diskutiert werden derzeit Beobachtungen, dass bei unter 30-Jährigen die Nutzung des PKW nachlässt. Dies geht Hand in Hand mit sinkendem PKW-Besitz bzw. sinkender PKW-Verfügbarkeit, zunehmender Multimodalität oder rückläuiger PKW-Fahrleistung zugunsten von ÖV und Fahrrad. Höchst plausibel sind Erklärungsansätze, die Veränderungen im Lebenskontext junger Menschen in den Vordergrund stellen (vgl. ifmo 2011). Ob sich verändernde Werthaltungen, vor allem ein gestiegenes Umweltbewusstsein (vgl. Albert et al. 2010), oder die Konkurrenz zwischen dem Statussymbol Auto und Lifestyle-Produkten wie Smartphone oder Tablet einen Wandel im Mobilitätsverhalten nach sich ziehen werden, ist bislang empirisch nicht ausreichend belegt (vgl. Bratzel et al. 2011). Ohnehin sind Zweifel angebracht, denn viele junge Menschen halten sich das Autofahren als individuelle Mobilitätsoption durchaus ofen. So belegen Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA o. J.), dass, begünstigt durch den ‚Führerschein mit 17‘, bereits bei den 18-Jährigen nach wie vor hohe Führerscheinquoten zu verzeichnen sind. Von einem abnehmenden Interesse junger Menschen am Führerschein - und damit auch an der Nutzung des Autos - kann also keine Rede sein. Jenseits dieser Diskussion ist davon auszugehen, dass die Menschen auch zukünftig in hohem Maße mobil sein wollen und es unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch sein müssen. Dieser Mobilitätsbedarf wird weiterhin vor allem physisch realisiert werden (müssen). Digitale Hilfsmittel werden nur bedingt substituierende Funktion haben können, vielmehr übernehmen sie eher die Rolle von Türöfnern, die einerseits den Zugang zum Verkehrssystem ermöglichen, andererseits dessen optimierte Nutzung sowie die Kombination verschiedener Verkehrsmittel einschließlich des Autos vereinfachen. Vor diesem Hintergrund richten sich große Erwartungen auf die wachsende Bedeutung neuer Mobilitätskonzepte wie dem eigentumsunabhängigen Car-Sharing, das in jüngster Zeit in vielerlei Hinsicht eine deutliche Modernisierung und gleichzeitige Attraktivitätssteigerung erfahren hat. Dazu gehört beispielsweise der Zuwachs an Flexibilität durch die Abkopplung von festen Stationen oder die Substitution des Besitzes durch die Schafung von Nutzer-Communities, die dem neuen Verbrauchertypus des „Transumers“ (trendwatching. com 2006) entgegen kommt. Für Forschung, Planung und Politik bedeutet das: Die genannten Entwicklungen, ausgehend von bisherigen, oft vorläuigen Befunden, sind langfristig und vor allem unvoreingenommen zu beobachten und zu analysieren. Für die Zukunft geht es weniger darum, das bereits hohe Mobilitätsniveau weiter zu steigern. Vielmehr gilt es, Mobilität für möglichst viele in der Bevölkerung realisierbar zu machen und gleichzeitig Problemlösungen zu inden für die nachteiligen Wirkungen, die sich aus dem hohen Mobilitätsbedarf ergeben. ■ LIterAtur Albert, M., Hurrelmann, K. & G. Quenzel (2010): 16. Shell Jugendstudie. Jugend 2010. Bittlingmayer, U. H. & D. Steding (2004): Verkehrsverhalten: Nachhaltig, aber sozial ungleich? Einige Anmerkungen zu sozialstrukturellen und symbolischen Dimensionen. In: Dalkmann, H., Lanzendorf, M. & J. Scheiner (Hsrg.): Verkehrsgenese. Entstehung von Verkehr sowie Potenziale und Grenzen der Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität. Studien zur Verkehrs- und Mobilitätsforschung, Bd. 5, S. 129-148. Bratzel, S., Lehmann, L. & R. Tellermann (2011): i-Car: Die junge Generation und das vernetzte Auto. Empirische Befragung zu den Einstellungen und Verhaltensmustern der 18-25-Jährigen in Deutschland. Center of Automotive Management (CAM), Working Paper 2011/ 03. ifmo - Institut für Mobilitätsforschung (2011) (Hrsg.): Mobilität junger Menschen im Wandel - multimodaler und weiblicher. infas, DLR (2010) MiD - Mobilität in Deutschland 2008. Erhebung im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Ergebnisbericht: Struktur - Aufkommen - Emissionen - Trends; Tabellenband; Basisdatensatz. Projekthomepage: http: / / www.mobilitaetin-deutschland.de. Datenbezug: http: / / www.clearingstelle-verkehr.de. KBA - Kraftfahrtbundesamt (o. J.): Ersterteilungen von allgemeinen Fahrerlaubnissen für die Jahre 2002 bis 2010. Auszug aus dem Fahrerlaubnisregister. Unveröfentlicht. trendwatching.com (2006): „Transumers“. Internet-Quelle: http: / / trendwatching.com/ trends/ transumers.htm. Zugrif: 6.8.2013.
