eJournals Internationales Verkehrswesen 65/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0073
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Der „Südtirol Pass“ im öffentlichen Nahverkehr

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Simone Messner
Mit dem „Südtirol Pass“ begann Anfang 2012 eine neue Ära in Südtirols öffentlichem Nahverkehr: Der elektronische Fahrausweis, der auf allen Bus- und Bahnstrecken des öffentlichen Verkehrsnetzes in Südtirol anwendbar ist, wurde bisher über 130 000 Mal beantragt und hat bereits Geschichte geschrieben.
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Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 66 MOBILITäT Ticketing Der „Südtirol Pass“ im öfentlichen Nahverkehr Mit dem „Südtirol Pass“ begann Anfang 2012 eine neue Ära in Südtirols öfentlichem Nahverkehr: Der elektronische Fahrausweis, der auf allen Bus- und Bahnstrecken des öfentlichen Verkehrsnetzes in Südtirol anwendbar ist, wurde bisher über 130 000 Mal beantragt und hat bereits Geschichte geschrieben. Die Autorin: Simone Messner D ie Südtiroler Verkehrspolitik stand in den vergangenen zehn Jahren ganz im Zeichen der Modernisierung des ÖPNV. Um das gesamte System attraktiver und nutzerfreundlicher zu gestalten und die Bürgerinnen und Bürger zu einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten zu bewegen hat das Landesmobilitätsressort ein anspruchsvolles Maßnahmenpaket erarbeitet, das in drei Schritten umgesetzt wurde: • Aubau eines lächendeckenden Verkehrsnetzes, Verdichtung und Abstimmung der Bus- und Bahnfahrpläne, Einführung eines Halbstundentaktes auf den Haupt- und eines Stundentaktes auf den Nebenlinien • Ausbau und Modernisierung der Infrastrukturen: Wiederinbetriebnahme der 1990 stillgelegten Vinschgerbahn (Vinschgaubahn) im Jahre 2005, Sanierung der Bahnlinien und Bahnhöfe, Ankauf von 16 Niederlur-Zügen und über 200 neuen Bussen (Bild 1) • Zugangserleichterung durch nutzerfreundliche, zielgruppenorientierte und landesweit gültige Tickets. Die Einführung eines neuen Tarifsystems am 14. Februar 2012 stellt eine der wichtigsten Neuerungen dar. Herzstück dabei ist der „Südtirol Pass“: Inhaber dieses persönlichen, nicht übertragbaren Jahresabonnements fahren mit nur einer Karte auf allen Strecken und mit allen Verkehrsmitteln des Verkehrsverbundes Südtirol. Dazu gehören sämtliche Busse und Regionalzüge sowie mehrere öfentliche Seilbahnen, eine Schmalspur- und eine Standseilbahn (Bild-2). der Südtirol Pass Der Südtirol Pass kann sowohl online als auch mittels Formular an den Verkaufsschaltern kostenlos beantragt werden. Wer ein Online-Benutzerkonto angelegt hat, kann dort den Kilometerstand und die getätigten Fahrten einsehen, Fehlbuchungen richtigstellen oder Rechnungen kontrollieren. Bezahlen lässt sich automatisch durch Bankeinzug oder „prepaid“ durch Auladen: online mittels Kreditkarte, an Verkaufsschaltern, Fahrkartenautomaten oder an Bord der Busse. Die Bezeichnung „Südtirol Pass“ bildet heute eine Art Dachmarke für sämtliche bestehenden Abonnements, die auch graisch einheitlich gestaltet sind (Bild 3). Bild 1: Neuer FLIRT-Zug und Bahnhofsbau im Pustertal (Alle Fotos: Autonome Provinz Bozen, Ressort für Mobilität) Bild 2: Die neue Rittner Seilbahn ist eines der Highlights des integrierten ÖPNV-Systems in Südtirol. Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 67 Der Südtirol Pass ist ein Jahr lang gültig, danach wird er automatisch jeweils um ein Jahr verlängert. Mit jeder Erneuerung wird das Kilometerkonto - Kennzeichen des neuen Tarifsystems - auf Null zurückgesetzt. das neue Tarifsystem Südtirol ist in 253 Tarifzonen aufgeteilt. Jede Haltestelle wird einer bestimmten Tarifzone zugeordnet, die meist den Gemeindegrenzen entspricht; größere Gemeinden sind in mehrere Tarifzonen unterteilt. Die Distanz zwischen zwei Zonen entspricht in der Regel der Bahndistanz beziehungsweise der kürzesten oder meist befahrenen Busdistanz zwischen den Tarifzonen-Mittelpunkten am Bahnhof oder der meistgenutzten Bushaltestelle. Fahrten mit dem Südtirol Pass sind kostengünstiger als mit Einzelfahrschein oder Wertkarte. Auch die Mitnahme von Fahrrädern und Tieren kann auf Wunsch registriert und abgebucht werden. Kurzstrecken werden mit mindestens 10 km berechnet, für Anschlussfahrten mit Citybus innerhalb eines Ortsbereichs werden 5 km berechnet. Für die Berechnung der Tarife auf Seilbahnanlagen des Verkehrsverbundes sowie für einzelne saisonale, touristisch genutzte Busverbindungen werden nicht die efektiven Kilometer, sondern konventionelle Entfernungen angenommen. Dazu kommt: Je mehr Kilometer die Inhaber des Südtirol Pass pro Jahr „ansammeln“, desto günstiger wird der Kilometertarif. Entwertung durch Contactless-Technologie Zeitgleich mit der Umstellung wurde ein kontaktloses Entwertungssystem installiert - das Einsteigen in das Verkehrsmittel konnte dadurch wesentlich beschleunigt werden. Bei Fahrten mit dem Bus genügt der Check In beim Einsteigen (Bild 4), bei Überlandlinien wird auch der Ausstieg registriert. Bei Fahrten mit den Regionalzügen tippt der Benutzer den Code des Zielbahnhofes bereits vor Reiseantritt am Entwertungsgerät ein. Die Fahrkartenkontrolle an Bord erfolgt mittels Smartphone; kostenlose Schüler- und Seniorenabonnements unterscheiden sich bereits im Piepton bei der Entwertung vom klassischen Südtirol Pass, was die Kontrolle beim Einstieg erleichtert. Die Software, die hinter diesem System steckt, wurde in Südtirol-gemäß den lokalen Bedürfnissen und Vorgaben entwickelt. Die Umstellung auf kontaktlose Entwertungstechnik und der zeitgleiche Ersatz aller bisherigen Strecken-, Stadt- und Familienabonnements stellte die Verantwortlichen des Landesmobilitätsressorts und der Verkehrsbetriebe vor große organisatorische Herausforderungen - unter anderem mussten die Entwertungsgeräte aller öfentlichen Verkehrsmittel in Südtirol zeitnah ausgetauscht werden. Daneben galt es auch, einen enormen Ansturm bei den Anträgen zeitgerecht zu bewältigen. Denn das neue System wurde von Anfang an gut angenommen. Erfolg - und Ausblick Mit bisher über 130.000 ausgestellten Südtirol Pässen wurde die Zahl der früheren Abonnenten (knapp 70.000) bereits weit übertrofen, mit weiter steigender Tendenz. Zusammen mit dem „Abo+“ von 80.000 Schülern und Studierenden sowie rund 70.000 Senioren-Abos besitzt heute weit mehr als die Hälfte der Südtiroler Bevölkerung ein Abonnement für den öfentlichen Nahverkehr. Das Konzept hat sich also bewährt und kann nach nur eineinhalb Jahren als echtes Erfolgsmodell im Nahverkehr gelten. Die Funktionalitäten werden seit dem Start Schritt für Schritt erweitert. Denn der Südtirol Pass mit seiner Contactless-Technologie versteht sich nicht als fertiges Produkt, sondern soll schrittweise ausgebaut und zur Multifunktionskarte erweitert werden. Er soll - ähnlich dem Mobiltelefon - innerhalb der nächsten Jahre zu einem festen Begleiter werden, der den Menschen in Südtirol eine bequeme und lexible Nutzung der öfentlichen Verkehrsmittel sowie verschiedener zusätzlicher Leistungen ermöglicht. ■ Bild 4: Mobilitätslandesrat Thomas Widmann illustriert das Contactless-Entwertungssystem mit dem Südtirol Pass. Simone Messner, Dr., Autonome Provinz Bozen - Südtirol, Abteilung Mobilität, Bozen simone.messner@provinz.bz.it Kartentyp Zielgruppe Südtirol Pass grundsätzlich für alle Südtirol Pass family für Eltern oder Erziehungsberechtigte mit minderjährigem Kind (fahren zum ermäßigten Familientarif) Südtirol Pass free für Menschen mit Beeinträchtigung bzw. Invalidität ab 74 % Südtirol Pass abo+ für Schüler/ innen bis 18 Jahren (kostenlos) sowie Studenten und Lehrlinge (150 Euro pro Jahr) Südtirol Pass 65+ für Senioren (ab 65 Jahren 150 Euro pro Jahr, ab 70 Jahren gratis) Km-Preise Südtirol Pass Normaltarif Familientarif Die ersten 1.000 gefahrenen km pro Jahr kosten 8 ct/ km 6 ct/ km 1.001 bis 10.000 km 4 ct/ km 3 ct/ km 10.001 bis 20.000 km 2 ct/ km 2 ct/ km Ab 20.001 gefahrenen km kostenlos für den Rest des Jahres 0 ct/ km 0 ct/ km Einzelfahrschein 15 ct/ km Wertkarte 12 ct/ km Bild 3: Der Südtirol Pass ist Basis für weitere Abonnement-Varianten