Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0084
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2013
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Verkehrsinfrastrukturfinanzierung: Viel Hoffnung, wenig Mut
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Gerd Aberle
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KURZ + KRITISCH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (65) 3 | 2013 9 A uf Basis der Analysen der Daehre-Kommission hat die Bodewig-Kommission der Länderverkehrsministerkonferenz Finanzierungsvorschläge für die Verkehrsinfrastruktur unterbreitet. Positiv zu bewerten ist, dass die Ministerkonferenz eine erhebliche Aufstockung der Finanzmittel verlangt und Fondslösungen befürwortet. Stereotyp haben aber das Finanzministerium und die Haushälter des Bundestages den Fondsgedanken abgelehnt. So bleibt, was die Fondslösung betrifft, viel Hoffnung im Spiel. Einhellig fordern die Länderverkehrsminister eine Aufstockung der Bundeshaushaltsmittel um 40 Mrd. EUR für einen Zeitraum von 15-Jahren, also 2,7 Mrd. EUR p.a. Weiterhin wird eine Anhebung der Regionalisierungsmittel und ihrer Dynamisierungsrate verlangt. Von Eigenbeiträgen der Länder ist nichts zu vernehmen. Also: Einigung zulasten Dritter. So soll die LKW-Maut auf Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen Gesamtgewicht und sukzessive auf alle Bundes- und Landesstraßen ausgeweitet werden, was rund 4 Mrd. EUR Zusatzeinnahmen - so die Schätzung - erbringen könnte. Wenn allerdings die Komplexität und Kostenintensität einer solchen Umstrukturierung des satellitengestützten Erfassungssystems und die wenig erfreulichen Erfahrungen in Deutschland berücksichtigt werden, scheint auch hier vor allem Hoffnung auf einen baldigen zusätzlichen Finanzmittelsegen zu bestehen. Völlig mutlos waren die Minister ob des Lobby-Drucks und begrenzter Sachinformationen bei der PKW- und der Fernbusmaut. Eine auf Vignettenbasis erhobene PKW-Maut für die Benutzung der Bundesfernstraßen würde bei einem Vignettenpreis in Höhe von nur einer Tankfüllung Zusatzeinnahmen von rd. 3,5 Mrd. EUR p.a. erbringen, und dies bei geringen Erhebungskosten. Das Argument, hierbei würden Vielfahrer begünstigt, ist angesichts des niedrigen Preises lächerlich. Das gilt auch für die immer wieder gebrachte, aber von mangelnder Sachkenntnis zeugende These, wegen der Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuerzahlungen hätten die PKW und auch die Fernbusse bereits ihre Finanzierungsbeiträge hinreichend erbracht. Die LKW- Maut wurde - ausdrücklich ohne jede Berücksichtigung der von LKW gezahlten spezifischen Steuern - auf Vollabdeckung der differenziert ermittelten Wegekosten berechnet. Bei den Fernbussen, die ähnliche Gewichte wie LKW aufweisen, kommt noch hinzu, dass sie in monatlich steigender Zahl in direktem Wettbewerb zur Schiene »Völlig mutlos waren die Minister ob des Lobby-Drucks und begrenzter Sachinformationen bei der PKW- und der Fernbusmaut.« Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Verkehrsinfrastrukturfinanzierung: Viel Hoffnung, wenig Mut und hier mit Kampfpreisen fahren, während Eisenbahnen Trassennutzungspreise zahlen müssen. Europäisches Recht steht der Einführung von Mauten für Personenfahrzeuge nicht im Wege. Es bleibt rätselhaft, warum die Politik das Thema Busmaut seit Monaten verdrängt oder die fehlerhaften Argumente der Gegner übernimmt. Die verlangten 2,7 Mrd. EUR als Zusatzinvestitionsmittel aus dem Bundeshaushalt werden nicht ausreichen, den tatsächlichen Finanzierungsbedarf zu decken. Allein für die Bundesfernstraßen werden 2,0 Mrd. EUR zusätzlicher Bedarf genannt. Bei der Schiene ist eine Aufstockung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung um mindestens 1,0 Mrd. EUR jährlich erforderlich. Neu- und Ausbaumaßnahmen in der Straßen- und Schieneninfrastruktur sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Auch die Wasserstraßen, ein Stiefkind der staatlichen Investitionspolitik, benötigen etwa 500 Mio. EUR p.a. zusätzlich. Die Daehre-Kommission hatte für 15 Jahre einen jährlichen Zusatzbedarf für alle Infrastrukturkategorien bei allen Gebietskörperschaften von 7,2 Mrd. EUR errechnet - ohne Aus- und Neubau, nur um die unabdingbare Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen zu sichern. Wie der neue Bundestag angesichts der noch völlig unbekannten, aber drohenden Belastungen aus der europäischen Finanzkrise und der ebenfalls steigenden Mittelanforderungen aus anderen Politikbereichen auf die Vorschläge der Länderverkehrsminister reagieren wird bzw. kann, ist äußerst unsicher. So bleibt es trotz aller Bemühungen letztlich wieder bei Hoffnungen. Optimismus ist nicht angebracht.
