eJournals Internationales Verkehrswesen 65/4

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0091
111
2013
654

Logistik - Situation und Entwicklung in Mittel- und Osteuropa

111
2013
Alfonz Antoni
Adriana Palasan
Marcin Hajdul
Mirek Rumler
Auf dem Landwege ist die Region Mittel- und Osteuropa (Central and Eastern Europe – CEE) das Tor zu den Märkten in Russland und Asien. Transportsituation und Logistik in diesen Ländern sind freilich sehr unterschiedlich. In kurzen Zusammenfassungen schildern Experten aus Ungarn, Rumänien, Polen und der Tschechischen Republik den aktuellen Stand und die Entwicklung in ihren Ländern.
iv6540027
LOGISTIK Mittel- und Osteuropa Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 27 Logistik - Situation und Entwicklung in Mittel-und Osteuropa Auf dem Landwege ist die Region Mittel- und Osteuropa (Central and Eastern Europe - CEE) das Tor zu den Märkten in Russland und Asien. Transportsituation und Logistik in diesen Ländern sind freilich sehr unterschiedlich. In kurzen Zusammenfassungen schildern Experten aus Ungarn, Rumänien, Polen und der Tschechischen Republik den aktuellen Stand und die Entwicklung in ihren Ländern. Die Autoren: Alfonz Antoni, Adriana Palasan, Marcin Hajdul, Mirek Rumler Ungarn: Logistik-Strategie bis 2020 Alfonz Antoni, Dr. Managing Director Antoni Consulting Kft.; Vizepräsident, European Logistics Association (ELA); ELA-Repräsentant für Slowenien, Ungarischer Logistik-Verband Bis zum Jahr 2013 hatte keine Regierung bei berufsständischen oder privaten Institutionen und Organisationen Bedarf an der Ausarbeitung einer landesweiten Logistik- Strategie angemeldet. Das hat sich in diesem Jahr geändert: Die Regierung hat das Wirtschaftsministerium damit beauftragt, eine mittelfristige Logistik-Strategie auszuarbeiten (Regierungserlass 1157/ 2013). Ende September 2013 hat die Regierung dieser Strategie dann zugestimmt. Als Zeitrahmen sind die Jahre 2014 bis 2020 vorgesehen. Das geplante Budget liegt bei jährlich 40 Mio. EUR, wovon 75-80 % für die Entwicklung der Logistikinfrastruktur bereitgestellt werden. Damit könnte der Beitrag der ungarischen Logistik-Branche zum Bruttoinlandsprodukt von derzeit 8-9 % zum Ende dieses Zeitraumes auf 10-15 % s ansteigen. Die Strategie ruht auf vier Pfeilern: Logistik- Knowhow, Logistik-Infrastruktur (Logistikzentren ohne Transportinfrastruktur), Logistik-Netze (Anbindung an Nachbarländer) sowie Forschung und Entwicklung in der Logistik. Ziel der Strategie ist es, den Beitrag der Logistikindustrie zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes und seiner Wirtschaft zu erhöhen. An der Umsetzung werden sich unter der Führung des Wirtschaftsministeriums mehrere Ministerien sowie Berufs- und Wirtschaftsverbände beteiligen. Die Logistikbranche ist enorm wichtig für Ungarn, unter anderem wegen seiner geografischen Lage (siehe Bilder 1 und 2). Das Land selbst ist sehr stark auf die Hauptstadt Budapest ausgerichtet, sowohl was die Infrastruktur angeht, als auch hinsichtlich der Ansiedelung von Firmen und Unternehmenszentralen. In den letzten fünf Jahren wurden im Großraum Budapest neue Zentrallager mit insgesamt 15 Mio. m 2 Fläche errichtet (Bild 3). Zur Erreichung der strategischen Ziele wurden sieben Instrumente bzw. Arbeitsfelder definiert. Zu den wichtigsten Arbeitsfeldern gehören Erfassung und Überwachung der grenzüberschreitenden Warenverkehre sowie die Einrichtung einer Logistik-Datenbank. Derzeit gibt es in Ungarn keine realistischen Zahlen zu den tatsächlichen Warenflüssen - nur theoretisch und . Wir wissen nichts über die Menge und Art der Waren, die zeitlichen Abläufe, die Niederlassungen - insofern haben wir kein Abbild der Güterbewegungen in den europäischen Transportkorridoren und an den Grenzübergängen. Auch gibt es kaum Informationen über die bestehenden Lager und Verteilzentren, Bild 1: Wichtige Verkehrskorridore im CEE-Raum (Grafik: Institut für Transportwirtschaft und Logistik, WU Wien) LOGISTIK Mittel- und Osteuropa (CEE) Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 28 ihre genaue Lage und ihre Kapazitäten. Es gibt keine genauen Daten zu Herkunft und Bestimmungsort der Import-, Export- und Transitgüter. Daher ist es sehr schwierig, rasche Entscheidungen im Rahmen der nationalen Logistikplanung zu treffen. Die zweite große Herausforderung ist die Schaffung ausgewogener Wirtschaftsstrukturen und Infrastrukturnetze im Land selbst und einer angemessenen Verteilung auf die Transportmodi (Bild 4). Dazu gehört der Ausgleich zwischen Budapest und den umliegenden Gebieten (siehe Bild 5 zum Ausbau des dafür wichtigen Autobahnnetzes). Insofern kommt es für das Land und die Logistik-Industrie jetzt darauf an, die auftauchenden Fragen fortlaufend zu diskutieren und den Strategieplan schrittweise konsequent umzusetzen. Bild 2: Korridore und Logistikzentren in Ungarn (Grafik: KIT Institut für Transportwissenschaft) Bild 3: Logistikzentren rund um Budapest (Quelle: Colliers International) Bild 5: Bis 2030 geplante Schnellstraßen in Ungarn (Grafik: KIT Institut für Transportwissenschaft) Bild 4: Transportleistung in Ungarn nach Verkehrsart (1980-2015) in Mrd. tkm (Grafik: KIT Institut für Transportwissenschaft) Polen: Intermodalen Transport stärken Marcin Hajdul, Dr. Head of Logistic Expertise Department, Projektmanager beim Institute of Logistics and Warehousing, Vorstandsmitglied ELA Polen konzentriert sich derzeit auf die Weiterentwicklung seiner Seehäfen und der Schienen- und Straßeninfrastruktur, um die wachsenden Container-Warenströme bewältigen zu können. Zurzeit verlassen noch ca. 70 % der Container die polnischen Häfen per LKW, dem nach wie vor wichtigsten Transportmittel. Das führt zu verstärkter Staubildung im Straßennetz und steht den Zielen der polnischen Transportpolitik entgegen. Alle Transportmodi zusammengerechnet, wurden im Jahr 2012 insgesamt 1844,1 Mio. t Güter transportiert und damit 3,6 % weniger als im Vorjahr, wobei die Gesamttransportleistung 325,8 Mrd. tkm betrug, das sind 2,3 % mehr als im Jahr zuvor. Die Abnahme der Transportvolumina betraf alle Transportmodi, während die Zunahme der Gesamttransportleistung ausschließlich dem Straßengüterverkehr zuzuschreiben ist. Da der Markt immer noch vom Straßengüterverkehr beherrscht wird, waren verstärkte Maßnahmen zur Förderung des intermodalen Transports gefordert. Am 11.-Dezember 2012 rief daher Sławomir Nowak, Minister für Verkehr, Bauwesen und Schifffahrt, das Intermodal Transport Council ins Leben (Gesetzesblatt vom 11. Dezember 2012, Pos. 84). Als unterstützendes Organ befasst sich dieser Rat mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen für den intermodalen Transport in Polen und Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 29 Rumänien: Wachstum und nachhaltige Entwicklung Adriana Palasan Managing Partner, Supply Chain Management Center; Vizepräsidentin Rumänischer Logistik-Verband; Vorstandsmitglied ELA Aus wirtschaftlicher Sicht verzeichnete Rumänien in der ersten Jahreshälfte 2013 ein Wachstum von 1,8 %. Am 31. Juli 2013 erreichten die Importe den Wert von 3,132 Mrd. EUR und die Exporte 28,19 Mrd. EUR, während das Haushaltsdefizit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,18 % geringer ausfiel. Die Fernstraßensituation hat sich leider nicht verbessert: Auch dieses Jahr sind nur sechs Autobahnabschnitte mit insgesamt 545 km in Betrieb (Bild 1): • Bukarest - Pitești • Bukarest - Constanta • Bukarest - Ploiești • Cluj Napoca - Campia Turzii • Arad - Timişoara • Deva - Orăștie Wegen des schlechten Zustandes der Infrastruktur geht der Schienentransport zurück, obwohl in den vergangenen Jahren in der Region Bukarest drei neue Container- Verladestationen eröffnet wurden: Alinso in Ploiești, Cefin Logistic Park und Chitila. Noch keine Daten gibt es zum Redaktionsschluss zur Privatisierung der Căile Ferate Române (CFR Marfa), der staatlichen Bahngesellschaft, die Milliardenverluste eingefahren hat und vom Mitbewerber Grup Feroviar Roman (GFR) übernommen werden sollte. Die Übernahme wurde Ende Oktober gestoppt. Ergebnisse erhofft man sich von der Wettbewerbsbehörde. Transporte auf der Schiene haben nur ein Volumen von rund 50 Mio. t, LKW-Transporte dagegen 220 Mio. t Volumen. Dennoch ist die Zahl der im Straßentransport eingesetzten Fahrzeuge im Mai 2013 um etwa 2000 Einheiten (die Hälfte davon älter als 8 Jahre) gegenüber Oktober 2012 gesunken. Einige Großunternehmen gingen in die Insolvenz, so auch die Edy Spedition: Von über 1000 LKW im Jahr 2009 sank der Bestand dieser Firma auf 170 und das Unternehmen fiel vergangenes Jahr aus der Gruppe der zehn größten Straßentransportbetreiber heraus. Auch Dumagas, mit 542- Lastwagen derzeit die Nr. 1, ist wegen hoher Schulden in Schwierigkeiten. Unter den zwölf größten Transportunternehmen finden sich nur zwei international tätige Spediteure: Waberers mit 459 und Essers mit 249 LKW (Tabelle 1). Immerhin lässt sich eine zunehmende Professionalisierung bei den inländischen Transportunternehmen feststellen, die gute Ergebnisse einfahren und wegen ihrer Leistungsfähigkeit bei den internationalen Kunden anerkannt sind. In der Privatwirtschaft liegt die Produktivität pro Beschäftigtem bei 88 000 EUR im Vergleich zu etwas weniger als 2000 EUR im Staatssektor. Logistikanbieter konnten eine Steigerung der Markttransaktionen und eine nachhaltige Entwicklung der Projekte erleben, vor allem dank neuer Investitionen im Automobilsektor im Zusammenhang mit der Tendenz bei deutschen Firmen, die Produktion ins nahe Ausland zu verlagern. Neue Projekte wurden z. B. aufgelegt von Graells & Llonch in Turda, VAP in Timişoara, Tester in Iaşi, Daimler Auto AG in Alba, Bosch und VCST Automotive in Cluj , Leoni in Arad, MGI Container in Timişoara, Autoliv und Preh in Braşov, Draexlmaier in Satu Mare und Codlea. Yazaki plant die Errichtung einer vierten Fabrik stößt Maßnahmen an, um bestehende gesetzliche und organisatorische Hürden, die bisher die intermodale Entwicklung behindert haben, zu beseitigen. Die durchgeführten Maßnahmen haben bereits zu den folgenden Veränderungen geführt: In tkm gerechnet lagen die auf der Schiene transportierten Gütermengen bei über 13 % des gesamten von den Ländern der EU deklarierten Schienentransportvolumens. Damit liegt Polen hier zwischen Deutschland und Frankreich auf dem 2.- Platz der EU-27. Beim internationalen Transport liegt die polnische Bahn auf dem 3. Platz hinter Deutschland und Lettland. Im Jahr 2012 betrug das Frachtaufkommen in den polnischen Seehäfen (internationaler Seeverkehr und Kabotage) insgesamt 58,8-Mio. t und damit 1,9 % mehr als im Vorjahr. Die Steigerung betraf die Frachtkategorien Großcontainer (14,4 %), anderes Stückgut (8,8 %), Ro-Ro-Selbstfahrer (1,9 %) und Schüttgut (0,3 %). Gesunken sind die Zahlen beim nicht-selbstfahrenden Ro-Ro- Verkehr (6,1 %) und bei Flüssigmassengütern (4,5 %). In der ersten Jahreshälfte 2013 wurden bereits 2105,9 Mio. t Güter intermodal befördert, fast so viel wie im gesamten Jahr 2012. Bild 1: Autobahnabschnitte in Rumänien in Betrieb und in Planung (gestrichelt) LOGISTIK Mittel- und Osteuropa (CEE) Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 30 und auch andere Unternehmen stehen vor der Vertragsunterzeichnung für neue Werke. Einige dieser Unternehmenwollen ihre Logistik an Dienstleister auslagern. Seit diesem Jahr kann über Direktumschlagszentren (Cross-Docking) fast das ganze Land innerhalb von 24 bis 48 Stunden beliefert werden. Im Zuge der Entwicklung des Online-Handels und weil Logistikdienstleister weniger für den kleinteiligen Vertrieb ausgebildet sind, wurde dieses Segment bislang erfolgreich von Kurierdiensten abgedeckt, die in automatisierte Sortiersysteme für mittelgroße Pakete investiert haben. Für Paletten und große Versandteile wie elektronische Geräte nutzen sie beim Konsolidieren und Umpacken herkömmliche Methoden. Die verfügbare Logistikfläche beträgt in Bukarest insgesamt rund 980 000 m 2 , verteilt auf 26 Gewerbeparks, im ganzen Land stehen etwa 1,9 Mio m 2 zur Verfügung (Tabelle-2). Die Durchschnittsmiete beträgt in der Hauptstadt 4,00 EUR/ m 2 , bei großen Einzelflächen liegt die Grenze bei 3,50 EUR/ m 2 . In anderen Landesteilen sind die Mieten etwa 10-20 % niedriger (Bild 2). Die Zahl der Neuvermietungen bei Logistikfläche hat 2013 eine Rekordzahl erreicht, allein in Bukarest waren 80 000 m 2 betroffen, 65 % aller Transaktionen fanden in der Hauptstadt statt. Investitionen gab es auch in den Städten Timişoara (18 %), Ploiesti (10 %), Iaşi (1 %) und Braşov (6 %). Wir erwarten weiterhin einen Anstieg der Investitionen aus dem Ausland in Informationssysteme und automatisierte Lagerhallen. Region Existing Stock Vacant Stock Under Construction Bucharest 979,00 117,480 0 South Romania 320,000 50,000 0 East/ North-East 10,500 N7a 12,000 Central Romania 115,000 6,000 9,000 West/ North-West 480,000 72,000 0 Tabelle 2: Lagerflächen und Leerstände nach Regionen , 2. Quartal 2013 (Quelle: CBRE Research) Bild 2: Durchschnittliche Mietpreise für Logistik-Immobilien in Bukarest und Rumänien insgesamt, 2. Quartal 2013 (Quelle: CBRE Research) Tschechische Republik: Positive Stimmung Mirek Rumler Managing Partner, Reliant s.r.o.; Vorstandsmitglied, Tschechischer Logistik-Verband In den letzten 20 Jahren war die Logistikbranche in der Tschechischen Republik von einer ziemlich dramatischen Entwicklung geprägt: Zu Beginn der 90er Jahre wurde das System staatlicher Transportorganisationen, genannt CSAD (Staatlicher tschechischer Automobil-Transport), abgeschafft und bald durch Zehntausende privater Transportfirmen jeder Größe ersetzt - von kleinen Familienunternehmen bis zu riesigen Konzernen, die heute erfolgreich mit hochdynamischen globalen Akteuren konkurrieren. In den Neunzigern boten sich nie dagewesene Chancen für Firmenneugründungen, attraktive Projekte und innovative Lösungen. Doch aus dem Wachstum auf der Angebotsseite ergab sich für die einzelnen Firmen die dringende Notwendigkeit, neue Wettbewerbsvorteile zu erringen. Dazu kamen eine zunehmende Bürokratisierung sowie diverse Geschäftshemmnisse von Seiten der lokalen Verwaltung und später auch der EU. Der harte Wettbewerb zwang die meisten Transportunternehmen zu einer Ausweitung ihrer geschäftlichen Aktivitäten. Die fortschrittlichsten Firmen entwickelten sich zu modernen 3PL-Anbietern. Die strengen tschechischen Gesetze in Kombination mit den in anderen europäischen Ländern geltenden Vorschriften waren Anstoß zu beträchtlichen Investitionen in Technologie und Ausrüstung. Dank die- Crt. Nr. Company Trucks Nr. 1 DUMAGAS TRANSPORT SA 542 2 AQUILA PART PROD COM SRL 493 3 WABERER‘S ROMANIA SA 459 4 DUNCA ExPEDITII SA 431 5 TRANSCONDOR SA 319 6 IONISCA TRANS SRL 311 7 TRANSPECO LOGISTICS & DISTRIBUTION SA 310 8 CARRION ExPEDITION SRL 301 9 INTERNATIONAL LAZAR COMPANy SRL 292 10 VEGA 93 SRL 284 11 H ESSERS SRL 249 12 TRANS CAR SRL 218 Tabelle 1: Die zwölf größten Speditionen in Rumänien (Quelle: CBRE Research) Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 31 ser Entwicklung kann die tschechische Logistikindustrie heute auch die anspruchsvollsten Kunden bedienen und Konzepte anbieten, die von lokalen wie internationalen Kunden gleichermaßen geschätzt werden. Was macht den tschechischen Markt attraktiv für einen weiteren Ausbau der Logistik? Aus welchem Grund sind alle globalen 3PL- Anbieter seit den frühen 90er Jahren im tschechischen Markt aktiv? Wie konnten so viele erfolgreiche tschechische Logistikunternehmen entstehen, die heute Kunden aus aller Welt betreuen? Der wichtigste Grund ist die direkte Nachbarschaft der Tschechischen Republik zum deutschen Markt, der als Motor der tschechischen Wirtschaft gilt. Angemessene Servicequalität in Verbindung mit den immer noch niedrigeren Betriebskosten ermutigte einige deutsche Fertigungs- und Handelsunternehmen zur Verlagerung ihrer Logistikprozesse in die benachbarte Tschechische Republik. Man sollte allerdings erwähnen, dass dabei nicht nur die niedrigeren Kosten eine Rolle gespielt haben. Weitere Faktoren waren die günstige geografische Lage im Zentrum der CEE-Region Mittel- und Osteuropa (Bild 1), das ausreichende Angebot an qualifizierten Arbeitskräften, das Vorhandensein der notwendigen Infrastruktur und möglicherweise auch die Einschätzung, der tschechische Markt sei ein erster Schritt zu den Märkten im Osten (Russland, Ukraine, Weißrussland, etc.). Die Entwicklung des tschechischen Industrie-Immobilienmarktes ist seit langem stabil. In den letzten beiden Jahren schwankten die Mieten zwischen 3,50 EUR/ m 2 und 3,70 EUR/ m 2 . Der Anteil freier Lagerflächen liegt bei gesunden 10 %. Die Verlagerung und Erweiterung westeuropäischer Produktionsflächen nach Tschechien hat von diesem Phänomen stark profitiert (Bild-2). Dazu Ferdinand Hlobil, Leiter CEE Industrial Team bei Cushman & Wakefield: „Der Internethändler Amazon hat kürzlich beschlossen, in der Tschechischen Republik ein Lager für die Retouren deutscher Kunden aufzubauen. Geringere Arbeitskosten und niedrigere Grundstückspreise sowie die Möglichkeit, die CEE-Region für das Amazon-Geschäft zu erschließen, machen diesen Schritt so attraktiv, dass die Kosten des Transports von Deutschland kompensiert werden. Und das stabile Wirtschaftsumfeld erleichtert den Firmen die langfristige Planung.“ Im ersten Halbjahr 2013 haben Unternehmen in Tschechien über 470 000 m 2 moderne Industriehallenflächen angemietet. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 250 000 m 2 . Der Markt ist positiv gestimmt. ■ Bild 1: Die überwiegende Mehrheit der EU-Bürger lebt in einem 1500-Kilometer-Radius um die Tschechische Republik basisdaten zum aktuellen Logistikmarkt Bevölkerung: 10 Mio. Fernstraßennetz: 2400 km; Straßen 1. Kategorie: 1900 km Schienennetz: über 9000 km Gesamte verfügbare Lagerflächen: 3 351 700 m² Transport und verwandte Dienstleistungen tragen 10 % zum tschechischen BIP bei. Die Transportbranche hat über 260 000 Beschäftigte (8,2 % aller Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft). Der Straßengüterverkehr zwischen Deutschland und Tschechien ist seit dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik um 40 % gestiegen. Der Transitgüterverkehr beträgt 20 % des Gesamtvolumens. Der Straßengüterverkehr dominiert mit 73 %-Marktanteil, bei 27 % für die Schiene. Bild 2: Fast 70 % der Logistik-Kapazitäten finden sich im Nordwesten nahe Prag