eJournals Internationales Verkehrswesen 65/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0092
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Optimierung der Instandhaltungslogistik

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Günther Pawellek
Wie lässt sich das Instandhaltungsmanagement bezüglich Ablauf- und Terminüberwachung, Kommunikation und Kostenmanagement effizient unterstützen? Ein Beitrag zu innovativen Methoden und Tools für Planung und Betrieb.
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LOGISTIK Instandhaltung Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 32 Optimierung der Instandhaltungslogistik Wie lässt sich das Instandhaltungsmanagement bezüglich Ablauf- und Terminüberwachung, Kommunikation und Kostenmanagement effizient unterstützen? Ein Beitrag zu innovativen Methoden und Tools für Planung und Betrieb. Der Autor: Günther Pawellek E in Erfolgsfaktor in der industriellen Praxis sind permanente Rationalisierung und Innovation. Die Folgen sind steigende Automatisierung und zunehmende Komplexität der Maschinen und Anlagen sowie deren Vernetzung in globalen Produktionsnetzwerken. Mit dieser Entwicklung kommt der Anlagenwirtschaft eine wachsende Bedeutung zu. Es gilt, insbesondere die Wartung und Instandhaltung und die damit verbundene Ersatzteillogistik als integrierten Bestandteil vernetzter Wertschöpfungsprozesse zu verstehen und zielgerichtet die meist erheblichen Einsparungspotenziale zu nutzen [1]. Zwei innovative Lösungsansätze aus der Projektgruppe „Integrierte Instandhaltung und Ersatzteillogistik“ der TU Hamburg-Harburg sind die „Wissenbasierte Instandhaltungsoptimierung“ und „Mobile Instandhaltung“ im operativen Betrieb. Wissenbasierte Instandhaltung Bei der Planung und Überwachung der Instandhaltungsstrategie eines Unternehmens sind eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen, wie z.B. das Ausfallverhalten von Anlagen und Komponenten, die Instandhaltungsprozesse, das technische Controlling, die Instandhaltungsorganisation, die Beschaffung, Lagerung und Bereitstellung der Ersatzteile sowie die Qualifikation der Mitarbeiter und Führungskräfte. Entscheidungen über bestehende Prozesse oder alternative Instandhaltungs- und Logistikstrategien müssen getroffen werden. Die Festlegung von Instandhaltungsstrategien sollte aufgrund der stark unterschiedlichen Abnutzungsverhalten sowie der unterschiedlichen Bedeutung der Komponenten von Maschinen und Anlagen baugruppenbezogen erfolgen. Es macht jedoch wenig Sinn und wäre viel zu aufwendig, für alle Komponenten in der Stückliste einer Maschine oder Anlage Strategien zu bestimmen [2]. Deshalb wird eine Systematik zur Auswahl von Instandhaltungsstrategien mit folgenden drei Arbeitsschritten empfohlen: • Vorauswahl der zu betrachtenden Komponenten, d.h. mithilfe einer Anlagenanalyse wird die Gesamtanlage analysiert, um Schwachstellen und kritische Bauteile der Anlage zu ermitteln. Die klassischen Methoden Funktionsanalyse, Bauteilanalyse und Ausfalleffektanalyse können hierbei zum Einsatz kommen. • Komponentenbezogene Zuordnung von Instandhaltungsstrategien, d. h. entsprechend dem in Bild 1 dargestellten wissenbasierten Entscheidungsbaum erfolgt die Auswahl zwischen störungsbedingter Instandhaltung (nach Ausfall), zeitbezogener Instandsetzung geplant in festgelegten Perioden (vor Ausfall), operativer Instandsetzung, bei der alle Aktivitäten (Arbeitspapiere, Material etc.) vorbereitet sind, und nur der Termin der Maßnahme noch unbekannt ist, sowie zustandsabhängiger Instandhaltung, bei der die Instandsetzung vor Ausfall in Abhängigkeit des Anlagenzustandes erfolgt, und alle Aktivitäten vorbereitet sind. • Bildung einer Gesamtstrategie für eine Anlage, d. h. die Einzelstrategien werden unter Berücksichtigung theoretischer und ökonomischer Abhängigkeiten der Baugruppen zu einer Gesamtstrategie zusammengefasst. Zur komponentenbezogenen Auswahl von Instandhaltungsstrategien hat sich das IT- Tool „Differenzierung der Instandhaltungsstrategien“ (DIS) bewährt. Damit wird der Entscheidungsprozess der Strategieauswahl unter Nutzung des Erfahrungswissens der Mitarbeiter objektiviert und systematisiert. Die Strategieauswahl erfolgt wissenbasiert in Abhängigkeit des vorhandenen Zustandswissens über Anlage und Prozess. DIS ist allgemein gehalten und anwendbar für Anlagen unterschiedlichster Art. Unternehmens- und anlagenspezifische Anpassungen sind ohne großen Aufwand möglich. Abhängig von den ausgewählten Instandhaltungsstrategien können die Strategien der Ersatzteillogistik mit Unterstützung des TDL-Tools zur „Teiledifferenzierten Logistikoptimierung“ bestimmt werden. Dabei wird sowohl der Materialfluss zwischen Zulieferer und Einbauort mit den möglichen Lagerebenen betrachtet. Auch der Informationsfluss wird unter Berücksichtigung möglicher Beschaffungs-, Lagerhaltungs- und Bereitstellungsstrategien mit seinen unterschiedlichen Regelkreisen baugruppenbezogen optimiert. Die TDL-Methode ist ein sehr effizientes Werkzeug zur Senkung der Komplexität in Versorgungsketten. Im Wesentlichen werden dabei die Erfahrungen der Mitarbeiter bzw. das Wissen oder die Situation strukturiert in einem Modell für die „Integrierte Instandhaltung und Ersatzteillogistik“ abgelegt. TDL unterstützt z.B. folgende Funktionen: • Teileklassifizierung und Strategiebewertung in Form von Merkmalsprofilen, • Berechnung der Affinität zwischen den Profilen und Logistikstrategien, • Konfliktlösung bei den Teilen, für die sich prinzipiell mehrere unterschiedliche Logistikstrategien eignen, • Quantifizierung der Verbesserungspotenziale durch Differenzierung nach unterschiedlichen Logistikstrategien. Ergebnis der Anwendung von Methoden und Tools der wissenbasierten Instandhaltung sind optimierte Prozesse in der Anlagenwirtschaft. Mobile Instandhaltung Im laufenden Betrieb ist die Verfügbarkeit der Maschinen und Anlagen ein wichtiger Produktionsfaktor. Es treten jedoch immer wieder ungeplante Störungen auf, die die Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 33 reibungslose Produktion gefährden können. Dann werden Instandhaltungsaufträge generiert, die sehr zahlreich und in verschiedenen Prioritäten vorliegen können. Bei vielen neuen und aktiven Instandhaltungsaufträgen kann dieses den Disponenten schnell überfordern. Ziel der mobilen Instandhaltung ist die schnelle Erfassung und Abarbeitung der Instandhaltungsaufträge, d.h. einfache Erfassung von Störungen, schnelle Auslösung der Aufträge, Entlastung der Disposition, Steuerung der einzelnen Instandhalter und Dokumentation der Aktivitäten. Um dieses Ziel zu erreichen, kommen zunehmend Helpdesk-Systeme für das Online-Störungsmanagement (OSM) zum Einsatz. Mit OSM können Störungen vor Ort mit mobilen Standard-Geräten (z. B. smart phone, Tablet-PC) erfasst werden. Die sofortige Weiterleitung der Aufträge an die internen und externen Stellen, wie z. B. Mechanik, Elektrik, technische Dienstleister, erfolgt unter Zuhilfenahme der Warteschlagentheorie (Bild 2). Zwar ist bei großen komplexen Industrieanlagen und Immobilienbeständen im technischen Service ein solches „Ticket Management“ in den Facility Management-Systemen seit etwa 8 Jahren Standard. Jedoch haben alle bisherigen Systeme eine „unangenehme Gemeinsamkeit“: Sie sind komplex und teuer. Das OSM- System dagegen bietet eine einfache und preiswerte Lösung, da sie auf einer Open Source-Software basiert. Auch die Verbindung mit den verschiedensten analogen und digitalen Mess-Sensoren (wie z.B. IR, Lichtschranken, Feuchte-Drucksensoren, Photowiderstand, Ultraschall) ist möglich. OSM unterstützt das Instandhaltungsmanagement z.B. wie folgt: • Ablauf- und Terminüberwachung dient zum einen der Planung, Kontrolle und Steuerung von Terminen, Puffern und Abhängigkeitsbeziehungen der Instandhaltungsaktivitäten (z. B. zur Materialwirtschaft oder technischen Dienstleistern). Zum anderen dient sie zur Abbildung möglicher Konsequenzen von Planänderungen und eingetretenen Störungen. • Kommunikation, d. h. ein effektives Informations- und Dokumentationsmanagement ist notwendig. Um die Kommunikation zu erleichtern, bietet OSM jedem Nutzer (Maschinenbediener, Instandhaltungsabteilung, Zulieferer etc.) ein „Kunden-Login-Portal“. Über das Portal kann der Kunde seine Störungen mitteilen und somit einen Auftrag eröffnen. Weiterhin können Auftragsstatus und -historie transparent dargelegt und Änderungen mitgeteilt werden. • Kostenmanagement, d.h. mit der Ablauf- und Terminüberwachung lassen sich Kostenabweichungen durch die Leistungsmeldung im Bearbeitungsfortschritt identifizieren, was die Kostenverrechnung nach erbrachter Leistung durch interne oder externe Dienstleister unterstützt. Damit ist OSM erstmals auch für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) eine Lösung, um das Störungsmanagement auch bei Integration entsprechender externer Dienstleister effizient und transparent zu steigern. Fazit In der Anlagenwirtschaft rückt die optimierte Gestaltung und Steuerung der Instandhaltung und Ersatzteillogistik in den Vordergrund. Mit neuen Ansätzen der wissenbasierten Optimierung kann die komponentenbezogene Differenzierung der Instandhaltungs- und Logistikstrategien Toolbasiert durchgeführt und überwacht werden. Im operativen Betrieb kommen Online-Störungsmanagement-Systeme zum Einsatz, die das Instandhaltungsmanagement bezüglich Ablauf- und Terminüberwachung, Kommunikation und Kostenmanagement effizient unterstützen können. ■ LIterAtur [1] Pawellek, G.: Integrierte Instandhaltung und Ersatzteillogistik - Vorgehensweisen, Methoden, Tools. Springer- Verlag, Berlin Heidelberg 2013 Günther Pawellek, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Leiter FIL Forschungsinstitut für Logistik, Institut für Technische Logistik, TU Hamburg-Harburg pawellek@tuhh.de Bild 2: Online Störungsmanagement in der Anlagenwirtschaft Bild 1: Hierarchische Ebenen einer wissenbasierten Strategieauswahl