eJournals Internationales Verkehrswesen 65/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0093
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2013
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Aktuelle Anforderungen und Perspektiven der Leercontainerlogistik

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2013
Barbara Hüttmann
Mathias Lahrmann
Leercontainertransporte sind die „Achillesferse“ der Container- und Logistikwirtschaft. Gerade in Zeiten geringer Margen und starken Wettbewerbsdrucks kann eine gute Leercontainerlogistik „den Unterschied machen“ – sowohl für ein Unternehmen als auch für einen Hafenstandort. Aber wo besteht derzeit der größte Handlungsbedarf zur Optimierung der Leercontainerlogistik? Welche Akteursgruppen sind daran beteiligt und wer ist für die Leercontainerlogistik überhaupt verantwortlich? Und was sind vielversprechende Optimierungsansätze? Eine aktuelle Studie von BSL Transportation gibt Antworten und liefert eine Einschätzung aus Sicht aller relevanten beteiligten Marktteilnehmer.
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Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 34 LOGISTIK Wissenschaft E twa jeder fünfte Container wird aktuell in den Seehäfen weltweit leer umgeschlagen - auf einzelnen Hinterlandtransportrelationen liegen die Leeranteile sogar teilweise noch deutlich höher. Nicht nur aufgrund der mit Leercontainertransporten verbundenen Zusatzkosten, sondern auch wegen der zusätzlichen Belastung von Umwelt und Transportinfrastruktur ist eine optimale Leercontainerlogistik für die Containerlogistikkette und ihre Akteure so wichtig. Die Vielzahl und Heterogenität der an der Leercontainerlogistik beteiligten Akteursgruppen sowie deren unterschiedlichen Ziele machen eine Optimierung der Leercontainerlogistik jedoch sehr komplex. 1 Akteursübergreifende Strategien der Leercon- Aktuelle Anforderungen und Perspektiven der Leercontainerlogistik Ergebnisse einer Marktstudie Leercontainertransporte sind die „Achillesferse“ der Container- und Logistikwirtschaft. Gerade in Zeiten geringer Margen und starken Wettbewerbsdrucks kann eine gute Leercontainerlogistik „den Unterschied machen“ - sowohl für ein Unternehmen als auch für einen Hafenstandort. Aber wo besteht derzeit der größte Handlungsbedarf zur Optimierung der Leercontainerlogistik? Welche Akteursgruppen sind daran beteiligt und wer ist für die Leercontainerlogistik überhaupt verantwortlich? Und was sind vielversprechende Optimierungsansätze? Eine aktuelle Studie von BSL Transportation gibt Antworten und liefert eine Einschätzung aus Sicht aller relevanten beteiligten Marktteilnehmer. Die Autoren: Barbara Hüttmann, Mathias Lahrmann © N LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 35 LOGISTIK Wissenschaft über alle Akteursgruppen hinweg auch deutlich am stärksten ausgeprägt. Als Haupteigentümer von Containerequipment werden die Reedereien von den Befragten sowohl in Seehäfen als auch im Hafenhinterland ganz vorn in der Optimierungsverantwortung gesehen, jeweils gefolgt von Terminals und Speditionen. Gleichzeitig werden die Reedereien jedoch auch als Hauptprofiteure einer Optimierung eingeschätzt. Bei der Frage, welche Faktoren über den Standort der Leercontainerlagerung entscheiden, zeigen sich die Befragungsteilnehmer einhellig preissensitiv. Neben dem Lagerentgelt werden von über 70 % der Befragten aber auch Schienen- und Straßenanbindung als Hauptfaktoren für die Standortwahl genannt. Auffällig ist, dass die Nähe zum Produktionsbzw. Distributionsstandort dabei über alle Akteursgruppen hinweg höher bewertet wird als die Nähe zum Seehafen (Bild- 2). Hier könnte aber auch ein Zusammenhang mit Bild 1: Kooperationen und Unternehmensbeteiligungen zur Optimierung der Leercontainerlogistik (Alle Grafiken: BSL Transportation Consultants) Bild 2: Hauptfaktoren für die Standortwahl der Leercontainerlagerung tainerlogistik sind daher bislang eher selten an Hafenstandorten oder im Hinterland zu finden. Das führt im Umkehrschluss zu der Hypothese, dass die verschiedenen Einzelakteure ihre Leercontainerlogistik an einem Hafenstandort bisher vorrangig unabhängig voneinander im Rahmen von „single-company“-Lösungen optimieren. Dies birgt jedoch das Risiko von „Insellösungen“, die nicht notwendigerweise auch die beste ganzheitliche Lösung für den jeweiligen Hafenstandort und seine Logistikwirtschaft darstellen. Welches aber sind überhaupt die Hauptanforderungen an eine Optimierung der Leercontainerlogistik an Hafenstandorten und im Seehafenhinterland sowie hierfür relevante Einflussparameter? Wo liegen aus Sicht der Marktteilnehmer die wichtigsten Handlungsfelder in Bezug auf den Optimierungsbedarf und welche Strategien werden letztlich als sinnvolle Lösungsansätze erachtet? Diesen Kernfragen ist BSL Transportation im Rahmen einer Marktstudie zur Leercontainerlogistik auf den Grund gegangen. Die Studie basiert auf einer standardisierten und anonymisierten Umfrage, in der die in Deutschland aktiven Marktakteure gezielt nach ihren Einschätzungen befragt wurden. Die hohe Rücklaufquote von 24,1 % mit 117 Befragungsteilnehmern aus allen relevanten Akteursgruppen der Leercontainerlogistik 2 unterstreicht hier bereits die Themenrelevanz. Zusätzlich wurden die Befragungsergebnisse durch Expertengespräche weiter ergänzt und validiert. Rahmenbedingungen und Status quo Die hohe Bedeutung von Fragestellungen der Leercontainerlogistik zeigt sich direkt in der Einschätzung der Teilnehmer, welche diese zu 98 % als wichtig oder sehr wichtig einstufen. Zudem hat die Leercontainer-Thematik aus Sicht aller beteiligten Marktteilnehmer in den letzten Jahren noch einmal deutlich an Relevanz gewonnen. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund jedoch, dass die befragten Unternehmen bei der Entwicklung unternehmensinterner Strategien zur Optimierung der Leercontainerlogistik bislang zurückhaltend sind. Drei Viertel der befragten Unternehmen gaben an, aktive Einflussmöglichkeiten auf die Leercontainerlogistik zu besitzen. Allerdings verfügt hiervon zurzeit nur etwa die Hälfte über eine explizite unternehmensinterne Optimierungsstrategie. Die gleiche Zurückhaltung gilt für Kooperationen bzw. Unternehmensbeteiligungen: Nur gut ein Drittel der Befragten unterhält aktuell Kooperationen oder verfügt über Unternehmensbeteiligungen zur Optimierung der Leercontainerlogistik, wobei jeder Zehnte jedoch zumindest eine solche plant. Bei den bestehenden Kooperationen spielen insbesondere die Reedereien eine zentrale Rolle als Kooperationspartner (Bild 1). Umgekehrt ist bei den befragten Reedereien die Bandbreite der verschiedenen Kooperationspartner Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 36 LOGISTIK Wissenschaft den unterschiedlich hohen Lagerkosten für Leercontainer in Seehafennähe und im Binnenland bestehen, da die Lagerentgelte im Seehafen sowohl im Terminalals auch im Depotbereich üblicherweise deutlich über denen an Hinterlandstandorten liegen. Herausforderungen und Lösungsansätze Die größten Herausforderungen in Bezug auf die Leercontainerlogistik sehen die Befragten für die Gesamt-Branche derzeit vorrangig in den Bereichen Containerströme, Kosten und Prozessgestaltung, während die Themenfelder Kapazitäten, Infrastruktur und Standortpolitik hingegen nachrangig bewertet werden. Es zeigt sich die große Bedeutung von unpaarigen Containerströmen im Hafenhinterland, aber auch innerhalb eines Hafengebiets. Für die Prozessgestaltung in der Leercontainerlogistikkette erkennen die Befragten, ebenso wie beim Informationsfluss, noch deutliche Verbesserungspotenziale. Diese beziehen sich insbesondere auf eine suboptimale Abstimmung der Akteure, kurze Vorlaufzeiten von Leercontainerbuchungen und -transporten sowie starke Bedarfsspitzen (Peaks). Kaum Engpässe werden dagegen hinsichtlich des verfügbaren Angebots an Leercontainerserviceleistungen sowie bezüglich der Auswahl an Leercontainerdepots gesehen. Auch die Entfernung der Leercontainerdepots von den Terminals bewerten die Befragten derzeit nicht als einen kritischen Faktor (Bild 3). In engem thematischen Zusammenhang zu den Herausforderungen der Leercontainerlogistik steht der Optimierungsbedarf. Diesen sehen die Befragten insbesondere auf der Prozess- und Informationsseite, während sie dem Einsatz innovativer Technologien oder einem stärkeren Container-Tracking und -Tracing, z. B. mittels RFID-Transpondern, dagegen überraschenderweise skeptisch gegenüberstehen. Der größte Optimierungsbedarf wird von den Befragungsteilnehmern in den folgenden Themenfeldern erkannt: • Verbindung von Leermit Lastcontainerläufen, • Verringerung der Anzahl transportierter Leercontainer, • Bessere Verfügbarkeit von Leercontainern, • Verbesserter Informationsfluss innerhalb der Containerlogistikkette, und • Angebot trimodaler leercontainerrelevanter Anlagen. Von besonderem Interesse sind die Ergebnisse im Bereich nachhaltiger Transporte. Zwar besteht hier nach Einschätzung von rund 50% der Befragten grundsätzlich ein Bedarf für weitere Optimierungen, jedoch fällt die Bewertung der Relevanz für das eigene Unternehmen bzw. die gesamte Logistik- und Transportbranche sehr unterschiedlich aus: So wird eine weitere Optimierung im Bereich Nachhaltigkeit und Umwelt Bild 5. Handlungsfelder der Leercontainerlogistik Bild 3: Aktuelle Herausforderungen der Leercontainerlogistik Bild 4. Wirksamkeit von Optimierungsstrategien der Leercontainerlogistik LOGISTIK Wissenschaft für die Gesamtbranche deutlich höher bewertet als für das eigene Unternehmen. Rund die Hälfte der Befragungsteilnehmer sieht zudem den Bedarf für eine akteursübergreifende Leercontainerstrategie am Standort sowie für eine Berücksichtigung von Leercontainern in Hafenplanung und -entwicklung. Die als besonders wirksam eingeschätzten Lösungsansätze zur Optimierung der Leercontainerlogistik beziehen sich zum einen auf das Hafenhinterland, wie eine strategische Hinterland-Depotwahl und die Einrichtung von Dreiecksverkehren im Hinterland, sowie zum anderen auf den Austausch von Containerequipment sowie die Nutzung leerer Transportkapazitäten (Slots) mit Leercontainern. Aber auch preisliche Anreizsysteme werden als besonders wirksame Optimierungsstrategie bewertet. Offenkundig wird auch hier die Skepsis der Befragten hinsichtlich der Wirksamkeit neuer Technologien (z. B. innovativer Containerdesigns wie Faltcontainer), welche als gering eingeschätzt wird. Gleiches gilt für Lösungsansätze mit Fokus auf Equipment Tracking und Tracing mittels RFID oder die Vermeidung von Leercontainertransporten durch Ankauf von Leercontainern bei Bedarf bzw. Verkauf von überschüssigen Leercontainern in bestimmten Regionen (Bild 4). Fazit und Ausblick Zusammengefasst betreffen die größten Handlungsfelder die Bereiche Containerströme, Prozessgestaltung und Nachhaltigkeit (Bild 5). Insgesamt wird deutlich, dass die Bedeutung der Leercontainerlogistik bereits heute über alle Teilnehmergruppen hinweg als sehr hoch eingeschätzt wird. Über 80 % der befragten Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die ohnehin schon hohe Bedeutung der Leercontainerlogistik künftig sogar noch weiter zunehmen wird. Dies erhöht den Bedarf einer detaillierteren Ausgestaltung von Lösungsansätzen unter Einbezug der teils komplexen Prozesszusammenhänge sowie der unterschiedlichen Ausrichtungen aller an der Leercontainerlogistik Beteiligten. Dennoch sind Optimierungsstrategien derzeit noch nicht so stark ausgeprägt, wie es zu erwarten wäre und möglich erscheint. Nur rund die Hälfte der befragten Unternehmen mit aktiver Einflussnahme auf die Leercontainerlogistik verfügt bislang über eine diesbezügliche unternehmensinterne Strategie. Aber auch bei Kooperationsansätzen zur Optimierung der Leercontainerlogistik bestehen noch Potenziale, da nur etwa ein Drittel der Befragten derzeit Kooperationen oder Unternehmensbeteiligungen zur Optimierung der Leercontainerlogistik unterhält. Dies unterstützt die eingangs aufgestellte Hypothese, dass die Unternehmen vorwiegend unabhängig voneinander im Rahmen von „singlecompany“-Lösungen optimieren. Um die Leercontainerlogistik weiterzuentwickeln, ist aber oftmals eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit notwendig. Hier bestehen beispielsweise erste Ideen und Konzepte, Leercontainerverkehre auf der Schiene zu bündeln und mit Lastverkehren zu koordinieren oder Hinterlanddepots aufzubauen und einzubinden. Dabei handelt es sich aber um Ansätze, die unter Einbindung unterschiedlicher Beteiligter der Leercontainerlogistik bearbeitet und weiterentwickelt werden müssen. Insofern bedarf es auch entsprechender „Kümmerer“ an einem Standort, die diese Entwicklungen vorantreiben. ■  1 Vgl. Hüttmann, Barbara (2013): Empty Container Logistics in the Maritime Economy - Evidence from the North Range, Hamburg. 2 Die Teilnehmerstruktur umfasst Reedereien, Speditionen, Terminalbetreiber (Seehafen, Binnenhafen und Hinterland), Transportunternehmen, Containerdepot- und -serviceunternehmen, Containerleasinggesellschaften sowie sonstige Akteursgruppen. Barbara Hüttmann, Dr. Consultant, BSL Transportation Consultants GmbH & Co. KG, Hamburg b.huettmann@ bsl-transportation.com Mathias Lahrmann Managing Partner, BSL Transportation Consultants GmbH & Co. KG, Hamburg m.lahrmann@ bsl-transportation.com Einfach wirtschaftlich: Rolltor / Rollgitter SB • handbetätigt oder optional mit Antrieb WA-300 • einfache manuelle Bedienung bzw. antriebsschonender Torlauf dank Zugfedertechnik 23/ 13